Die hier vorgesehene gemeinsame Überwachungsstelle der Länder ist demgegenüber deutlich billiger. Das Herzstück des Systems ist die Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder, kurz: GÜL. Sie ist rund um die Uhr besetzt und wird die von der Fußfessel ausgesandten Alarmmeldungen entgegennehmen und bewerten. Zu diesem Zweck wird in der GÜL Fachpersonal beschäftigt. Dieses Fachpersonal wird die Alarmmeldungen ebenso wie Anfragen der Probanden bearbeiten und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Insbesondere wird es Kontakt zu dem Probanden aufnehmen und ihn auf einen etwaigen Verstoß hinweisen sowie Möglichkeiten zur Lösung seiner Probleme suchen.
Da es sich hierbei um eine hoheitliche Aufgabe des Freistaates handelt, die auf die Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder übertragen werden soll, ist hierfür rechtstechnisch der Abschluss eines Staatsvertrages erforderlich. Mit dem vorliegenden Staatsvertrag tritt Sachsen der GÜL bei und überträgt ihr seine Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufenthaltsüberwachung nach § 68b Strafgesetzbuch.
Weitere Verwendungsmöglichkeiten, die hier von der Opposition angesprochen worden sind, wie etwa die Anwendung der Fußfessel bei der Außervollzugsetzung von Haftbefehlen, also zur Vermeidung der Untersuchungshaft, die Anordnung des Tragens der Fußfessel als Bewährungsweisung oder der Einsatz zur Vermeidung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen oder zur Überwachung vollzugsöffnender Maßnahmen – all diese im Staatsvertrag genannten Möglichkeiten werden in Sachsen nicht angewendet, und sie sollen auch nach dem Willen der Staatsregierung nicht angewendet werden; das haben wir bereits wiederholt gesagt.
Zunächst liegen die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen – etwa im Bereich des Justizvollzugs für eine Anwendung der Aufenthaltsüberwachung zur Haftvermeidung – überhaupt nicht vor. Hier muss ich auch Frau Friedel widersprechen, wenn sie sagte, dass die Fußfessel Möglichkeiten zur Haftvermeidung mit sich bringen würde. Nein, dem ist nicht so. Die elektronische Fußfessel ist ausschließlich im Bereich der Führungsaufsicht vorgesehen. Sie hat also nichts mit Haft oder Haftvermeidung zu tun.
Meine Damen und Herren! Darüber hinaus sind die vorgenannten Zwecke vom vorliegenden Vertragswerk überhaupt nicht umschlossen. Sie sind nicht Gegenstand des Vertragswerkes. Nach Artikel 4 des Staatsvertrages besteht nur die Möglichkeit, dass das Land der GÜL durch gesonderte Vereinbarung – darauf lege ich Wert – weitere Überwachungsaufgaben übertragen kann. Der vorliegende Staatsvertrag – nur um diesen geht es mit diesem Zustimmungsgesetz des Landtages – sieht diese Möglichkeit nicht vor.
Um es noch einmal unmissverständlich zu sagen: Sollte eine solche Übertragung stattfinden, brauchen wir zwei Dinge: erstens eine Übertragung der Aufgabe per Staatsvertrag auf das Land Hessen, denn mit der Übertragung
würde der gegenwärtige Aufgabenkanon des Staatsvertrages geändert werden. Zweitens, wir brauchen einen Änderungsstaatsvertrag, und der ist, wie jedermann weiß, als Staatsvertrag durch den Landtag zustimmungspflichtig. Drittens, wir brauchen vorher eine materielle Eingriffsgrundlage, um eine solche Maßnahme vorzusehen. Auch diese gibt es nicht. Auch solche wären nur möglich, wenn der Gesetzgeber dafür eine gesetzliche Grundlage schafft.
Herr Staatsminister, ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, ob Sie an der Anhörung selbst teilgenommen haben. Meine Frage war damals – deshalb ist es mir wichtig, das noch einmal zu bekräftigen –, welchen Rechtscharakter diese gesonderten Vereinbarungen haben. Es ist im Gesetz nicht von Verträgen die Rede, sondern von Vereinbarungen. Sind das Verwaltungsvereinbarungen? Ist das ein erneuter Staatsvertrag, also ein Nachfolgestaatsvertrag, oder welche sonstige rechtliche Grundlage ist das?
Daraufhin hat der Vertreter des Hessischen Staatsministeriums, Dr. Fünfsinn – also derjenige, der jetzt der Vertreter des Partnerlandes ist, bei dem die entsprechende Stelle eingerichtet wird –, geantwortet: „Man kann diese Frage nicht präzise beantworten, man kann aber sagen: Je nachdem, welche Rechtsgrundlage gefunden wird, gilt das dann dafür auch, dass es je nachdem, ob ein hoheitlicher Eingriff infrage steht, wahrscheinlich ein Staatsvertrag oder ein Zusatzprotokoll oder auch ohne Staatsvertrag mit Verwaltungsvereinbarung …“.
Das, was Sie jetzt wiedergegeben haben, ist ein Zugriff auf einen Änderungsstaatsvertrag. Um es noch einmal deutlich zu machen: Zur Übertragung weiterer Aufgaben gemäß Artikel 4 des vorliegenden Staatsvertrages ist nach jetziger Auffassung meines Hauses und der Staatsregierung eine Vereinbarung nötig, die – soweit es sich um die Übertragung hoheitlicher Befugnisse handelt – in Form eines Staatsvertrages abzuschließen ist.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch etwas zu der möglichen Alternative sagen. Die mögliche Alternative zu diesem Staatsvertrag besteht nicht darin, den Gesetzesbefehl des Bundesgesetzes zu
ignorieren und einfach zu sagen: Wir machen jetzt gar nichts. Das ist nicht möglich. Wir könnten allenfalls sagen: Wir machen ein eigenes sächsisches elektronisches Aufenthaltsüberwachungssystem.
Also sind wir uns einig, dass diese Aufgabenübertragung erstens zwingend notwendig ist, dass sie zweitens in der vorliegenden Form mit der Übertragung auf die Gemeinsame Überwachungsstelle in Hessen die kostengünstigste und effektivste Variante ist und – das kann ich noch einmal klarstellen – dass drittens weitere Überwachungen oder Befürchtungen, man könnte solche damit einrichten, unbegründet sind.
Meine Damen und Herren! Ich kann keine weiteren Wortmeldungen erkennen. Entsprechend § 46 Abs. 5 Satz 1 der Geschäftsordnung schlage ich Ihnen vor, über den Gesetzentwurf artikelweise in der Fassung des Ausschusses abzustimmen. Änderungsanträge liegen mir nicht vor.
Aufgerufen ist das Gesetz zum Staatsvertrag vom 19. Mai 2011 über die Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses, Drucksa
che 5/8988, über die Überschrift „Gesetz zum Staatsvertrag über die Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder“. Wer der Gesetzesüberschrift seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen und zwei Gegenstimmen ist der neuen Überschrift mehrheitlich zugestimmt worden.
Meine Damen und Herren! Ich rufe Artikel 1 auf. Wer Artikel 1 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen und einer Gegenstimme ist Artikel 1 mehrheitlich zugestimmt worden.
Meine Damen und Herren! Ich rufe Artikel 2 auf. Wer Artikel 2 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen und drei Gegenstimmen ist Artikel 2 mehrheitlich zugestimmt worden
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Schlussabstimmung. Ich stelle den Entwurf Staatsvertrag über die Errichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder in der in der 2. Lesung beschlos
senen Fassung als Ganzes zur Abstimmung. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen und drei Gegenstimmen ist der Entwurf als Gesetz beschlossen.
Meine Damen und Herren! Mir liegt noch ein Entschließungsantrag vor. Ich frage die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, ob sie ihn noch einbringen möchte. – Bitte schön, Frau Herrmann.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben eben ausführlich darüber diskutiert und sind der Meinung, dass einige Fragen, die mit der Einführung der elektronischen Fußfessel zusammenhängen, unbeantwortet geblieben sind. Deshalb handelt es sich um einen Versuch, von dessen Ausgang wir nicht überzeugt sind.
Es stört uns vor allen Dingen, dass es ein Versuch ist, bei dem wir nicht einmal vereinbart haben, dass nach einer gewissen Zeit die Entwicklung und die Auswirkungen dieser elektronischen Fußfessel überprüft werden sollen. Deshalb legen wir Ihnen einen Entschließungsantrag vor, der dies fordert. Es handelt sich, wie gesagt, um einen Versuch. Es ist nicht geklärt, ob die elektronische Fußfessel überhaupt geeignet ist, das Ziel, das wir damit verbinden, zu erfüllen, nämlich Straftaten zu verhindern.
Wir wissen nicht, wie stark die präventive Wirkung der elektronischen Fußfessel auf die Probanden ist, die unter Führungsaufsicht stehen und für die wir jetzt mit diesem Staatsvertrag die elektronische Fußfessel vorgesehen haben.
Herr Minister hat richtig ausgeführt, dass eine Meldung an die elektronische Überwachungsstelle erst in dem Moment erfolgt, in dem die Auflagen nicht eingehalten worden sind. Es bleibt völlig unklar, wie die fachliche Bewertung durch die Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder erfolgen soll und ob sie das überhaupt leisten kann.
Wer nimmt die Bewertung vor? Der Minister hat hier von Fachpersonal gesprochen. Was versteht er unter Fachpersonal? Vollzugsbeamte? Kriminalisten? Angestellte für Datenverarbeitung? – Das alles sind Bedenken, liebe Kolleginnen und Kollegen, die zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeräumt worden sind.
Falls das Justizministerium bisher damit geliebäugelt hat, dass es eine Sparmaßnahme sein könnte, dann empfehle ich, sich das Anhörungsprotokoll durchzulesen. Dort ist beschrieben, dass diese Stelle rund um die Uhr besetzt sein muss, also zu allen Tages- und Nachtzeiten sieben Tage die Woche. Das bedeutet natürlich auch, dass die Aufsichtsstellen, die in Sachsen bei der Staatsanwaltschaft angesiedelt sind, ebenfalls 24 Stunden erreichbar sein müssen, um den entsprechenden Meldungen Maßnahmen folgen lassen zu können.
Die Befürchtungen, was einen inflationären Einsatz, also den Gebrauch über den jetzt von uns beschlossenen
Einsatz hinaus angeht, haben wir soeben diskutiert. Es konnte keine Einigkeit hergestellt werden. Wir haben gehört, was der Minister gesagt hat. Man kann dem auch insoweit Glauben schenken, was ich auch tun würde, aber trotzdem handelt es sich um eine Öffnungsklausel in diesem Staatsvertrag, über die ich nicht glücklich bin.
Ja, ich komme zum Schluss. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es kommt zu diesem Zeitpunkt entscheidend darauf an, dass der Prozess der Einführung der elektronischen Fußfessel kritisch begleitet wird. Wir wollen das mit dem Entschließungsantrag erreichen. Wir wollen regelmäßige Berichte. Wir wollen, dass bei Fehlentwicklungen entsprechende Konsequenzen gezogen werden. Wir wollen einen Bericht über den Einsatz und die Zielerreichung haben. Deshalb bitte ich Sie, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen.
Ich frage die Fraktionen, ob zum Entschließungsantrag noch jemand Stellung nehmen möchte. – Das ist nicht der Fall. Die Staatsregierung? – Das ist auch nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag, Drucksache 5/9064, zu Drucksache 5/7638. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen Dafür-Stimmen ist der Entschließungsantrag mehrheitlich nicht beschlossen und der Tagesordnungspunkt ist beendet.