Protocol of the Session on October 12, 2011

Sammeldrucksache –

Drucksache 5/7118

Wird dazu das Wort gewünscht? – Ich sehe keinen Redebedarf. Wir können also zur Abstimmung kommen. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Vielen Dank. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Damit

ist der von mir benannten Beschlussempfehlung mit Mehrheit zugestimmt.

Wir verlassen damit den Tagesordnungspunkt 13, und ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 14

Beschlussempfehlungen und Berichte zu Petitionen

Sammeldrucksache –

Drucksache 5/7119

Zunächst frage ich, ob einer der Berichterstatter zur mündlichen Ergänzung der Berichte das Wort wünscht. – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Zu verschiedenen Beschlussempfehlungen haben die Fraktionen DIE LINKE, SPD und GRÜNE ihre abweichende Meinung bekundet. Die Zusammenstellung dieser Beschlussempfehlungen liegt Ihnen zu Drucksache 5/7119 schriftlich vor. Gemäß § 102 Abs. 7 der Geschäftsordnung stelle ich hiermit zu

den Beschlussempfehlungen die Zustimmung des Plenums entsprechend dem Abstimmungsverhalten im Ausschuss fest, es sei denn, es wird ein anderes Stimmverhalten angekündigt. – Das ist nicht der Fall.

Damit ist auch dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 15

Antrag auf Aufhebung der Immunität eines Mitglieds des Sächsischen Landtags gemäß § 73 Abs. 1 GO i. V. m. der Anlage 6 zur Geschäftsordnung (Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa vom 14. März 2011, Az. 4110E-III2-262/10)

Drucksache 5/7063, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten

Da der Ausschuss keine einstimmige Entscheidung getroffen hat, war die Beschlussempfehlung dem Plenum vorzulegen. Nach § 73 Abs. 2 Satz 3 unserer Geschäftsordnung wird über diese Empfehlung im Plenum ohne Aussprache abgestimmt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach unserer Abstimmung im Plenum kann die Erklärung einer Fraktion nach § 94 Abs. 2 Geschäftsordnung vorgetragen werden. In Abweichung von der Geschäftsordnung – so sich kein Widerspruch erhebt – ist dies möglich, bevor wir zu dieser Abstimmung kommen.

Mir sei noch ein Hinweis gestattet: Die Redezeit – so war im Präsidium diskutiert – bewegt sich hier in der Größenordnung von 10 Minuten.

Ich erteile das Wort Herrn Kollegen Hahn.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich entschlossen, die Mitglieder der demokratischen Fraktionen dieses Hauses zu bitten, dem Antrag der Staatsanwaltschaft Dresden auf Aufhebung meiner Immunität heute nicht zuzustimmen.

Es geht im vorliegenden Fall nicht um Diebstahl, nicht um Körperverletzung und auch nicht um ein Verkehrsdelikt. Es geht um die Teilnahme an einer politischen Protestaktion gegen einen geplanten Naziaufmarsch am 13. Februar 2010.

(Andreas Storr, NPD: Mit dem Ziel, den zu verhindern!)

Ich bleibe ausdrücklich dabei: Es ist legitim und richtig,

(Andreas Storr, NPD: Aber nicht legal!)

sich gegen derartige Aufmärsche mit friedlichen Mitteln zur Wehr zu setzen.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Alexander Delle, NPD: Das bestimmen Sie oder wer?)

Was mich anbelangt, so habe ich nachweisbar keine Straftat begangen. Außerdem – und darüber reden wir hier – steht im vorliegenden Fall auch noch der dringende Verdacht einer politischen Missbrauchsverfolgung im Raum. Genau davor soll ein Abgeordneter durch die Immunität geschützt werden.

Der Landtag befindet bekanntlich nicht über die Schuldfrage, sondern allein über die Aufhebung der Immunität. Um die Frage einer missbräuchlichen Strafverfolgung aber wirklich beurteilen zu können, müssen alle Abgeordneten zumindest den Sachverhalt kennen, um den es hier konkret geht. Deshalb ist es wichtig, dass Sie vor Ihrer Entscheidung erfahren, was ich am 13. Februar 2010 tatsächlich getan habe.

Natürlich wollten auch wir als Landtagsfraktion uns an den friedlichen Protestaktionen

(Andreas Storr, NPD: Das war ja sehr friedlich, hat man ja gemerkt!)

gegen den in der Dresdner Neustadt geplanten Naziaufmarsch beteiligen, und zwar mit einer öffentlichen Fraktionssitzung unter freiem Himmel.

Wir versammelten uns ab 8 Uhr im „Haus der Begegnung“ auf der Großenhainer Straße. Dort verabredeten wir, gemeinsam in Richtung Albertplatz aufzubrechen, wo am Nachmittag eine genehmigte Kundgebung stattfand. Doch wir kamen gar nicht bis zum Alberplatz; denn wir wurden bereits am Bahnhof Neustadt auf der Hansastraße von einer Polizeikette aufgehalten. Da ein Weiterkommen nicht möglich war, entschieden wir uns dazu, einfach vor Ort zu bleiben, und meldeten uns bei der Einsatzleitung der Polizei an.

Ich selbst hatte vorab erklärt, dass ich alle Formen des friedlichen Protestes gegen den Naziaufmarsch unterstütze und deshalb auch an der Menschenkette in der Altstadt teilnehmen würde. Aus diesem Grund habe ich den Platz auf der Hansastraße gegen 11:45 Uhr verlassen und bin dann auch nicht mehr dorthin zurückgekehrt.

Zur Erinnerung: Der Naziaufmarsch sollte um 13:00 Uhr beginnen, und frühestens ab diesem Zeitpunkt konnte es logischerweise überhaupt erst Blockaden dagegen geben. Zu dieser Zeit jedoch war ich auf der Altstadtseite am Rathaus, wo die Oberbürgermeisterin ihre Rede hielt. Anschließend reihte ich mich auf dem Altmarkt in die Menschenkette ein und stand dort unmittelbar neben dem Landtagspräsidenten und dem Ministerpräsidenten dieses Landes. Davon zeugen Fotos sowie Fernsehberichte. Im Anschluss besuchte ich das Jüdische Begegnungszentrum am Hasenberg, wo viele Menschen gerade an diesem Tag ihre Solidarität mit der jüdischen Gemeinde zeigen wollten. Von dort ging ich in den Landtag, um mich kurz über die aktuelle Nachrichtenlage zu informieren. Am Abend schließlich war ich dann gemeinsam mit beispielsweise Hans-Dietrich Genscher und dem Landesbischof auf der Veranstaltung an der Frauenkirche, wo Gerhart Baum als Hauptredner auftrat.

Danach fuhr ich nach Hause. Auf dem Weg dorthin begegnete ich noch der großen Polizeikontrolle, bei der die Personalien Hunderter Nazis festgestellt wurden, die zuvor durch Pirna marodiert waren, die Scheiben des SPD-Büros demoliert und einen Journalisten tätlich angegriffen hatten. Mir ist nicht bekannt, dass bis heute einer dieser Täter angeklagt oder gar verurteilt worden

wäre. Aber ich soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft Dresden auf jeden Fall vor Gericht gestellt werden.

Ausgangspunkt meines Verfahrens waren im Übrigen drei Strafanzeigen von Nazis. Eine davon kam aus der NPDFraktion hier in diesem Haus, eine andere von einem bekanntermaßen rechtslastigen Ex-Richter, der leider auch mehrere Jahre hier in Sachsen am Oberlandesgericht tätig war. Ich finde, Sie sollten das wissen.

Die Staatsanwaltschaft Dresden informierte mich dann über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens

(Andreas Storr, NPD: Vor dem Gesetz sind alle gleich! – Zuruf von den LINKEN: Ruhe!)

wegen angeblicher Sprengung einer Versammlung und bot zugleich an, dieses Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage von 500 Euro einzustellen. Dies kam für mich aus mehreren Gründen nicht infrage. Ich will nur drei nennen:

Erstens habe ich nichts Strafbares getan.

Zweitens enthielt das Schreiben der Staatsanwaltschaft nachweisbar – inzwischen auch zurückgenommen – Falschbehauptungen und

drittens hatte der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft in mehreren Interviews von einer Geldbuße gesprochen und damit den Eindruck erweckt, dass ich eine Schuld anerkennen müsse.

Nachdem ich die Zahlung abgelehnt hatte, erhielt ich vom LKA eine Vorladung als Beschuldigter. Absender dieser Vorladung war das Dezernat 52, PMK links, Verratsdelikte, Kriegsverbrechen. Auch das ist bezeichnend. Ich habe es daher vorgezogen, über meinen Anwalt schriftlich Stellung zu nehmen und die Vorwürfe auszuräumen. Das Verfahren wurde dennoch nicht eingestellt. Stattdessen wurde beim Landtag die Aufhebung meiner Immunität beantragt.

Fakt ist aber: Wir haben am 13. Februar 2010 gemeinsam mit mehreren Tausend Menschen auf der Hansastraße völlig friedlich demonstriert, was selbst von der Justiz nicht bestritten wird. Wir sind – anders als wohl in diesem Jahr im Bereich der Fritz-Löffler-Straße – zu keinem Zeitpunkt zum Verlassen der Örtlichkeit aufgefordert worden. Das bestätigen sämtliche Polizeiberichte, die auch der Staatsanwaltschaft vorliegen. Und wir als Abgeordnete haben in schwierigen Situationen wiederholt zwischen der Polizei und anderen Demonstranten vermittelt und so in unserem Bereich zur Gewaltfreiheit beigetragen. Auch das ist aktenkundig nachlesbar.

Bei mir kommt noch hinzu, dass ich zur vermeintlichen Tatzeit am vermeintlichen Tatort gar nicht anwesend war. Wie man allerdings eine Versammlung sprengen bzw. daran beteiligt sein kann, ohne überhaupt vor Ort zu sein, wird wohl ebenso das Geheimnis der Staatsanwaltschaft bleiben wie die Frage, mit welchen Mitteln ich mehrere Tausend Menschen dazu gebracht haben soll, bei eisiger

Kälte trotz meiner Abwesenheit mehr als fünf Stunden am Neustädter Bahnhof auszuharren.

Wir als LINKE haben uns immer als Teil der Protestbewegung gegen die Nazis gesehen, nie eine Führungsrolle beansprucht und diese auch nie real gehabt. Sämtliche Gegendemonstranten, die dort waren, waren absolut freiwillig an diesem Ort. Wenn nun aber von 12 000 Teilnehmern an diesen Gegenveranstaltungen ein einziger aus Sachsen vor Gericht gestellt werden soll – wenn es um 2010 geht – und dies der Fraktionsvorsitzende der LINKEN ist, dann ist die politische Absicht nicht mehr zu übersehen.