Protocol of the Session on March 24, 2011

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Nun für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abg. Jennerjahn. Herr Jennerjahn, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Asylbewerberleistungsgesetz steht seit seiner Einführung 1993 völlig zu Recht in der Kritik, und zwar aus sehr grundsätzlichen menschenrechtlichen Erwägungen heraus. Deswegen wird es auch von unserer Fraktion abgelehnt, und unsere Bundestagsfraktion hat sowohl in der vergangenen als auch in dieser Legislaturperiode einen Gesetz

entwurf vorgelegt, der auf die Abschaffung dieses Asylbewerberleistungsgesetzes zielt.

Ich möchte noch ganz kurz auf den politischen Kontext eingehen. Herr Seidel hat in seiner Rede zwar mit den Zahlen der Asylbewerber Anfang der Neunzigerjahre hantiert, wir müssen uns aber auch vor Augen halten, in welcher politischen Situation in diesem Land dieses Gesetz geschaffen wurde. Das war die Zeit, als in Hoyerswerda, in Rostock-Lichtenhagen, in Solingen und in vielen anderen Städten massive Ausschreitungen gegen Asylbewerberheime stattgefunden haben. Und in dieser Situation wurde ein Gesetz geschaffen, das Asylbewerber de facto zu Menschen zweiter Klasse macht. Das war ein von Grund auf verheerendes politisches Signal auch für die politische Kultur in diesem Land.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Wir haben es schon gehört: Der Grund für die breite Diskussion über dieses unsägliche Gesetz liegt in den darin enthaltenen intransparenten und willkürlichen Festlegungen der Leistungen für die Existenzsicherung von Asylsuchenden. Darauf, dass das verfassungsrechtlich wahrscheinlich nicht haltbar ist, ist schon eingegangen worden. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes über die Arbeitslosengeld-II-Regelsätze dürften sich auch im Asylbewerberleistungsgesetz niederschlagen.

Wir haben Anzeichen, dass auch die Bundesregierung die Verfassungswidrigkeit mittlerweile nicht mehr anzweifelt und Nachbesserungen angekündigt hat. Insofern sehen wir uns in unserer Kritik an diesem Gesetz bestätigt.

Es wäre aber auch zu kurz gegriffen, einzig auf die Neuberechnung der Leistungen für Asylbewerberinnen und -bewerber abzustellen. Das Gesetz enthält zahlreiche weitere Punkte, die grundsätzlich zu kritisieren sind. Da wäre die Versorgung im Krankheitsfall. Das ist auch schon thematisiert worden. Für Asylsuchende ist die medizinische Versorgung nach § 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes lediglich auf die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände beschränkt. Sogenannte sonstige Leistungen, die zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich oder zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten sind, müssen nach § 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes nicht gewährt werden, sondern können lediglich gewährt werden, wenn es im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich ist. Auch die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe für unbegleitete Minderjährige oder für durch Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt traumatisierte Flüchtlinge ist für Asylsuchende nicht sicher. Mit diesem Zustand muss Schluss sein. Asylsuchende brauchen an dieser Stelle auch eine Krankenversicherung.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Kommen wir auch noch einmal auf die Versorgung von Asylsuchenden über Wertgutscheine oder auch Essenspakete zu sprechen. Das ist durchaus menschenverachtend und erzeugt auch einen besonderen Bürokratiewahnsinn. Es kommt hinzu, dass dieses System hoch betrugsanfällig ist, und zwar nicht durch diejenigen, die mit den Essensgutscheinen einkaufen gehen müssen, sondern durch die Leute, die die Waren auf Gutschein herausgeben.

Viele von Ihnen werden sicherlich den MDR-Beitrag aus dem Monat Februar mitbekommen haben. Ein Asylbewerberheim im Leipziger Land agiert mit völlig überzogenen Bezugspreisen für Lebensmittel. Die Preise liegen dort teilweise bis zu 50 % über den normalen Ladenpreisen. Dort haben wir die Situation, dass ein Mensch, der ohnehin schon weniger Geld zur Verfügung hat, mit Gutscheinen in einem Laden einkaufen muss, in dem die Preise 50 % höher sind als im üblichen Geschäftsverkehr. Außerdem sind die Regelsätze seit 1993 nicht mehr angehoben worden.

Wenn ich mir jetzt anschaue, dass der Betreiber dieses Asylbewerberheimes oder derjenige, der für die Essensausgabe zuständig ist, am 9. Dezember 2010 als Sachverständiger im Innenausschuss geladen war und dort den Satz „Es gibt ein festgelegtes Sortiment mit festgelegten Preisen, an denen sich nichts ändert; es ist kein Betrug möglich“ sagte, weiß ich auch ganz genau, warum sich dieser Mann für Sachleistungen ausspricht: nämlich deshalb, weil er sich damit seine eigenen Taschen füllen kann. Das gehört auch zur Wahrheit, und deswegen muss das abgeschafft werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Man kann jetzt natürlich behaupten, dass der zuletzt genannte Fall nur ein Beispiel ist, aber diese Beispiele haben sich doch auch gehäuft, indem sich Menschen unter dem Deckmantel des Sachleistungsprinzips – wie es in unserem Asylbewerberleistungsgesetz festgeschrieben ist – an Asylsuchenden bereichert haben. Das Anbieten vollkommen überteuerter Essenspakete ist immer wieder vorgekommen.

Meiner Meinung nach ist damit das Gesetz repräsentativ für ein System, in dem Asylsuchende und Geduldete in der Bundesrepublik zu Menschen zweiter Klasse gemacht werden. Das betrifft nicht nur die Regelsätze, denn auch die Begründung, dass Asylsuchende nur deshalb keinen Anspruch auf Leistungen für zum Beispiel kulturelle Partizipation haben, weil sie nur übergangsweise in Deutschland sein werden, gehört dazu. Aus unserer Sicht gilt das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit für alle Menschen zu jeder Zeit im Geltungsbereich des Grundgesetzes.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Herr Jennerjahn, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte

Herr Kollege Jennerjahn, haben Sie das selbst überprüft? Haben Sie diese Läden besucht? Haben Sie mit dem Eigentümer dieser Läden, der dort für die Erfüllung staatlicher Aufgaben tätig ist, indem er diese Sachleistungen verteilt und der natürlich auf seine Kosten kommen muss, darüber gesprochen? Haben Sie sich ein eigenes Bild gemacht?

Sehr geehrter Kollege! Es gab eine Medienberichterstattung. Dabei wurden Testeinkäufe durchgeführt. Das ist eindeutig erwiesen.

(Sebastian Fischer, CDU: Das ist alles? – Weitere Zurufe von der CDU)

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich Ihrem Fraktionskollegen Herrn Dr. Gillo für seine deutlichen Worte in diesem Zusammenhang danken. Er hat das deutlich kritisiert und sich ein eigenes Bild verschafft.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Wir sind auch nicht die Einzigen, die massive Kritik an den bestehenden gesetzlichen Regelungen geäußert haben. In der Anhörung zum Gesetzentwurf der GRÜNEN-Bundestagsfraktion Anfang Februar hat die Mehrheit der Sachverständigen unsere Haltung bestätigt.

Meine Damen und Herren! Auf Bundesebene haben wir einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der auf die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes abzielt. Damit haben wir ein politisches Verfahren gewählt, das über eine bloße Willensbekundung hinausgeht. Grundsätzlich begrüßen wir aber jede Initiative, die eine Abschaffung dieses Gesetzes zum Ziel hat. Deswegen werden wir dem Antrag der Fraktion DIE LINKE an diesem Tage zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Meine Damen und Herren! Nun die Fraktion der NPD. Herr Abg. Apfel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! DIE LINKE wie auch die anderen Parteien der Einwanderungslobby überschlagen sich immer wieder förmlich in ihrer Fremdentümelei und überbieten sich dabei immer wieder. Es besteht kein substanzieller Unterschied mehr zwischen den Parteien der Linken und den Regierungsparteien, weder auf Landes- noch auf Bundesebene. Die Staatsregierung versteckt sich hinter dem Hinweis auf laufende Evaluierungen und drückt sich um eine klare Positionierung.

Lassen wir die Fakten sprechen. Für die Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes war die Zahl der Antragsteller bis Anfang der Neunzigerjahre ausschlagge

bend, vor allem aber, dass schon damals in etwa 95 % aller Asylfälle keine Asylberechtigung anerkannt wurde. Daraus wurde ein logischer Schluss gezogen, und zwar der Schluss, dass es der leistungsrechtlich typische Regelfall sei, dass – und jetzt zitiere ich aus der Bundestagsdrucksache 12/4451, Seite 7 – „dieser Personenkreis keinen ausländerrechtlichen Grund für einen Aufenthalt in Deutschland besitzt“.

Was aber hat sich seitdem geändert, um das Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen? Ich kann es Ihnen sagen: im Prinzip nichts. Geändert hat sich nur, dass die Anerkennungsquote weiter gesunken ist, zum Beispiel auf 1,6 % im Jahr 2009. Gleichzeitig steigen die Asylbewerberzahlen nach einer Phase des Rückgangs wieder sprunghaft an. Am 01. März 2011 titelte die „Süddeutsche Zeitung“: „Die Zahl der Flüchtlinge nimmt wieder stark zu.“ Es vergeht derzeit kaum ein Monat, in dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht steigende Asylzahlen vermeldet. 3 748 Schutzsuchende registrierte die Nürnberger Behörde im vergangenen Jahr, das sind 41 % mehr als im Januar 2010.

Die politische Linke wendet gern ein, dass zu den offiziell als politisch verfolgt Anerkannten noch viele weitere Flüchtlinge hinzukämen, denen aus anderen Gründen dauerhaft Schutz zu gewähren sei. Fakt ist, dass ein Drittel der Asylbewerber in Deutschland dauerhaft Aufnahme über das Asylverfahren findet. Dabei diente das Asylrecht einzig und allein dazu, politisch Verfolgten Schutz zu gewähren. Alles andere sind sachfremde Erwägungen.

Dennoch haben wir uns natürlich auch mit der Rechtsprechung auseinanderzusetzen. Da lohnt ein Blick auf den sogenannten Abschiebungsschutz, der selbst abgelehnten Asylbewerbern, also Scheinasylanten, weiterhin den Aufenthalt in Deutschland sichert. Das ist zum Beispiel unverständlicherweise bei den Antragstellern aus Afghanistan der Fall. Diese Gruppe stellte 2009 die zweitgrößte Gruppe der Asylbewerber, und das, obwohl doch das Land am Hindukusch angeblich demokratisch befreit wurde, so befreit, dass dort bis heute deutsche Soldaten mit ihrem Leben bezahlen.

Meine Damen und Herren! Was haben die Menschen aus Afghanistan dann noch länger hier in Deutschland zu suchen?

Wir können feststellen: An den Gründen, die zur Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes geführt haben, hat sich seit 1993 nichts geändert. Vor allem aber unterschlagen Sie, dass ähnliche Gesetzentwürfe von LINKEN und GRÜNEN im Bundestag auf massiven Widerstand der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände gestoßen sind. In der schriftlichen Stellungnahme der Spitzenverbände zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 07. Februar 2011 heißt es: „Es wäre durchaus problematisch, diesen Personenkreis, der nicht über einen gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland verfügt, mit Sozialhilfeempfängern bzw. Empfängern von Grundsicherung für Arbeitsuchende gleichzustellen,

die zum Teil langjährig in die hiesigen Sozialsysteme eingezahlt haben. Darüber hinaus gewährleisten die Leistungen nach dem SGB XII bzw. SGB II nicht lediglich ein Existenzminimum, sondern das soziokulturelle Existenzminimum, das auf Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gerichtet ist.“

Meine Damen und Herren! Ja, genau darum geht es. Auch die NPD gesteht natürlich den Asylbewerbern, die hier in Deutschland eintreffen, das zu, was sie kurzfristig zum Leben, zum Überleben unmittelbar benötigen, aber eben auch keinen einzigen Cent mehr.

Meine Damen und Herren! Natürlich fordern wir darüber hinaus – auch wenn Sie es nicht mehr hören können – die möglichst rasche Abschiebung der vielen Sozialschmarotzer, die nur aus wirtschaftlichen Gründen kommen und nicht etwa, weil sie in ihrem Heimatland politisch verfolgt werden.

(Beifall bei der NPD)

Aus der von Ihnen angestrebten Gleichstellung von Asylanten mit einheimischen Sozial- bzw. Grundsicherungsempfängern, zum Beispiel verarmten deutschen Rentnern oder Langzeitarbeitslosen, ergibt sich – Ihrer Logik folgend – natürlich auch die Aufgabe des Sachleistungsprinzips und der Residenzpflicht. Während das Sachleistungsprinzip in erster Linie dazu dient, Asylbewerbern kein Geld in die Hände zu geben, um keine weiteren Zuwanderungsreize zu schaffen oder Schleuserkriminalität zu fördern, dient die Residenzpflicht vor allem dazu, die notwendige Aufsicht und Kontrolle über die zur Ausreise vorgesehenen Personen auszuüben. Beides will DIE LINKE in diesem Lande abschaffen.

Meine Damen und Herren! Ich könnte stundenlang Fakten wiedergeben und Experten aus der Praxis zitieren, zum Beispiel Herrn Dathe, den langjährigen Dezernenten des Landkreises Leipzig, zum Sachleistungsprinzip und zur Notwendigkeit der Beibehaltung der Residenzpflicht.

Lassen Sie mich aber an die linke Opposition hier im Hause gerichtet noch Folgendes sagen: Wenn Sie schon nicht fähig sind, jenseits Ihrer inländerfeindlichen, ausländertümelnden Gefühlsduselei Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen, dann doch vielleicht den Fakt, dass selbst Ihre eigenen Wähler in ihrer überwältigenden Mehrheit in der Ausländerfrage eher die Position der NPD als die der LINKEN teilen. Laut einer Umfrage des „Focus“, die am 04. Dezember 2010 veröffentlicht wurde, befürworten fast 70 % aller Deutschen, dass Ausländer, die wegen Schwerverbrechen, Sozialhilfebetrugs oder Schwarzarbeit verurteilt wurden, automatisch abgeschoben werden. Und jetzt hören Sie gut zu! Im „Focus“ heißt es: „Unter den Sympathisanten der LINKEN fand diese Forderung mit 85 % die höchste Unterstützung.“ Dreimal dürfen Sie raten, wie Ihre eigenen Anhänger wohl über den Asylmissbrauch und den heute diskutierten Antrag denken werden.

Meine Damen und Herren der LINKEN! Sie haben bisher einfach nur Glück, dass viele Menschen diesen inhaltli

chen Abgrund, der sich bei Ihnen auftut, noch nicht erkannt haben, die Kluft, die sich hier zwischen den inländerfeindlichen Positionen der LINKEN und ihren volkstreuen Wählern auftut. Ihre moralische Verkommenheit, Politik gegen die Interessen der eigenen Wähler zu betreiben, ist vielen Menschen noch nicht bewusst. Die Ausländerlobbyisten der linken Journaille haben natürlich auch kein Interesse daran, diese Botschaften zu vermitteln.

Es wird ein Schwerpunkt der politischen Arbeit meiner Partei, der NPD, sein, in den nächsten Jahren diese Diskrepanz, diesen krassen Widerspruch weiter ins öffentliche Bewusstsein zu tragen und Ihnen von den hier versammelten Linksparteien die hässliche Maske von Ausländertümelei und Inländerfeindlichkeit vom Gesicht zu reißen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde vonseiten der Fraktionen. – Ich hatte angekündigt, dass der Sächsische Ausländerbeauftragte das Wort wünscht. Herr Prof. Gillo, Sie haben das Wort.