Es stellt sich die Frage, die für die Planung interessant ist: Wie können neue Möglichkeiten – Zweigpraxen, Arztverbünde, angestellte Ärzte – vor dem Hintergrund einer besseren Verzahnung, auch von Stadt und Land, angestoßen werden? Wer kann sie koordinieren?
Eine solche sektorenübergreifende Darstellung ist mit dieser Großen Anfrage leider nicht passiert; sie ist versäumt worden. Wie gesagt, es kann auch an der kurzen Frist liegen, aber das ist schade gerade vor dem Hintergrund, dass wir mit diesem Landesausschuss durchaus neue Kompetenzen erhalten. Ich hoffe auch, dass wir nachher von der Ministerin noch hören werden, wie die Staatsregierung der neuen Verantwortung in diesem Bereich nachkommen wird.
Danke, Frau Präsidentin! – Frau Neukirch, Sie haben mehrfach bedauert, dass diese oder jene Dinge nicht gefragt oder beantwortet sind. Können Sie sich vorstellen oder mir recht geben, dass ich das ebenfalls bedaure, dass wir aber bewusst ein Thema gewählt haben, das eben das, was Sie gern wollen – und was ich ebenso gern will –, bei dieser Großen Anfrage bewusst außen vor gelassen hat, dass wir uns vornehmlich auf die ärztliche Versorgung konzentriert hatten? Können Sie sich vorstellen, dass man künftig in einer weiteren Großen Anfrage zum Gesamtthema vielleicht noch einmal etwas initiiert?
Ja, das kann ich mir schon vorstellen. Ich habe ja auch auf die Gründe hingewiesen, die ich mir überlegt habe. Aber es ist natürlich so, dass mein Interesse in dieser Debatte darin besteht, wirklich zu schauen, wie die medizinische Versorgung geregelt ist, und das geht über den ambulanten und stationären Bereich hinaus. Was völlig fehlt, ist der öffentliche Gesundheitsdienst. Dort arbeiten auch Ärzte. Also der Gesamtblick auf die Situation ist eben leider durch die Große Anfrage nicht gewährleistet. Das kann man nachholen oder noch ergänzen, das können Sie machen, wie Sie wollen, Herr Pellmann
Ich habe darauf hingewiesen, dass bei meinem Blick auf das Thema die Anfrage durchaus hilfreich gewesen ist.
Auf der anderen Seite möchte ich auf die neue Verantwortung der Staatsregierung im Landesausschuss zurückkommen. Frau Strempel ist vorhin auf diese neuen Möglichkeiten eingegangen. Man konnte auch diese Woche in der „Ärztezeitung“ lesen, dass eine ganz große Skepsis gegenüber der Umsetzung auf Landesebene und auch durch die eigenen Verbände besteht. Nur ein Drittel aller Ärzte halten ihre eigenen Verbände überhaupt in der Lage, dieses neue Versorgungsgesetz so umzusetzen, dass sich die Versorgung tatsächlich verbessert. Deshalb sehe ich an dieser Stelle wirklich die Landesebene, die Staatsregierung, absolut in der Pflicht, hierbei der Motor zu sein, damit diese guten Ansätze im Versorgungsgesetz dazu führen, dass wir in Sachsen eine bessere medizinische Versorgung haben werden.
Mit diesen Erwartungen stimme ich Frau Strempel zu. Allein so viele Chancen darin bestehen, so viel Risiko liegt eben auch darin, auf das tatsächliche Verantwortungsbewusstsein der Staatsregierung allein zu setzen.
Warum sage ich das in dieser Deutlichkeit? Die Staatsregierung hat in den vergangenen Jahren – Frau Strempel hat es aufgezählt – viele Maßnahmen unternommen, um in diesem Bereich Ärztemangel irgendetwas zu tun. Allein uns fehlt ein Ergebnis. Ich konnte aus den Antworten auf die Anfrage nicht herauslesen, wie erfolgreich diese Maßnahmen waren. Wie viele Ärzte hat es denn tatsächlich in Sachsen gehalten, nach Sachsen gebracht? Wie wurden in unterversorgten Regionen tatsächlich Ärzte gewonnen? Allein diese Ergebnisbetrachtung ist unerlässlich, bevor man jetzt anfängt, neue Maßnahmen zu planen. Das fehlt mir. An dieser Stelle sind noch Zweifel an der Umsetzungstatkraft der Staatsregierung angebracht. Aber ich lasse mich gern überzeugen und mache auch gern mit, wenn es anders kommen sollte.
Ein weiteres Beispiel für diese berechtigten Zweifel ist die Krankenhausfinanzierung. Tatsächlich hat der Freistaat, von einem hohen Niveau kommend, im Vergleich zu allen Bundesländern den stärksten Rückgang zu verzeichnen. Die Staatsregierung hat vor Kurzem eine Pressemitteilung herausgegeben und dort 88 Millionen Euro für Investitionen in Krankenhäuser hineinge
schrieben. Ich habe versucht herauszubekommen, woher die Zahlen kommen. In unserem gültigen Haushaltsplan stehen 72 Millionen Euro, wenn man Einzelförderung und Pauschalförderung addiert. Wenn man noch genauer nachliest, sind davon 45 Millionen Euro allein durch die Krankenkassen finanziert und gar keine Haushaltsmittel des Freistaates. Es bleiben 27 Millionen Euro übrig. An dieser Stelle muss ich sagen, dass das die Zahlen sind, von denen ich hier ausgehe, weil mir keine anderen Informationen – auch auf Nachfrage, woher die restlichen Millionen denn kommen sollten – zugegangen sind. Wenn man noch ein kommunales Investitionsprogramm mit 5 Millionen Euro dazunimmt, bleibt eine Lücke. Es ist völlig intransparent, wie man auf diese 88 Millionen Euro gekommen ist.
Ich habe keine Lust mehr, dieses Katz-und-Maus-Spiel der beständigen Nichtinformation oder Teilinformation durch die Staatsregierung mitzuspielen, das mittlerweile auch im Umgang mit den Fachausschüssen im Landtag betrieben wird. Das muss ich einmal klar und deutlich sagen.
Ich erwarte, dass transparent darüber berichtet wird, was gemacht wird, mit welchem Geld, woher das kommt und wer es bekommt. Ich hoffe, dass diese derzeitige Politik Ihnen irgendwann auf die Füße fallen wird – vielleicht, wenn einige Koalitionsabgeordnete einmal nachfragen. Spätestens 2015, wenn die Krankenkassen nicht mehr mitfinanzieren, wird deutlich, wie hoch der Nachholbedarf bei Krankenhäusern in Sachsen sein wird.
Momentan ist es so, dass diese Intransparenz hier gezielt eingesetzt wird, um sich auf Lorbeeren aus der Vergangenheit auszuruhen und zu verschleiern, wie groß die Finanzierungslücke bereits ist.
Ich komme noch einmal auf die 27 Millionen Euro zurück: Es klingt vielleicht am Anfang sehr viel angesichts dessen, dass wir in diesem Bereich von 79 Krankenhäusern sprechen, in die wir seit 1991 2,7 Milliarden Euro investiert haben. Wir sprechen von Wirtschaftsunternehmen, die pro Jahr 3,5 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften, und wir sprechen von einer Reinvestitionsquote von 27 Millionen Euro. Das ist nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern auch volkswirtschaftlich nur als misswirtschaftlich zu bezeichnen. Von Sparen kann dabei jedenfalls keine Rede sein.
Eine solide Haushaltspolitik kann ich darin jedenfalls nicht erkennen, sondern bestenfalls eine irgendwie die gute Substanz vorschiebende Verschleierung von Herunterwirtschaften derselben. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Staatsregierung immer versucht, der große Player zu sein, aber eben kein Payer.
Das ist beim Thema Krankenhäuser wirklich zum Nachteil; denn das Ganze hat auch Auswirkungen für die Patientinnen und Patienten. Wenn ein Krankenhaus Reinvestitionsbedarf hat – zum Beispiel wenn das Röntgengerät ausgefallen ist, es aber nicht genug Pauschalinvestitionsmittel zur Verfügung hat –, muss es sich entscheiden, ob es die Behandlung ohne das Gerät vornimmt, oder beim Personal spart. Beides hat die Konsequenz, dass die medizinische Versorgung für den Patienten schlechter wird. Das kann auf Dauer nicht die Lösung für die guten Krankenhäuser in Sachsen sein.
Die Sicherstellung dieser Investitionen ist aber originäre Landesaufgabe, die der Freistaat mit der Krankenhausplanung sozusagen als Verantwortung hat. Die Planungskompetenz geht hier eindeutig mit der Finanzierungsverantwortung einher. Der Freistaat muss eben auch die notwendigen Finanzen hinterherschieben. Nehmen Sie deshalb bei diesen neuen Chancen durch das Versorgungsgesetz von Anfang an die beteiligten Verbände, die Kassen in die Pflicht. Sorgen Sie dafür, dass die zur Verfügung stehenden Instrumente wirklich zielgenau eingesetzt werden können. Nehmen Sie die verantwortlichen Politiker vor Ort und im Land mit. Handeln Sie transparent, und berichten Sie dann über konkrete Ergebnisse. Das erwarten wir von Ihnen.
Über notwendige Maßnahmen und Vorschläge dazu können Sie in unserem Entschließungsantrag nachlesen, auf den Kollegin Giegengack noch näher eingehen wird.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine alte Weisheit, dass Stillstand Rückschritt bedeutet. In kaum einem Politikbereich zeigt sich das so deutlich wie in der Gesundheitspolitik. Viele Schritte sind notwendig, um den sich verändernden Rahmenbedingungen, geprägt vor allem durch die demografische Entwicklung, die älter werdende Bevölkerung und den medizinisch-technischen Fortschritt, frühzeitig Rechnung zu tragen. Aber bei aller Kritik im Detail und bei allem, was man noch besser machen kann, wissen wir, dass es kein anderes Land auf dieser Welt gibt, das es schafft, freie Arztwahl, freie Krankenhauswahl, Therapiefreiheit und freie Wahl der Krankenkassen so miteinander zu verbinden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Früher, zu Beginn der Neunzigerjahre, wurde über die Ärzteschwemme diskutiert. Heute stellen wir fest, dass es zunehmend schwieriger wird, Nachwuchs in diesem Bereich zu gewinnen. In Sachsen können wir heute – das
hat die Große Anfrage gezeigt – steigende Arztzahlen verzeichnen. 6 670 ambulant tätige Ärzte arbeiten heute bei uns im Freistaat. Aber gerade für Allgemeinmediziner und bestimmte Fachärzte, wie Augenärzte oder Urologen, sind noch Zulassungen möglich; meine Vorredner sind bereits darauf eingegangen.
Klar ist: Der ambulante Versorgungsauftrag liegt bei der Kassenärztlichen Vereinigung. Aber das heißt nicht, dass sich nicht auch das Land des Themas sehr intensiv angenommen hat und auch weiterhin annehmen wird. Hier sind wir bereits aktiv auf dem Weg, gemeinsam mit den beteiligten Partnern – der Kassenärztlichen Vereinigung, den Kassen insgesamt – die ärztliche Versorgung zukunftssicher zu machen. Zinsgünstige Darlehen, Werbung für eine Tätigkeit in Sachsen, Weiterbildungsverbünde oder die Förderung einzelner Krankenhäuser.
Im Übrigen sind auch viele sächsische Kommunen bereit, niederlassungswillige Ärzte bei der Wohnungssuche und der Suche nach einem Kita-Platz für das Kind zu unterstützen; denn letztlich stehen auch sie miteinander im Wettbewerb um Ärzte. Wenn Frau Neukirch und Frau Lauterbach sagen, es sei nicht nachvollziehbar, es hätte alles nichts genützt, dann verweise ich Sie auf die Zahlung der Investitionsförderung der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen im Zeitraum von 2007 bis 2009; denn dort wurden für 30 Ärzte Zahlungen für Praxisübernahmen und -neugründungen getätigt. Ich denke, auf diese 30 Ärzte hätte sicherlich niemand von uns verzichten wollen.
Dass natürlich das Problem insgesamt beharrlich angegangen werden muss, zeigt auch das Beispiel unseres sächsischen Stipendienprogramms. Bis zum Wintersemester 2011/2012 haben 34 Studierende diese finanzielle Hilfe in Anspruch genommen. Im Gegenzug haben sie sich verpflichtet, nach abgeschlossener Facharztausbildung an der hausärztlichen Versorgung in unterdurchschnittlich versorgten Gebieten teilzunehmen sowie eine Patenschaft mit einem sächsischen Hausarzt einzugehen. Daran haben wir im Haushalt festgehalten, weil wir überzeugt sind, dass auch solche kleinen Schritte zur Stabilisierung der ärztlichen Versorgung beitragen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sicherstellung der ambulanten und stationären Versorgung in Sachsen ist im Wesentlichen auch von bundespolitischen gesetzgeberischen Maßnahmen geprägt. Das aktuelle Versorgungsstrukturgesetz, das seit dem 01.01.2012 gilt, geht vor allem die strukturellen Probleme in der ärztlichen Versorgung an. Wir wollen nämlich, dass der Arzt im Dorf bleibt. Darüber reden wir nicht nur, sondern wir tun auch etwas dafür. Wenn ein Arzt durch die Regelung der sogenannten Mengenstaffelung für immer mehr Patienten immer weniger Geld bekommt – wo ist dann der Anreiz? Es ist richtig, dass diese Regelung aufgehoben wurde.
Es ist längst an der Zeit, dass die Koalition auf Bundesebene diesen mutigen Schritt gemacht hat. Mit diesem Gesetz werden unter anderem starre Planungsvorgaben gelockert, allen flexible Möglichkeiten eröffnet, regionalen Bedarfen gerecht zu werden, und die Länder erhalten mehr Mitsprachemöglichkeiten. Mit einem Bündel an Maßnahmen werden konkrete Lösungen vorgeschlagen, um die Attraktivität des ärztlichen Berufes zu erhöhen. Frau Lauterbach, an Sie gerichtet: Jeder niedergelassene Arzt ist privat. Hören Sie also auf, Angst vor irgendeiner Art von Privatisierung zu schüren.
Wir haben in Sachsen eine Krankenhauslandschaft, wir haben individuelle sächsische Lösungen gefunden, um Ärzte nach Sachsen zu holen, aber sie vor allem auch hier zu halten – und dies vor allem im ambulanten Sektor. Außerdem haben wir ein Bundesgesetz, das künftig mehr regionale Spielräume eröffnet und den Ländern Mitsprachemöglichkeiten bietet. Die Hoffnung, dass sich die Versorgung im ländlichen Raum von selbst regelt, ist abwegig. Darin sind wir uns alle, denke ich, zumindest in diesem Punkt hier im Hause einig. Deshalb sind wir sehr aktiv und immer auf der Suche nach neuen Lösungen. Deshalb hören wir immer genau zu, und im konstruktiven Dialog mit allen Verantwortlichen im Gesundheitswesen werden wir weiterhin alles unternehmen, damit diese schwierigen Aufgaben erfolgreich gemeinsam gemeistert werden können.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin erst einmal sehr froh, dass Frau Prof. von Schorlemer doch noch eingetroffen ist; denn ich denke, wenn wir hier über ärztliche Versorgung sprechen, dann hat das auch unmittelbar etwas mit der Hochschulausbildung von Studenten zu tun. Schön, dass Sie gekommen sind!
Zur Großen Anfrage muss ich Ihnen sagen: Viele Fakten, die darin aufgeführt wurden, waren für mich nicht unbedingt besonders überraschend und sind auch – gerade über das Internet – umfangreich einsehbar. Manche Fragen – entschuldigen Sie bitte – fand ich ein klein wenig unglücklich. Wenn Sie fragen, wie viele Absolventen der beiden medizinischen Fakultäten im letzten Jahr ihr Studium mit der Erteilung der Approbation beendet haben, dann bedeutet das, dass Sie nicht wissen, dass die Universitäten die Approbation überhaupt nicht erteilen. Aber okay.
Ich finde auch, in bestimmten Punkten wurde nicht konsequent genug gefragt. Sie haben nach der Altersstruktur der niedergelassenen Ärzte gefragt, haben es aber versäumt, nach der Altersstruktur der im stationären Bereich tätigen Ärzte zu fragen. Wenn wir grundsätzliche
Aussagen darüber treffen wollen, wie es mit der ärztlichen Versorgung aussieht, dann ist dies eine ganz wesentliche Größe, die wir wissen müssen.
Insgesamt kann festgestellt werden, dass wir schwierigen Zeiten entgegengehen. Im Juni 2010 hatten wir nach Auskunft der KV Sachsen 277 offene Stellen im klinischen und 107 im ambulanten Bereich. Im Januar 2011 hatten wir bereits 444 offene Stellen im klinischen und 509 im ambulanten Bereich, wobei hier die neuen Maßstäbe der Bedarfsplanungen zugrunde gelegt wurden, also der demografische Faktor bereits eingeflossen ist. Für Dezember 2012 rechnen die sächsischen Kliniken mit 1 026 offenen Stellen. Frau Strempel, ich weiß nicht, ob man dabei noch von einer guten ärztlichen Versorgung sprechen kann. Ich sehe diese Zahl mit großer Sorge.
Es sind auch deshalb verheerende Aussichten, weil insbesondere 250 Stellen für Weiterzubildende offen sind. Diese gibt es de facto nicht, und sie können auch nicht in den ambulanten Bereich vorstoßen, wenn sie ihre Weiterbildung nicht im klinischen Bereich durchführen, da sie einfach nicht existent sind.