Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen vor der Situation, dass wir den Wählern erklären müssen, dass Sie beschlossen haben, die Kapazitäten praktisch um ein Drittel zu reduzieren. Ich habe gesagt: Dann müssen Sie diese Konsequenzen auch tragen. Sie müssen fusionieren, Sie müssen schließen, Sie müssen umstrukturieren, und am Ende werden sehr viel weniger Studienplätze und Forschungsstätten übrigbleiben. Das ist die logische Konsequenz Ihrer Finanzpolitik.
Das ist nicht die Politik meiner Fraktion, sicherlich auch nicht die der GRÜNEN und der SPD, aber Sie können von dieser Konsequenz doch nicht absehen. Sie tun aber weder das eine noch das andere. Also, Sie finanzieren die Universitäten nicht aus, aber Sie machen bis jetzt auch nur kosmetische Einschnitte: die Bemühungen, etliche Außenstellen zu schließen. Aber man muss sagen, mittelfristig kostet das vermutlich sehr viel mehr, als die Dinge so zu belassen, wie sie sind.
Meine Frage ist: Worauf warten Sie? Auf Hilfe vom Bund, auf eine Erweiterung der verfassungsrechtlichen Kooperationsmöglichkeiten von Bund und Ländern, wie die Expertenkommission „Forschung und Innovation“ jüngst gefordert hat? Ist das der wahre Hintergrund dieser dilatorischen Strategie? Freilich müssen Sie bedenken, dass dann viele die Hand offenhalten werden. Es gibt ja im Bund noch mehr Länder, die Not leidend sind. Oder hoffen Sie darauf, dass die rivalisierenden Hochschulen – die Bemerkung des TU-Rektors Müller-Steinhagen vor dem CDU-Wirtschaftsrat könnte ja solche Hoffnungen nähren – aus lauter Sorge, dem Nachbarn zu unterliegen, doch noch das Unmögliche möglich machen könnten und das Letzte aus ihrem Personal herausholen?
Sie müssen doch wissen, dass die öffentlichen Diskussionen in der „FAZ“, in der „Zeit“ und in den lokalen Blättern dem Hochschulstandort Sachsen schon jetzt schwer geschadet haben. In der Öffentlichkeit nimmt man doch längst wahr, dass es sich bei der Hochschulpolitik schon jetzt um einen havarierten Tanker handelt und dass der Prestigeverlust das Einwerben von Geldern weiter erschweren wird. Wenn Sie so weitermachen, haben Sie vielleicht Ihr Problem am Ende doch gelöst. Dann werden eben keine auswärtigen Studierenden mehr kommen, und die sächsischen Abiturienten werden ebenfalls – je länger,
desto mehr – das Weite suchen. Die Spitzenkräfte werden Sachsen verlassen und in jene Länder gehen, die ihre Hochschulen besser ausstatten und ihre Professoren anständig bezahlen. Das aber bedeutet doch letztlich den Ruin der sächsischen Hochschullandschaft und auch das Ende all der Aspirationen, die wir im Blick auf unser demografisches Problem in den Zuzug von Studierenden gesetzt haben.
Die Reaktion der Universität Leipzig auf den von Ihnen vorgelegten Hochschulentwicklungsplan liegt uns jetzt vor. Was dort bemerkt wird, bestätigt doch, was Sie hier gehört haben. Die Expertenkommission „Forschung und Innovation“ hat gemahnt, dass die Grundlagenforschung an Hochschulen nicht stromlinienförmig auf die Anwendungsbelange ausgerichtet werden darf. Also, hier müssen wir nachjustieren. Auch das steht in dem Papier der Leipziger Universität.
Die Studiennachfrage wird bundesweit weiter steigen. Immer mehr junge Menschen machen Abitur, und ihre Neigung, ein Studium aufzunehmen, wird weiter zunehmen. Das sollte uns freuen. Wir schließen damit zu den anderen Industriestaaten auf. Aber die Konsequenzen sind eben genauso unerlässlich. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass sie auch studieren können und dass sie hier studieren können. Das liegt in unserem regionalen Interesse.
Vielleicht hoffen Sie, dass die Föderalismusreform von 2006 nun rasch noch einmal reformiert wird und dass wir nicht mehr nur mit Tricks wie Fusionierung mit Bundeseinrichtungen und Ähnlichem die Universitäten bezahlen können. Das alles ist in der offenen Diskussion. Frau Schavan hat hier auch entsprechende Impulse gesetzt. Es wird also zu Gesetzesänderungen kommen.
Es gibt freilich – auch das ist ein Problem, auch das gehört in diesen Kontext – keinen Konsens über die Abschaffung des Kooperationsverbots im Schulbereich. Dass es einen Zusammenhang zwischen Schule und Hochschule gibt, wird in dem ganzen Prozess ebenfalls sträflich vernachlässigt.
Daher bitte ich Sie herzlich, noch einmal darüber nachzudenken, ob wir nicht couragiert in die eine oder in die andere Richtung steuern, aber nicht diese dilatorische Haltung einnehmen.
Also, akustisch habe ich das schon verstanden, Herr Dr. Hahn. – Wenn Sie sagen, es gebe einen Beschluss, um ein Drittel zu reduzieren, dann müssen Sie mir schon sagen, was und wer und wo und wie. Sonst klingt das so, als wenn wir unsere Hochschuletats insgesamt um 33 % reduzieren wollen. Das hat nie jemand behauptet, und das soll auch nicht so sein.
Wenn Sie uns fragen, worauf wir warten, dann sage ich Ihnen: Wir warten eben nicht und schon gar nicht wie das Kaninchen vor der Schlange, sondern wir regieren, wir unterstützen diese Staatsregierung, wir steuern und wir stellen die Weichen in eine Richtung, die aus unserer Sicht die richtige ist.
Herr Dr. Gerstenberg, Sie wissen, wie mein Beispiel mit den 20 % gemeint war, bestimmt nicht so, wie Sie das verstanden haben. Die befristeten Stellen, also die Stärkung des Prekariates, sind vielleicht auch eine Geschichte, an die wir uns gewöhnen müssen. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass die Erwerbsbiografien eben anders aussehen als noch vor 10, 20 oder 30 Jahren. Im Gegenteil, ich sehe dort auch eine gewisse Chance, dass wir den Mittelbau, der nach unser beider Auffassung an vielen Hochschulen fehlt, auf diese Art und Weise möglicherweise ein wenig wieder einführen können, wenn auch durch die Hintertür.
Die Forderungen der Universitäten, die hier entgegengehalten worden sind, habe ich gelesen, und ich habe auch viel Verständnis dafür. Ich würde das genauso machen. Auf der anderen Seite stehen wir in der Verantwortung. Wir stützen die Staatsregierung, die eben insgesamt sehen muss, dass und wie die Zukunft mit weniger Finanzmitteln gestaltet wird. Da wünsche ich mir eben auch die Stellungnahmen zum Hochschulentwicklungsplan, zu unserer Hochschulnovelle, wie sie in der Grundtendenz die Universität Leipzig abgegeben hat. Dass die Staatsregierung bereit, fähig, willens und in der Lage ist, bei veränderten Sachverhalten nachzujustieren, hat sie in der Tat in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, und so werden wir auch weiter arbeiten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wegen fehlender Redezeit werde ich jetzt nicht versuchen, noch einmal nachzuweisen, was für positive Effekte mit einem Gewinn an Studierenden für Sachsen verbunden sind, auch wenn diese aus anderen Bundesländern kommen. Wenn Sie mir
Aber noch eine Frage in Richtung Staatsregierung: Mir erscheint die Logik immer noch nicht gegeben, warum Sie immer noch darauf bestehen, 300 reguläre Stellen abzubauen, aber im gleichen Atemzug erklären, Sie würden das mit 300 befristeten Stellen kompensieren. Es ist absehbar, dass bis 2020 die Studierendenzahlen auf diesem Niveau bleiben. Sie wissen, es gibt a) ein Befristungsgesetz und b) bedarf gerade die von Ihnen priorisierte Forschung einer Sicherheit. Wir können da nicht mit befristeten Stellen, mit Jahresverträgen oder gar mit Dreimonatsverträgen, wie sie teilweise in Sachsen schon existieren, arbeiten. Diese Frage müssen Sie uns schon noch erklären. Wenn das nicht Sie von den Regierungsfraktionen machen, dann muss es bitte die Ministerin gleich tun.
Vielen Dank, Herr Mann. – Die FDP-Fraktion? – Nicht noch einmal. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN? – Auch nicht. NPD? – Auch nicht. Das war die zweite Runde. Ich frage jetzt die Staatsregierung, bevor die dritte Runde beginnt. Oder wollen Sie noch die dritte Runde abwarten? – Herr Prof. Besier, zur dritten Runde?
Prof. Dr. Dr. Gerhard Besier: Es sind nur zwei Sätze. Herr Kollege Mackenroth, wir haben uns gründlich missverstanden. Was ich meinte, ist, dass der Kurs, den die Staatsregierung in der Hochschulpolitik fährt, implizit bedeutet, dass wir im Durchschnitt 25 bis 30 % weniger Mittel in die Hochschulen stecken, als dies die besser ausgestatteten Bundesländer – namentlich Baden-Württemberg – tun. Wenn wir also auf das Niveau von BadenWürttemberg kommen wollen, müssen wir unsere Kapazitäten um diesen Betrag – ich gehe von Ihren Prämissen aus – kürzen, damit wir im nationalen Wettbewerb mittel- und langfristig wettbewerbsfähig bleiben. Nichts anderes meine ich. Diesen Dingen müssen wir ins Auge sehen. In diese Richtung, also ausgehend von Ihrer Sparpolitik, habe ich gesagt: Dann müssen wir – müssen Sie – entsprechend handeln, nichts sonst.
Vielen Dank für die zwei Sätze. Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen. Nun erteile ich für die Staatsregierung Frau Staatsministerin von Schorlemer das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ja, wir haben in der Tat eine stark veränderte Situation, die gründliches Denken und eine solide Antwort erfordert und selbstverständlich keine Flickschusterei.
Gestatten Sie mir, kurz die neue Situation an den sächsischen Hochschulen zu umreißen. Wir haben es derzeit mit einem wahren Ansturm von Studienanfängern auf sächsische Hochschulen zu tun. Ich sage das, auch wenn das vielleicht den einen oder anderen von Ihnen im Plenarsaal verwundern mag: Das ist eine gute Nachricht. Das ist eine wunderbare Entwicklung.
Denn: Die jetzt vorliegenden Zahlen machen zunächst einmal deutlich, dass die sächsischen Hochschulen einen guten Ruf genießen und dass ihre hohe Qualität in Lehre und Forschung sie bekannt und anerkannt gemacht hat – im Inland ebenso wie im Ausland.
Wir können stolz sein auf unsere Hochschulen. Seit Mitte der Neunzigerjahre gibt es auch zunehmend einen Wettbewerb um exzellente Studierende. Die gestiegene Nachfrage zeigt, dass sich auch hier unsere Hochschulen diesem Wettbewerb erfolgreich gestellt haben.
Auch die erfolgreichen Anträge der sächsischen Universitäten in der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern haben die Attraktivität des Studiums und auch des Wissenschaftsstandortes Sachsen weiter gestärkt. Es zeigt sich zudem, dass unsere hochschulpolitischen Programme und Aktivitäten greifen. Der Hochschulpakt ist da auch in der zweiten Phase sehr erfolgreich. Ich verweise auch auf die erfolgreiche Kampagne „Pack dein Studium. Am besten in Sachsen“.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, Ihnen zunächst noch einmal einige Zahlen nennen. Wir zählen aktuell 111 635 Studierende an den Hochschulen im Freistaat. Diese Zahl wird voraussichtlich im nächsten Jahr noch einmal ansteigen. Im vergangenen Jahr – 2011 – haben sich 21 478 Studierende bei uns eingeschrieben. Das sind 1 209 mehr gewesen als im Vorjahr. Die Zahl der Studienanfänger wird nach der aktuellen Prognose der Kultusministerkonferenz voraussichtlich bis 2020 auf hohem Niveau verharren.
Unsere Hochschulen leisten insofern auch einen wichtigen Beitrag, um der demografischen Entwicklung entgegenzuwirken. Wie bereits diese wenigen zitierten Zahlen zeigen, sind unsere Hochschulen die Eingangspforte für junge, motivierte, engagierte, leistungsbereite und auch leistungsfähige junge Menschen. Die Hochschulen sind die einzigen Institutionen des Freistaats, denen es dauerhaft gelingt, junge und gut ausgebildete Menschen nach
Sachsen zu ziehen. Da wir bekanntlich eine stark alternde Bevölkerungsstruktur haben, sinkende Abiturjahrgänge, aber da wir vor allen Dingen auch eine stark wissensabhängige Gesellschaft sind, sind es genau diese Menschen, die wir benötigen.
Die Leistungsstärke unserer Hochschulen zeigt sich auch an den vermittelten Inhalten. Beliebteste Fächergruppe waren auch 2011 wieder die Ingenieurwissenschaften. Mehr als ein Viertel der Studierenden haben sich in diese Fächergruppe eingeschrieben. Rund 17 % haben sich in einen Studiengang der Fächergruppe Mathematik und Naturwissenschaften eingeschrieben. Wenn wir die MINT-Fächer insgesamt nehmen, so sehen wir, dass hier gut die Hälfte der Studienanfänger eines dieser besonders benötigten MINT-Fächer gewählt hat. Zuwachs also auch in den Bereichen, die für die sächsische Wirtschaft so bedeutsam sind. Dort nämlich ist die sächsische Wirtschaft in besonderer Weise auf Nachwuchs angewiesen.
Studien zeigen, dass sich insbesondere HightechUnternehmen in Bereichen ansiedeln, in denen hoch qualifizierte junge Menschen zur Verfügung stehen. Das bedeutet: Unsere Hochschulen leisten einen ganz wesentlichen Beitrag für die wirtschaftliche Entwicklung des Freistaates Sachsen. Hinzu kommt: Die Hochschulen leisten außerdem einen wesentlichen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Denn hier, wie wir durch die Ergebnisse der 1. Sächsischen Absolventenstudie wissen, nimmt rund ein Drittel der von außen kommenden Studierenden, die hier auch das Studium abschließen, eine erste sozialversicherungspflichtige Tätigkeit auf. Mit anderen Worten: Ein nicht unerheblicher Anteil der Menschen, die zu uns kommen, bleibt auch hier. Sie stehen nach dem Abschluss ihres Studiums der Gesellschaft, der Wirtschaft zur Verfügung. Sie sind die Fach- und Führungskräfte, die unser Land so dringend benötigt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es ist richtig: Diese an sich hocherfreulichen Tatsachen haben wir und konnten wir nicht – zumindest nicht in diesem Umfang – voraussehen, nicht nur wir, sondern auch Experten bundesweit konnten dies nicht. Grundlage der Berechnungen des Wissenschaftsministeriums ist stets die Prognose der Kultusministerkonferenz, also die Prognose von ausgewiesenen Experten. Einen Ansturm dieser Größenordnung hat alle Vorausberechnungen gesprengt.