Protocol of the Session on March 7, 2012

Auch den Rentenunterschied im Alter, also den sogenannten Gender Pension Gap, sollten Sie sich bei dieser Gelegenheit ansehen und einmal hochrechnen, wie er sich in den kommenden 20 Jahren in Sachsen entwickeln wird. Unterbrochene Erwerbsbiografien, Teilzeitbeschäfti

gungsverhältnisse und das Arbeiten im Niedriglohnsektor werden dazu führen, dass Frauen in Sachsen auf ein enormes Altersarmutsrisiko zusteuern.

Die Staatsregierung macht sich darüber keine großen Gedanken, sondern lässt einfach alles so laufen. Sie handelt nach dem Motto: Augen zu, irgendwie wird es schon werden. Das ist in gewisser Weise Verweigerung vor einem Problem. In allen anderen ostdeutschen Bundesländern sind die Regierungen wenigstens aktiv. Der damalige Wirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt, Haseloff, oder auch Matthias Machnig in Thüringen haben sich mit Arbeitgebern und Gewerkschaften an den Tisch gesetzt. Es ging darum, Tarifverträge als Standards für die Bezahlung bei Minijobs zugrunde zu legen. Nur in Sachsen passiert hier nichts. Ich sehe keine Initiative des Wirtschaftsministers.

(Thomas Kind, DIE LINKE: Er hat auch kein Interesse daran!)

Herr Morlok hört ja nicht einmal zu, wenn er angesprochen wird. Ich sehe weit und breit keine Initiative von Herrn Morlok in diesem Bereich.

(Staatsminister Prof. Dr. Georg Unland: Aus guten Gründen!)

Dann sollten Sie die hier einmal darlegen.

Ich würde der Staatsregierung und den Koalitionsfraktionen noch nicht einmal vorwerfen, wenn sie andere Schlüsse als wir aus den Fakten ziehen würden. Es ist in der Demokratie so, dass die Lösungsansätze verschieden sein können. Ich werfe Ihnen aber vor, dass für Sie Gleichstellungspolitik darin besteht, die Förderrichtlinie Gleichstellung um 25 % zu kürzen. Das war es dann. Ihre Verweigerungshaltung ist das eigentliche Problem.

(Beifall des Abg. Martin Dulig, SPD)

Uns geht es in unserem Antrag um eine ehrliche Bestandsaufnahme. Führen Sie einfach einmal alle relevanten Fakten zusammen und legen Sie uns diesen Bericht vor. Der zweite Schritt, der dann natürlich folgen muss, ist ein Maßnahmenkatalog, um Lösungsstrategien aufzuzeigen und umzusetzen.

Ich muss das wiederholen, weil Sie unseren Antrag für ein Handlungskonzept schon einmal abgelehnt haben. Ich möchte aber die Hoffnung nicht aufgeben, dass Sie die Notwendigkeit einsehen, zu handeln und nicht nur Lippenbekenntnisse abzugeben.

Darüber hinaus ist es unser Bestreben, dass die Staatsregierung auf Bundesebene die Initiative für ein Entgeltgleichheitsgesetz ergreift. Natürlich brauchen wir auch

eine Quote für Frauen in Führungsetagen und Aufsichtsgremien. Es wäre ein Leichtes für Sie, dies schon jetzt für alle Landesbehörden und auch Betriebe mit Mehrheitsbeteiligungen des Freistaates einzuführen.

Ich frage Sie einfach einmal, Frau Clauß: Wie sieht es denn jetzt mit einer Novellierung des Frauenförderungsgesetzes aus?

(Staatsministerin Christine Clauß: Das kommt noch!)

Ich hoffe, Sie werden heute dazu Stellung beziehen. Auch eine Bundesratsinitiative wäre möglich, aber auch hier verweigern Sie sich dem Problem, und das, obwohl europaweit über Quoten diskutiert wird.

Damit bin ich wieder einmal bei Viviane Reding. Sie wies in ihrer Rede in der Konrad-Adenauer-Stiftung darauf hin, dass im Jahr 2011 12 % der Aufsichtsräte und 3 % der Vorstandsvorsitzenden der DAX-Unternehmen weiblich waren. Damit liegt Deutschland EU-weit im Mittelfeld. Ich möchte noch einmal aus ihrer Rede zitieren: "Aber nicht ganz Europa hinkt in diesem Bereich hinterher. Mit großem Interesse habe ich vor ein paar Monaten eine USStudie der Corporate Women Directors International gelesen. Die Studie zeigt, dass die Zahl der Frauen in den Chefetagen der weltweit 200 umsatzstärksten Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren leicht gestiegen ist. Ein wichtiger Grund für den Anstieg, so die Studie, sei die in einigen Ländern Europas gesetzlich verordnete Frauenquote. In den Staaten gab es den höchsten Zuwachs an Frauen in Führungspositionen." 40 % beträgt der Frauenanteil in Führungsriegen in Norwegen. Dank Ihrer Verweigerungshaltung wird Deutschland davon noch lange weit entfernt bleiben.

(Andreas Storr, NPD: Und wie viel Prozent der Frauen arbeiten im Straßenbau?)

Ich kann nur appellieren: Meine Damen und Herren von der Staatsregierung, Sie wollten unbedingt regieren. Dann fangen Sie nun endlich damit an!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das war für die einbringende SPD-Fraktion Frau Kollegin Dr. Deicke. – Für die CDU-Fraktion ergreift nun Frau Kollegin SaborowskiRichter das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sie fliegen ins All, mischen kräftig in der Politik mit, spielen Fußball, übernehmen Führungspositionen in Unternehmen und schrauben an Autos. Was sich Frauen im Laufe der Zeit erkämpft haben, ist schon beachtlich. Mädchen sind besser in der Schule, mittlerweile auch im klassischen Jungsfach Mathematik. 55 % der Abiturienten sind weiblich, Jungs schmeißen dafür häufiger die Schule hin. Frauen rauchen weniger als Männer, nehmen nicht so häufig Drogen, leiden weniger an Herz-Kreislauf

Erkrankungen, sind seltener kriminell, begehen seltener Selbstmord und leben im Durchschnitt fünf Jahre länger.

(Heiterkeit bei der CDU und der FDP – Andreas Storr, NPD: Mit anderen Worten: ein besserer Mensch!)

Sind demzufolge Frauen die besseren Männer? Sicher nicht, und das Thema Chancengleichheit sollte auch nicht zum Machtkampf werden. Aber wieso gibt es diese ungerechten Lohnunterschiede? Warum sind in Deutschland von 100 Topmanagern nur vier weiblich? Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag im Jahr 2010 der prozentuale Unterschied im durchschnittlichen BruttoStundenverdienst von Männern und Frauen, der Equal pay gap, bei 23,2 % – und damit deutlich über dem Durchschnitt der EU von 18 %. Auch wenn der Freistaat im Vergleich mit 9 % recht gut dasteht, besteht Handlungsbedarf.

Die Gründe für die Entgeltunterschiede und die geringe Teilhabe von Frauen an Führungspositionen sind vielfältig. Doch was sind die Hauptursachen der Entgeltungleichheit, und welche Stolpersteine müssen aus dem Weg geräumt werden? Unser Arbeitsmarkt ist nach wie vor auf einen Normarbeitnehmer zugeschnitten, der männlich, circa 40 Jahre alt und in Vollzeit berufstätig ist. Frauen fehlen und sind in bestimmten Berufen und Branchen sowie auf den höheren Stufen der Karriereleiter unterrepräsentiert. Familienbedingte Erwerbsunterbrechungen und Reduzierungen finden in einer Zeit statt, in der Männer erhebliche Verdienstzuwächse realisieren.

Frauentypische Tätigkeiten in sozialen und Dienstleistungsbereichen sind niedriger eingruppiert als die männerdominierten im Technikbereich. So wählen die meisten Mädchen und jungen Frauen aus nur zehn verschiedenen Ausbildungsberufen, und das, obwohl es insgesamt etwa 350 davon gibt. Unter den zehn am häufigsten gewählten Ausbildungsberufen ist kein einziger Beruf aus Technik oder Naturwissenschaft dabei. Karrierehindernisse sind auch starre Rollenmuster, Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Hürden beim beruflichen Wiedereinstieg nach familienbedingten Erwerbsunterbrechungen; denn je länger die Pause, desto größer sind die Entwertungen der Qualifikation und spezifischen Arbeitsplatzanforderungen als Folge entgangener beruflicher Praxiserfahrung sowie nicht realisierter Weiterbildungsmaßnahmen.

Gegen einige dieser Gründe für Entgeltunterschiede kann Politik nur schwer etwas tun. Es ist Aufgabe von Gewerkschaften und Arbeitgebern, bei Tarifverhandlungen auf eine gerechte Eingruppierung von Frauen hinzuwirken und bestehende Einkommensunterschiede abzubauen. Bei anderen Gründen können Politik und die Frauen selbst etwas tun. Frauen müssen selbst aktiver werden; denn auch einem Mann wurde eine Führungsposition weder hinterhergetragen noch aufgeschwatzt. Das heißt konkret, Frauen: Licht nicht unter den Scheffel stellen, sich etwas zutrauen und wagen, aber auch mal Ungerechtigkeiten aushalten!

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Auch ist es wichtig, Mädchen und junge Frauen für Naturwissenschaften und Technik zu begeistern. Bereits in den Kitas sollen diese Bereiche stärker vermittelt und in der schulischen Entwicklung ausgebaut werden. Projekte wie der Girls' Day bieten eine gute Gelegenheit, das Interesse von Mädchen an Naturwissenschaft, Technik sowie einer entsprechenden Ausbildung bzw. einem Studium zu fördern. Flexible Öffnungszeiten in Kitas und Horten, angepasst an die Bedarfe der Eltern, auch während der Ferienzeit, Ganztagsangebote, flexiblere Arbeitszeitmodelle und weniger Abendtermine helfen den Familien.

(Beifall bei der CDU)

Auch dank vieler Initiativen in der Gleichstellungspolitik sind deutliche Fortschritte für Frauen erzielt worden. Da gibt es bundesweit die unterschiedlichsten Projekte. Einige Beispiele dafür sind "Frau und Beruf" – eine berufsbezogene Beratung für Frauen, "Neuer Start" – Seminare für Frauen nach der Familienphase, "Perspektive Wiedereinstieg" – ein Programm der Bundesregierung, um die Ein- und Aufstiegschancen von Frauen nach einer bedingten Erwerbsunterbrechung zu verbessern, sowie "Ich bin mehr wert" – eine Initiative des DGB.

(Martin Dulig, SPD: Und Sachsen?)

Im Gutachten der Sachverständigenkommission an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für den 1. Gleichstellungsbericht der Bundesregierung werden etliche Projekte benannt, welche zur Verringerung der Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern angeschoben wurden. Die Kommission macht darauf aufmerksam, dass eine abschließende Evaluation der bereits eingesetzten Maßnahmen fehlt, um auf dieser Basis die effizientesten Maßnahmen zu einem integrativen Konzept zur Entgeltgleichheit zusammenfassen zu können. Eine wichtige Maßnahme wäre es, alle Projekte zur Entgeltgleichheit in ein Gesamtprojekt zu integrieren sowie die bereits bestehenden Einzelmaßnahmen zu evaluieren und in Bezug auf ihren Beitrag zur Entgeltgleichheit zu überprüfen.

Abschließend noch kurz zur Frauenquote. Man kann darüber durchaus geteilter Meinung sein, das hat auch die Debatte zum Thema gezeigt. Doch besteht heute noch die Möglichkeit der Selbstverpflichtung für die Unternehmen, und viel hat sich nicht getan. Wird es verbindliche gesetzliche Vorgaben geben, wenn sich nichts ändert! Darüber müssen sich auch die Unternehmer im Klaren sein.

Wir werden aus den genannten Gründen Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsministerin Christine Clauß)

Für die CDU-Fraktion sprach Frau Kollegin Saborowski-Richter. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht nun Frau Kollegin Gläß.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Saborowski-Richter, mich hat Ihr letzter Satz ein wenig enttäuscht.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Aufgrund Ihrer Darstellungen hatte ich gedacht, Sie stimmen diesem Antrag zu; denn eigentlich spricht alles, was Sie aufgezählt haben, für diesen Antrag. Aber gut, das ist sicherlich Ihr Geheimnis. Vielleicht können Sie uns das noch erklären.

(Marko Schiemann, CDU: Weil sie gut ist!)

Am 23. März 2012 werden viele Frauen am Brandenburger Tor und auf zentralen Plätzen in verschiedenen Städten, auch hier in Dresden, mit roten Taschen und Beuteln darauf aufmerksam machen, dass Frauen, statistisch gesehen, bis zu diesem Tag hätten arbeiten müssen, um so viel zu verdienen, wie die Männer bis zum 31.12.2011 bekamen.

(Heiterkeit bei der FDP)

Dieser symbolische Tag zeigt, wie groß die Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern bei gleichwertiger Arbeit ist. Circa 23 % – dies wurde bereits mehrfach erwähnt – beträgt dieser Equal pay gap, die Einkommenslücke zwischen Frauen und Männern, in Deutschland seit Jahren. Wenn wir uns dabei noch vor Augen halten, dass der europäische Equal Pay Day am 2. März, also 21 Tage vorher, begangen wurde, macht dies deutlich, dass Deutschland in Fragen der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern im hinteren Drittel rangiert.

(Dr. Monika Runge, DIE LINKE: Hört, hört!)

2010 war es der drittletzte Platz in Europa.

(Alexander Krauß, CDU: Was ist mit Sachsen?)

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, haben schon im vergangenen Jahr die Staatsregierung aufgefordert, bundesweit aktiv zu werden, um gegen diese Ungerechtigkeiten vorzugehen. Das ist notwendig und deshalb werden wir diesem Antrag zustimmen.