Protocol of the Session on June 30, 2011

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, bevor ich zum Thema Sonderungsverbot und Fernzugang zu freien Schulen komme, die Diskussion zum letzten Doppelhaushalt nachzuvollziehen. Wir haben im Spätsommer 2010 einen Doppelhaushalt als Regierungsentwurf vorgelegt bekommen, der massive Kürzungen im Bereich der freien Schulen vorsah. Diese Kürzungen wären in der Tat ein großes Problem für die freien Schulen, die Eltern und die Schüler gewesen. Wir haben als Koalition in einer sehr schwierigen und sehr langen Diskussion eine Entscheidung getroffen, die geplanten Kürzungen für bestehende freie Schulen zurückzunehmen. Das war immerhin ein Volumen von 13 Millionen Euro. Dieses haben wir in einem Antrag formuliert und auch hier im Plenum beschlossen. Damit haben wir die Finanzierung von freien Schulen gesichert.

Wir haben auch den sofortigen Wegfall des Schulgeldersatzes korrigiert. Alle derzeitigen Schüler bekommen bis zum Abschluss der Schulform weiterhin eine Erstattung des Schulgeldes und können weiter in eine freie Schule gehen. Deswegen sage ich ganz klar, weil es in einem Brief angesprochen wurde: Für die Schüler, die jetzt in einer freien Schule sind – beispielsweise einer freien Mittelschule –, besteht kein Grund und Anlass, dass diese aus sozialen Gründen ausgeschlossen werden könnten. Die Aussage von freien Schulen, die etwas anderes erzählen, halte ich für sehr problematisch. Für diese gibt es nämlich überhaupt keinen Grund.

Dies erfolgt sukzessiv. Das bedeutet, dass neue Schüler keine Schulgelderstattung mehr erhalten. Somit können sich freie Schulen über einen sehr langen Zeitraum auf diese geänderten Finanzierungsbedingungen einstellen. Sie können außerdem nach Lösungsmöglichkeiten suchen. Sie könnten sich beispielsweise durch eine andere Staffelung der Elternbeiträge gegenfinanzieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage ganz klar: Die Schulgelderstattung gibt es in dieser Form nur in Bayern. Die Frage des Sonderungsverbotes ist keine Frage, ob es eine Schulgelderstattung gibt oder nicht. Es ist eine Frage der Gesamtfinanzierung von freien Schulen.

Wenn dem nicht so wäre, würden in allen anderen Bundesländern die Schulen gegen das Sonderungsverbot verstoßen – und zwar flächendeckend. Das ist offensichtlich nicht der Fall.

(Beifall bei der FDP)

Das Sonderungsverbot gilt und richtet sich – Thomas Colditz sagte es bereits – gegen die Schulträger. Es ist im Übrigen auch eine Genehmigungsvoraussetzung. Die Einhaltung dessen wird auch überprüft.

Herr Bläser, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Dr. Stange, bitte.

Danke schön. – Kollege Bläsner, geben Sie mir bei der Feststellung recht, dass sich mit dem Wegfall des Schulgeldersatzes die Gesamtfinanzierung für eine freie Schule faktisch nach unten verändert hat?

Sehr geehrte Frau Dr. Stange! Wenn Sie sich einmal anschauen, wie sich nach der Zuschussverordnung die Zuschüsse an die freien Schulen in den Jahren von 2007 bis 2010 entwickelt haben, können Sie Folgendes feststellen: Im Mittelschulbereich gab es eine Steigerung von 300 Euro pro Schüler. Das sind knapp 10 % mehr. Beim Gymnasium sind es 400 Euro mehr. Das sind ebenfalls knapp 10 % mehr. Ich bin kein Hellseher. Ich kenne die neue Zulassungsverordnung nicht. Ich bin mir aber sicher, dass dort wieder eine Steigerung aufgrund der höheren Personalausgaben enthalten sein wird.

Deswegen sind in der Gesamtschau die Einbußen, die jetzt auch nur ganz langsam für die neuen Schüler kommen, so gering, dass diese durchaus verkraftbar sind und vielleicht sogar durch neue Zusatzverordnungen überdeckt werden. Wir müssen wirklich abwarten, wie die Folge der neuen Rechtslage ist, und ich warne davor, hier Panik zu machen. Vorhin wurde gesagt: 2 % Gesamtfinanzierungsanteil haben die Schulgelderstattungen. Wenn man dagegensetzt, was die jährlichen Zuschlagsraten bei freien Schulen sind, dann ist das doch eine ganz andere Dimension.

Mir haben Schulträger gesagt, dass die Sollkostenformel der letzten Jahre ermöglicht hat, dass sie sicher planen konnten. Sie haben auch gesagt, dass es beträchtliche Steigerungen gab. Der Kompromiss, den wir in den letzten Haushaltsverhandlungen gefunden haben, hat sie vielleicht nicht glücklich gemacht, aber sie haben gesagt, dass sie damit leben und arbeiten sowie die Gesetze einhalten können.

(Beifall bei der FDP)

Herr Bläsner, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Herr Bläsner, können Sie mir bitte erklären, weshalb Sie gemeinsam mit der CDU-Fraktion in den Koalitionsvertrag eine Überprüfung der Finanzierung der freien Schulen aufgenommen und sich diese für diese Legislaturperiode vorgenommen haben, wenn doch die Finanzierung der freien Schulen mehr als auskömmlich ist?

Wir haben diese Formulierung in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Bisher sind die Jahresrechnungen – so will ich sie einmal nennen – der freien Schulen nach der neuen Finanzierungsform nach der Sollkostenformel noch nicht ganz in Zweijahresscheiben da. Damit hat man noch keine solide Grundlage. Natürlich ist es unsere Aufgabe zu schauen: Wofür haben freie Schulen Gelder ausgegeben? Wofür konnten sie keine Gelder ausgeben? Daraus müssen wir dann Schlussfolgerungen ziehen. Das ist ganz natürlich und das hat auch mein Kollege Thomas Colditz gesagt. Kommen sie mit dem Geld in diesem Bereich aus? Bekommen sie in einem Bereich zu wenig und in dem anderen zu viel? Ich glaube, es ist richtig, dass man eine bestehende Regelung, die 2007 eingeführt wurde, auch evaluiert.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Thomas Colditz und Prof. Dr. Günther Schneider, CDU)

Sie wollen noch eine Nachfrage stellen, Frau Giegengack?

Ich habe auf Ihr Zeichen gewartet, weil Sie ja der Vorsitzende dieses Hauses sind.

Bitte.

Herr Bläsner, ich wollte Sie noch fragen, wie Sie Konsequenzen für die Finanzierung ablesen wollen, wenn Kinder gar nicht zu den freien Schulen dringen, weil ihre Eltern wissen, dass sie sich das Schulgeld nicht leisten können? Wenn diese Kinder überhaupt nicht an den freien Schulen ankommen, wie wollen Sie dann überprüfen, ob die Finanzierung ausreicht?

Ich habe es vorhin schon gesagt und will es jetzt vielleicht noch einmal deutlicher sagen: Frau Falken, Sie hatten es vorhin angesprochen und ich fand die Aussage ein bisschen problematisch, dass ein Schüler nur aufgenommen werden könne, wenn sich dafür ein Sponsor aus der Wirtschaft findet. Es darf nicht vorkommen – das ist ganz klar und eigentlich gesetzlich geregelt –, dass man solchen Schülern sagt: Ihr kommt nur zu uns, wenn es einen Sponsor gibt. Vielleicht sollte die Schulaufsicht darauf ein Auge haben. Das ist gesetzlich und verfassungsmäßig so nicht gewollt. Ich bin der

Auffassung, dass das aufgrund der Finanzierung, die wir jetzt haben, nicht nötig ist.

Ich möchte zum Schluss kommen. Die Fragesteller haben schon einige meiner Themen vorweggenommen, zu denen ich in meiner Rede noch sprechen wollte.

Zusammenfassend kann man sagen, dass mit der Entscheidung im letzten Doppelhaushalt ein Finanzrahmen geschaffen wurde, der die freien Schulen auch zukünftig sicher finanziert. Damit geben wir ein Bekenntnis für freie Schulen ab, und zwar im Gegensatz zu den benachbarten Bundesländern wie Brandenburg und Thüringen, die in dem Bereich gekürzt haben. Es ist ein ganz klares Bekenntnis dafür, dass ein fairer Zugang zu freien Schulen bei einer sicheren Finanzierung mit guter Qualität von uns als CDU und FDP gewollt ist.

Wir werden natürlich – das ist ganz klar – die Entwicklung von freien Schulen weiter verfolgen. Wir werden dafür sorgen, dass sie Qualität anbieten können, dass sie finanziert werden und ein wertvoller Bestandteil unseres Bildungssystems bleiben können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Wir beschließen die erste Runde in der allgemeinen Aussprache mit Frau Schüßler für die NPD-Fraktion.

Danke, Herr Präsident.

Meine Damen und Herren! Bekanntlich leistet sich neben Sachsen nur noch Bayern diese Schulgelderstattungen. Das heißt aber nicht automatisch, dass es alle anderen Bundesländer richtiger machen. Eher handelt es sich hier um eine Form von Geiz an der falschen Stelle. Es entsteht einmal mehr der Eindruck, dass für jede Art von Geschäftemachern und Finanzjongleuren ganz selbstverständlich Netze und Rettungsschirme aufgespannt werden, wenn es aber um Menschen, um unsere eigenen Kinder und Jugendlichen geht, wird jeder Cent zweimal abgezählt oder dreimal umgedreht.

Das Sonderungsverbot ist ein juristischer Fachbegriff, der aus Artikel 7 Abs. 4 des Grundgesetzes abgeleitet ist. Eine private Schule als Ersatz für öffentliche Schulen muss demnach allen Schülern ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern offenstehen. Gerade in Sachsen ist dieser Ersatz durch die Schließung der öffentlichen Schulen manchmal eben nicht nur Ersatz, sondern die einzige Alternative.

Selbst ein sozial verträglich gestaltetes Schulgeld kann unter Umständen von den davon betroffenen Eltern als zu hoch angesehen werden. Die Schulgelderstattungen des Freistaates brachten hier eine finanzielle Entlastung, die eine wirkliche Wahlfreiheit sicherte. Nicht zuletzt aus dieser Erkenntnis heraus wurde die Streichung bereits gewährter Beihilfen zurückgenommen. Nach und nach

soll sie aber dennoch im Zuge von Neuanmeldungen oder Schulartwechseln verschwinden.

Frau Falken hat es etwas netter formuliert, aber ich frage mich: Hat der Freistaat Sachsen diese Taschenspielertricks wirklich nötig? Es geht nur um einen winzigen Bruchteil des Haushaltes, der aus den Mehreinnahmen problemlos bezahlt werden könnte. Aus Sicht der NPDFraktion handelt es sich hier mehr um einen symbolischen Betrag, um eine Investition in die Zukunft.

(Beifall bei der NPD)

Aus diesem Grund wird die NPD-Fraktion dem Antrag der GRÜNEN gern und vorbehaltlos zustimmen.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Damit ist die erste Runde beendet. Jetzt erteile ich in der zweiten Runde Frau Giegengack das Wort.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich hier ausdrücklich entschuldigen, dass ich nicht zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen bin. Ich werde aber jetzt in der zweiten Runde meine Chance nutzen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren! Die Diskussion um die freien Schulen im letzten Herbst und der Beschluss im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes hat mich sehr irritiert. Ich konnte es einfach nicht verstehen. In diesem Haus ist man schnell mit der gegenseitigen Unterstellung, nicht der Verfassung verpflichtet zu sein. Es wird schnell einmal die verbale Keule „zweifelhafte Demokraten“ herausgeholt. Doch bei den Neuregelungen zu den freien Schulen, bei denen von Anfang an Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bestanden, spielte dies anscheinend keine Rolle. Bis heute treibt mich die Frage um: Warum? Haushaltszwänge scheiden nach meiner Überzeugung als Begründung aus, denn die Haushaltsmittel für die freien Schulen wurden nie ganz ausgeschöpft. Auch sind die nach Vermittlung der CDU beschlossenen Regelungen zu den freien Schulen nicht in Größenordnungen haushaltswirksam. Der Schulgeldersatz macht – das wurde heute mehrfach gesagt – 2 % der Gesamtfinanzierung der freien Schulen aus und soll noch dazu gestaffelt über die nächsten Jahre wegfallen. Haushaltszwänge können nicht der wahre Grund für die Beschneidung der Rechte der freien Schulen sein, wenn im letzten Haushalts- und Finanzausschuss innerhalb von fünf Minuten Mehrausgaben von 2 Millionen Euro für die Aufstockung der Referendariatsstellen genehmigt werden. Das zeigt, dass es durchaus finanziellen Spielraum bei Kultus geben muss.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Die zweite Begründung, das Schulnetz, scheidet nach meiner Auffassung ebenfalls aus. Ich zitiere Herrn Zastrow aus einem MDR-Interview: „Denn wenn wir überall in Sachsen die Schulen schließen müssen, weil es im ländlichen Raum beispielsweise weniger Kinder gibt, dann ist es natürlich nicht nachvollziehbar, dass dort, wo die staatliche Schule geschlossen werden musste, nebenan wiederum mit staatlichem Geld eine kirchliche Schule aufmacht. Da, muss ich ganz ehrlich sagen, ist es schizophren, dass ich überhaupt jemals die staatliche Schule geschlossen habe.“ Herr Zastrow hat, wie ich finde – und sicher ohne es zu wollen –, die Argumentation, die Aufrechterhaltung des öffentlichen Schulsystems erfordere die Einschränkung bei den freien Schulen, selbst entkräftet. In der Tat ist es nicht nachvollziehbar, warum staatliche Schulen im ländlichen Raum wegen rückläufiger Schülerzahlen schließen, wenn freie Schulen erfolgreich vormachen, dass gute Bildung nicht unbedingt an Klassengrößen und Zügigkeit gebunden ist. Mittlerweile haben wir ein Schulmoratorium, das einzügige Mittelschulen im ländlichen Raum schützt.

Meine Damen und Herren! Es geht nach meiner Auffassung gar nicht in erster Linie um Geld oder Schulplanung, wenn wir hier über freie Schulen debattieren. Ich denke, wir holen vielmehr eine grundsätzliche Debatte nach, die wir hätten schon längst führen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)