Protocol of the Session on March 8, 2011

Das ist nett, Frau Ministerin.

Aber auch, Frau Strempel, wenn Sie die Praxisgebühr schönreden, so wurden doch die Ziele der Praxisgebühr nicht erreicht. Frau Herrmann und Frau Neukirch hatten noch einmal unterstrichen, dass es Alternativen zu diesem Steuerungsinstrument Praxisgebühr gibt. Dort muss sich die Bundesebene mit den zuständigen Ministern der Länder einfach etwas anderes einfallen lassen.

Die Praxisgebühr ist und bleibt eine unerwünschte Nebenwirkung der Gesetzgebung. Zu unerwünschten Nebenwirkungen der Gesetzgebung, liebe Bürgerinnen und Bürger, liebe Abgeordnete in Sachsen, fragen Sie bitte vor Ort Ihren Politiker!

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer ganzen Anzahl von Stimmen dafür ist dennoch der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Erklärung zu Protokoll

Es wäre politisch unreif, sich auf parlamentarischer Ebene darüber streiten zu wollen, wer zuerst eine bestimmte Idee hatte. Sowohl LINKE als auch NPD haben die Praxisgebühr seit jeher abgelehnt und zwar weitgehend aus den gleichen, stichhaltigen Gründen. Schade ist aber eben aus diesem Grunde, dass die LINKE, die heute einen Antrag auf ersatzlose Streichung der Praxisgebühr stellt, nicht schon einem inhaltlich nahezu identischen NPD-Antrag im Oktober 2005 zustimmte. Damals beantragten wir eine Bundesratsinitiative zur Änderung des GKV-Modernisierungsgesetzes mit dem Ziel der Abschaffung der Praxisgebühr. Sie stimmten dagegen, und zwar aus zwei Gründen, die Herr Dr. Hahn für die „Linksfraktion.PDS“ damals vortrug: Zum einen, weil unserer Ablehnung der Praxisgebühr angeblich kein gesundheitspolitisches Gesamtkonzept zugrunde liege, und zum anderen natürlich aus den üblichen, sogenannten „antifaschistischen" Abgrenzungsritualen heraus.

Zu dem letztgenannten Punkt kann ich nur sagen: Ihr Verhalten ist symptomatisch für eine Partei, die mit einer Bundespräsidenten-Kandidatin namens Beate Klarsfeld antritt, deren einzige politische Botschaft ein zur Schau getragener Antifaschismus, ihre lebenslange Jagd auf

sogenannte „Nazis“ und die Verstetigung der deutschen Schuldknechtschaft ist. Von originär „linker“ Politik und einem sozialpolitischen Profil ist die Kandidatin der LINKEN als bekennende Hartz-IV-Anhängerin und Sarkozy-Fan jedenfalls weiter entfernt als jeder noch so neoliberale Politiker in Deutschland. Aber so, wie es zu SED-Zeiten früher hieß: „Hauptsache, der richtige Klassenstandpunkt“, so heißt es für die LINKE heute: „Hauptsache, gegen rechts“. Da wird man dann eben auch schon mal über Nacht unfreiwillig zum Verteidiger der Praxisgebühr, nur um den Vorschlägen der sogenannten Nazis nicht folgen zu müssen – und seien sie noch so richtig.

Das zweite Argument, das Sie damals vorbrachten, war das des angeblich fehlenden „gesundheitspolitischen Gesamtkonzepts“. Dabei ist das eine Lüge; denn die NPD hat schon sehr lange ein Gesamtkonzept, das unter anderem auf die Schaffung einer einheitlichen Volks-Gesundheitskasse hinausläuft, an der alle Deutschen sich solidarisch zu beteiligen haben und mit der der unüberschaubare, bürokratische und kostentreibende Wildwuchs der vielen Krankenkassen beseitigt werden soll. Nur haben Sie sich damit eben nie auseinandergesetzt, weil Sie es wohl für unter Ihrer Würde halten, sich mit den Konzepten ihrer

eigentlichen politischen Gegner überhaupt zu befassen. Auch daran erkennt man die demokratie- und verfassungsfeindliche Haltung der mittlerweile dreifach umbenannten und durch westdeutsche Kommunistenkader radikal aufgeladenen SED, pardon, jetzt Linkspartei. Welch ein Gegensatz zur NPD, die sich nicht nur die Mühe macht, trotz alledem auch die Konzepte der LINKEN genauestens unter die Lupe zu nehmen.

Weil wir als NPD-Fraktion rein sachlich über Ihren Antrag beraten haben, stimmen wir diesem im Ergebnis natürlich zu, auch wenn in ihm natürlich überhaupt kein „gesundheitspolitisches Gesamtkonzept“ formuliert ist. Jedenfalls ist Ihr Antrag nebst Begründung immer noch weitaus substanzieller als die absolut oberflächliche Stellungnahme der Staatsregierung, die hier nur noch kleinlaut schreibt, die Intention, die der Gesetzgeber mit der Praxisgebühr verfolgte, „scheint tendenziell eingetreten zu sein“.

Dabei glaubt hieran nicht einmal mehr Ex-BundesGesundheitsminister Rösler, FDP, der im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung bereits vergangenes Jahr sagte: „Die Praxisgebühr hat nichts gebracht“ (www.sued- deutsche.de vom 04.03.2011). Und so verweist die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme vom Januar 2010 auf den

nunmehr vor fast zweieinhalb Jahren geschlossenen Koalitionsvertrag der Bundesregierung, in dem diese die Überführung der Praxisgebühr in ein angeblich „unbürokratisches Erhebungsverfahren“ vereinbarte. Diese fragwürdige und vage Hoffnung der Staatsregierung wurde noch im Dezember 2011 durch Minister Rösler höchstselbst getrübt mit seiner Klarstellung: „Die Koalition hat noch nicht einmal über das Thema Praxisgebühr beraten.“ Flankiert wurde diese Aussage von Forderungen nach Einführung einer neuen Gebühr in Höhe von 5 Euro pro Arztbesuch, was aber noch bürokratischer und noch unsozialer wäre als das jetzige System.

Die Praxisgebühr, meine Damen und Herren, hat nach meiner Beobachtung dazu geführt, dass sozial Schwache notwendige Arztbesuche bis zum Gehtnichtmehr aufschieben, was jeder medizinischen Vernunft widerspricht, während gleichzeitig die Zahl der Arztbesuche insgesamt nicht reduziert werden konnte. Damit ist die angestrebte Steuerungsfunktion der Gebühr nach hinten losgegangen. Diese Gebühr gehört abgeschafft, ersatzlos – wie von LINKEN und NPD gleichermaßen gefordert. Wir können und werden diesem Antrag vorbehaltlos zustimmen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

Haushalt 2013/2014 – Gerecht und solide

Drucksache 5/8385, Antrag der Fraktion der SPD

Es beginnt die einreichende Fraktion. Danach folgen CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile nun Herrn Abg. Panter das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Und ganz speziell meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition! Mit unserem vorliegenden Antrag wollen wir Sie an gute Politik erinnern. Es ist auch sehr nötig. Wir wollen Sie daran erinnern, dass Sie sich mit Ihrer Politik an unserem Freistaat versündigen. Anders kann man es leider nicht ausdrücken.

Unser Antrag ist zwar immer noch kein Blick in die Zukunft des neuen Doppelhaushalts. Aber schon mit den vorliegenden Punkten können wir Ihnen zeigen, wie ein gerechter, wie ein solider Haushalt in Sachsen aussehen könnte.

Die Realität in Sachsen sieht aber leider anders aus. Wir haben ja heute schon von den Digedags gehört. Wir können auch noch andere Comics bemühen, weil Sie Haushaltspolitik wie Dagobert Duck machen, getreu dem Motto: alles schön im Speicher, damit keine Verwandten davon etwas abbekommen.

Das ist eben schwarz-gelbe Realität in Sachsen: Sie horten Geld ohne Sinn und Verstand.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Deshalb ist aber Dagobert Duck auch so eine gute Allegorie; denn er möchte seinen Reichtum eben ständig vermehren, ist dabei aber auch die geizigste Ente weit und breit.

Das Beispiel dürfen wir aber nun nicht zu sehr bemühen, da müssen wir aufpassen, denn es gibt einen Unterschied zwischen Dagobert Duck und der Staatsregierung: Dagobert Duck hortet sein eigenes Geld, wohingegen Sie das Geld der Bürgerinnen und Bürger im Freistaat horten.

Ich denke, am Geiz der Staatsregierung wird sich auch im nächsten Doppelhaushalt nichts ändern. Die Folgen dieser Politik sind aber jetzt schon sichtbar: fehlende Lehrer, wir haben zu wenig Krippenplätze, das zweitniedrigste Lohnniveau. Wir haben diese ganzen Punkte schon oft im Plenum debattiert.

So sieht aber die Realität in Sachsen aus: dass die Erfolge der Aufbaujahre nach 1990 jetzt hier verspielt werden. Sie ruhen sich auf Erfolgen aus, die vor 20 Jahren auf den Weg gebracht wurden, und es kommt nichts Neues hinzu. Mit dieser bornierten Haushaltspolitik läuft Sachsen Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Was wir brauchen, ist ein bundesweit attraktives Land als Wirtschafts- und

Lebensstandort. Deshalb brauchen wir auch Investitionen in die Zukunft.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

Dazu gehören zum Beispiel Investitionen in Schulbauten, in Kitaplätze genauso wie neue Personalstellen für mehr Lehrer.

(Beifall bei der SPD)

Noch einmal zur Realität. Es gleicht doch in Sachsen einem Sechser im Lotto, wenn man einen Krippenplatz ergattern will, und das ist nicht nur in den großen Städten, sondern das ist flächendeckend der Fall. Aber auch die Jobsituation von Eltern ist gefährdet, wenn man für seine Kinder keinen Krippenplatz findet.

Wir müssen gute Infrastruktur zur Verfügung stellen, damit wir auch dort nicht den Anschluss verlieren. Es reicht nicht aus, einfach nur auf gute statistische Werte zu verweisen. Wir müssen uns – ich habe es jetzt schon mehrfach gesagt – an den Realitäten messen. Die Realität sagt, dass Sie schon im letzten Doppelhaushalt zum Beispiel das Landesprogramm Kita-Invest auf null zusammengestrichen haben.

Sie werden der Kürzungsorgie treu bleiben. Ich habe in einer Pressemitteilung gelesen, dass der Haushalt wieder auf 16 Milliarden Euro anwachsen soll. Damit scheint aber auch klar, dass eigentlich keinerlei Kürzungen zurückgenommen werden, weil es zur Ehrlichkeit dazugehört zu sagen, dass dieser scheinbare Aufwuchs dadurch zustande kommt, dass wir als Land die Kosten der Grundsicherung im Alter jetzt vom Bund zum Teil, ab 2014 voll, erstattet bekommen und deshalb auch der Haushalt in seinem Volumen anwächst.

Ich habe aber Sorge, dass Sie – wie in anderen Bereichen – dort, wo der Bund uns als Land, eigentlich als „Land und Kommunen“, Geld zur Verfügung stellt, als Koalition wieder klebrige Finger zeigen werden. Es ist ja nun eine altbewährte Praxis, dass der Finanzminister Herr Unland sehr klebrige Finger hat. Man muss aufpassen, dass man ihm nicht zu oft die Hand gibt, sonst ist sie weg.

(Heiterkeit bei der SPD)

Wie sieht es im Bereich der Wirtschaftsförderung aus? Wir wollen uns nicht nur auf die vordergründig konsumtiven Ausgaben beschränken. Es ist doch unstrittig, dass wir in Sachsen daran arbeiten müssen, eine selbsttragende Wirtschaftsstruktur zu befördern. Es ist doch auch unstrittig, dass wir als Freistaat noch Nachholbedarf haben. Wir liegen in Sachsen bei ungefähr 65 % der Steuerquote der Länder. Wir haben es in den letzten 20 Jahren geschafft, ungefähr 20 % aufzuholen, das heißt, wir haben in einer großen Leistung die Steuerquote wirklich deutlich verbessert.

Wenn ich aber den Ministerpräsidenten, der leider gerade nicht anwesend ist, und auch den Wirtschaftsminister, den ich auch nicht sehen kann, die ganze Zeit irrlichtern sehe,

dass wir 2020 Geberland werden sollen, dann weiß ich nicht, in welcher Welt sie leben.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Dr. Monika Runge, DIE LINKE)

Den Länderfinanzausgleich, in dem wir 2020 Geberland sind, will ich nicht haben.

(Martin Dulig, SPD: Ja, das stimmt!)

Das Ganze ist doch, wenn man es klar sagen will, ein Trauerspiel. Leider Gottes leben wir nicht in Entenhausen, sondern im Freistaat, und wir müssen uns mit dem auseinandersetzen – leider Gottes auch mit der Koalition. Da passieren solche Dinge wie zum Beispiel Kürzungen im Bereich der Wirtschaftsförderung, das Programm „Regionales Wachstum“ wurde einfach ersatzlos gestrichen – ein erfolgreiches Programm von Thomas Jurk für unseren sächsischen Mittelstand. Die Alternativen – ich will nicht sagen, dass die Waschanlagen und die Videotheken unwichtig sind –; aber mehr konnte ich bisher leider noch nicht erkennen.

Nein, stimmt nicht, halt, eines noch: der Steuerklau, der vor allem auf die FDP zurückzuführen ist, denn wir wollen ja zugunsten der Hoteliers etwas tun – auf Kosten unserer sächsischen Bürgerinnen und Bürger und unseres Haushaltes. Es ist wirklich ein absolutes Trauerspiel.

Dass wir uns hier aber nicht falsch verstehen: Als SPDFraktion wollen wir keine Wolkenkuckuckshäuser malen. All unsere Forderungen, die wir aufstellen – auch jene, die wir für den nächsten Doppelhaushalt aufstellen werden –, sind ohne Neuverschuldung möglich. Wir können das ohne jedes Problem in unseren Antrag hineinschreiben – auch deshalb, weil wir auf die Angstmacher des letzten Doppelhaushaltes zurückblicken können. Wie war es denn: Oh, Wirtschaftskrise, Finanzkrise – wir müssen unbedingt kürzen, wir müssen die Milliarde pro Jahr einsparen, weil wir sonst in massive Schieflage kommen.

Ich erinnere mich noch an die Debatten, die wir geführt haben; aber wie sieht denn die Realität aus? Mitte November vergangenen Jahres gab es eine regionalisierte Steuerschätzung des Finanzministers, derzufolge Steuermehreinnahmen in Höhe von 653 Millionen Euro zu erwarten waren, wenn ich mich recht entsinne. Komischerweise haben wir im Januar dieses Jahres einen kassenmäßigen Abschluss gesehen, in dem dann die gleiche Tabelle stand: Steuern, steuerindizierte Einnahmen. Danach beliefen sich die Mehreinnahmen für 2011 schon auf 854 Millionen Euro. Da frage ich mich doch: eine ganz schöne Vermehrung in anderthalb Monaten – nicht schlecht! Wo geht denn der Weg hin?

Auf die Nachfrage im Haushalts- und Finanzausschuss, wie denn diese Zahlenunterschiede in so kurzer Zeit zu erklären sind, habe ich nur leere Gesichter gesehen. Es wurde gesagt: Oh, da müssen wir das nächste Mal im HFA noch einmal auf Sie zukommen, das können wir jetzt nicht sagen. Über eine Staatsregierung und ein Finanzmi

nisterium, das nicht einmal weiß, wie viel Geld wir einnehmen, mache ich mir wirklich ganz große Sorgen.

Das ist die sogenannte Politik der ruhigen Hand – ich habe eher die Sorge, das ist die Politik der toten Hand, aber wir werden sehen.