Protocol of the Session on April 3, 2012

tum Mittelmaß war. Ich bitte Sie darum, das zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kommen wir zu dem eigentlichen Text, der heute von Staatsminister Morlok verlesen wurde. Ich muss sagen, ich bin einigermaßen entgeistert darüber, was uns hier geboten wurde. Sie haben uns über eine halbe Stunde lang einen Haufen Obersätze angeboten, ohne sie inhaltlich in irgendeiner Form zu untersetzen. Sie haben sich überall bedankt: bei den Unternehmen, die Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen, bei Frau Cordt und der Bundesagentur für Arbeit, den Jobcentern und den zugelassenen kommunalen Trägern. Klar, es ist wichtig, diesen Institutionen und Personen zu danken. Das möchte ich auch tun. Ich danke ihnen vor allen Dingen dafür, dass sie diesen Minister kompensieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was Sie hier angeboten haben, Herr Morlok, reicht einfach nicht. Es reicht nicht, ein Loblied auf den sächsischen Arbeitsmarkt zu singen und die Herausforderungen dabei zu vergessen. Sie sind weder auf aktuelle Probleme eingegangen noch haben Sie Lösungsansätze für die grundlegenden Probleme des sächsischen Arbeitsmarktes angeboten. Seit Wochen sind die Medien voll von Meldungen über die Insolvenz von Schlecker. Sachsen ist einer der Hauptakteure, die zum Scheitern einer bundesweiten Lösung für die betroffenen Arbeitnehmerinnen beigetragen haben, auch wenn Sie hier versucht haben, das anders darzustellen. Mehr als halbgare Ankündigungen, Sachsen habe einen sogenannten Plan B, waren nicht zu hören. Ich zitiere Herrn Staatsminister Morlok: „Wir haben in Sachsen eine Lösung mit dem Ziel einer Stellenvermittlung der Schlecker-Mitarbeiterinnen in neue Arbeit vorbereitet.“ Wie diese Lösung konkret aussieht, haben Sie uns auch heute wieder nicht verraten. Sie haben zwar viele Worte zum Thema verloren, aber in der Sache haben Sie nichts gesagt.

So komme ich zu dem Schluss: Sie haben eine bundesweite Transfergesellschaft nicht etwa verhindert, weil Sie ein besseres Konzept hatten, sondern weil sich die FDP um jeden Preis profilieren wollte, koste es was es wolle.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Kommen wir zu den grundsätzlicheren Herausforderungen des sächsischen Arbeitsmarktes. Wir haben heute schon gehört, wie positiv sich der sächsische Arbeitsmarkt entwickelt hat und, ja, es gibt diese positiven Entwicklungen; es ist auch legitim, diese darzustellen und sich darüber zu freuen. Aber von einem Staatsminister, der zumindest nominell auch für das Thema Arbeit zuständig ist, erwarte ich, dass er nicht nur die lichten Seiten darstellt, sondern dass er auch die bestehenden Probleme benennt und Lösungsansätze skizziert. Herausforderungen gibt es genug. Das ist mit der Großen Anfrage, die meine Fraktion vor einiger Zeit zum Thema Arbeitsmarkt gestellt hat, sehr deutlich geworden. Die Antworten, die

unter anderem aus Ihrem Haus gekommen sind, relativieren in sehr erheblichem Maße das von Staatsminister Morlok weichgezeichnete Bild des sächsischen Arbeitsmarktes. Das beginnt beispielsweise bei den Themen Niedriglohn und Leiharbeit. Dieser Teil der Arbeitnehmer macht einen Großteil des Morlokschen Jobwunders aus. Im Bereich der Leiharbeit liegt der Anteil der Niedriglöhne in Sachsen bei 61,3 %. Im Durchschnitt aller Wirtschaftsbereiche sind es dagegen nur 23 %. Der Anteil der Aufstocker unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten beträgt in Sachsen bei Leiharbeitern 10,7 %, bezogen auf alle sächsischen Wirtschaftsbereiche dagegen sind es 4 %.

Gerade die selbst ernannten Wirtschaftsprofis von der FDP brauchen das nicht schönzureden. Sie müssten doch mittlerweile registriert haben, dass das Einkommen einen maßgeblichen Einfluss auf die sächsische Wirtschaft hat. Allianz-Chefvolkswirt Heise hat erst kürzlich eine gute Binnennachfrage zur Bedingung einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung im laufenden Jahr gemacht; denn der Außenhandel stagniert infolge der schwachen Nachfrage aus den europäischen Krisenländern. Höheren Haushaltseinkommen folgt mehr privater Konsum.

Was geschieht in Sachsen? Hier ist die Zahl derjenigen, die sogenannte Armutslöhne, das heißt, weniger als 50 % des durchschnittlichen Einkommens, beziehen, in den letzten zehn Jahren weiter angestiegen. Wie Hohn klingt auch die Aussage der Staatsregierung auf die Große Anfrage, der Lohn bilde sich am Markt aufgrund der Produktivität des Arbeitnehmers. Herr Morlok, wenn das stimmt, dann müssten Sie betteln gehen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Die Koalition hat bisher nichts unternommen, um der Lohndrückerei Einhalt zu gebieten. Die neue Strategie heißt Lohndumping mit Werkverträgen. Mit diesen Verträgen umgehen manche Unternehmen sogar den niedrigen Mindestlohn in der Leiharbeit, sie umgehen Tarifverträge und Equal-Pay-Regelungen. Die Situation ist absurd. Stammbelegschaften werden durch Leiharbeitskräfte verdrängt, die jetzt wiederum durch Werkvertragsbeschäftigte ersetzt werden. Die Lohndumpingspirale dreht sich weiter. Diese Entwicklung muss gestoppt werden, und das geht aus meiner Sicht nur mit einem gesetzlichen Mindestlohn.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und des Abg. Martin Dulig, SPD)

Wie uns die Große Anfrage zum sächsischen Arbeitsmarkt zeigte, hat die Staatsregierung zu den Folgen des Fachkräftemangels in der sächsischen Wirtschaft keine Informationen, oder sie will möglicherweise die Wahrheit nicht aussprechen. Sachsens Wirtschaft läuft Gefahr, aufgrund ihrer Kleinteiligkeit der Verlierer beim Wettbewerb um Fachkräfte zu sein. Deshalb braucht Sachsen endlich eine Fachkräftestrategie.

Nun haben Sie, Herr Morlok, heute Morgen einen Kabinettsbeschluss zu einer solchen Fachkräftestrategie für die kommenden Wochen angekündigt. Das ist gut, das begrüße ich ausdrücklich. Aber mir fehlt das Vertrauen, wenn Sie uns zu diesem Thema hier nur Allgemeinplätze anbieten. Ich zitiere: „Es beginnt zunächst mit der frühkindlichen und schulischen Erziehung und Bildung.“ Noch konkreter ging es an dieser Stelle wohl nicht.

Dann haben Sie bei den spärlichen Eckpunkten Ihrer Fachkräftestrategie zu Recht auf das Thema lebenslanges Lernen abgestellt. Sie haben dabei vor allem Weiterbildungsschecks im Blick – sicherlich eine sinnvolle Maßnahme, aber etwas relativieren muss ich sie schon: Sie haben gerade voller Stolz verkündet, 95 % der über Weiterbildungsschecks geförderten Maßnahmen gingen an Arbeitnehmer mit unterdurchschnittlichen Einkommen, das heißt mit Bruttoeinkommen von weniger als 2 500 Euro monatlich. Herr Morlok, ganz ehrlich, das ist kein Kunststück, wenn man sich vor Augen hält, dass das Durchschnittseinkommen in Sachsen laut Statistischem Landesamt im Jahr 2011 bei 2 600 Euro für Vollzeitbeschäftigte und bei 1 660 Euro für Teilzeitbeschäftigte lag.

Gleichzeitig berauben Sie Ihr Instrument der Weiterbildungsschecks der Durchschlagskraft, wenn Sie zwar einerseits Arbeitnehmern einen Zuschuss für Weiterbildung gewähren, andererseits aber Arbeitnehmer keinen gesetzlichen Anspruch haben, solche Maßnahmen auch besuchen zu dürfen. Gerade angesichts der unbefriedigenden Weiterbildungsquote insbesondere auch in kleinen Betrieben besteht hier Handlungsbedarf. So heißt es beispielsweise im Sächsischen Technologiebericht 2009 – ich zitiere –: „In diesem Zusammenhang ist auch auf die geringen Weiterbildungsquoten hinzuweisen, die in Deutschland insgesamt deutlich niedriger als in anderen Ländern und in Sachsen nochmals unterdurchschnittlich sind. Nicht nur im Blick auf verstärkte Innovationsaktivitäten, sondern auch mit Blick auf eine allgemeine Verbesserung liegen hier offensichtlich noch unausgeschöpfte Potenziale.“

Wie Sie wissen, hat meine Fraktion einen Entwurf für ein Sächsisches Bildungsfreistellungsgesetz vorgelegt. Wir wollen die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen, nämlich einen gesetzlich geregelten Anspruch auf Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen. Dabei haben wir nicht nur die Interessen der Arbeitnehmer im Blick, sondern auch die Interessen der kleinen Unternehmen. Unternehmen, die weniger als zehn Angestellte haben, sollen einen Lohnkostenzuschuss von bis zu 45 Euro pro Tag erhalten, wenn ein Mitarbeiter Bildungsurlaub in Anspruch nimmt.

Ich hoffe auch, dass die Staatsregierung, dass CDU und FDP ihre Blockadehaltung gegenüber unserem Gesetzentwurf im Zuge der Beratungen in den Ausschüssen und anschließend im Plenum aufgeben. Es passt einfach nicht zusammen, wenn Sie hier auf der einen Seite Ihre Weiterbildungsschecks loben, die etwa 0,2 % der Arbeitnehmer erreichen, und auf der anderen Seite gegen ein aus Ihrer

Sicht wirkungsloses Gesetz polemisieren, das aber zumindest 2 % der Arbeitnehmer erreicht.

Sie haben auch das Thema Zuwanderung und Ansiedlung von Fachkräften als Herzensthema bezeichnet. Das ist durchaus richtig. Das Thema Zuwanderung gehört mit in die Diskussion um die Fachkräftesicherung in Sachsen. Mit Inkrafttreten der Arbeitnehmerfreizügigkeit zum 1. Mai 2011 ist es nun auch für osteuropäische Fachkräfte möglich, ohne bürokratische Hürden und rechtliche Einschränkungen in Deutschland zu arbeiten. Fachkräfte aus den übrigen Ländern der Welt sehen sich hingegen mit einem restriktiven und hochdifferenzierten Zuwanderungsrecht konfrontiert. Die Vorstöße des Freistaates Sachsen im Bundesrat zur Vereinfachung der Zuwanderungsbedingungen sind ein Schritt in die richtige Richtung, der offenbar nun auch auf Bundesebene Gehör zu finden scheint.

Das gilt allerdings noch mehr in Bezug auf die Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse. Hier wollen wir ein individuelles Recht auf Anerkennungsverfahren, bei denen die volle Anerkennung nur bei wesentlichen Unterschieden verwehrt werden soll. Ziel muss eine Verfahrensdauer von nicht mehr als drei Monaten sein. Begleitend brauchen wir ein flächendeckendes Angebot an Informations- und Beratungsstellen sowie mehrsprachige Publikationen zum Thema Anerkennung. Bei den landesrechtlich geregelten Berufen gibt es noch nicht genügend Angebote für berufliche Anschluss- und Anpassungsmaßnahmen, und auch die Kooperation der Bundesländer ist an dieser Stelle verbesserungsbedürftig. Anerkennungsbescheide für Berufe in Länderzuständigkeit sollten bundesweit gültig sein. Die Staatsregierung kann hier zur treibenden Kraft werden, wenn sie den Willen zur Gestaltung mitbringt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der rechtliche Rahmen ist aber nur eine Seite der Medaille. Ausländische Fachkräfte werden sich nur dann für Sachsen als Arbeits- und Lebensort entscheiden, wenn sie attraktive Rahmenbedingungen vorfinden. Dazu gehören die Absicherung von Kita und Schule für die Kinder, Arbeitsmöglichkeiten für Partner oder Partnerinnen sowie reale Chancen auf soziale Teilhabe genauso wie eine Willkommenskultur im Freistaat Sachsen. Ich habe so meine Zweifel, dass Sachsen für ausländische Fachkräfte ernsthaft attraktiv sein wird; denn es hat sich ganz einfach herumgesprochen, dass Sachsen ein massives Problem mit dem Thema Rechtsextremismus hat, und es hat sich genauso herumgesprochen, dass Sachsen mit diesem Problem bestenfalls halbherzig umgeht.

Es ließe sich jetzt noch eine Reihe von weiteren Problembaustellen identifizieren und diskutieren. Es sind auch schon viele benannt worden: die Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt etwa oder die Spaltung des Arbeitsmarktes, die durchaus realistisch ins Haus steht. Auf all diese Fragen haben Sie heute keine Antworten geliefert, Herr Morlok. Ich habe das, ehrlich gesagt, nach Ihrer bisherigen Leistung als Staatsminister nicht ernsthaft

erwartet, aber enttäuschend ist es schon. Das haben die Sächsinnen und Sachsen und das hat der Freistaat Sachsen nicht verdient.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Nun die NPDFraktion. Herr Abg. Delle, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss gestehen, dass meine Fraktion trotz statistischer Zahlenspielereien bezüglich der Arbeitslosenzahlen diese Fachregierungserklärung nicht erwartet hatte. In Kenntnis der Großen Anfrage seitens der Fraktion der GRÜNEN, die im September mehr oder weniger beantwortet wurde, und angesichts der derzeitigen Debatte um die Rettung oder besser gesagt Nichtrettung der Schlecker-Arbeitsplätze gingen wir davon aus, dass Herr Staatsminister Morlok über jeden Tag froh wäre, an dem er nicht über den sächsischen Arbeitsmarkt reden müsste.

Herr Morlok, Sie bedankten sich dafür, dass die Sachsen – Unternehmen wie Arbeitnehmer – in der Krise Mut bewiesen hätten. Ich sage Ihnen: Es blieb ihnen ja auch nichts anderes übrig, denn sie konnten sich die Krise schließlich nicht aussuchen. Vielmehr sollten Sie, die politische Führung, jetzt Mut beweisen und diese Krise, die entgegen Ihrer Meinung noch nicht ausgestanden ist, endlich konsequent und nachhaltig angehen. Diesen Mut zur Emanzipation gegenüber Brüssel, IWF und WTO besitzen Sie aber leider nicht.

Doch scheint die Staatsregierung den Umstand momentan etwas gesunkener Arbeitslosenzahlen – übrigens eine Entwicklung, die aufgrund schuldenfinanzierter milliardenschwerer Konjunkturprogramme auch nur schwerlich zu verfehlen gewesen wäre – als ihre herausragende Leistung darstellen zu wollen. Das ist ungeachtet der heutigen Gegenreden der Opposition an sich schon eine Beleidigung des Intellekts der sächsischen Bürger.

Außerdem, meine Damen und Herren, sind knapp 11 % Arbeitslosigkeit nach wie vor kein Grund, die Sektkorken knallen zu lassen. Wir sprechen nach wie vor über immerhin mehr als 230 000 Erwerbslose in Sachsen in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Und nicht nur das! Sachsen verzeichnet auch circa 213 000 geringfügig Beschäftigte und Ein-Euro-Jobber. Von einer blühenden Landschaft kann arbeitsmarktpolitisch folglich noch lange nicht gesprochen werden.

Leider befürchte ich, Herr Staatsminister Morlok, dass Sie für eine blühende Arbeitsmarktlandschaft auch der falsche Arbeitsminister sind – ersichtlich nicht zuletzt daran, dass Hunderte weitere arbeitslose Verkäuferinnen im Freistaat dieser Tage dem Konto der FDP gut- bzw. schlechtzuschreiben sind.

Auch bei den sogenannten schwer vermittelbaren Jugendlichen scheuen Sie sich nicht, sich hier hinzustellen und lediglich die Unternehmen aufzufordern, diesen Integrati

onsprozess in den Arbeitsmarkt vorzunehmen, während Sie selbst sich zurücklehnen wollen. Oder haben Sie nicht gesagt, dass man trotz mangelnder Ausbildungsfähigkeit nicht nachqualifizieren müsse, weil Sie unterstellen, dass diese Jugendlichen ohnehin keinen Bock auf Schule hätten? Unternehmen, macht mal, auf dass die Politik nichts weiter tun muss! Vielleicht ist es betreffend FDP aber auch tatsächlich besser, wenn die Politik nichts tut – wer weiß.

Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit Arbeitsmarkt und demografischem Niedergang ist immer häufiger auch vom Fachkräftebedarf die Rede, so auch heute wieder. Gemäß der Antwort auf die Große Anfrage der GRÜNEN sieht die Staatsregierung einen Fachkräftebedarf bis 2025 von über 200 000 dementsprechend qualifizierten Arbeitnehmern. Das war es aber auch schon, denn über eine Branchenanalyse oder konkrete Qualifikationsbedarfe verfügt man nicht. Und obgleich man immer das Wort „Zuwanderung“ im Munde führt, besitzt man zumindest keine Klarheit über die Zuwanderung von Fachkräften. In dieser Situation dann auch noch großmundig eine Fachkräftestrategie anzukündigen halte ich schon für etwas verwegen.

Darüber hinaus besitzt man nicht wirklich den Überblick bezüglich der Arbeitsmarktlage. Auch wenn besagte Große Anfrage nicht aus meiner Feder stammte, so habe ich sie insbesondere in Vorbereitung auf die heutige Fachregierungserklärung noch einmal gelesen und mich dann wieder gewundert, was die Staatsregierung eigentlich alles nicht weiß. Und über das, wovon Sie, Herr Morlok, nichts wissen – das verstehe ich natürlich –, können Sie heute schwerlich sprechen. Sie haben zum Beispiel keine Angaben zur Niedriglohnquote oder zum Qualifikationsgrad der prekär einzustufenden Verhältnisse, und Sie verfügen über kaum einen Überblick zur Situation der Leiharbeit, als ob dies alles nichts mit dem sächsischen Arbeitsmarkt zu tun hätte. Man scheint zwar verstanden zu haben, dass die Höhe der Löhne und Gehälter in einem direkten Zusammenhang mit den Beiträgen für die Sozialsysteme steht, doch herrscht dennoch Ahnungslosigkeit, wie viele Geringverdiener beispielsweise den Sprung über die Niedriglohngrenzen schaffen, und es liegen auch keine verwertbaren Erkenntnisse über die Lohnhöhen, gemessen an diversen Betriebsgrößenstrukturen, vor.

Können Sie uns sagen, Herr Morlok, wie Sie bei dieser mangelhaften Datenlage den sächsischen Arbeitsmarkt zukunftsgerecht und chancenorientiert gestalten wollen? – Sie wissen ja nicht einmal bei dem wenigen, das Sie überhaupt gestalten wollen, darüber Bescheid, was daraus wird. Oder können Sie uns vielleicht etwas über die Nachhaltigkeit der in den letzten Jahren geförderten Existenzgründungen in Sachsen sagen? – Das würde mich einmal interessieren. Vielleicht werfen Sie einmal einen kurzen Blick von Freistaat zu Freistaat, nämlich nach Bayern, das ebenfalls schwarz-gelb regiert wird, und nehmen sich ein Beispiel an deren regelmäßigen Sozialberichten und staunen über deren Datenfülle.

Ich möchte, gemessen an dem, was Sie uns heute gesagt haben – bzw. auch nicht gesagt haben –, Herr Morlok, noch einmal die Drucksache 5/6325 bemühen und es mir nicht nehmen lassen, auf die Migranten im Arbeitsmarkt zu sprechen zu kommen. Die Staatsregierung nimmt dezidiert von einer Bewertung der von den Migrationsgruppen mitgebrachten beruflichen Qualifikationen und auch deren Passgenauigkeit zu den Erfordernissen des sächsischen Arbeitsmarktes Abstand. Ja, warum eigentlich?, frage ich mich. Ich bin mir sicher: Gäbe es hierzu nur ein wenig Wünschenswertes zu berichten, wäre man längst in gleichgeschalteter Manier in multikulturelle Jubelarien ausgebrochen. Dem ist wohl mitnichten so und nur knapp über 100 Migranten, die seit immerhin 2007, also seit fünf Jahren, eine Existenzgründerförderung in Anspruch genommen haben, lassen wahrlich nicht darauf schließen, dass durch diese exorbitant viele Arbeitsplätze in Sachsen geschaffen wurden. Die Staatsregierung macht hierzu auch keine Angaben.

Eines wissen wir aber dennoch: dass es ein Förderprogramm beruflicher Qualifizierungsprojekte für daueraufenthaltsberechtigte Ausländer gibt, woraus durchaus Rückschlüsse zu den seitens der Staatsregierung nicht beantworteten Fragen zu ziehen sind. Zugewandert wird offenbar zahlreich, nur eben keine Fachkräfte. Daher auch eine sachsenweit mehr als doppelt so hohe Arbeitslosenquote unter Ausländern.

Der Appell der NPD kann daher nur lauten, in der Zuwanderungsfrage endlich einmal – wirklich endlich einmal – im nationalen Interesse zu handeln und darauf zu achten, was uns nutzen kann, und nicht darauf, was uns ausnutzen kann.

(Beifall bei der NPD)

Herr Minister Morlok, ich möchte noch einmal auf den Arbeitstitel Ihrer Regierungserklärung zurückkommen „… – zukunftsgerecht und chancenorientiert“. Wie sah dies denn bislang aus, unabhängig ob unter CDU-Alleinregierung, unter Schwarz-Rot oder gegenwärtig unter Christlich-Liberal? – Nehmen Sie zur Kenntnis, meine Damen und Herren: Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit in Sachsen ist heute um durchschnittlich 18 Tage länger als im Schnitt der letzten zwölf Jahre.

Wenn in Sachsen bei künftig drastisch sinkenden Transfermitteln ebenso zukunfts- und chancenorientiert gehandelt wird wie in den vergangenen Jahren, dann darf man sich um die Aufnahmekapazität des sächsischen Arbeitsmarktes wahrlich Sorgen machen. Hierzu sei noch angemerkt, dass mehrere Zehntausend Sachsen zu ihrem Arbeitsplatz in benachbarte Bundesländer pendeln und somit nicht dem sächsischen Arbeitsmarkt angerechnet werden dürfen.

Bei „zukunftsgerecht“ denkt man in allererster Linie an die Jugend im Freistaat. Doch im Länderranking der Jugendarbeitslosigkeit befindet sich Sachsen nicht einmal unter den Top Ten. Auch ist Sachsen nicht gleich Sachsen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Lage in Bautzen,

Leipzig oder auch Oschatz nach wie vor bei Weitem nicht zufriedenstellend ist.

Es ist sozialpolitisch mehr als bedenklich, wenn man mehr als zwei Drittel der Arbeitslosen dem Rechtskreis des SGB II zurechnen muss, wie dies nicht nur in Bautzen, sondern in der sächsischen Gesamtsicht der Fall ist. Im Arbeitsamtsbezirk Leipzig gilt dies sogar für über drei Viertel der Arbeitslosen.

Herr Staatsminister Morlok, Herr Ministerpräsident Tillich, begehen Sie nicht den Fehler, das schuldenfinanzierte konjunkturelle Strohfeuer als nachhaltigen Konsolidierungstrend zu missdeuten, und hüten Sie sich erst recht davor, damit von den tief greifenden Problemen ablenken zu wollen, die Ihre verfehlte Finanz-, Wirtschafts-, Währungs- und Europapolitik uns bereits beschert und vor allem noch bescheren wird!

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.