Protocol of the Session on March 24, 2011

(Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

In dieser Debatte ja.

Bitte, Herr Kollege Lichdi.

Vielen Dank, hochverehrter Herr Kollege. Ganz einfach: Halten Sie die Atomtechnologie für verantwortbar oder nicht? Ja oder nein?

Unter dem Aspekt der Sicherheit, wenn dieses Thema geklärt ist, ja.

(Unruhe bei den GRÜNEN – Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU, wendet sich dem Präsidenten zu.)

Kann ich fortfahren oder nicht?

Ja, bitte.

100 % Strom aus erneuerbaren Energien – vertragen wir denn das in unserem Land? Ertragen wir denn, wenn auf der Hälfte der Fläche Deutschlands – solche Visionen gibt es – Solarzellen stehen? Vertragen wir das, wenn Windanlagen auch in den Wäldern und Schutzgebieten stehen? Ich finde es interessant, Herr Lichdi: Erdkabel in FFHGebieten. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das im Verfahren ablaufen soll, gerade mit Ihren Truppenteilen. Ich bin wirklich gespannt, ob Sie das aushalten, wenn die Windparks aus der Freifläche an die Orte heranrücken müssen, weil wir dann selbstverständlich diese Flächen ausnutzen müssen. Es gibt bereits jetzt Proteste, wenn Windparks sichtbar sind und die Lichter blinken.

(Holger Mann, SPD, steht am Mikrofon.)

Das alles sind Themen. Es steht die Frage: Wie gehen wir damit um? Bioenergie-Pflanzen als Feldfrüchte, Monokulturen für Biogasanlagen? Die Frage ist: Halten wir als Gesellschaft das aus? Wollen wir unser Land in diesem Sinne gestalten?

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Bitte, Herr Mann.

Herr Breitenbuch, wenn wir aus der Katastrophe in Fukushima kollektiv gelernt haben, dass entgegen dem, was uns gern vorgerechnet wird, nicht aller Hunderttausend Jahre, sondern eher aller 25 Jahre mit einem schweren oder größtanzunehmenden Unfall zu rechnen ist, stelle ich Ihnen diese Frage: Um wie viele Jahre halten Sie denn die Verlängerung der Restlaufzeiten für Atomkraftwerke in Deutschland für politisch verantwortlich?

Unsere Sicherheitsstandards werden doch jetzt überprüft unter den neuen Erkenntnissen aus Japan. Man muss jetzt natürlich sehen, es war der Strom weg. Da standen sechs Blöcke und man hat gedacht, in dieser Gegend ist immer Strom, und jetzt war er weg. Das war das Problem, warum es dort zu diesem Austritt von Radioaktivität gekommen ist.

Selbstverständlich muss man unter diesem Aspekt jetzt auch unsere Kernkraftwerke überprüfen und vielleicht reicht es dann eben nicht – als Beispiel –, wenn innerhalb von zwei Tagen die Leitungen so verlegt werden können, dass er dann wieder anliegt; sondern es muss innerhalb kürzerer Zeit passieren.

Diese Dinge sollen doch jetzt überprüft werden. Ich habe vorhin gesagt, Sicherheit ist kompromisslos. Wir müssen sicher mit dieser Technik leben können – die Mitarbeiter in diesen Kraftwerken, die umliegenden Feuerwehren; wir merken ja, wie wichtig das ist, aber auch wir alle als Bürger –, sonst können wir es nicht vertreten. Alle bisherigen Regierungen in der Bundesrepublik haben sich vor die Atomkraft gestellt und haben es bisher vertreten – im letzten Jahr mit dem Ausstiegsszenario – und konnten uns allen täglich anscheinend in die Augen schauen und sagen: Wir können das aushalten.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Bitte, Herr Mann.

Es ist im Grunde dieselbe Frage. Ich hatte die Frage gestellt, um wie viele Jahre Sie als Vertreter der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag die Verlängerung der Atomkraftwerkrestlaufzeiten für verant

wortlich halten. Ich weiß, dass die Bundesregierung über 22 Jahre allein an Restlaufzeit – das ist nicht die Laufzeit, die sie noch laufen – offensichtlich für verantwortbar hält. Aber wie schätzt das denn die CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag ein?

Wenn der Aspekt der Sicherheit bei diesen alten Anlagen gewahrt ist, dann kann ich mir hier genau diese Verlängerung vorstellen. Ich habe das Vertrauen in die Technologie, und auch unter Beachtung des Sicherheitsbedürfnisses von uns allen sage ich, wenn das bis 2040 möglich ist, kann ich es mir vorstellen.

Wenn jetzt entdeckt wird, dass dieselben Bautypen, die in Japan Probleme machen, nicht mehr zu verantworten sind, dann muss es abgeschaltet werden.

(Zuruf des Abg. Miro Jennerjahn, GRÜNE)

Aber die Sache ist doch: Wir stellen – und darin unterscheiden wir uns von anderen in dieser Runde – die Sicherheit an Nummer eins und sagen nicht sofort Atomausstieg, und ich halte das für ein vernünftiges Vorgehen.

(Unruhe und Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Wir sind für Sachlichkeit und Augenmaß. Die erneuerbaren Energien sind kein Selbstläufer und bisher hat in allen Konzeptionen gerade die Atomenergie genau diesen Prozess unterstützt. Der Kommissar Oettinger hat ja versucht, das Thema etwas aus unserer aufgeheizten Bundesstimmung in eine europäische Dimension zu ziehen. Ich halte das für richtig und wir sollten es auch von Sachsen aus unterstützen.

Der Turboausstieg ist sehr teuer, wir müssen das vertragen, und die Konzeptionen, die dazu laufen, müssen auch nachgerechnet werden. Die erneuerbaren Energien befinden sich genauso in der Entwicklung und die Konzepte weichen teilweise weit voneinander ab. Die einen sprechen von Solar aus der Wüste, was jetzt hier herkommen soll, die anderen sprechen vom Kraftwerk im Heizungskeller, völlig autark, jedes Haus. Wir müssen darüber sprechen, ob das alles zusammenpasst oder ob wir uns nicht in unendlichen Konzepten verzetteln.

Wir sind auf einem Weg, wir sind in einer Entwicklungsgeschichte und wir glauben eben nicht – wie Herr Lichdi –, dass da am Ende nur ein Ziel ist, auf das wir jetzt 20 Jahre zuarbeiten. Die Entwicklung geht viel schneller, als wir alle denken, da kommen noch lauter Einflüsse von außen, sodass wir diese Parallelität der Entwicklung immer aufnehmen und im Auge haben müssen.

Wir haben als CDU einen pragmatischen Kurs und halten ihn auch. Die Sicherheit und der Geldbeutel sind die beiden Punkte, an denen wir uns orientieren.

(Lachen bei der SPD und den GRÜNEN – Starke Unruhe und Zurufe)

Noch ein Punkt: technischer Fortschritt. In Deutschland ist seit 30 Jahren kein neues Atomkraftwerk gebaut

worden. Wir haben uns jetzt endlich schon sehr lange von diesem restaurierenden, sich erneuernden Prozess verabschiedet und jetzt müssen wir es ertragen, dass wir nur noch alte Atomkraftwerke haben. Aber dass die Sicherheit nicht gewährleistet werden kann, ist zurzeit nicht der Fall. Dafür sorgen alle Verantwortlichen auch bis heute. Es geht so.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das war Herr von Breitenbuch für die CDU-Fraktion. – Jetzt sehe ich am Mikrofon 2 Herrn Kollegen Dulig, der mit der Kurzintervention intervenieren will.

Richtig, und zwar aufgrund des Stichwortes Sicherheit und Geldbeutel.

(Leichte Heiterkeit bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie sagen, dass der Atomausstieg einfach nur teuer wird, dann muss ich Sie noch einmal daran erinnern, wer ihn teuer gemacht hat. Sie haben erst die Sicherheitsstandards abgesenkt, um dann mit der Atomindustrie einen Vertrag abzuschließen, bei dem jede Investition über 500 Millionen Euro vom Steuerzahler refinanziert werden muss.

Die Atomindustrie selbst sagt, dass der Investitionsbedarf bei ungefähr 50 Milliarden Euro liegt. Jetzt können Sie einmal ausrechnen, was der Steuerzahler zu bezahlen hat, und zwar aufgrund eines Vertrages, der von Schwarz-Gelb gemacht wurde; und das war politisches Handeln, das war eine politische Entscheidung. Sie haben den Atomausstieg selbst so teuer gemacht, und das können Sie jetzt bitte nicht uns vorwerfen. – Das zum Ersten.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt den LINKEN)

Zum Zweiten: Wenn es Ihnen mit der Sicherheit ernst ist, dann kann es doch nur eine Konsequenz geben: sofort auszusteigen; denn die Frage der Sicherheit ist nicht eine mathematische Wahrscheinlichkeit, sondern Japan hat gezeigt, dass diese Technologie, dass das Risiko nicht beherrschbar ist, also müssen Sie auch konsequenterweise, wenn Sie Sicherheit für das oberste Gebot halten, sagen, wir sind dafür, sofort auszusteigen. Da müssen Sie bitte auch konsequent sein.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Kollege von Breitenbuch, wollen Sie darauf reagieren? – Nicht.

Dann gehe ich in unserer Reihenfolge der Redner weiter. Als Nächstes spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Kollegin Pinka.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auch noch einmal an die vorherige Aktuelle

Debatte anknüpfen, weil ich eine Analyse der Nutzung der induzierten Kernspaltung und die ökologischen Auswirkungen auf das Land Sachsen vermisst habe. Das Wort Wismut ist bisher überhaupt noch nicht gefallen.

Wir Sachsen – und damit möchte ich den Bogen von Sachsen nach Japan schlagen – sind von dieser Erfindung der Kernspaltung intensiv betroffen worden: Im Vogtland, im Erzgebirge und in der Sächsischen Schweiz wurde zwischen 1946 und 1990 Uran abgebaut und zur Entschädigungsleistung an die Sowjetunion zur militärischen, aber auch friedlichen Nutzung geliefert.