Protocol of the Session on April 20, 2011

(Beifall bei der CDU und des Abg. Tino Günther, FDP)

Ich möchte mich an dieser Stelle für konstruktive Redebeiträge der Oppositionsfraktionen bedanken und für die Ankündigung, dass Sie unserem Antrag zustimmen können, auch wenn kritische Aspekte angesprochen wurden. Aber das ist ja ganz normal, gut und richtig so. Also danke, Frau Giegengack und Frau Dr. Stange.

Es ist für unsere Fraktion ein wichtiges Anliegen gewesen, die Reformation nicht nur als historisches Ereignis zu betrachten, sondern das Wesen der Reformation als nachhaltigen und prägenden Impuls für die kulturelle, geisteswissenschaftliche und religiöse Entwicklung Deutschlands, Europas und der Welt, für die Verbreitung des Freiheitsgedankens und der Aufklärung auch heute noch zu verstehen.

Für die Länder im mitteldeutschen Raum und insbesondere für Sachsen ist die Reformation eines der markantesten geschichtlichen Ereignisse und wirkt bis heute identitätsstiftend. Insbesondere in den Bereichen Staatsaufbau, Sozialwesen, Bildung, Religionsfreiheit, Sprache, Musik, Malerei und Kultur begann mit der Reformation eine Zeitenwende. Dies in das Bewusstsein auch der eigenen Bevölkerung zu rücken, ist ein Ziel der Lutherdekade. Das Befassen mit dem Kerngedanken, die historische Spurensuche vor Ort, nicht nur entlang des Lutherweges, schaffen Identität und Erkenntnisgewinn.

Die von Ihnen, Frau Dr. Stange, angesprochene Säkularisierung und die Frage, wie viele Menschen wir damit noch erreichen, ist die eine Seite. Aber die andere Seite ist: Auch säkulare Bürger gehen gern ins Konzert, auch zum Thomanerchor oder in andere Kirchen, auch säkulare Bürger besuchen gern Ausstellungen, die solche Inhalte haben, und unser Land – auch die säkularen Bürger – profitiert letztendlich auch von den Erträgen des Tourismus, der aus diesem Thema generiert wird.

Das Reformations-Jubiläum, die Themenjahre, die genannt worden sind, sind wie ein Rohdiamant in unseren Händen, der darauf wartet, in den nächsten Jahren geschliffen und veredelt zu werden. Wenn es uns mit dem Antrag gelungen ist, das Thema stärker als bisher in das Bewusstsein aller Beteiligten zu rücken, weitere Initiativen auszulösen, auch die Menschen vor Ort mitzunehmen und mehr Engagement der noch zögernden oder zurückhaltenden Partner anzufachen, –

Bitte zum Ende kommen.

– dann ist schon ein wichtiges Teilziel erreicht. Ich darf Sie deshalb nochmals herzlich bitten, unserem Antrag zuzustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung. Wer dem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Gibt es Stimmen dagegen? – Stimmenthaltungen? – Einige Enthaltungen. Damit ist der Antrag mit großer Mehrheit beschlossen worden.

Meine Damen und Herren! Ich schließe den Tagesordnungspunkt und rufe auf:

Tagesordnungspunkt 5

8-Punkte-Programm für eine gentechnikfreie Landbewirtschaftung

Drucksache 5/5321, Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Auch hierzu ist wieder eine Diskussion vorgesehen. Es beginnt die Fraktion DIE LINKE, Frau Abg. Dr. Pinka. Danach folgen SPD, GRÜNE, CDU, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, dass wir heute zu einem gemeinsamen Antrag von LINKEN, SPD und GRÜNEN debattieren, denn inhaltlich begleitet ja jeder für sich bereits seit vielen Jahren das Ansinnen, in Sachsen etwas für eine gentechnikfreie Landbewirtschaftung zu tun.

Der jetzt vorliegende Antrag hat bereits vor der heutigen Debatte für lebhafte Reaktionen in der Öffentlichkeit gesorgt. Ministerpräsident Tillich machte ihn zum Gegenstand seiner Rede anlässlich der Festveranstaltung zum 20-jährigen Bestehen des Sächsischen Landesbauernverbandes und spulte gleich alle hinlänglich bekannten Vorwürfe

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

gegen die Fortschrittsverhinderer der Opposition herunter. Trotzdem danke, Herr Ministerpräsident. Danke aber auch Herrn Staatsminister Kupfer für die Unterstützung unserer Öffentlichkeitsarbeit.

Nur, da gibt es zwei, drei Probleme, die Sie bisher vollkommen ausgeblendet haben. Das ist erstens der sture Verbraucher. Unbelehrbar, wie er nun einmal ist, will er Gentechnik weder auf dem Teller noch im Futtertrog und auch nicht im Tank.

Zweitens. Nach Aussage eines Vorstandsmitgliedes des Sächsischen Bauernverbandes will auch der große Teil der sächsischen Landwirte das nicht. Was der Landwirt dagegen will, ist unternehmerische Entscheidungsfreiheit.

Drittens. Allen Unkenrufen zum Trotz behauptet sich die Trutzburg Europa noch gegen die jahrelangen finanzschweren Unterwanderungsbemühungen der Agrarkonzerne. In neun EU-Staaten gibt es bereits großflächige, sortenbezogene Anbauverbote trotz WTO-Gezeter. In

Deutschland dümpeln die Anmeldungen für den Anbau von Gentechnikpflanzen auf vergleichsweise insgesamt niedrigem Niveau. Das liegt unseres Erachtens an dem noch existierenden Anbauverbot von Gentech-Mais der Sorte MON 810, das im April 2009 von der schwarzgelben Bundesregierung mit der Begründung erlassen wurde, dass vom Gentech-Mais Gefahren für die Umwelt ausgehen. Acht bis elf der 7 000 Landwirtschaftsbetriebe in Sachsen haben vor 2009 regelmäßig Gentech-Pflanzen angebaut.

Meine Damen und Herren! Wer macht denn hier eigentlich die Klientelpolitik? Ihnen ist sicherlich nicht entgangen, dass in dem Antrag – darauf haben wir geachtet – nichts vom Schutz der ökologisch wirtschaftenden Betriebe steht, denn es geht um die Zukunft der gesamten Landwirtschaft. Die hilflose Hände-hoch-Geste, wir seien vom Gentech-Anbau umzingelt und müssten schon wegen der Waffengleichheit mitziehen, stimmt so für Europa einfach nicht.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

All das aber muss Gründe haben. Das scheint auch der EU bewusst geworden zu sein. In den letzten zwei Jahren gab es europapolitisch viel Bewegung in Fragen der Gentechnikpolitik. Grundlage dafür sind die neuen europäischen Leitlinien zur Koexistenz zum Schutz vor ungewollten GVO-Einträgen, die im Juli 2010 von der EU-Kommission beschlossen worden sind. Außerdem soll die EU-Freisetzungsrichtlinie geändert werden.

Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments hat sich am 12. April, also genau vor acht Tagen, für die Regelung ausgesprochen, nach der einzelne EU-Staaten den Anbau von Gentechnikpflanzen in ihren Ländern verbieten können.

Der Umweltausschuss hat sich des Weiteren im Gegensatz zur Kommission dafür ausgesprochen, dass die Länder den Anbau verbieten können, wenn sie Risiken für die Umwelt befürchten. Dies können Gefahren für die biolo

gische Vielfalt, Schädlingsresistenzen, aber auch wissenschaftliche Unklarheiten sein.

Der Umweltausschuss spricht sich auch dafür aus, dass alle Länder verbindliche Koexistenzregelungen erlassen – ein Eingeständnis der EU, dass es eben nicht nur pflanzenbiologische, sondern deutlich sichtbar sozioökonomische Auswirkungen des Gentech-Anbaus gibt, die den besonderen Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft erfordern können. Damit wäre beispielsweise nun die administrative Ausweisung von gentechnikfreien Regionen möglich, was früher nur auf der Basis freiwilliger Vereinbarungen ging.

Im Dezember 2010 hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Eckpunkte zu Änderungen im Bereich der Agrogentechnik auf Bundesebene vorgelegt, in denen die verschiedenen Optionen zum damaligen Stand ausführlich dargestellt wurden. Aber Berlin kneift noch vor einer konsequenten Entscheidung. Man schwankt zwischen Maisanbauverbot, Mehrheitswillen der Verbraucher und Förderauftrag für die grüne Gentechnik aus dem Koalitionspapier. Das ist fatal, denn es stehen neue Zulassungen auf EU-Ebene an, die auch das Anbauverbot für MON 810 kippen könnten.

Dieses Pingpongspiel zwischen Bund und Land kann Sachsen dadurch verkürzen, dass es eine klare eigene Position bezieht und so den politischen Druck auf die Bundesregierung erhöht. Das ist auch der Hintergrund für den Antrag der drei demokratischen Oppositionsparteien, der acht ganz konkrete und umsetzbare Handlungsempfehlungen für eine gentechnikfreie Landbewirtschaftung in Sachsen auflistet. Denn offensichtlich hat sich Sachsen inzwischen gegen den Trend in anderen Bundesländern zum Spitzenreiter bei Anmeldungen zum Anbau von Gentech-Mais entwickelt. Sachsenweit wurden bis heute im öffentlichen Gentechnikstandortregister fünf Flächen für den Anbau von Gentech-Mais mit einer Gesamtfläche von circa 70 Hektar angemeldet. Das ist verglichen mit den Anbaukennziffern von 2008, also vor dem Anbauverbot von Mais der Sorte MON 810, wirklich niedrig. Damals waren immerhin 952 Hektar angemeldet.

Meine Damen und Herren! Auf eine solche Spitzenposition sollte Sachsen allerdings verzichten. Während Bayern durch den Druck aus den Dörfern wohl gentechnikfreie Anbauregion bleiben wird, sieht das für Sachsen ziemlich düster aus. Der Antrag unterstreicht die politische Verantwortung, die die Staatsregierung hat. Eine Insellösung kommt so oder so, auch wenn die Damen und Herren von CDU und FDP sie ablehnen.

Sachsen sollte stattdessen gleichziehen mit seinem Nachbarn Thüringen. Die Thüringer traten jüngst dem „Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen“ bei. Die Ostdeutschen wären damit im positiven Sinne Vorreiter für ein gentechnikfreies Deutschland und leisteten einen Beitrag dafür, dass die Bundesrepublik künftig nicht in westdeutsche Schutz- und ostdeutsche Schmutzregionen zerfällt.

Im zweiten Punkt des Antrages – ich werde mich mit Rücksicht auf die miteinreichenden Fraktionen nur auf diese beiden Punkte konzentrieren – geht es um die Belange des Naturschutzes. In den Jahren vor dem bundesweiten Anbauverbot gab es in Sachsen Gentechnikmaisanbau an und in europäischen Flora-Fauna-HabitatSchutzgebieten.

Damals hatte der Landkreis Meißen eine naturschutzrechtliche Ordnungsverfügung gegen den Anbau gentechnisch veränderten Maises erlassen und war am Verwaltungsgericht Dresden aufgrund unklarer Faktenlage gescheitert. Die Stadt Dresden hatte ebenfalls eine Untersagung ausgesprochen, wurde aber durch das Umweltministerium zurückgepfiffen.

Fakt ist, dass die unteren Behörden mit dem Vollzug der Verträglichkeitsprüfung fachlich überfordert sind und ihnen durch das Umweltministerium keine Unterstützung zuteil wurde.

In Brandenburg gibt es seit März 2008, also schon vor dem MON- 810-Verbot, einen Erlass, der einen Mindestabstand von 800 Metern zu Naturschutzgebieten vorschreibt. Im Brandenburger Erlass wird davon gesprochen, dass von einer Schädigung des Naturhaushaltes auszugehen ist. In Sachsen gibt es einen ähnlichen Erlass mit dem Unterschied, dass die oben genannten Hürden eben erst immer wieder genommen werden müssen.

Nach wie vor ungeklärt sind die Risiken durch den Eintrag von toxischen Gentech-Pollen insbesondere in Gebieten mit geschützten Schmetterlingsarten. Das ist zumindest das Ergebnis einer durch das sächsische Umweltministerium in Auftrag gegebenen Studie vom Umweltforschungszentrum Leipzig aus dem Jahre 2009. Eine Gefährdung für geschützte Schmetterlingsarten konnte darin ausdrücklich nicht ausgeschlossen werden.

Dies zeigt zwei Dinge: Diese Untersuchungen hätten die unteren Behörden viel früher haben müssen, und die Forschung ist noch lange nicht an dem Punkt, an dem sie sein müsste, um eine Technologie sicher zu bewerten. Ungeachtet dessen zeigt sich das Umweltministerium nach wie vor hartleibig, eine zwingende Durchführung von Verträglichkeitsprüfungen vorzunehmen.

So sah das praktisch aus. Die Darlegungslast, dass keine erheblichen Beeinträchtigungen ausgelöst werden können, liegt beim Vorhabenträger. Diese haben Verträge. Die Monsanto-Anwälte haben die unteren Naturschutzbehörden mit ellenlangen Ausdrucken aus hemdsärmligen Internetseiten mit populärwissenschaftlichen Inhalten überschüttet, die vor der Masse dann kapitulieren mussten, da eben keine Unterstützung aus dem Umweltministerium kam.

Im Gegensatz zu Brandenburg sind übrige Naturschutzgebiete von Gentech-Anbau gänzlich ungeschützt. Unser Antrag will dieses Defizit ausräumen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Abschluss noch ein Wort an die Landwirte im Saal. Wir kennen die kritische Haltung des Bauernverbandes als Interessenver

treter des Berufsstandes zum Thema. Danach sollte die Politik den Anbau von Gentech-Pflanzen allein der unternehmerischen Entscheidung des Landwirtes anheimstellen.

(Zuruf von der FDP: Genau!)

Das mag aus der Sicht des einzelnen Landwirts logisch erscheinen. Aber Politik muss die Gesamtinteressen des Landes, das heißt auch seine Umwelt und Bevölkerung, im Blick haben, nicht nur die Verwertungsbedingungen eines Berufsstandes, eigentlich eines Teils davon.

Wie verhält es sich mit der freien unternehmerischen Entscheidung des Einzelnen zum Anbau von GentechPflanzen, mit der Freiheit des anderen auf bewussten GVO-Verzicht oder der Freiheit der Berufsausübung für den Imker?

Wenn, wie immer behauptet, der großflächige Anbau von Gentech-Pflanzen in Amerika zur schleichenden Kontaminierung gentechnikfreier Landwirtschaft geführt hat, sodass von dort beispielsweise keine Futtermittel mehr ohne Gentech-Spuren zu bekommen wären, dann ist das doch gerade die klare Absage an eine realistische Koexistenz von gentechnikfreier und gentechnischer Agrarwirtschaft.

Dann darf man sich einfach nicht wegducken, sondern muss sich klar entscheiden: Bin ich dafür oder bin ich dagegen? Ein bisschen schwanger geht halt nicht.

Sie haben heute dazu die Gelegenheit. Stimmen Sie dem Antrag der drei Oppositionsfraktionen DIE LINKE, SPD und GRÜNE zu.