Protocol of the Session on November 24, 2011

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD)

Der Finanzstabilitätsbericht, den wir beispielsweise in den letzten Tagen von der Bundesbank erhalten haben, macht deutlich, wie angreifbar Deutschland geworden ist, wie unsere Vernetzung in den finanzwirtschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen gestiegen ist und welche Probleme drohen. Die Schwierigkeiten, die in Griechenland und an anderen Stellen vorhanden sind, schlagen zu uns durch. Die Bundesregierung ist bereit oder denkt darüber nach, die – schlimmen – Euro-Bonds einzuführen.

Ich sehe es wie folgt: Wir brauchen keine Vergemeinschaftung oder Vergesellschaftung der Schulden. Wir wollen die Früchte ernten, die wir in Sachsen haben und für die wir verzichteten. Mit Solidität können wir mehr leisten.

Der Angriff, der von außen droht, muss uns dazu führen, weiter an diesem Entschuldungskurs festzuhalten. Wir ziehen eine Dividende: die sogenannte Milbradt-Dividende. Man darf durchaus einmal sagen, wer der Konstrukteur dieses Finanzsystems ist: Das war der ehemalige CDU-Minister und spätere Ministerpräsident.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Vielleicht wird ihm der eine oder andere das Thema mit der Sachsen LB vorwerfen.

(Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD)

Insgesamt haben wir heute aber die Möglichkeit, rund 1 Milliarde Euro mehr – als andere Bundesländer in vergleichbaren Situationen – auszugeben. Vergleichen wir es einmal: Wir haben auf Schulden bestmöglich verzichtet, und niemand hat für uns die Schulden bezahlt. Wir erzielen heute dadurch eine Rendite, indem wir die Zinsen dafür gar nicht erst aufbringen müssen. Wenn wir auf Bundesebene die Schulden nicht hätten, könnten wir uns 12 % des Haushaltes sparen und 36 Milliarden Euro für andere Dinge ausgeben.

Das hatte ich bereits gesagt: Ich möchte andere Vorschläge machen. Wenn wir den unteren Rand – das ist das erklärte Ziel von FDP und CDU –, der von der Inflation der Preise betroffen und dessen Realeinkommen nicht entsprechend mitgewachsen ist, entlasten wollen, müssen wir an die Abgaben heran. Wenn heute eine Familie mit einem Durchschnittseinkommen und zwei Kindern– nach Abzug aller Steuern und Abgaben – weniger als das Existenzminimum zur Verfügung hat, welches steuerlich zugeordnet wird, dann hat das etwas mit den Abgaben zu tun.

Abgaben haben etwas damit zu tun, wie man Beschäftigung schafft. Wenn wir mehr Beschäftigung schaffen, haben wir mehr Leute, die die Abgaben im Solidar- und Umlagesystem tragen können. Dann kommen wir dort heraus. Das ist die Frage: Wie gehen wir an die Abgaben heran? Es muss nicht unbedingt eine Entlastung bei den Steuern sein.

Als Letztes dürfen wir darüber nachdenken, wie wir die Familien, die das Kernproblem unserer Gesellschaft lösen – die Frage des Nachwuchses –, entlasten. Das wäre möglich anhand eines Familiensplittings. Dafür macht sich die CDU aus Sachsen seit Jahren stark und versucht es überall einzubringen. Familiensplitting führt zu einer deutlichen Entlastung von Familien und lässt mehr Freude – auch ökonomische – auf Kinder zu. Daran wollen wir arbeiten.

(Henning Homann, SPD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Im Augenblick gestatte ich keine Zwischenfrage.

Die heutigen Schwierigkeiten und die heutige Schuldenkrise haben damit zu tun, dass unsere Gesellschaft schrumpft. Seit vier Generationen schrumpft sie um ein Drittel. Das ist unser Kernproblem in Europa. Dagegen müssen wir vorgehen. Dazu brauchen wir Lösungsansätze, dann kommen wir auch mit den Schulden und Wachstumsraten entsprechend weiter.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die Fraktion der CDU sprach Herr Kollege Patt. Als Nächste wäre, wenn noch Redebedarf bestünde, die Fraktion DIE LINKE am Zug. – Ich sehe keinen Bedarf. Hat die FDP noch Bedarf? – Herr Kollege Zastrow von der FDP-Fraktion ergreift das Wort, bitte.

Meine Damen und Herren! Ein sächsischer Arbeitnehmer mit einem Jahresbruttoeinkommen von 24 000 Euro – das ist etwas weniger als der Durchschnitt in Sachsen – spart durch die schwarz-gelbe Steuerreform im Jahr 2012 43 Euro. Im Jahr 2014 sind es 135 Euro. Insgesamt sind das 178 Euro.

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Das ist viel Geld für diesen Mann!)

Für Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, und Sie, liebe Besserverdienenden von den GRÜNEN, sind es vielleicht Peanuts. Für viele Menschen in Sachsen ist das sehr viel Geld. Ich bin froh, dass wir endlich denen, die den Aufschwung erwirtschaften, einmal etwas zurückgeben.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD)

Dem Staat steht dieses Geld überhaupt nicht zu. Das Entlastungsvolumen entspricht 6 Milliarden Euro. Das ist allein der Effekt, den der Bundesfinanzminister durch die kalte Progression hat. Das ist der Effekt, der bei dem Bundesfinanzminister landet, wenn Gehaltserhöhungen vorgenommen werden und der Staat besonders kräftig zuschlägt. Das den Menschen zurückzugeben – nicht einmal das gönnen Sie ihnen. Nicht einmal dieses kleine Stück Steuergerechtigkeit werden SPD und GRÜNE im Bundesrat mittragen. Das finde ich schäbig.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ihnen liegen nicht der Koch und der kleine Mitarbeiter am Herzen. Wissen Sie, wer Ihnen am Herzen liegt? Ihnen liegen die Kreuzfahrtschiffe und Ausflugsdampfer am Herzen. Kurt Beck reichte im Bundesrat in der letzten Woche einen Antrag der SPD zur am 31. Dezember auslaufenden Regelung ein, wonach die Ausflugs- und Kreuzfahrtschifffahrt den ermäßigten Mehrwertsteuersatz nutzen können. Inhalt: Die SPD will, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für diese Schiffe erhalten bleibt.

(Torsten Herbst, FDP: Das kann nicht sein!)

Das ist schäbig. Die Kreuzfahrtschiffe liegen Ihnen am Herzen, nicht der kleine Mann.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für die FDP-Fraktion sprach der Kollege Zastrow. Gibt es noch weiteren Rede

bedarf bei den GRÜNEN? – Bei der NPD? – Das sehe ich nicht. Das Wort hätte nun die Staatsregierung. Sie ergreift das Wort. Bitte, Herr Staatsminister Unland, das Rednerpult gehört Ihnen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Interne Wortwechsel zwischen Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir machen gleich eine Mittagspause. Ich würde Sie bitten, bis dahin die Konzentration in der heißen Debatte beizubehalten.

Wenn man sich die Steuerentlastungsdebatte anhört, dann habe ich durchaus gemischte Gefühle.

(Stefan Brangs, SPD: Es wäre schön, wenn es so wäre. Da habe ich nichts dagegen!)

Wenn es bei diesen Steuerentlastungen zu keiner Kompensation kommen sollte, müssen wir auch mit Mindereinnahmen für die Länder und Kommunen rechnen.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Sie können es im Bundesrat ablehnen. Sie können doch dagegen sein! – Karl Nolle, SPD: Tatsächlich?)

Warten Sie doch erst einmal ab.

Bei der Lohnsteuer ist es so, dass auf die Länder 42,5 % und auf die Kommunen 15 % entfallen.

Wenn man die Diskussionen verfolgt, scheinen zwei Aspekte in den Vordergrund zu treten: Auf der einen Seite gibt es das Problem der kalten Progression, auf der anderen Seite das Problem der Staatsverschuldung.

Beginnen wir mit der kalten Progression. Es wurde richtig gesagt: Inflation bedeutet, dass der Staat automatisch mehr Lohnsteuern erhält. Das heißt, ohne zusätzliche Wertschöpfung in unserer Gesellschaft erhält der Staat mehr Geld. Das ist nichts anderes als eine Umverteilung von Geld vom Bürger zum Staat. Das ist ein Problem für viele Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen.

Schauen Sie sich einmal einen Ergotherapeuten oder eine Krankenschwester an, die vielleicht nur halbtags arbeiten kann, weil sie Kinder hat. Diese Mitbürger leisten harte, unentbehrliche Arbeit für unsere Gesellschaft. Sie sind unverzichtbare Leistungsträger unserer Zivilgesellschaft.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, dass es sich für diese Menschen lohnt zu arbeiten.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Mindestlohn! Richtig! – Holger Zastrow, FDP: Es gibt auch ein paar Leute, die ein bisschen mehr haben!)

Das geht auch konform mit der Aussage des Bundesverfassungsgerichtes. Der Gesetzgeber muss den Steuertarif fortwährend überprüfen, um sicherzustellen, dass das Existenzminimum bleibt, wenn der Grundfreibetrag nicht mehr ausreichend ist.

Was ist nun die Aufgabe der Politik? Die Aufgabe der Politik ist es zu verhindern, dass niedrige Lohngruppen an den Rand des Existenzminimums kommen, und zwar durch Inflation und Abgabenbelastung. Deshalb habe ich auch Verständnis für den Kompromiss der Koalition auf der Bundesebene. Es geht primär darum, inflationsbedingte Steuermehreinnahmen zurückzugeben.

Auf der anderen Seite besteht allerdings das Problem der Staatsverschuldung. Wo sind wir inzwischen in Deutschland angekommen? Wir haben rund 2 Billionen Euro Schulden. Wenn man sich den Entwurf des Haushaltes für das Jahr 2012 anschaut, dann sprechen wir nicht von einem Stopp der Neuverschuldung, sondern es werden wiederum 26 Milliarden Euro geplant. Das heißt, zusätzlich werden die Schulden um weitere 26 Milliarden Euro erhöht.

Ich kann nur eines sagen: Allmählich besteht akuter Handlungsbedarf beim Bund, aber auch bei den hochverschuldeten Ländern. Machen wir uns nichts vor: Die Situation ist inzwischen so, dass das nicht nur unsere Kinder und Enkel merken werden, sondern – ich formuliere das bewusst ein wenig bissig – das wird bald jeder in Deutschland merken. Wohin das führt, sehen wir zurzeit

in Europa, wo wir uns mit diesem Problem inzwischen handfest auseinandersetzen müssen. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen, dass noch keine Lösung dafür bereitsteht.