Protocol of the Session on March 8, 2011

Ich bin nicht ganz ehrlich. Ich war sehr erstaunt, als ich gestern in der Regierungserklärung das erste Wort über die Solarwirtschaft hörte. Zitat: „Sachsen ist Solarland.“ „Nur ein Beispiel für die große Dynamik.“

Nächsten Montag ist hier in Sachsen die feierliche Werkseinweihung bei Heliatek. Da gibt es wieder schönen Sekt und schöne Bilder für Sie, Herr Ministerpräsident. Die nimmt unser Gute-Laune-Sachse gerne mit. Aber handeln im Interesse der sächsischen Solarindustrie will er nicht.

Meine Damen und Herren! Am 9. März, also morgen, wird die 1. Lesung des Gesetzentwurfes zum Abwürgen der deutschen Solarindustrie im Bundestag stattfinden. Das Gesetz wird voraussichtlich am 11. Mai im Bundesrat sein. Bei einem Einspruch der Länder mit Zweidrittelmehrheit würde die Mehrheit von Schwarz-Gelb im Bundestag nicht ausreichen, um diesen Einspruch zu überstimmen. Darin liegt des Pudels Kern. Es liegt auch an Ministerpräsident Stanislaw Tillich, ob er bereit ist, die sächsische Solarindustrie verkommen zu lassen oder ob er

sie retten möchte. Sie können sich hier nicht verstecken und so tun, als ob Sie das nichts anginge.

(Andreas Heinz, CDU, steht am Mikrofon.)

Herr Lichdi, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Vielen Dank, nein.

(Proteste von der CDU)

Herr Tillich, das ist Ihr Auftritt und nicht der von Herrn Heinz. Schließen Sie mit Herrn Haseloff, Herrn Seehofer und Frau Lieberknecht eine Allianz. Gestern haben Sie in Ihrer Halbzeitbilanz hier im Haus wörtlich gesagt: „Sachsens Stimme wird gehört in Deutschland.“ Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, die Stimme für die sächsische Solarbranche zu erheben.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD – Zuruf des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Meine Damen und Herren! Wir erkennen in dem beabsichtigten Abwürgen der Solarbranche den Angriff der atomar-fossilen Branche auf die Energiewende und die erneuerbaren Energien überhaupt. Sie haben diesen Angriff gut vorbereitet, indem Sie den Leuten weismachen, dass Fotovoltaik die Strompreise und den Netzausbau teuer machen würde.

(Tino Günther, FDP: Ist ja auch so!)

Das können Sie noch so oft behaupten, es ist aber einfach nicht richtig. Schon jetzt ist die Einspeisevergütung niedriger als der Verbraucherpreis. Das heißt, es lohnt sich in Zukunft mehr, den auf dem Dach produzierten Solarstrom selbst zu verbrauchen, anstatt ihn sich vergüten zu lassen.

Die Energiewende wird weitergehen. Das ist sicher, und zwar deshalb, weil die technologischen und Kostenvorteile der Erneuerbaren jetzt zum Tragen kommen werden. Die Frage, die wir heute zu entscheiden haben, ist nur, ob wir dies in Form von deutschen Arbeitsplätzen und Wertschöpfung hier im Lande ernten und ob wir die Dividende der Bemühungen der letzten 20 Jahre der Technologieentwicklung ernten oder ob wir kurz vor dem Ziel diesen Erfolg aus den Händen geben werden.

Ich fordere Sie auf: Sorgen Sie dafür, dass aus dem Solar Valley in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt nicht ein Death Valley wird, auf das Sie noch eine Prise Braunkohlestaub streuen können.

(Tino Günther, FDP: Feinstaub!)

Wie sprach unser Mustersachse, Herr Tillich, im Jahre 2010? Zitat: „Spätestens in drei Jahren zum 20-jährigen Jubiläum sehen wir uns wieder.“ Das haben Sie, Herr Tillich, den SOLARWATT-Arbeitern versprochen. Demnächst sind die drei Jahre um. Ich hoffe wirklich, dass Sie Ihr Versprechen halten können. Aber dafür müssen Sie jetzt handeln.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Meine Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Abg. Breitenbuch.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Hat der alte Hexenmeister sich doch einmal wegbegeben! Und nun sollen seine Geister auch nach meinem Willen leben.“

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 das Erneuerbare-EnergienGesetz verabschiedete, sah die Welt in Deutschland und in Sachsen noch ganz anders aus. Der Wille der Bundesregierung und auch der Landesregierungen, die Entwicklung alternativer Energieerzeugungen anzureizen, um deren Aufbau zu fördern, stand unter dem Vorzeichen eines in ferner Zukunft prognostizierten, geordneten Ausstiegs aus der Atomverstromung und der Endlichkeit fossiler Energieträger. Keine Hysterie um ein europäisches Horrorszenario mit Blick auf Fukushima und übereilte Entscheidungen, nicht der Blick auf die volkswirtschaftliche Wirkung von künftigen Energiepreisen bildeten die Grundlage der Entscheidung, sondern der Wille, durch die Festsetzung von Vergütungssätzen für die Einspeisung alternativer Energien – technologiedifferenziert und damals wirtschaftlich sinnvoll überhaupt – den Aufbau und Ausbau von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien zu fördern.

Zwölf Jahre später, noch nachgeschoben durch Fukushima und den übereilten Atomausstieg, erleben wir in Deutschland unter der Wirkung des ErneuerbareEnergien-Gesetzes folgende Situation:

Erstens. Die erzeugte Strommenge aus Onshore

Windkraftanlagen hat sich seit dem Jahr 2000 in Deutschland auf das 3,5-Fache erhöht. Das ist eine durchaus erfreuliche, wirksame und harmonische Entwicklung. Der Anteil der erzeugten Leistungen aus Windkraft an allen erneuerbaren Energien in Deutschland lag im Jahr 2000 bei 58 % und im Jahr 2010 bei 46 %. Der Anteil an der Vergütung für die Einspeisung betrug im Jahr 2000 100 %, im Jahr 2010 hingegen nur 25 %.

Zweitens. Ich komme zur Solarverstromung. Die erzeugte Strommenge aus Solarverstromung hat sich im Zeitraum von 2000 bis 2010 auf das 153-Fache erhöht. Der Anteil der erzeugten Leistungen aus Solarenergie an allen erneuerbaren Energien in Deutschland lag im Jahr 2000 bei 0 % und im Jahr 2010 bei 14,2 %. Der Anteil an der Vergütung für die Einspeisung betrug im Jahr 2000 für die Solarenergie wiederum 0 % und im Jahr 2010 – man merke an – bei fast 40 %.

Ein Siebtel der erzeugten Strommenge aller erneuerbaren Energien in Deutschland verschlingt fast die Hälfte aller Einspeisevergütungen für die damit aus meiner Sicht bereits lange überförderte Technologie.

Die Windhundrennen zum Absenkungsstichtag sind uns allen geläufig geworden. Wir sehen doch alle die Goldgräberstimmung in diesem Bereich, die immer wieder aufflackert. Wir wissen, dass irgendjemand das bezahlen muss.

Meine Damen und Herren! Mit Blick auf diese Entwicklung von volkswirtschaftlich sinnvoller Entwicklung zu sprechen und keinen Nachsteuerungsbedarf bei Kosten und Zubaumenge zu sehen, ist politisch unverantwortlich und ökonomisch blind. Dieses Bild von ökologischer Einseitigkeit und blindem Aktionismus zeichnet die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit dem vorliegenden Antrag: Erst mal kurz die Welt retten!

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Staatsministers Sven Morlok)

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Die CDU im Bund und auch wir in Sachsen stehen klar zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Dies ist notwendig, um die Energiewende in Deutschland und in Europa erfolgreich und ohne Defizite für den Verbraucher zu meistern. Es kann uns aber nicht darum gehen, eine Technologie so exorbitant zu fördern, ohne den energiewirtschaftlichen Zusammenhang im Auge zu behalten und unsere Verantwortung für private Haushalte und unsere Wirtschaft als Energieverbraucher zu vernachlässigen. Darauf haben wir immer hingewiesen.

Erzielte Renditen von 8 % bis über 15 % für Fotovoltaikanlagen und für deren Betreiber bei einer 20-jährigen Sicherheit sind natürlich interessant und für Anleger eine gute Alternative, besonders auch in der Finanzkrise im Vergleich zu Staatsbürgschaften europäischer Länder. Aber genau diese Entwicklung betrachte ich als falsch. Sie erzeugt, ähnlich wie bei Staatsbürgschaften durch staatliche Zusagen und Förderungen, einen Hype, eine Blase, der zwar kleine technologische Fortschritte bei den Herstellern erzeugt und kurzfristig Arbeitsplätze schafft, eine nachhaltige Entwicklung in einer globalen Welt aber nicht sicherstellen kann und damit in der Struktur gefährdet.

Apropos Globalisierung: Im Jahr 2004 kamen zwei Drittel der PV-Systeme aus Deutschland, heute sind es nur noch 20 %. Ein Großteil kommt aus China. Die weltweiten Kapazitäten sind fast nur zur Hälfte ausgelastet, deswegen ein riesiger Preisdruck. Das Markenbewusstsein fehlt zurzeit, ich will nicht sagen völlig, aber dadurch sehr. Es geht nur noch um Quantität und nicht so sehr um Qualität.

Warum, meine Damen und Herren, werden in einem Land mit so wenig Sonnenstunden wie Deutschland so viele Flächen mit Fotovoltaikanlagen zugepflastert? Weil es sich wirtschaftlich lohnt, wenn man die Förderung einrechnet, und nicht weil sich die Erzeugung von sich aus rechnet.

Die Zeche zahlt der Verbraucher, der Stromkunde, festgelegt für die nächsten 20 Jahre. 100 Milliarden Euro sind bis heute an Subventionen in die Fotovoltaik geflossen.

Schon heute zahlt jeder Durchschnittshaushalt jährlich bis zu 70 Euro allein für den Sonnenstrom.

(Volker Bandmann, CDU: Hört, hört!)

Hinzu kommen die Belastungen aus Windstrom, Biogasstrom etc. Die Tendenz ist steigend.

Wer hierbei nicht erkennt, dass ein Umsteuern notwendig ist, der nimmt seine politische Verantwortung nicht wahr. Das sehen wir so eindeutig. Die Absenkung der Einspeisevergütung ist ein richtiger Weg zur Normalisierung der Entwicklung im Bereich des weiteren Ausbaus der Fotovoltaik. Bereits im Jahr 2009 zeichnete sich mit der letzten Novelle eine solche Entwicklung ab. Auch die Bundeskanzlerin hat das im Jahr 2010 klar angesprochen. Hier von Vertrauensbruch zu sprechen ist falsch.

Betrachten wir einmal die Kette der Entwicklungen. Getrieben durch die Gewinnerwartungen durch eine 20jährige Sicherheit hoher Einspeisevergütung haben Unternehmen in Deutschland und auch in Sachsen investiert. Hersteller und auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen im Handwerk haben von dieser Entwicklung profitiert und werden auch weiterhin davon profitieren. Jedoch kann das Wachstum an Anlagen und damit die weitere überbordende Belastung der Verbraucher nicht so weitergehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Darüber sind wir uns in der Koalition auf Bundesebene und auch in Sachsen einig. Wir fühlen uns verpflichtet, daran etwas zu ändern.

Mit der Verschiebung des Absenkungstermins vom 09.03. auf den 01.04. hat der Bund, besonders die Bundestagsfraktion, reagiert und Verlässlichkeit in der politischen Willensbildung und den daraus resultierenden Effekten für die Branche geschaffen. Das, meine Damen und Herren, ist der Vertrauensschutz, den eine Regierung leisten muss und den die Energiewirtschaft insgesamt in Deutschland braucht – und das nicht nur im Bereich der erneuerbaren Energien. Stichtage hin oder her: Wichtig bleibt Verlässlichkeit, auch zur Vermeidung rechtlicher Gerichtsauseinandersetzungen. Das müssen wir von Sachsen aus immer wieder deutlich machen.

Wir leisten im Bereich der Forschung und Entwicklung auch weiterhin unseren Beitrag, um die Technologieführerschaft unserer Unternehmen im Bereich der Fotovoltaik sicherzustellen. Klasse statt Masse, Qualität statt Quantität – das war immer die sächsische Erfolgsformel. Sächsische Hersteller und Zulieferer sind weltweit anerkannt. An ihnen ist es, Märkte zu erschließen, die außerhalb Deutschlands liegen, sich derzeit entwickeln und die in ihren geografischen Verhältnissen wesentlich bessere Rahmenbedingungen bieten, als das in Regionen in Deutschland je geboten werden kann. An den Märkten der Welt liegen Wachstum und Beschäftigung unserer Solarindustrie.

„In die Ecke, Besen! Besen! Seid’s gewesen. Denn als Geister ruft euch nur, zu seinem Zwecke, erst hervor der alte Meister.“

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Staatsministers Sven Morlok)

Das war Herr von Breitenbuch für die CDU-Fraktion. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Dr. Runge. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Erzeugung von Solarstrom und erneuerbare Energien sind mit dem Gesetz für erneuerbare Energien unbestritten eine Erfolgsgeschichte in Deutschland geworden und hat vor allem in Mitteldeutschland und deutschlandweit zu einer völlig neuen Industriebranche geführt, nämlich die in den erneuerbaren Energien und speziell die der Solarindustrie.

Das hat viele Tausende Arbeitsplätze gebracht und zur Technologieführerschaft in wesentlichen Bereichen der erneuerbaren Energien in der Welt geführt. Das ist nicht nichts, sondern das ist sehr viel. 60 Staaten haben sich an dieser gesetzlichen Regelung ein Vorbild genommen und sie teilweise in etwas modifizierter Form übernommen.

Mit der Einführung dieses Gesetzes hat die Branche insgesamt eine Lernkurve hingelegt. Die Kürzungen in der Solarförderung, die seit 2008 bis heute nahezu halbiert worden ist, haben statt zum Niedergang, Herr Lichdi, zu einem beschleunigten Ausbau der Fotovoltaik und in den letzten zwei Jahren allein zum Zubau von 15 000 Megawatt Erzeugungskapazität geführt. Mittlerweile ist selbst produzierter Solarstrom preiswerter als der Strom aus dem Netz. Die Stromgestehungskosten für Solarstrom sind im letzten Jahr um 30 % gefallen, auch weil es einen enormen Preisverfall bei Solarmodulen durch Billigimporte aus China gab. Bereits ab 2017 werden bestimmte Anlagen keinerlei Förderung mehr nötig haben. Das, Herr Lichdi, muss das Ziel von Politik sein: sie so wirtschaftlich und effizient zu machen, damit diese Subventionierung überflüssig wird.