Protocol of the Session on June 13, 2012

(Beifall bei der CDU und der Abg. Kristin Schütz, FDP)

und der Schutz der Menschenwürde steht im Zentrum des neuen Gesetzes, das betone ich nochmals ausdrücklich.

Daher stellt das neue Gesetz sicher, dass die Heimaufsicht gestärkt wird. Die Prüfungen der Heimaufsicht müssen zukünftig jährlich und in der Regel unangemeldet erfolgen. Größere Prüfabstände sind nur dann möglich, wenn eine stationäre Einrichtung im Jahr schon durch den MDK geprüft worden ist. Für diesen Fall haben wir eine enge Abstimmungspflicht zwischen den prüfenden Behörden in das Gesetz geschrieben.

Die Qualitätssicherung unserer stationären Einrichtungen wird aber nicht nur durch die staatliche Heimaufsicht garantiert. Genauso wichtig ist es, einen modernen Verbraucherschutz für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen zu gewährleisten. Die Bewohner oder Betreuer müssen jederzeit die Aufzeichnungen über sie einsehen können. Zugleich müssen sie über Beratungs- und Beschwerdestellen informiert werden. Wir wollen die Qualität von Pflege und Betreuung stärken. Der entscheidende Faktor für die Qualität der Pflege ist ausreichendes und qualifiziertes Personal; denn ohne ausreichendes Personal kann die Qualität der Heime nicht gesichert werden. Daher haben wir die Fachkraftquote nunmehr gesetzlich festgeschrieben. Sie bestimmt, dass 50 % des Personals Fachkräfte sein müssen. Ausnahmen gibt es nur dann, wenn es die Bedürfnisse der Bewohner erlauben, und dies kann ganz individuell sein.

Meine Damen, meine Herren! Ein modernes Landesgesetz muss sich der Entwicklung innovativer Wohn- und Betreuungsformen öffnen. Das bisherige Bundesheimrecht hat dies nicht ermöglicht. Daher haben wir uns dafür entschieden, dass das betreute Wohnen – eine Wohnform, die für viele Menschen bis ins hohe Alter hinein eine

angemessene und souveräne Lebensführung sichert – nicht unter dieses Gesetz fällt. Voraussetzung ist, dass die Bewohner die Wahlfreiheit haben. Wahlfreiheit heißt, dass die Bewohner selbst entscheiden, wie und durch wen sie pflegerisch versorgt werden wollen. Auch selbstbestimmte Wohngemeinschaften für Pflegebedürftige und Behinderte fallen nicht unter das Gesetz. Voraussetzung ist, dass die Mitglieder alle wesentlichen Angelegenheiten in einer Auftraggebergemeinschaft selbst regeln und von Dritten unabhängig sind. Auch hier gilt: Die Wahlfreiheit darf nicht beschränkt werden.

Auch betreute Wohngruppen für psychisch Kranke und Menschen mit Behinderung fallen nicht mehr wie bisher regelmäßig unter dieses Gesetz – das möchte ich ebenfalls nochmals betonen –, obwohl sie nicht selbstorganisiert und selbstbestimmt, sondern trägergesteuert sind. Diese selbstbestimmten Wohnformen sollen nicht unter das BeWoG fallen; denn gerade sie unterstützen die Selbstständigkeit und Selbstverantwortung der Bewohner sowie ihre Eingliederung in das gesellschaftliche Leben. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ist gelebte Inklusion.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Gleichwohl gibt es auch Wohngemeinschaften, in denen nicht selbstbestimmt gelebt wird. Diese Wohngemeinschaften müssen unter das Gesetz fallen. Darüber wurde in den vergangenen Wochen und auch heute intensiv diskutiert. Ich möchte daher das Gesetz an dieser Stelle nochmals ausführlicher erläutern.

Nach unserem Gesetzentwurf unterliegen Wohngemeinschaften für Pflegebedürftige dann der staatlichen Aufsicht, wenn sie von Dritten abhängig sind. Von Dritten abhängig sind die Bewohner dann, wenn sie nicht selbst entscheiden, wie und durch wen sie versorgt werden, wenn sie nicht selbst entscheiden können, einen Pflegedienst zu kündigen, ohne zugleich den Mietvertrag einzubüßen. In der Praxis trifft das zum Beispiel auf die Wohngemeinschaften für intensiv Pflegebedürftige und Beatmungspatienten zu.

Auch hier hat sich in der Vergangenheit sehr deutlich gezeigt, wie wichtig der staatliche Schutz ist. So berichtet „Die Welt“ im April 2012 unter dem Titel „Alleingelassen unter der Atemmaske“ vom Tod einer 44-jährigen Frau, die in einer sogenannten Beatmungs-WG langzeitbeatmet wurde. In diesem Fall musste die Kriminalpolizei Köln wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung Ermittlungen gegen die Pflegekräfte der Beatmungs-WG aufnehmen. Die staatliche Heimaufsicht besaß keine rechtliche Handhabe, um diese Beatmungs-WG zu kontrollieren. Nicht selten befinden sich solche Wohngemeinschaften in Mietwohnungen in normalen Mehrfamilienhäusern, die brandschutztechnisch und anderweitig nicht entsprechend ausgestattet sind.

Ich will es unmissverständlich formulieren: Ich will nicht, dass es in Sachsen Wohngemeinschaften gibt, die ohne Aufsicht und Qualitätsprüfung intensivmedizinisch –

hierauf lege ich Wert – Pflege von Schwerstbedürftigen betreiben. Deshalb steht in der Begründung zu unserem Gesetzentwurf, dass das Gesetz dann anzuwenden ist, wenn ein Mitglied einer Wohngemeinschaft für Pflegebedürftige während des gesamten Tages und der gesamten Nacht intensivmedizinisch-therapeutischer Maßnahmen bedarf und dafür eine Betreuungs- bzw. Pflegekraft anwesend sein muss.

Es wird auch behauptet, dass damit keine Wohngemeinschaften für Pflegebedürftige in Sachsen mehr möglich seien, ja, dass Millionen von Euros, die das Pflegeneuausrichtungsgesetz für die Anschubfinanzierung von Wohngemeinschaften vorsieht, an Sachsen vorbeigehen würden. Meine Damen und Herren Abgeordneten, das ist barer Unsinn; das stimmt nicht. Die neue Forderung der Bundesregierung wird in Sachsen alle selbstbestimmten Wohngemeinschaften erreichen, in denen Pflegebedürftige nach SGB XI leben; denn in der Gesetzesbegründung steht, dass die 24-Stunden-Intensivpflege ein Indikator für die Anwendung des Gesetzes ist. Alle anderen Maßnahmen der Pflege und Betreuung in Wohngemeinschaften, auch wenn sie 24 Stunden dauern, sind damit nicht gemeint.

Gleichwohl brauchen sicher Mitglieder einer Wohngemeinschaft von Pflegebedürftigen in den letzten Wochen vor dem Tod umfangreichere Pflege und Betreuung. Dies sei nur als Beispiel genannt. Das führt eben nicht dazu, dass die gesamte Wohngemeinschaft plötzlich dem Betreuungs- und Wohnqualitätsgesetz untersteht. Unsere Regelung zu Wohngemeinschaften – § 2 Abs. 5 des Sächsischen Betreuungs- und Wohnqualitätsgesetzes – ist eine Lex specialis. Ich betone das, weil es Schreiben gibt, in denen die Befürchtung geäußert wurde, dass Wohngemeinschaften von Behinderten – da nicht erwähnt – automatisch vom Geltungsbereich des BeWoG erfasst würden. Auch das ist nicht richtig. Behinderte leben, wie sie wollen: allein, mit ihren Familien, ihren Kindern, in Wohngemeinschaften – ohne staatliche Kontrolle. Tatsächlich gibt es aber stationäre Einrichtungen für Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen, die unter das Gesetz fallen. Das haben wir ebenfalls bereits gehört.

Darüber hinaus existieren in Sachsen betreute Wohngruppen, die bislang alle unter das Heimrecht fallen, da sie trägergesteuert und eben nicht selbstorganisiert sind. Auch hierbei haben wir uns dafür entschieden, unter bestimmten Umständen neue Wohnformen für behinderte Menschen von staatlicher Kontrolle auszunehmen. Außenwohngruppen, in denen nicht mehr als neun Menschen leben, sind dann befreit, wenn keines der Mitglieder einer 24-stündigen Betreuung bedarf; denn betreute Wohngruppen sind darauf ausgerichtet, die dort lebenden Menschen auf ein selbstbestimmtes Leben vorzubereiten und sie gesellschaftlich zu integrieren. Bei dieser Zielsetzung brauchen diese Wohngruppen keine dauerhafte staatliche Aufsicht. Es ist Aufgabe der Heimaufsicht zu prüfen, welche Wohngemeinschaften und welche betreuten

Wohngruppen dem Heimrecht unterliegen und welche nicht.

Immer wieder wurde auch die Sorge geäußert, dass der Kommunale Sozialverband, der ab dem 1. Januar 2013 für die Heimaufsicht zuständig ist, in einen Interessenkonflikt gerate, da er zugleich Kostenträger sei. Einem möglichen Interessenkonflikt hat der Gesetzgeber bereits mit der Änderung des Gesetzes über den Kommunalen Sozialverband Sachsen Rechnung getragen, die durch das Sächsische Verwaltungsneuordnungsgesetz notwendig wurde.

(Elke Herrmann, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Frau Staatsministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich würde zum Ende kommen und dann die Frage gestatten.

Sie geben mir ein Zeichen?

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Ja, gerne.

Vielen Dank.

Der KSV wurde mit der Übertragung der Aufgabe der Heimaufsicht gesetzlich verpflichtet, für diesen Bereich eine eigenständige Organisationseinheit zu schaffen. Diese eigenständige Organisationseinheit muss die Heimaufsicht in fachlicher Hinsicht unabhängig und wettbewerbsneutral wahrnehmen. Auch wurden die gesetzlichen Aufgaben des Verbandsdirektors erweitert. Demnach hat er persönlich sicherzustellen, dass die Wahrnehmung der Aufgabe der Heimaufsicht nicht durch Interessenkollision gefährdet oder beeinträchtigt wird.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Wer will das wahrnehmen?)

Die Heimaufsicht wird der KSV als Weisungsaufgabe wahrnehmen. Das heißt, dass er in diesem Bereich der fachlichen Kontrolle durch die Staatsregierung untersteht. Diese hat die Möglichkeit, fachliche Weisungen auszusprechen; an die der KSV dann gebunden ist.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! In die Zukunft können wir nicht schauen, wir können sie nur ermöglichen. Niemand weiß, wie sich die Wohn- und Pflegelandschaft in den nächsten Jahrzehnten entwickelt. Gerade deshalb wollen wir neuen, innovativen Wohnformen eine gute Startchance geben. Unsere Experimentierklausel mit ihren Befreiungsmöglichkeiten ist ein wichtiger Beitrag hierzu. Wir wollen damit Chancen eröffnen, neue Lebens

formen im Alter und bei Pflegebedürftigkeit auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln.

Sie haben mich nicht vergessen?

Am Schluss der Einbringung des Gesetzes.

Dann lassen Sie die Frage zu?

Ja, bitte.

Gut.

Der Gesetzentwurf regelt, was im Interesse und zum Schutz der Betroffenen möglich und erforderlich ist – nicht mehr und nicht weniger,

(Beifall bei der CDU und der FDP)

und es ist mir ein persönliches Anliegen, all jenen zu danken, die in der Pflege tätig sind – ambulant, stationär oder in intensivmedizinischen Einrichtungen usw., vom 1. Januar bis zum 31. Dezember, rund um die Uhr. Dafür allen sächsischen Pflegekräften meinen Respekt, meine Anerkennung und meinen Dank! – Nun die Frage, bitte.

Danke.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Frau Herrmann, Ihre Frage; bitte.

(Christian Piwarz, CDU: Am Schluss ist es ja keine Zwischenfrage!)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Nun sind wir natürlich schon ein ganzes Stück von dem weg, wozu ich die Zwischenfrage eigentlich stellen wollte, aber ich kann die Gelegenheit nutzen, mich dem Dank, den Sie eben geäußert haben, anzuschließen und die Zwischenfrage anzuhängen.

Sie haben in Ihren Ausführungen dargelegt, dass Sie neue Wohnformen zulassen, speziell auch für Menschen mit Behinderung, die nicht dem Heimgesetz unterstellt sind, und dass diese Wohnformen dazu dienen sollen, Menschen wieder in die Gesellschaft zu integrieren, und deshalb nicht der Aufsicht durch die Heimaufsicht bedürfen.

Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass eine staatliche Aufsicht, zum Beispiel durch die Heimaufsicht, dazu führt, dass Integration in die Gesellschaft nicht möglich sei. Haben Sie das so gemeint? Vielleicht können Sie es noch einmal deutlich machen. – Danke.

Ja. Es betrifft § 2 Abs. 6, in dem es

um die betreuten Wohngruppen geht. Das ist in der Begründung explizit ausgeführt. Ich kann es gern noch einmal alles vorlesen, aber definitiv wird dort individuell nach dem Einzelfall entschieden; denn letzten Endes entscheiden diejenigen selbst, mit wem sie zusammenziehen wollen. Die Selbstbestimmung steht immer im Vordergrund, auch wenn man behindert oder pflegebedürftig ist.

Sie gestatten noch eine Nachfrage, Frau Staatsministerin?

Frau Herrmann, bitte.

Das ist selbstverständlich, aber es war nicht meine Frage. Meine Frage war: Würde die staatliche Aufsicht über eine Wohngemeinschaft, die unter das Heimgesetz fällt und die wir auch als Schutz verstehen, nach Ihrer Auffassung behindern, dass Menschen in die Gesellschaft integriert werden? Denn so haben Sie es ausgeführt.