Protocol of the Session on September 14, 2011

(Holger Zastrow, FDP: Ja, ja!)

Das versucht jetzt die CDU zu reparieren, indem Sie mehr soziales Gewissen an den Tag legt. Aber ob das greifen wird, wird sich zeigen.

Zweitens: Schulhausbauprogramm. Wenn Sie behaupten, dass wegen der Überlappung der EU-Fördermittelperioden 2013/2014 mehr Geld im Haushalt wäre und es wäre kein Wahlkampfhaushalt, dann erwarte ich von Ihnen, Herr Finanzminister Unland, dass Sie das nachholen, was in den letzten zwei Jahren verloren gegangen ist, nämlich der Anfang, ein ordentliches Schulhausbauprogramm aufzulegen, das genau bis 2019 laufen sollte.

Das Bildungsministerium gibt zu, dass es einen Bedarf von circa einer Milliarde Euro gibt. Die Grauziffer ist höher; das wissen Sie. Sie haben auch noch Zinsersparnisse in diesen Zeiten aufgrund der guten Bonität. Ich erwarte, dass jedes Jahr mindestens 150 Millionen Euro bis 2019 in den Schulhausbau gehen und dass diese Infrastruktur endlich einmal zu ihrem Recht kommt.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und des Abg. Dirk Panter, SPD)

Das war die Abg. Hermenau für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gibt es noch Redebedarf bei der NPD-Fraktion? – Nein, nicht in dieser 1. Aktuellen Debatte. Es gibt keine dritte Runde, da kein Redebedarf mehr besteht. Damit hat die Staatsregierung das Wort. Bitte, Herr Staatsminister Unland.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Was die Verwendung der Solidarpaktmittel und das im Freistaat Sachsen inzwischen Erreichte angeht, so können wir zu Recht von einem soliden Fundament sprechen, auf das wir die Zukunft unseres Landes aufbauen können.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das möchte ich gern mit einigen Fakten aus dem Fortschrittsbericht „Aufbau Ost“ für das Jahr 2010 unterlegen. Wir erfüllen mit diesem Bericht bei Weitem nicht nur unsere gesetzliche Pflicht für das vergangene Jahr. Darüber hinaus legen wir Rechenschaft ab, dass seit dem Jahr 1995 bis heute im Rahmen von Solidarpakt I und II enorme und sehr erfolgreiche Anstrengungen in Sachsen unternommen worden sind, um die Infrastrukturlücke gegenüber den alten Ländern zu verkleinern.

Für 2010 weist Sachsen eine Nachweisquote der Sonderbedarfsergänzungszuweisungen – kurz genannt: SoBEZs – von insgesamt 137 % aus. Dieses sehr gute Ergebnis spricht zunächst einmal für sich selbst; denn ein höherer Wert wurde im Freistaat seit dem Jahr 2001, also noch zu Zeiten des Solidarpaktes I, nicht erreicht. Die Kernaussage lautet: Auch im Jahr 2010 haben Freistaat und sächsische Kommunen erneut gemeinsam den Nachweis über die vollständige Verwendung der erhaltenen SoBEZs erbracht.

Der Wert von deutlich über 100 % sagt allerdings auch, dass es Sachsen gerade in finanzpolitisch schwierigen Zeiten gelungen ist, zusätzliche, eigene Mittel in erheblichem Umfang entsprechend den Vorgaben des Solidar

paktes einzusetzen. Im Jahr 2010 waren das immerhin mehr als 800 Millionen Euro. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wir haben damit auch einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung der sächsischen Wirtschaft in der Finanz- und Wirtschaftskrise geleistet.

Die Basis des sehr guten sächsischen Ergebnisses war wie in den vergangenen Jahren die rege Investitionstätigkeit von Freistaat und kommunaler Ebene. 2010 sind Infrastrukturinvestitionen in Höhe von insgesamt rund 3,9 Milliarden Euro geleistet worden. Das waren über 200 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Die Investitionsquote im Staatshaushalt hat dabei mit 21,5 % einen Wert erreicht, der im Ländervergleich seinesgleichen sucht.

Bedeutsam ist dies auch deshalb, weil Sachsen den absehbaren Rückgang der Solidarpaktmittel von Jahr zu Jahr bereits immer mehr zu spüren bekommt. So standen uns im Jahr 2010 bereits 200 Millionen Euro weniger SoBEZs zur Verfügung als noch im Jahr 2009. Umso größer ist die Leistung einzuschätzen, dass sich die öffentlichen Investitionsausgaben in Sachsen im vergangenen Jahr in ebendiesem Umfang noch einmal erhöht haben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Fortschrittsbericht ist nicht nur die Bestandsaufnahme eines Jahres. Er ist auch die Antwort auf die große solidarische Leistung, die Bund und Länder mit dem Solidarpakt bereits seit dem Jahr 1995 gegenüber dem Osten Deutschlands erbringen. Auch über diesen langen Zeitraum hat Sachsen bewiesen, dass es mit der Solidarität des Bundes und der anderen Bundesländer verantwortungsvoll umgeht.

In der Gesamtschau von 1995 bis 2010 sind die erhaltenen SoBEZs im Freistaat vollständig maßgabengerecht verwendet worden. Wir haben in dieser Zeit eine durchschnittliche Verwendungsquote von 127 % erreicht. Zwischen den Jahren 1995 und 2010 sind vom Freistaat und den sächsischen Kommunen für insgesamt rund 48 Milliarden Euro Infrastrukturinvestitionen getätigt worden. Nahezu 7 Milliarden Euro sind in diesem Zeitraum zum Ausgleich der kommunalen Finanzschwäche verwendet worden. Insgesamt stehen bis heute Ausgaben von nahezu 55 Milliarden Euro zu Buche, die für die Rechnungslegung der SoBEZs nachweisfähig sind. Dem standen von 1995 bis 2010 insgesamt rund 43 Milliarden Euro erhaltene SoBEZs gegenüber.

Unterm Strich heißt das, dass Sachsen binnen eineinhalb Jahrzehnten noch einmal fast 12 Milliarden Euro eigene Mittel entsprechend dem Solidarpakt für den Aufbau Ost verwendet hat. Hohe Investitionen in den Aufbau des Landes sind jedoch nicht das alleinige Markenzeichen der soliden sächsischen Finanzpolitik; denn wir erreichen dies, ohne dabei von der Substanz zu leben, das heißt Schulden zu machen. Auch das zeigt der Fortschrittsbericht 2010 eindrucksvoll. Der erforderliche Aufbauprozess im Freistaat Sachsen genügt den Anforderungen einer nachhaltigen finanzwirtschaftlichen Entwicklung.

Er geht nicht zulasten künftiger Generationen, indem wir heute mehr ausgeben, als uns an Einnahmen zur Verfügung steht.

Wir haben uns darüber hinaus auch die Aufgabenbereiche des Freistaates und der Kommunen angesehen, die bisher besonders von den hohen Bauinvestitionen profitiert haben. Das waren vor allem die Schulen, der Bereich Hochschulen und Forschung sowie das Verkehrswesen. Ein deutlicher Schwerpunkt bei den Investitionen war somit der Bildungsbereich, eine Investition also in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

Profitiert davon haben allein im Jahr 2010 zahlreiche sanierte Schulen im ganzen Land, über 475 Baumaßnahmen und fast 5 300 neu geschaffene Plätze im Bereich der Kindertageseinrichtungen, die gesamten Hochschuleinrichtungen. Ich nenne als Beispiel den Neubau des Medien- und Sozialzentrums der Fachhochschule Mittweida oder den Weinholdbau an der TU Chemnitz.

Sehr geehrte Damen und Herren! Dass der Solidarpakt am Ende des Jahres 2019 ausläuft, ist Ihnen ebenso bekannt wie die Tatsache, dass die Summe der SoBEZs für den Freistaat Sachsen bis dahin jedes Jahr um circa 200 Millionen Euro geringer sein wird, das heißt, dass sich die Investitionsausgaben des Staatshaushaltes diesen absehbaren rückläufigen Einnahmen anpassen müssen. Unser Ziel bleibt dennoch, weiterhin eine hohe Investitionsquote zu erreichen und dabei konsequent auf eine Neuverschuldung zu verzichten. Um dabei die Ausgabenkürzungen in aufbauwirksamen Bereichen begrenzen zu

können, sind weitere – ich sage das hier ganz deutlich – Konsolidierungsanstrengungen nötig.

Der Rückblick auf die Geschichte des Solidarpaktes in Sachsen zeigt aber auch eines sehr deutlich: Der Vorwurf, die Staatsregierung würde das Land kaputtsparen, entbehrt jeder Grundlage.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Wir sparen, damit wir weniger Schulden haben und mehr Geld in den Aufbau des Landes investieren können. Wir sparen, damit wir weniger Zinsen zahlen müssen und mehr in die Zukunft investieren können. Wir sparen, damit mehr Geld bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt und nicht bei den Banken. Die Zahlen beweisen es: In keinem anderen Land wurde so viel in den Aufbau und die Zukunftssicherung investiert wie in Sachsen. In vielen anderen Ländern jedoch fressen die Schulden die Investitionen auf.

Wir wissen heute, auch mit Blick auf Europa, dass unsere Finanzpolitik hilfreich gewesen wäre. Europa kann aus diesen Erfahrungen lernen, denn eine Solidargemeinschaft kann nur funktionieren, wenn sich alle an die Regeln halten.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die Staatsregierung sprach Herr Staatsminister Unland. Ich sehe jetzt in der 1. Aktuellen Debatte keinen Redebedarf mehr. Wir kommen nun zu

2. Aktuelle Debatte

„Geisterfahrt“ des Kultusministers beim Einsatz von Lehrkräften zum Schuljahresbeginn beenden!

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion DIE LINKE mit Frau Kollegin Falken das Wort, danach CDU, SPD, FDP, GRÜNE und NPD. Bitte, Frau Falken.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Personalsituation oder, sagen wir besser, das Personalchaos im Freistaat Sachsen an den sächsischen Schulen ist nicht mehr hinzunehmen. Herr Wöller spricht innerhalb von Sätzen außerhalb von Sachsen und auch in diesem Hohen Hause immer wieder von der optimalen Entwicklung der Schülerinnen und Schüler, von der Situation, dass es besonders auf den Anfang ankommt, also die frühkindliche Bildung und die Grundschulbildung. Er hat in seiner Presseerklärung zu Beginn des Schuljahres signalisiert, dass das Schuljahr gut vorbereitet ist.

Wir wollen heute die Aktuelle Debatte dazu nutzen, einmal zu erläutern und zu erklären, wo und wie das

Schuljahr gut vorbereitet ist und was wir an den einzelnen Schulen gehört haben. Bevor ich aber zu diesen einzelnen Punkten komme, möchte ich noch einmal ganz klar mein Unverständnis zum Ausdruck bringen, dass es hier eine Pressekonferenz vom Innenminister gibt und damit sowohl die Presse – –

Darf ich Sie darauf hinweisen, Frau Kollegin, dass Sie hier zum Thema der Aktuellen Debatte – –

– Mache ich doch!

– Nachhaltigkeit sprechen. Ich kann Sie nur darum bitten, ansonsten wissen Sie, was die Geschäftsordnung sonst vorsieht.

Ich spreche zum Thema. Ich wollte mein Unverständnis zum Ausdruck bringen,

weil auch einige Abgeordnete nicht die Chance haben, jetzt hier zuzuhören.

Wir kommen jetzt zur aktuellen Situation an den sächsischen Schulen. Ich möchte einige Fakten aufzählen und diese mit Beispielen untersetzen.

Wir haben zu Beginn des Schuljahres an zahlreichen Schulen für die ersten Klassen keine Lehrer gehabt, zum Teil bis heute nicht. Sie haben das der „Sächsischen Zeitung“ hier in Dresden entnommen. Auch in anderen Grundschulen gibt es diese Situation. Einen Gymnasiallehrer in die 1. Klasse zu stecken und Beschäftigungen durchzuführen ist kein Unterricht.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Wir sprechen immer wieder von hohen Motivationen, für Schülerinnen und Schüler und für Lehrerinnen und Lehrer. Stellen Sie sich vor – ich hoffe, Sie können das alle noch oder manche vielleicht –, Sie haben ein Schulkind in der 1. Klasse ganz frisch, Sie bereiten das zu Hause ganz toll vor mit Zuckertüte und allem Drum und Dran, das Kind kommt am ersten Schultag in die Schule, und es hat gar keine Lehrerin. Es hat eine Stundentafel bekommen, darauf steht Musik, Deutsch und Mathe, und das findet alles gar nicht statt. Diese Situation haben wir zurzeit an sächsischen Schulen.

Es geht aber weiter, denn auch die Stundentafel in anderen Klassen wird nicht eingehalten. An mehreren Grundschulen findet ganz normaler Klassenleiterunterricht statt und nicht Unterricht nach der Stundentafel. Bei meiner eigenen Schule in Wiederitzsch ist es genau so. Unterricht zu Beginn des Schuljahres wird gestrichen; planmäßiger Unterrichtsausfall heißt das in der Fachsprache. Das bedeutet an Grundschulen, dass Sport gestrichen wird. Es gibt wochenlang keinen Sportunterricht bei den Grundschulklassen. Es gibt keinen Schulgartenunterricht in den Grundschulklassen, und auch weitere Fächer werden zum Teil mit einer oder zwei Stunden gestrichen, weil die Lehrer nicht zur Verfügung stehen.

(Zuruf von der CDU: Konkret!)

Konkret: Ich mache Ihnen eine Liste. Wollen Sie eine haben? – Sie bekommen von mir eine Liste.

Wir haben im Freistaat Sachsen die Situation, dass das Kultusministerium zum Ende des Schuljahres eine sogenannte Klassenverdichtung an die Schulen herausgegeben hat. Was heißt Klassenverdichtung? Klassenverdichtung bedeutet, dass an jeder Schule geschaut wird, wenn es Parallelklassen gibt, ob Klassen aufgeteilt werden können, bis 28 hochgezogen. Das ist nach Schulgesetz keine Verletzung des Schulgesetzes, Herr Wöller. Ganz klar, keine Frage. Aber eine Aufteilung einer Klasse hat schwerwiegende Konsequenzen für die optimale Entwicklung von Schülerinnen und Schülern.

(Beifall bei den LINKEN)

Nehmen wir das Beispiel Kamenz Mittelschule. Wir haben uns vehement bemüht, dass das Problem dort nicht so auftritt, aber es ist so. Fünfte Klassen an der Mittelschule, 28 Schüler pro Klasse. Jedes Kind, das zusätzlich nach Kamenz kommen wird, wird nicht mehr an der Kamenzer Mittelschule beschult werden können, sondern muss woandershin mit dem Hintergrund, dass alle Mittelschulklassen in der 5. Klasse Integrationskinder in den Klassen haben, nach Integrationsverordnung höchstens 25 pro Klasse, wenn die Finanzen zur Verfügung stehen.