Daher sehe ich den Freistaat und das Parlament in der Pflicht, für eine angemessene Balance zwischen Aufgabenstellung und Personalausstattung zu sorgen. Im Bericht ist in diesem Zusammenhang auch auf die bereits vor der Wahl von den Opferverbänden angemahnte Neuprofilierung und institutionelle Anbindung der Behörde im Rahmen einer Gesetzesnovellierung die Rede. Nach Aussagen im Bericht finden dazu Gespräche mit der Staatsregierung und dem Landtag statt. Ich hoffe, sie kommen wirklich bald zu einem Abschluss, zumal unsere Fraktion dazu vor etwa einem Jahr einen entsprechenden Vorschlag formuliert hat.
Wir wünschen der Behörde bei ihrer Arbeit viele gewinnbringende Ideen im Sinne der geschilderten Notwendig
keit und Verantwortung, die wir zu tragen haben. Wir freuen uns mit Spannung auf den nächsten Bericht.
Abschließender Redner in der ersten Runde ist Herr Löffler für die NPD-Fraktion. Herr Löffler, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch der 19. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten macht deutlich, dass auch über 20 Jahre nach dem Ende der DDR ein hoher Beratungsbedarf für die Opfer der SED-Diktatur besteht. Wie wir dem Bericht entnehmen können, ist es vor allem dieser Teil der Arbeit des Beauftragten und seiner Mitarbeiter, der weiter gewachsen ist. Dabei geht es weniger um die Zahl, sondern mehr um die Kompliziertheit der Fälle.
Der Bericht spricht die Probleme an, die im Zusammenhang mit der Diskussion um Jugendwerkhöfe und Kinderheime in den letzten Jahren entstanden sind. Durch die öffentliche Wahrnehmung dieses Problems, das nicht nur ein Problem der untergegangenen DDR war, sind sich viele Betroffene erst ihres schweren Schicksals im ganzen Ausmaß bewusst geworden. Sie wollen es nun mit anderen Menschen aufarbeiten. Der Tätigkeitsbericht weist auch auf die langfristigen psychischen Folgen hin, die sich in den Beratungsgesprächen bemerkbar machen und die Mitarbeiter des Landesbeauftragten bis an die Grenzen ihrer eigenen Belastbarkeit bringen.
Für diese Arbeit, für dieses Zuhören gegenüber Menschen, die mit ihrer schwierigen Vergangenheit nur schwer klarkommen, gilt ihnen unser besonderer Dank.
Es sollte unbedingt geprüft werden, ob in diesem Bereich nicht eine Erhöhung der Stellenanzahl möglich ist. So erscheint auch mir eine Referentin zur Bewältigung des Briefverkehrs mit Ratsuchenden zu wenig, zumal diese nur die Hälfte ihrer Arbeitszeit für diese zeitraubende Tätigkeit aufwenden kann.
Weniger Bedeutung hatte im Berichtszeitraum die Beratung zur Akteneinsicht beim Stasi-Bundesbeauftragten. Wie sich das weiterentwickelt, wird zu beobachten sein, da der Bundesbeauftragte in den letzten Monaten ein hohes Interesse an der Akteneinsicht vermeldet hat, das auf Änderungen im Stasi-Unterlagen-Gesetz zurückzuführen ist, die insbesondere eine Einsicht von Angehörigen von Stasiopfern erleichtert haben. Möglicherweise wird es auch Auswirkungen auf die Arbeit auf Landesebene haben.
Erfreulich ist auch, dass wir dem Bericht entnehmen können, dass im Bereich der Bildungsarbeit die Anfragen aus Schulen offenbar stark gestiegen sind. Die Einführung von bundesweiten Projekttagen zum Thema 9. November scheint hier eine Entwicklung in die andere Richtung hervorgerufen zu haben, weshalb der Landesbeauftragte die Anfragen nicht mehr alle bewältigen kann.
In einem gewissen Widerspruch dazu steht die Tatsache, dass das Interesse am Auftritt von Zeitzeugen in Schulen nach wie vor gering ist. Ich finde bemerkenswert, dass der Landesbeauftragte hervorhebt, dass das Desinteresse dabei auf die Lehrer zurückzuführen ist, während die Schüler durchaus gern mit Zeitzeugen sprechen möchten.
Hier ist nach Auffassung der NPD-Fraktion das Kultusministerium gefordert. Gegebenenfalls muss ein sanfter Druck ausgeübt werden, um den einen oder anderen linken Pädagogen zu einer Beschäftigung mit dem DDRUnrecht zu drängen, auch wenn er selber lieber zum x-ten Male einen antifaschistischen Widerstandskämpfer in die Schule einladen möchte.
Bei allem Verständnis dafür, dass Lehrer nicht gegängelt werden sollten, kann es aber auch nicht sein, dass die persönlichen, politischen und historischen Vorlieben den Schülern einseitig nahegebracht werden sollen. Ich will hier durchaus nicht alle Pädagogen in einen Topf werfen. Aber eine linke Tendenz ist leider unverkennbar. Dabei spielt sicher auch eine Rolle, dass man sich bei der Beschäftigung mit der DDR-Vergangenheit vielleicht auch selbst kritische Fragen zur eigenen Biografie stellen müsste. Da ist es bequemer, sich mit weiter zurückliegenden Perioden der Geschichte zu beschäftigen.
Meine Fraktion wird auch weiterhin ein nachhaltiges Aufklärungsinteresse an Verbrechen des Staatssicherheitsdienstes der DDR haben. So informierte sich erst kürzlich eine Besuchergruppe meiner Fraktion im StasiGefängnis in Bautzen über die Methoden der Unterdrückung, Erpressung und Folter des Geheimdienstes der SED-Diktatur zum Erhalt ihrer Macht.
Dass ehemalige Funktionäre von Blockparteien, wie zum Beispiel der heutige Ministerpräsident Tillich, in seiner damaligen Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises von Kamenz an Enteignungen beteiligt waren und es heute in höchste Staatsämter geschafft haben, zeigt, dass die Aufarbeitung von Unrecht und Verstrickung noch lange nicht beendet sein kann.
Eher blass sind die am Anfang des Berichtes angekündigten eigenen Akzente des neuen Landesbeauftragten geblieben. Verstärkte Medienauftritte allein sind noch kein Beweis für eine qualitativ bessere Arbeit, sondern eher Ausdruck der persönlichen Eigenheiten des neuen Amtsinhabers, der ein größeres Bedürfnis nach Selbstdarstellung verspürt als sein Vorgänger. Insofern bleiben Zweifel, die die NPD-Fraktion hinsichtlich der Eignung von Herrn Rathenow bei seiner Wahl hatte, leider auch weiter bestehen. Wir wollen hier aber zwischen dem Amt und der Person unterscheiden und werden der Beschlussvorlage deshalb zustimmen.
Meine Damen und Herren! Mir liegen keine Wortmeldungen für eine zweite Runde vor. Damit würde ich fragen, ob die Staatsregierung das Wort ergreifen möchte? – Herr Staatsminister, Dr. Martens, dazu haben Sie jetzt Gelegenheit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde nicht sagen, die Einlassungen von Herrn Besier haben es verdient, aber sie sind doch Anlass, vorweg einige Bemerkungen dazu zu machen.
Herr Prof. Dr. Dr. Besier, Sie haben sich hier deutlich unter Wert verkauft. Das betrifft nicht Ihre historische Kontinuität im Kampf der Linken gegen die Einrichtung und Arbeit des Beauftragten. Das war normal. Was mich erschreckt hat, war das erbärmliche Niveau Ihres Beitrages:
Wenn Sie sich über Druckfehler des Berichtes mokieren oder Ihre sichtbare Freude nicht verhehlen können an der von Ihnen entdeckten Erosion des Landesbeauftragten – – Was zynisch war, war Ihre Entdeckung, dass die Arbeit des Landesbeauftragten inzwischen eher psychotherapeutischen Charakter hätte, wenn Sie feststellen, dass es der Beauftragte mit Leuten zu tun hat, die an posttraumatischen Belastungsstörungen leiden.
Das kommt offensichtlich in Ihrer Welt nicht vor. Das können Sie sich nicht vorstellen. Zynisch ist auch Ihre Beschwörung des Vergessens als eine Ihnen sehr willkommene anthropologische Eigenschaft, wie Sie gesagt haben. Diesen Beitrag, Herr Prof. Dr. Dr. Besier, hätte auch Volker Külow halten können.
Aber er hat es nicht getan, sondern Sie, und bei Ihren Kenntnissen über die Wirkmechanismen totalitärer Systeme des 20. Jahrhunderts muss man Ihnen das verübeln. Das war nichts weiter als die eloquente Opferverhöhnung durch einen eitlen Salonsozialisten.
Meine Damen und Herren! Der Sächsische Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR hat seinen 19. Tätigkeitsbericht für den Zeitraum 1. Juli 2010 bis 30. Juni 2011 vorgelegt. Damit fielen in den Berichtszeitraum sowohl die Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit als auch das Gedenken an den 50. Jahrestag des Mauerbaus.
Anlässlich dieser Ereignisse und der damit verbundenen breiten Aufmerksamkeit ist die Auseinandersetzung mit
der DDR-Vergangenheit wieder intensiver in die öffentliche Betrachtung gerückt. Unabhängig davon hat die Arbeit der Behörde eine entscheidende Zäsur durch das Ausscheiden des bisherigen Landesbeauftragten, Michael Beleites, erfahren. Für sein engagiertes Wirken möchte ich an dieser Stelle nochmals einen besonderen Dank und aufrichtige Anerkennung aussprechen.
Dank gebührt auch Frau Dr. Nancy Aris, die als Stellvertreterin bis zum Amtsantritt des Nachfolgers, Herrn Rathenow, kommissarisch bis Mai 2011 vertreten hat. Der neue Landesbeauftragte konnte dabei an die erfolgreiche Arbeit seiner Vorgänger anknüpfen. Ein entscheidendes Aufgabenfeld war die Beratung betroffener Bürger in Sachsen, wobei sich der Schwerpunkt weg von der Beratung zu den reinen Akteneinsichtsgesuchen hin zu ausführlichen Beratungen zur Rehabilitierung und zur Opferrente verlagerte. Dies ist insbesondere dem überregionalen Einsatz des Landesbeauftragten zu verdanken, der mit seinem Beratungsangebot in einer Vielzahl sächsischer Gemeinden präsent war.
Die beachtliche Zahl von 1 341 Beratungsgesprächen zeigt, dass immer noch ein erheblicher Beratungsbedarf trotz wachsenden Zeitabstandes zum Untergang der SEDDiktatur besteht.
In den Bereichen der Öffentlichkeitsarbeit und politischen Bildung sind zahlreiche Projekte erfolgreich weitergeführt oder fortentwickelt und ausgebaut worden. Dies gilt insbesondere für die Projekte in den Schulen, zum Beispiel das Projekt „Der Fall in der Tasche – Beispiele aus dem Alltag Jugendlicher in der DDR“. Zusätzlich wurde in den Schulen das Projekt „Zwischen Wahrheit, Fiktion und Manipulation – Ein deutsch-deutscher Zeitungsvergleich“ angeboten, der nicht nur Wissen zu Ereignissen der Zeitgeschichte vermittelt, sondern die Schüler auch zur Auseinandersetzung mit dem Thema der Manipulation durch die Medien anregt. Das Theaterprojekt „Alles auf Hoffnung – Vom Mitmachen und Aufbegehren am Ende der DDR“ lässt die Schüler in das Leben in der DDR und die Ereignisse der friedlichen Revolution eintauchen.
Dem neuen Landesbeauftragten gelang es in relativ kurzer Zeit gleichwohl, neue Akzente zu setzen. So startete er ein umfangreiches Zeitzeugenprogramm, im Rahmen dessen bis jetzt 30 Zeitzeugen interviewt und zu ihren Erfahrungen in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR befragt wurden. Auf diese Weise kann ihr Wissen und Erfahrungsschatz bewahrt werden. Dieses Material soll Schulen, aber auch Gedenkstätten und der Forschung zur Verfügung gestellt werden.
Hervorheben möchte ich aus den zahlreichen Aktivitäten auch die mobile Busausstellung mit dem Titel „1989 – Unser Aufbruch 2009“. Diese zunächst nur befristet geplante Ausstellung tourt inzwischen im dritten Jahr durch Sachsen.
Die Sächsische Jugendstiftung als Träger entwickelte zu der vorhandenen Ausstellung gezielt ein Konzept für
Schüler der unterschiedlichen Schultypen, das eine jugendgerechte interaktive Auseinandersetzung gewährleistet. Dabei war der Bus im Berichtszeitraum nicht nur in 36 Schulen zu sehen, sondern auch auf diversen öffentlichen Plätzen in Sachsen, unter anderem auch zum Tag der Deutschen Einheit und zum Jugendgeschichtstag. Überall ist diese Ausstellung auf eine beachtliche Resonanz gestoßen.
Die Lehrerfortbildung lag dem Landesbeauftragten weiter am Herzen. Zu nennen ist hier die Veranstaltung unter dem Motto „Das Thema Mauerbau im Geschichtsunterricht“, und in Kooperation mit dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Europa fanden für Rechtsreferendare in Dresden, Leipzig und Chemnitz Fortbildungsseminare statt. Im Mittelpunkt standen dabei die Rolle der Justiz und der Staatssicherheit in der DDR sowie Fragen der Rehabilitierung von DDR
Neben dieser mannigfaltigen Beratungs-, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit nimmt die Kooperation des Landesbeauftragten mit den Beauftragten anderer Länder, mit dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des MfS, vor allem aber auch die Zusammenarbeit mit den Verfolgtenverbänden und deren Aufarbeitungsinitiativen sowie der Stiftung Sächsische Gedenkstätten breiten Raum ein.
Zur Förderung der Arbeit der Opferverbände hat der Freistaat ab 2011 Mittel in Höhe von 100 000 Euro je Förderjahr bereitgestellt. Vor diesem Hintergrund sind mit dem Landesbeauftragten seitens meines Hauses Förderrichtlinien entwickelt worden, die die wertvolle und ehrenamtliche Tätigkeit der Verbände auch in der Zukunft sichern sollen und werden.
Meine Damen und Herren! Im Namen der Sächsischen Staatsregierung möchte ich mich an dieser Stelle für die geleistete Arbeit des Landesbeauftragten bedanken. Die sachliche Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte, dem SED-Machtapparat und seiner Funktionsweise ist nach wie vor von außerordentlicher Bedeutung, um vor allem junge Menschen für die Werte unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu sensibilisieren und immer wieder der alten Ignoranz entgegenzutreten.
Sie möchten vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen, ist das richtig? – Dann dürfen Sie dies tun; bitte, Frau Junge.