Protocol of the Session on March 7, 2012

Mein Fazit ist dazu: Umweltzonen sind ökologischer Unsinn und gehören abgeschafft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Dr. Pinka.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon erstaunlich, dass jetzt die Handwerksvertreter hier die umweltpolitische Debatte zu diesem Thema führen. Ich war schon über die flache Sicht auf den Debattentitel erstaunt, der vormals hier stand.

Nun zu „Vernunft statt Hysterie bei der Luftreinhaltung“. Aber jetzt kann ich getrost sagen: Umweltzonen und Fahrverbote helfen nicht gegen Feinstaub. Daher bin ich schon froh, dass Ihnen irgendjemand einmal zugetragen hat, dass die Umweltzonen nicht allein nur durch Feinstaub bestimmt werden. Ich allerdings werde mich jetzt in meinem Redebeitrag genau auf diesen Feinstaub konzentrieren.

Da ist es interessant, dass Sie vielleicht festgestellt haben, dass es im letzten Jahr Inversionswetterlagen gegeben hat. Diese gab es in ganz Deutschland. In ganz Deutschland sind im März und November letzten Jahres die Feinstaubkonzentrationen immens angestiegen, nicht nur in Leipzig, auch in Dresden, in Görlitz und in Chemnitz. Ihre schlichte Schlussfolgerung ist: Umweltzonen sind Mist! Meine nicht.

(Beifall bei den LINKEN)

Wie Sie wissen, gibt es bei Inversionswetterlagen sogenannte Glocken, die dazu führen, dass kein Austausch in der Atmosphäre stattfindet. Das hat aber stattgefunden. Das sagen Sie nun nach einem Bilanzjahr. Wen ziehen Sie eigentlich bei dieser Umweltzone zur Verantwortung? Den Oberbürgermeister von Leipzig, den Ordnungsbürgermeister, die durch den Stadtrat die Luftreinhaltepläne durchpeitschen mussten, oder vielleicht doch die verantwortlichen Wissenschaftler im Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, die die Luftreinhaltepläne nicht abgenommen und gesagt haben, ihr müsst die Umweltzone in euren Luftreinhalteplan aufnehmen? Fragen Sie doch einmal Staatsminister Kupfer, der als oberster Dienstherr wissen wird, wie das gelaufen ist.

Sie haben mir wahrscheinlich auch im März 2010 nicht wirklich zugehört, denn damals habe ich Ihnen gesagt, dass Feinkorn < 10 Mikrometer gar nicht mehr das ist, was uns einmal in Zukunft bewegen wird. Wie wir wissen, gibt es ja eine weiterführende Gesetzgebung, die uns sagt, ihr müsst auf den Feinstaub < 2,5 Mikrometer Wert legen. Das ist nämlich derjenige, der zum Beispiel durch Rußpartikel gekennzeichnet ist, durch sogenannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe. Das sind diejenigen, die bis in die Lungenbläschen gelangen, und das sind diejenigen, die sich lange wegen der geringen Partikelgröße in der Atmosphäre halten können und die sehr schwer deposieren. Diese Feinpartikel werden gegenwärtig auch gemessen, aber leider nur an sieben Stationen in Sachsen. Sie können sie gern auf der Homepage des Umweltministers nachlesen.

Wenn wir uns noch ernst nehmen und höhere Gesetzgebung umsetzen wollen, müssen wir auf 2015 sehen. Dann wird nämlich der jetzige Zielwert für diese Feinstaubpartikel von < 2,5 Mikrometer ein Grenzwert werden, nämlich von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel, der sich möglicherweise sogar bis 2020 verschärfen wird. Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, und das auch in anderen Großstädten in Sachsen, dann werden wir nicht umhin kommen, auch die Umweltzonen in anderen Städten einzuführen. Da fehlt eigentlich nur der gleiche politische Wille und Druck, der gegenüber Leipzig aufgemacht worden ist, auch hier in Dresden.

Frau Pinka, Sie gestatten eine Zwischenfrage? –

Bitte, Herr Pohle.

Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank. – Frau Dr. Pinka, ist Ihnen bekannt, dass es 2011 in fünf sächsischen Gemeinden eine Überschreitung von Feinstaubwerten gab? Ist Ihnen bekannt, dass es auch in Chemnitz an 39 Tagen eine Überschreitung dieser Werte gab und laut den Vorgaben ab 35 Tagen Luftreinhalteplan greifen muss? Befürworten Sie für Chemnitz eine Umweltzone?

Ich hatte Ihnen schon am Anfang gesagt, dass die Umweltzone nicht allein nur durch den Parameter Feinstaub bestimmt wird, was es auch in Leipzig nicht war, sondern da spielen andere Parameter wie Stickoxide oder Schwefeloxide auch eine Rolle. Wir achten zurzeit beim Feinstaub nur auf die Partikelgrößen < 10 Mikrometer, die jetzt gerade in einer Studie ausgewertet und behandelt werden. Doch bis 2015 werden nicht nur die < 10 Mikrometerpartikel eine Rolle spielen, sondern noch die feineren < 2,5 Mikrometerpartikel. Wenn wir diese nicht runternehmen können, werden wir auch in anderen Städten Umweltzonen einführen müssen. Da erwarte ich auch von den Wissenschaftlern aus dem LfULG politischen Druck, der auf diese Städte gemacht wird, genauso wie in Leipzig.

An dieser Stelle möchte ich ergänzen, dass durch Staatsminister Kupfer und sein Amt im vergangenen Jahr eine wirklich gute Studie erstellt wurde. In dieser Studie werden die Hauptemittenten für diesen Feinstaub < 2,5 Mikrometer benannt. Das sind: Straßenverkehr, Großfeuerungsanlagen, Landwirtschaft und auch die Holzfeuerung aus den Haushalten. Diese Studie beinhaltet eine Prognose für 2020, die zu dem eindeutigen Schluss kommt, dass wir die motorisiert bedingten Emissionsfaktoren für die Euro-5- und Euro-6-Fahrzeuge noch erhöhen müssen. Wenn wir keine relevante Fahrzeugentlastung in den innerörtlichen Bereichen und insbesondere an den Hot-Spot-Stellen erreichen, kommen wir niemals zu diesem Prognoseziel 2020.

Dreimal dürfen Sie raten, was wir in diesen Städten machen müssen. Wir müssen eine Verkehrsreduktion in den Ballungsräumen herbeiführen, wie auch immer. Meines Erachtens ist die Umweltzone ein Instrument dazu.

Dann sage ich Ihnen noch: Wenn Sie sich wieder einmal zu Energiegipfeln treffen – das haben Sie vor Kurzem getan – und Sie wollen gern im Südwesten Leipzigs ein neues Kraftwerk befürworten, in Profen, dann müssen Sie wissen, dass Hintergrundwerte für diesen Feinstaub auch aus Großfeuerungsanlagen kommen, denn 50 % des Feinkorns werden durch Großfeuerungsanlagen determiniert. Das müssen Sie in die Prognosemodelle für Sachsen integrieren.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der SPD Herr Abg. Panter, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin froh, dass Kollegin Dr. Pinka noch einige sachliche Punkte als Fachpolitikerin einbringen konnte. Ich hatte schon Sorge, dass hier nur fachfremde Politiker stehen, die sich mit diesem Thema beschäftigen.

Es ist aber so, dass man an der Wahl der Redner merkt, dass es hier gar nicht um die Sache geht, sondern um blanken Populismus, den die Staatsregierung wieder einmal vorbringen möchte.

(Beifall bei den LINKEN)

Ich möchte nur kurz auf ein paar sachliche Punkte eingehen, die man nicht verachten sollte. Die Weltgesundheitsorganisation WHO sagt ganz klar, dass es in Deutschland im Jahr circa 70 000 Todesfälle gibt, die auf Feinstaubbelastung zurückzuführen sind. Genauso hat Prof. Wichmann vom Helmholtz-Zentrum in München eine Studie durchgeführt und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass durch eine konsequente Einführung von Umweltzonen ein Rückgang der durch Ruß bedingten Sterblichkeit von bis zu 60 % zu erreichen ist.

Nun wurde darüber gesprochen, dass es in Leipzig gar keinen Erfolg gehabt hätte. Aber man muss so sachlich an die Geschichte herangehen, dass man dem Ganzen etwas Zeit gibt bzw. auch einen zweiten Blick einräumt, weil es für die Messstationen gerade in Leipzig im letzten Jahr besondere Situationen gab. Zum Beispiel sind hier Großbaustellen ganz in der Nähe und auch die witterungsbedingten Veränderungen in den Messwerten sollte man mit zugrunde legen. Insofern soll man an diese ganzen Forderungen wie Umweltzonen usw. sachlich herangehen. Leider kann ich das nicht erkennen.

Kommen wir doch einmal zu den wirtschaftlichen Folgen. Hierzu möchte ich kurz Herrn Scheler zitieren, den Handwerkskammerpräsidenten zu Leipzig. Es ist sicher richtig, dass die Wirtschaft, speziell das Handwerk, gerade die kleinen Unternehmen im Handwerk, Belastun

gen durch die Einführung der Umweltzonen erfahren hat. Aber Herr Scheler selbst hat in der „LVZ“ vor einigen Tagen deutlich gemacht, dass er kein Leipziger Unternehmen kennt, das wegen der Umweltzone in die Insolvenz gegangen ist. Im Gegenteil. Es gibt sogar für einzelne Unternehmen Wettbewerbsvorteile. Sachsen ist ja keine Insel. Es gibt auch noch andere Bundesländer, andere Länder, in denen Umweltzonen eingeführt wurden. Das heißt, die Erneuerung des Fuhrparks hat durchaus positive Effekte.

Insofern offenbart die ganze Debatte mal wieder das wahre Gesicht der Koalition, denn es geht ja nicht um Sachlichkeit. Das ist eine scheinheilige Debatte. Das ist eine Meinungsmache. Wenn man sich mal anschaut: Es geht bei der ganzen Geschichte mit der Umweltzone in Leipzig darum, dass EU-Regelungen umgesetzt werden sollen. Das ist die eine Seite.

Gleichzeitig – das ist bereits angesprochen worden – hat auch die Staatsregierung ihren Anteil daran. Mit Brief vom 22. Februar 2009 hat der sehr verehrte Herr Umweltminister Kupfer, der hier sitzt, Leipzig im Prinzip die Pistole auf die Brust gesetzt und die Einführung einer Umweltzone nahezu alternativlos dargestellt.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE)

Dazu kann er sich gern einmal erklären; ich freue mich schon darauf.

Wenn man aber einmal weiterschaut – es kam gerade der ÖPNV auf: Ich denke schon, dass man das Thema ÖPNV ansprechen muss, unabhängig von topografischen Unterschieden zwischen Leipzig und Dresden. Dresden ist also mitnichten fein raus. Auch hier gibt es immer wieder Diskussionen, was eine Umweltzone angeht. Die Feinstaubbelastung ist auch hier nicht so niedrig, dass man im Tal – na gut, jetzt würde ich im Tal der Ahnungslosen sagen –, nein, dass man hier fein raus wäre.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Die Einführung eines Jobtickets konzentriert nur auf Dresden und die Dresdner Region teilweise kann durchaus so interpretiert werden, dass es zum Beispiel die Einführung einer Umweltzone verhindern soll. Warum wird es denn nicht in weiteren Landesteilen eingeführt? Warum wird im Gegenteil beim ÖPNV überall gekürzt und damit auch die Verbesserung von Luftreinheit in ganzen Landesteilen konterkariert? Dresden kann mal wieder einen herzlichen Dank an die Staatsregierung schicken, leider Gottes können das die restlichen Landesteile nicht.

Ich komme zum Schluss. Es gibt in Deutschland 50 Umweltzonen – Tendenz steigend. Die SchwarzGelben in Sachsen aber, die wissen es mal wieder besser – besser als der Rest der Welt. Ich kann dazu nur sagen: Das ist nicht klug. Das ist einfach nur borniert.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Nun folgt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Abg. Kallenbach. Frau Kallenbach, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident. – Werte Kolleginnen und Kollegen! Bei der offiziellen Ankündigung, dass der Titel der Aktuellen Debatte geändert wurde, habe ich kurz gestutzt und gehofft: Sinneswandel, neue Erkenntnisse? Hat es sich auch bei der Koalition herumgesprochen, dass es bei den Umweltzonen eben nicht darum geht, den kleinen Handwerksbetrieb oder gar den gesamten Mittelstand zu ruinieren oder den Hartz-IV-Empfänger von der individuellen Mobilität auszuschließen, sondern schlichtweg um Gesundheitsschutz? Die EU-Umweltschutzverordnungen sind erlassen worden, um die Ursachen für Luftverschmutzungen zu beseitigen.

Ich habe bei Ihren Beiträgen, Herr Pohle und Herr Hauschild, festgestellt, dass Sie sich wieder nur auf Feinstaub konzentriert haben. Sie haben nichts gesagt zu den Stickoxiden, die Vorläufer von Ozon und damit gesundheitsschädlich sind. Sie haben nichts gesagt zu den Dieselrußpartikeln – das wundert mich nicht. Was mich aber schon sehr wundert: Ich staune über selbsternannte Fachleute. Vielleicht bewerben Sie sich bei den einschlägigen wissenschaftlichen Institutionen, die zu ganz anderen Schlussfolgerungen kommen, und beim Besetzen von Stellen hat Ihre Partei, Ihre Fraktion einschlägige Erfahrungen.

Sie nehmen einfach nicht wahr, dass es bewiesen ist, dass in Berlin 40 % weniger Rußemissionen und 20 % weniger NOx festgestellt wurden. Sie wissen bereits heute: Es hat nichts gebracht in Leipzig, obwohl das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung sagt, es sind 25 % weniger Rußpartikel, die besonders krebserregend und gesundheitsschädigend sind. Selbst das LfULG sagt: Seriöse Auswertungen sind erst in zwei Jahren möglich. Sie wissen es.

Ich erinnere in Ergänzung zu meinen Vorrednerinnen noch einmal daran, wie die Einhaltung der Grenzwerte erfolgt, und, meine Herren, das sind einklagbare Rechte und wir müssen auch mit Vertragsverletzungsverfahren der EU rechnen, wenn wir nicht entsprechende Maßnahmen in unseren Städten ergreifen, die durch Unterstützung der Landesregierung flankiert werden. Wir können noch einmal darauf zurückkommen, was wir bisher in diesem Land versäumt haben. Ein bloßes Ablehnen von Umweltzonen führt nicht wirklich zu Schadstoffreduktion. Ich will Ihnen sagen, dass auch wir GRÜNEN nicht etwa zwanghaft an Umweltzonen hängen – keinesfalls.

(Na, na, na! und Beifall des Abg. Mike Hauschild, FDP)

Wir fordern seit Jahren, dass dem Umweltverbund, nämlich ÖPNV, Fuß- und Radwegeverkehr, der Vorrang

gegeben wird. Was passiert bei uns im Land? Wir kürzen die Mittel für den ÖPNV, wir behandeln Fuß- und Radwegeverkehr stiefmütterlich,

(Beifall bei den GRÜNEN)

und wir kürzen auch die Mittel für die Unterstützung des Radverkehrs. Wirklichen Einsatz erkennt man beim Verkehrsminister, wenn noch die letzten verfügbaren EUMittel in weitere Staatsstraßen investiert werden, wenn in Beton versenkt wird, ohne auf die ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Folgekosten Rücksicht zu nehmen.

Schauen Sie sich doch an: Bisher haben Sie sich all unseren Vorschlägen verweigert, wo wir nämlich genau andere Maßnahmen unterstützen wollten. Carsharing – Fehlanzeige, erst im letzten Plenum besprochen.

Gut, die Einführung des Jobtickets ist ein Plus, ist eine gute Maßnahme. Wir haben Sie erst zum Jagen tragen müssen, um dahin zu kommen.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)