Protocol of the Session on March 23, 2011

Von daher bitte ich Sie um Unterstützung für unseren Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Vielen Dank, Frau Giegengack. – Die Staatsregierung möchte das Wort ergreifen. Sie wissen, Herr Staatsminister Prof. Wöller, Sie können jederzeit davon Gebrauch machen. Ich erteile Ihnen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Behandlung von Ausnahmefällen nach § 4a des Sächsischen Schulgesetzes müssen die konkreten Sachverhalte einschließlich der regionalen Besonderheiten beachtet werden, und zwar auf der Grundlage der rechtlichen Vorgaben unter Würdigung gefestig

ter Rechtsprechung. Hierbei wendet die Schulaufsicht neben den allgemeinen Verwaltungsgrundsätzen und höherrangigem Recht auch den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung an. Das ergibt sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz. Hiernach ist die Schulaufsicht verpflichtet, unbestimmte Rechtsbegriffe und ihr Ermessen in im Wesentlichen gleichgelagerten Fällen im Wesentlichen gleich auszulegen, es sei denn, es gibt sachlich gerechtfertigte Gründe für eine andere Auslegung.

Die Staatsregierung sieht im Zusammenhang mit der bisherigen Verwaltungspraxis bei der Behandlung von Ausnahmefällen nach § 4a Abs. 4 Sächsisches Schulgesetz keine Veranlassung, den Verwaltungsvollzug zu vereinheitlichen. Grund dafür ist vor allem die Vielfalt und die Komplexität der einzelnen unterschiedlich gestalteten Sachverhalte. Meine Damen und Herren, so ist das Leben. Und weil das Leben so ist, muss man Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandeln. Alles andere wäre nämlich ungerecht.

Das macht es erforderlich, die für das Ermessen relevanten einzelfallbezogenen Aspekte jeweils neu herauszuarbeiten und abzuwägen. Bei diesem Herausarbeiten und Abwägen müssen die Ausnahmegründe, die in § 4a Abs. 4 Sächsisches Schulgesetz aufgeführt sind, besonders berücksichtigt und ihre Relevanz im konkreten Einzelfall geprüft werden.

Lassen Sie mich noch etwas zum Schuljahr 2008/2009 bzw. 2009/2010 sagen. Dort war es so – Frau Kollegin Giegengack, wenn ich das in Erinnerung rufen darf –, dass wir Mitte des Jahres 2008 eine Funktional- und Kreisgebietsreform beschlossen haben und infolgedessen nicht absehbar war, wie sich aufgrund der gebietlichen Neuordnung und des Neuzuschnitts Schülerströme ändern würden und dies ein sachlicher Grund war, dass wir auch das zum Anlass der Beobachtung genommen haben. Das ist insofern ein sachlicher Ausnahmetatbestand.

(Cornelia Falken, DIE LINKEN: Das glauben Sie jetzt aber nicht!)

Eine weitergehende Untersetzung mit objektivierbaren Kriterien ist weder möglich noch angezeigt. Deswegen bitte ich das Hohe Haus, diesen vorliegenden Antrag abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Ich stelle Ihnen nun die Drucksache 5/4010 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke. Die Gegenstimmen. – Vielen Dank. Stimmenthaltungen? – Keine. Bei zahlreichen Dafür-Stimmen ist die Drucksache 5/4010 mehrheitlich nicht beschlossen, und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zum

Tagesordnungspunkt 12

Recht muss Recht bleiben: Keine pauschale Gerichtsgebühr an Sozialgerichten!

Drucksache 5/4751, Antrag der Fraktion der NPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet: NPD, CDU, DIE LINKE; SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich erteile der NPD-Fraktion als Einreicherin das Wort. Herr Dr. Müller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ So steht es für alle nachzulesen in Artikel 20 Abs. 1 Grundgesetz. Artikel 28 legt fest: „Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen.“ Das ist zunächst die Theorie, meine Damen und Herren.

Damit dieser soziale Rechtsstaat auch dauerhaft funktionieren kann, ist vor allem eines unabdingbar: Das Vertrauen des Volkes in die Institutionen, die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit garantieren sollen.

Demokratie heißt – das ist jedenfalls weiterhin auch unsere Definition – Volksherrschaft. Doch eben jenes Volk hat allen bekannten Umfragen zufolge das Vertrauen in die meisten dieser Institutionen, in Parteien und Behörden verloren. Von diesem Ansehens- und Vertrauensverlust ist die Politik ganz besonders betroffen.

Folgen wir zum Beispiel den Erkenntnissen der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik, so stellen wir fest, das Vertrauen in die Bundesregierung ist noch unter den Wert für Großkonzerne abgesunken. Nur noch 33 % der Bevölkerung vertrauen der Regierung grundsätzlich. Vor diesem Hintergrund ist es umso bedeutsamer, dass sich Bürger, die sich von der Politik im Stich gelassen, von Behörden ungerecht behandelt fühlen, an die dritte Gewalt im Staate, die Gerichte, wenden können.

Im Bereich der sozialen Gerichtsbarkeit ist es besonders wichtig, dass dieses Recht nicht nur auf dem Papier steht, sondern von den Betroffenen auch praktisch wahrgenommen werden kann. Hierzu gehört, dass gerade diejenigen Landsleute, die auf die Hilfe und Unterstützung der Solidargemeinschaft angewiesen sind und deshalb Leistungen auf der Grundlage des SGB beziehen, ihren Leistungsanspruch ohne Ansehen ihrer sozialen Stellung geltend machen können.

Meine Damen und Herren! Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ist allein bis zum Ende der 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages im Jahr 2009 bisher 57 Mal geändert worden. Dieses angeb

lich unantastbare Gesetz, das von seinen Vätern einmal als Übergangslösung, als Provisorium gedacht und formuliert war, „bis“, so lesen Sie selbst in Artikel 146, „zu dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen worden ist“, Dieses Grundgesetz, meine Damen und Herren, ist immer wieder den parteipolitischen und ideologischen Bedürfnissen der jeweils Herrschenden angepasst worden. Das empfindet auch der Wutbürger des Jahres 2011 so.

Die jüngste Gesetzesänderung zu Hartz IV ist ein typisches Beispiel dafür. Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 die Pauschalierung der SGB-II-Leistungen in weiten Teilen als nicht sachgerecht bezeichnet hatte, wurde seitens der Bundesregierung eine Neuregelung vorgelegt, die mit ihrer 5-EuroRegelung eine Verhöhnung sowohl der Betroffenen als auch des höchsten deutschen Gerichtes selbst darstellte. So stellt dann auch der Präsident des Landessozialgerichtes Gerd Schmidt laut MDR-Info vom 03.12.2010 fest: „Es sind einige Probleme in dem Gesetz versteckt“ und rechnet deshalb mit einer unverminderten, infolge Neuregelung zu Hartz IV noch wachsenden Zahl an Klagen vor den Sozialgerichten.

Auch der jetzt ausgehandelte Kompromiss zwischen Koalition und SPD in Berlin macht das Problem nicht kleiner. Die offensichtliche Diskrepanz zwischen den demokratischen und rechtsstaatlichen Lippenbekenntnissen einerseits und andererseits der Arroganz, mit der Behörden und Politik, Lobbyisten und Bankvorstände über Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaat hinweggehen und sich die Regeln nach ihrem eigenen Gutdünken zurechtbiegen, schafft ganz sicher kein Vertrauen.

Auch nicht gerade vertrauensfördernd ist die hohe Zahl der Änderungen der Sozialgesetzgebung zu betrachten. Das Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit Heinrich Alt wies am 13. Januar 2010 darauf hin, dass es in den letzten sechs Jahren zu über 50 Gesetzesänderungen im Bereich des SGB II kam.

Da verwundert es eben auch nicht, wenn eine relativ große Zahl der Bescheide fehlerhaft ist. Genau an dieser Stelle sind es nur noch die Sozialgerichte als letzte Instanz, meine Damen und Herren, die nicht nur Rechtsstaatlichkeit, sondern auch das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat wiederherzustellen vermögen.

Bitte vergegenwärtigen Sie sich einmal die Dimension. Laut Bundesagentur wurden allein im letzten Jahr 25 Millionen Leistungsbescheide ausgestellt. Nur 3 % der

Leistungsbezieher gehen dagegen in Widerspruch. Hieraus resultierten im Jahr 2010 etwa 150 000 Klagen, von denen allerdings die Hälfte vor Gericht Erfolg hatte. In 80 % der Fälle konnte den Klagen in irgendeiner Form zumindest abgeholfen werden. Es kann also keine Rede davon sein, dass die Sozialgerichte von der Mehrzahl der Betroffenen missbräuchlich in Anspruch genommen werden.

Doch immer wieder treten kaltschnäuzig neoliberale Demagogen auf den Plan in dem Bemühen, Teile unseres Volkes gegeneinander auszuspielen, indem Missgunst und Neid ausgerechnet gegenüber den sozial Benachteiligten unter uns geschürt werden. Dazu diente auch der in der schriftlichen Begründung zu diesem Antrag bereits angesprochene Gesetzentwurf aus der letzten Legislaturperiode des Bundestages oder der neuerliche Vorstoß aus Brandenburg.

Wir sind jetzt hier, meine Damen und Herren in diesem Hohen Haus, aufgerufen, endlich ein klares Signal nach Berlin zu senden. Mit uns als einem der Bundesländer, in denen besonders viele Hartz-IV-Bezieher leben, ist eine Sozialgerichtsgebühr nicht zu machen. Ich bitte Sie deshalb schon jetzt um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Für die Koalition spricht der Abg. Biesok. Herr Biesok, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die NPD stellt heute mit dem Antrag, sich gegen Gebühren in der Sozialgerichtsbarkeit zu wenden, einen Antrag, den die Fraktion DIE LINKE bereits gestellt hat, und zwar mit der Drucksache 5/2325. Wir haben ihn ausführlich diskutiert, und zwar am 20.05.2010.

Dies zeigt mir wieder einmal sehr deutlich: Außer ausländerfeindlichen und rassistischen Themen hat die NPD keine Themen, die heute in der Gesellschaft diskutiert werden. Sie muss sogar bei den LINKEN abschreiben, um überhaupt einen Antrag hier im Plenum behandeln zu können.

(Zurufe von der NPD)

Wahrscheinlich ist es einzig und allein die klammheimliche Freude, die bei der NPD darüber aufkommt, dass jetzt die Kollegen von den LINKEN – ich denke besonders an Herrn Wehner, der bei der letzten Debatte diesen Antrag sehr ausführlich begründet hat – heute wahrscheinlich nicht wissen, wie sie mit dem Antrag umgehen, weil er von der NPD kommt, aber in der Sache das Richtige behandelt. Das ist die einzige Motivation, warum sie das machen.

Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Spiel sollten wir hier nicht mitspielen. Ich möchte deshalb für die Ablehnung des Antrages auf meine Ausführungen im Plenarprotokoll der 5. Wahlperiode, 16. Sitzung vom

20. Mai, auf den Seiten 1553 in der zweiten Spalte bis zur Seite 1554 Mitte der ersten Spalte verweisen, um Wiederholungen zu vermeiden. Es ist die Zeit nicht wert, sich noch länger mit diesem NPD-Antrag zu beschäftigen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Jürgen Gansel, NPD: Wir möchten es vorgetragen haben!)

Der nächste Redner in der ersten Runde ist Herr Bartl.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Zeit der Plagiate ist letzten Endes das Notwendige von Kollegen Biesok bereits angemerkt. Das würde ich nicht noch einmal tun wollen.

Ich will jetzt auch keine große Polemik machen, was die Überschrift des Antrages betrifft: „Recht muss Recht bleiben“. Selbst ohne Gebühr kann man bei Sozialgerichten Unrecht erleiden, auch wenn es keine Gebühr gibt. Das muss doch nicht daran gebunden sein.

Das Problem ist letzten Endes, es gab in den letzten Jahren immer wieder Vorstöße, speziell 2006, tatsächlich, um eine vermeintliche Begrenzung einer Flut von Anträgen im Sozialrecht zu erreichen, eine Gebühr bei Sozialgerichten einzuführen. Die diesbezüglichen Versuche sind vor allem auch maßgeblich durch die Gegenwehr des VDK abgewehrt worden. Wir haben aktuell keine Konstellation, aus der ich erkennen kann, dass eine solche Gefahr droht.

Die NPD bezieht sich mit der Begründung auf die Äußerung eines Brandenburger CDU-Mitgliedes kurz nach Silvester, Danny Eichelbaum heißt er wohl. Diese Äußerung ist nicht ernst zu nehmen. Aus Brandenburg droht wohl keine direkte Sorge. Stellungnahmen von Parteien und Fachverbänden zeigen, dass für die Einführung einer Gerichtsgebühr bei Sozialgerichten kein mehrheitlicher politischer Wille besteht. Das ist gut so. Es drohen aktuell also keine Gebühren für Menschen, die das gewissermaßen von der Bedürftigkeit her brauchen, die Sozialgerichte in Anspruch nehmen. Es ist tatsächlich ein Stück hin Prinzip, das sich aus der Sozialstaatlichkeit ergibt.

Selbst wenn man unterstellt, dass es Gefahren gäbe, solche Gerichtsgebühren zu erheben, ist der NPD-Antrag aus unserer Sicht deshalb nicht zustimmungsfähig, da er nur einen kleinen Teil von Betroffenen von Gebühren ausnimmt, also davor bewahren will, nämlich die ALG-IIBezieher. Betroffen von Gebühren, wenn sie erhoben würden, wären auch Personen, die wegen Sozialleistungen außerhalb des SGB II klagen. Deshalb ist der Antrag auch zur kurz gehalten.

Schließlich ist der NPD-Antrag auch nicht dazu geeignet, Probleme an ihren eigentlichen Ursachen zu lösen, nämlich die Kompliziertheit der gesetzlichen Regelungen, mangelnde Personalausstattung der ARGE und dergleichen mehr. Summa summarum: Das, was dazu zu debattieren war, haben wir tatsächlich im Jahr 2010 getan. Der