Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Freie Radios leisten einen wichtigen Beitrag zur breiten Rundfunklandschaft in Sachsen. Herr Kollege Gerstenberg ist auf diese Bedeutung eingegangen. Sie haben auch eine starke gesellschaftliche Verankerung und es macht sich an den vielen Unterstützungen deutlich, die in den letzten Wochen für freie Radios in der Öffentlichkeit laut geworden sind. Ich empfehle Ihnen zum Beispiel von „Radio Blau“ die Unterstützerliste zu lesen: viele namhafte Künstler, viele namhafte Personen des öffentlichen Lebens, die für den Weiterbetrieb von „Radio Blau“ und der anderen Radios in Sachsen streiten. Lesen Sie es sich bitte durch und halten Sie es sich vor Augen.
Wir hatten gehofft, dass es in den letzten Monaten noch zu einem Kompromiss kommt. Es gab Verhandlungen, die unterschiedliche Signale zeitigten. Letztendlich aber hat das Ergebnis des Montags, als „apollo“ mit den freien Radios zusammengesessen hat, gezeigt, wie dringend notwendig die heutige Debatte ist – leider.
Denn das Angebot, das „apollo“ den freien Radios vorgelegt hat, ist im Grunde ein Schlag vor ihren Kopf.
Sehr geehrte Damen und Herren, halten Sie sich bitte noch einmal die Situation im Jahr 2004 vor Augen, als die Frequenz ausgeschrieben und an „apollo“ vergeben wurde. „apollo“, ein Zusammenschluss sächsischer Privatradios, hatte die Frequenz erhalten, um seine „klassischen“ Radiowerbekunden nicht an einen weiteren Anbieter zu verlieren, der möglicherweise von extern nach Sachsen gekommen wäre und die Werbekunden abgezogen hätte. Es hat also eine „Frequenzverstopfung“ stattgefunden. Die SLM hat in diesem Kontext gesagt: Dann bietet bitte den Mantel für die freien Radios! – Das war damals der Stand der Dinge. An der Verpflichtung von „apollo“, diesen Mantel zu bieten und dafür selbstverständlich auch die Sendungs- und Leitungskosten zu übernehmen, hat sich rein gar nichts geändert.
Dass 2009 der Kooperationsvertrag ausläuft – Herr Herbst, Sie haben das als Argument in Ihrer Pressemitteilung verwendet –, hängt lediglich damit zusammen, dass UKW eigentlich 2009 abgeschaltet werden sollte. Erst durch die Verlängerung von UKW ist es zu der jetzigen Situation gekommen. Eigentlich hätte der Vertrag in der gleichen Form fortgeführt werden müssen.
„apollo“ jedoch hat im vergangenen Jahr – Kollege Mann ist darauf eingegangen –, insbesondere in den vergange
nen Monaten, die Kommunikation bzw. die Verhandlungen ein ganzes Stück weit zurückgefahren. Es gab sozusagen keine Kommunikationsleistung. Das ist ein Vorwurf, den wir „apollo“ gegenüber erheben. „apollo“ hatte in der ersten Verhandlungsrunde keinen Vorschlag vorgelegt. Die freien Radios hatten vorgeschlagen, eine Stunde ihrer Sendezeit – Sendezeit in der Primetime, die 2004 maßgeblich umstritten gewesen ist – abzugeben. „apollo“ hat gegenüber der Sächsischen Landesmedienanstalt gesagt: Okay, dann wollen wir ihnen zwei Stunden wegnehmen. – Jetzt liegt der Vorschlag auf dem Tisch, dass die freien Radios erst ab 21:00 Uhr senden dürfen, also drei Stunden später als bisher. Das ist vollkommen inakzeptabel.
Es wurde vorhin schon ausgeführt: Auch am Wochenende gibt es Angebote während des Tages für ganz unterschiedliche Altersgruppen. Das alles soll wegfallen. Sendung erst ab 21:00 Uhr – das kann doch nicht unser Ziel sein.
Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Vorschlag kann auch aus unserer Sicht von den freien Radios nicht angenommen werden. Man will die freien Radios letztlich am langen Arm verhungern lassen und spekuliert wahrscheinlich darauf, deren Sendezeit, wenn sie pleite sind, in das eigene Programm von „apollo“ zu integrieren. Das halte ich für relativ unverfroren.
Es ist ein Vorschlag, der für die freien Radios – erstens – die Abschiebung in die Nacht und – zweitens – ins Internet vorsieht. Wenn Sie als Koalition das begrüßen, dann muss ich Ihnen entgegnen: Sie verlängern gerade die UKW-Sendelaufzeit, was durchaus vernünftig ist. Aber dann dürfen Sie nicht fordern, die freien Radios sollten aus dem UKW-Bereich heraus. Das ist dann auch falsch.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir brauchen den Status quo, eigentlich mit „apollo“. Möglicherweise kann die Abgabe einer Stunde Sendezeit, wie von den freien Radios vorgeschlagen, ein Angebot sein. Ansonsten ist auch die SLM in der Pflicht ebenso wie wir als sächsischer Gesetzgeber mit einer möglichen Änderung des Privatrundfunkgesetzes. Herr Gemkow, es trifft nicht zu, dass dann massenhaft neue Ansprüche angemeldet werden. Wir können nämlich klar festlegen, dass es genau die freien Radios sind, die wir mit fördern wollen. Wir reden hier von 40 000 Euro.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Im Netz spielt die Zukunftsmusik“ – so titelte vor einigen Wochen ein renommiertes Internetportal. Bis zum Jahr 2012 sollen laut einer Marktprognose 13 Millionen Deutsche Radio über Internet hören. Wer dabei nur das Bild eines Kopfhörer tragenden und vor dem Monitor seines PCs sitzenden Radiohörers vor Augen hat, der liegt völlig falsch; denn Radioempfang im Internet ist genauso einfach und komfortabel wie der Empfang eines Senders über die ohnehin bald auslaufenden UKW-Frequenzen.
Ein WLAN-Radio etwa sieht genauso aus wie ein herkömmliches Radio. Es steht in der Zimmerecke und lässt sich auch nach alter Väter Sitte bedienen.
Es hat aber keine Antenne, sondern ist über Funk mit dem Internet verbunden. Dadurch kann man mit dem Radio mehrere tausend Sender weltweit empfangen. Das nenne ich wahre Sendervielfalt.
Die Akzeptanz dieser neuen Empfangsgeräte in der Fläche ist eine Frage der Zeit. Auch die Kosten für diese Geräte werden mit Sicherheit erheblich sinken. Warum soll es dann nicht möglich sein, die drei in Sachsen befindlichen nicht kommerziellen Lokalradios auch als Internet-Livestream erfolgreich zu betreiben?
Die Hörerschaft ist jung und internetaffin. Viele Aktionen – auch die Aktuelle Debatte, die wir miteinander führen, und die Diskussion in der Öffentlichkeit – laufen schon über das Internet. Auch die E-Mails, die uns in diesen Tagen zu diesem Thema erreichen, kommen alle über das Internet; nicht ein einziger Brief ist dabei gewesen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Lokalradios bereichern tatsächlich unsere Rundfunklandschaft. Das ehrenamtliche Engagement der Radiomacher muss man ihnen hoch anrechnen. Aber warum muss die Darbietungsmodalität über terrestrisches Signal stattfinden, wenn es doch eine kostengünstige, genauso effektive und vor allen Dingen zukunftsweisende Alternative gibt? Bisher hatte „apollo radio“ die Kosten der Übertragung auf der UKW-Frequenz übernommen. Diese vertragliche Vereinbarung, die im Übrigen die NKL selbst mit abgeschlossen haben, läuft zum Ende des Jahres aus.
Daraus aber nun den Schluss zu ziehen, der Gebührenzahler müsse jetzt die Finanzierung übernehmen, indem man die Landesmedienanstalt gesetzlich verpflichtet, die
Sende- und Leitungskosten zu übernehmen, ist grundfalsch. Das klingt zwar schön einfach und lässt sich nach außen sehr populär verkaufen, ist aber die schlechteste aller Lösungen. Würde man nämlich das Sächsische Privatrundfunkgesetz ändern und die Landesmedienanstalt verpflichten, die Kosten für die Bürgerradios zu tragen, dann müsste die Landesmedienanstalt jedwede Form von Bürgerfunk finanzieren. Das wäre ganz klar Ausdruck des Gleichheitsgrundsatzes. Das heißt, nicht nur die drei NKL in Dresden, Chemnitz und Leipzig, sondern morgen vielleicht schon in Görlitz, Annaberg, Torgau oder hundert anderen sächsischen Städten müssten ebenfalls finanziert werden. Die Folge wäre eine unkalkulierbare Kostenflut und letzten Endes eine höhere Rundfunkgebühr für die Gebührenzahlerinnen und -zahler.
Darum ist der richtige Weg eine bürgerschaftliche Finanzierung der Bürgerradios oder eine Modifizierung der derzeitigen Finanzierung. Ein Angebot dazu haben die Betreiber von „apollo radio“ bereits unterbreitet. Erstens hat „apollo radio“ eine Finanzierung der UKW-Frequenz für ein weiteres Jahr angeboten. Zweitens hat „apollo radio“ eine unbefristete Finanzierung eines 24-StundenInternetstreamings angeboten. Außerdem würde „apollo radio“ noch zusätzlich auf dem eigenen Angebot Werbemaßnahmen für die NKL unternehmen.
Daraus kann man den einzigen Schluss ziehen: dass die gegenwärtige Diskussion nicht im Ansatz eine Erörterung der Existenzfrage für die drei nicht kommerziellen Radios, sondern eine Luxusdebatte über den teuren Erhalt eines veralteten Übertragungsweges auf Kosten der Gebührenzahler ist.
Vielen Dank, Kollege Gemkow. – Wir haben es hier vorn nicht genau ausmachen können, aber ich hoffe, dass Sie einen Stichwortzettel und keinen ausgearbeiteten Redebeitrag vor sich hatten. Ich weise noch einmal darauf hin: Wir kontrollieren das hier sehr genau.