Protocol of the Session on March 7, 2012

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber Sie haben den Klein- und Mittelständlern, den Handwerkern besonders viel versprochen: bessere Förderpolitik, keine Bürokratie. Aber inzwischen sind Mitnahmeeffekte normal. Zielgenauigkeit gibt es nicht, Effizienz auch nicht. Ihre Regierung gibt weiterhin den Musterschüler ohne eigenen Gestaltungsanspruch in der Förderpolitik. Das ist ein kapitaler politischer Fehler.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Drittens. Sie sagten, Sie wollen, statt westdeutsche Strukturen nachzubauen, Trendsetter und Vorreiter sein. Gerne! Das predige ich hier seit Jahren. Ich warte darauf, dass endlich diese Zündung kommt. Worin besteht denn nun dieses Vorreitertum? Im Verpeilen der wichtigsten politischen Lösungen? Was ist denn Sachsens Beitrag zur Energiewende? Was ist es denn? Dass Sie bei der Frage der Fotovoltaik nicht mit den CDU-geführten Ländern Thüringen und Sachsen-Anhalt den Schulterschluss suchen, sondern auf ideologisch motivierte Jagd gehen. Worin sind Sie denn Vorreiter? In Öffnungszeiten – ich weiß, das ist ein alter Hut – von Videotheken und Waschanlagen, in der Vernachlässigung des ländlichen Raums aus Angst vor demografisch bedingten harten Herausforderungen, in einer völlig verfehlten Innenpolitik, die nach Jahren des unverantwortlichen Schürens von Konflikten nun zum ersten Mal am 13. Februar endlich, endlich von Vernunft geboten geändert wurde und die friedlichen Demonstranten gegen die Nazis eben mal nicht eingekesselt und kriminalisiert wurden.

Der Fremdenfeindlichkeit, die in Sachsen viel zu verbreitet ist, wollen Sie entschlossen entgegentreten. Aber da sind nicht nur Sie, Herr Ministerpräsident in persona, sondern da ist durch Ihre Regierung leider ganz Sachsen in dieser Republik Bummelletzter. Wollen Sie in einer hektischen Übersprungshandlung nun gleich die NPD verbieten lassen? Es ist der Job der Demokraten, dass diese Truppe bei der nächsten Landtagswahl nicht wieder in dieses Parlament einzieht.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Das Verbot atmet viel zu viel alte DDR. Die Innenpolitik dieser Koalition war in den letzten Jahren eine gigantische Fehlleistung. Sie war übrigens so schlecht, Herr Zastrow, dass man in Deutschland ein ganz schlechtes Bild von Sachsen hat. Man macht sich sogar über Sachsen lustig. Das liegt eben nicht zuletzt auch an Ihrer TigerentenKoalition.

Hätten Sie hier, Herr Ministerpräsident, eine ehrliche Bilanz vorgelegt mit Erfolgen, die berechtigt sind, und mit Fehlern, die gemacht worden sind, also ernsthaft, dann hätten Sie auch meinen Respekt bekommen. Diese Möglichkeit steht Ihnen nach dieser Bilanz nun nicht mehr offen. Ich sage mal etwas spöttisch: Wer nichts zu verbergen hat – das ist meine Erfahrung im Leben –, hängt ein besonders großes Feigenblatt davor und regt die Fantasie an, aber bei Ihrer Bilanz hätte eine Fichtennadel völlig ausgereicht.

Sachsen ist ein Wirtschaftsland. Sie ignorieren die Spaltung des Arbeitsmarktes und das Schicksal der Langzeitarbeitslosen in Sachsen. Sie haben den Kommunalkombi und „Tauris“ gestrichen, was ein Fehler war. Sie fördern den Mittelstand und das Handwerk zu wenig, aber das hatten wir schon. Sie haben keine breite Rohstoffstrategie. Ihre Tourismusstrategie ist in einem unvollendeten Ver

such steckengeblieben. Beim Bürokratieabbau sind Sie in keiner Weise vorangekommen. Es gibt nur Ankündigungen von Vereinfachungen.

Sachsen ist ein Familienland, sagen Sie. Ja, in zwei Großstädten und hier maßgeblich in alternativen Milieus, die weder mit der FDP noch mit der CDU viel am Hut haben, aber an Kitas und Schulen fehlt es an allen Ecken und Enden.

(Holger Zastrow, FDP: So ein Käse!)

In den nächsten Jahren werden Tausende Lehrer fehlen. Familienland? Wissensland? Die Bildung in Sachsen ist ein Exportschlager, sagen Sie. Ich musste darüber unwillkürlich lachen, weil es so offenbar ist: Ja, und die guten Leute gehen dann alle weg. Das heißt, sie werden hier gut ausgebildet und haben viele Gründe, nicht in diesem Land zu bleiben. Darüber muss eine Regierung meiner Meinung nach täglich nachdenken.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Und wenn Sie, Herr Zastrow, daherkommen und sagen, naja, da müssen wir ein paar Studenten abweisen, die können wir irgendwie nicht bezahlen, dann passt das genau zur Aktion „Eierschecke an der Autobahn“, wenn Sie den Fachkräftemangel mit unzureichenden und falschen Maßnahmen versuchen abzubauen. Natürlich brauchen wir Studenten hier, und zwar so viele wie möglich. Verhandeln Sie lieber mal mit anderen Bundesländern, dass Sie dafür auch das Geld bekommen. Das wäre viel klüger.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Sie von einem wunderschönen Land sprachen, Herr Tillich, dann geht es nicht um Romantik, sondern um natürliche Lebensgrundlagen. Ihre Landwirtschaftspolitik bedeutet ausgeräumte Landschaften, Monokulturen,

industrielle Tierhaltung und Gentechnik. In Ihrer Klimapolitik ist kein systematischer Ansatz erkennbar. Sie haben offenkundig Angst vor dem unausweichlichen Strukturwandel in der Energiewirtschaft. Ihre Ausbauziele bleiben unambitioniert. Sachsen-Anhalt und Thüringen haben uns bereits klar überholt. Das lässt sich auch nicht durch Beschimpfungen und Geschwätz über die GRÜNEN wiedergutmachen. Da sind wir wieder beim Akt der Selbsttäuschung.

Aber ich habe einen Vorschlag. Wir können ja Atmosphären- und Klimaschutz in die Verfassung aufnehmen, wenn wir sie debattieren. Dann könnte Sachsen vielleicht ein wunderschönes Land bleiben.

(Beifall bei den GRÜNEN – Torsten Herbst, FDP: Und Sie retten das Weltklima!)

Sachsen ist ein Solarland, haben Sie behauptet. Das verstolpern Sie gerade. Sie versuchen, von Ihrem eigenen Braunkohlefetischismus abzulenken, betrachten die

erneuerbaren Energien als zu teuer, aber das wirkliche Potenzial haben Sie nicht begriffen. Und der Wirtschafts

minister ist da besonders begriffsstutzig. Aktuell sehen wir das bei Ihrem Jubel für die Kürzungen in der Solarindustrie.

Sachsen ist ein solidarisches Land. Ja, Solidarität wird hier großgeschrieben, aber das Land hat keine solidarische Regierung. Die Staatsregierung hat durch willkürliche und überproportionale Kürzungen im Sozialbereich bereits soziale Schulden produziert. Sie können nicht auf der einen Seite Ihre fiskalische Nichtverschuldung wie eine Monstranz vor sich hertragen und dafür Schulden im Staat, im Gemeinwesen und in der Gesellschaft aufbauen. Das wird am Ende schiefgehen.

Sachsen sei ein demokratisches Land. Ja, damit kann bei nüchterner Betrachtung der Realität nur die Zukunft gemeint sein, aber wir haben die Verfassungsdebatte noch vor uns.

Sachsen ist ein sicheres Land. Lesen Sie heute einmal die „Welt“. Das ist kein Kommunistenblatt. Das können Sie ruhig lesen, ohne Schaden zu nehmen. Darin steht ein guter Artikel über die bevorstehende Öffnung eines ThorSteinar-Ladens, der aber den Namen „Brevik“ trägt. Für die, die sich nicht mehr erinnern: Das ist der Attentäter, der im letzten Jahr im norwegischen Oslo und auf Utoya so viele Menschen getötet hatte.

(Andreas Storr, NPD: Der hieß Breivik!)

Diese Dinge passieren. Und jetzt kommen wir zum Staat zurück. Die rechtsextreme Gewalt im Alltag nimmt zu. Die freien Kräfte marschieren wieder. Der parlamentarische Arm dieser Bewegung beginnt aus der Sicht der eigenen Nazis sozusagen zu verfaulen. Das liegt an Ihnen von der FDP. Das ist aber gut so, dann werden sie rausgewählt. Statt dem zu begegnen, schüren Sie von der Regierung nur Misstrauen durch Gesinnungs-TÜV und indem Sie Bürger, die sich engagieren, diskriminieren.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Sachsen ist ein Bürgerland. Das können Sie beweisen, indem Sie den Bürgern vertrauen und ihnen in der Verfassungsdebatte zum Beispiel demografisch mit der Anpassung der Quoren beim Volksentscheid entgegenkommen, den elektronischen Datenschutz verbessern und solche Fragen beantworten.

Sachsen ist kein armes Land, es gibt aber ein strukturelles Einnahmenproblem; das ist auch jedem klar. Daran müssten Sie konzentriert Tag und Nacht arbeiten. Stattdessen haben wir hier irgendwelche theoretischen Haushaltsdiskussionen. Sie haben gesagt, CDU und FDP wissen, was zu tun ist und wollen das Richtige tun. Ich frage Sie, Herr Tillich und Ihren Koalitionspartner gleich mit: Wer hat Sie daran gehindert? Es scheint eine neue Erkenntnis bei Ihnen zu sein, Sie wollen Gespräche anregen, zum Beispiel mit den Gewerkschaften, Vereinen usw. Die Kirche haben Sie weggelassen. Nach der Beschimpfung vom letzten Jahr durch Ihren Koalitionspartner ist das vielleicht auch klar.

Die bürgerliche Koalition aus CDU und FDP steht für Aufstieg durch Bildung in unserem Land. Für Einzelne war das gewiss so. Die FDP hat davon regen Gebrauch gemacht und aufstiegswilligen Parteimitgliedern den Weg geebnet.

(Beifall und Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Bildung war kein Kriterium. Deswegen glaube ich, dass wir es hier mit einer sehr schmalen bürgerlichen Koalition zu tun haben, einer kleinbürgerlichen Koalition.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE sprach Frau Hermenau. Jetzt spricht für die NPDFraktion der Abg. Apfel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, der Unterschied zwischen Ihnen und Ihrem Vorgänger wird deutlich, wenn man die Titel der beiden Regierungserklärungen zur Halbzeit vergleicht. Hieß es bei Georg Milbradt am 7. Juni 2007 noch schlicht „Zur Mitte der Legislaturperiode“ so heißt Ihr Motto „Moderne Heimat – Sachsen hat Zukunft“. Ja, Herr Tillich, Sie sind ein besserer Verkäufer als Herr Milbradt. Sie können zweifellos besser schauspielern. Das ist aber schon alles; denn wenn wir zu den Inhalten Ihrer Politik kommen, sieht es bei Weitem nicht so gut aus, wie Sie das den Bürgern im Lande weismachen wollen.

Die Regierung Tillich steht für sozialen Kahlschlag, für die Streichung des beitragsfreien Vorschuljahres, für die Kürzung des Landeserziehungsgeldes, für Kürzungen im öffentlichen Nahverkehr trotz immer mehr Schulschließungen und immer weiterer Schulwege. Die Staatsregierung steht für demografische Katastrophe und das Aussterben des ländlichen Raumes, für unverantwortlichen Personalabbau bei der Polizei, die Einschränkung demokratischer Grundrechte, für Ignoranz gegenüber immer stärkerer EU-Fremdbestimmung. Die Staatsregierung trägt über den Bundesrat Mitverantwortung für immer neue gigantische Rettungspakete für marode EUPleitestaaten wie Griechenland oder Portugal und ist verantwortlich für die systematische Anwerbung angeblicher ausländischer Fachkräfte, die zu noch mehr Lohndumping und Arbeitslosigkeit Einheimischer führen werden.

Sie, Herr Ministerpräsident, machen damit einmal mehr deutlich, dass Sie sich nicht in allererster Linie den Sachsen verpflichtet fühlen, sondern einzig und allein dem rücksichtslosen Gewinnstreben internationaler

Großkonzerne.

(Andreas Storr, NPD: Erfüllungsgehilfe des Kapitals!)

Ich möchte mich vor allem auf zwei Politikfelder konzentrieren, die Ländersache sind, wo Sie sich nicht mit fehlender Zuständigkeit herausreden können. Für die Polizei ist der Innenminister Markus Ulbig zuständig, ein fanatischer Antirechtskämpfer, dessen einzige Qualifika

tion für das Amt sein Kampf gegen rechts in Pirna war. Mit ihm ist die Antifa in Gestalt von Sven Forkert als Geschäftsführer des Landespräventionsrates, einem

früheren Aktivisten der Aktion Zivilcourage, ins Innenministerium eingezogen. Unter dieser Koalition wurde der institutionalisierte Kampf gegen rechts allgemein weiter ausgebaut. Der Schwerpunkt verlagerte sich dabei von der direkten Förderung dubioser Vereine hin zu einer Forcierung der Aktivitäten in den Kommunen. Das hat zwar Kritik aus dem linken Milieu hervorgerufen, ist aber letztlich noch perfider, weil dadurch die öffentliche Verwaltung noch viel offener in den Kampf gegen die nationale Opposition eingebunden wird.

Neuerdings wird im sogenannten „Forum starke Demokratie“ die kommunale und Landesverwaltung vom Geheimdienst unter anderem im Umgang mit NPDMandatsträgern geschult – – Deutlicher, meine Damen und Herren, als unter Tillich und Ulbig kann der Machtmissbrauch der Herrschenden kaum noch unter Beweis gestellt werden.

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD – Beifall bei der NPD)

Jahr für Jahr werden Millionensummen aus dem Innen- und dem Sozialministerium in die verfassungswidrige Bekämpfung der demokratischen volkstreuen Opposition gesteckt. Nun, es geht um Machterhalt. Sie wissen, dass Sie bei der Zuspitzung der internationalen Krise, die auch an Sachsen nicht vorbeigehen wird, um Ihre Mehrheitsverhältnisse zittern müssen. Deshalb wollen Sie eine lästige Konkurrenz mundtot machen, indem Sie seit einigen Monaten lauthals ein Verbot der NPD fordern, obwohl Sie ganz genau wissen, dass es ihr Geheimdienst war, der seine schmutzigen Pfoten bei der sogenannten NSU im Spiel hatte.

Während die Koalition ihren Kampf gegen rechts weiter fortgesetzt hat, sieht es auf dem Feld der inneren Sicherheit düster aus. Angesichts des unverantwortlichen Wegfalls der Grenzkontrollen zu den östlichen Nachbarländern wäre eigentlich ein Ausbau der Polizei in Sachsen zwingend notwendig gewesen. Aber nein. Sie bauen sogar die Polizei um 25 % der Stellen ab, allen Versprechungen der FDP zur letzten Landtagswahl zum Trotz, und das, obwohl Sie wussten, dass zum Beispiel in Polen schon 2009 3 000 Stellen bei der Polizei gestrichen wurden, von dort also keine zusätzliche Hilfe zu erwarten ist.

Dass der Polizeiabbau völliger Irrsinn ist, wurde erst vor wenigen Tagen überdeutlich, als Herr Ulbig die Zahlen für 2011 präsentiert hat. In diesem Jahr verzeichnet die Polizeistatistik nämlich wieder mehr kriminelle Delikte. Betroffen sind dabei vor allem die großen Städte. In Dresden stieg die Kriminalität um 12,4 %, in Leipzig immerhin um 6,9 %. Allein die Drogenkriminalität stieg um 15 %, weshalb sich die NPD-Fraktion auch einmal mehr darin bestätigt sieht, dass wir unsere Große Anfrage zu diesem Thema morgen auf die Tagesordnung gesetzt haben.

Ebenfalls zugenommen hat im letzten Jahr der Buntmetalldiebstahl, was mehrere NPD-Abgeordnete hier bereits mehrfach thematisiert haben. Hier gab es fast eine Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr. Gerade die Bekämpfung dieses Kriminalitätsphänomens ist besonders personalintensiv, aber die Regierung will ja weiteres Personal abbauen.

Alle Kritik von Experten an ihrer sogenannten Polizeireform haben Sie einfach vom Tisch gewischt. Ich sage es ganz deutlich: Diese Staatsregierung, meine Damen und Herren, ist nichts anderes, als eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Sachsen.