Protocol of the Session on March 23, 2011

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte vielleicht noch einen Aspekt aus dem Debattenbeitrag von Frau Kagelmann zu den Mindestlöhnen aufgreifen. Es ist gesagt worden, dass in unseren Familienbetrieben Mindestlöhne keine Rolle spielten, weil diese Subsistenzwirtschaft betrieben. Wenn ich dann bei Wikipedia nachschaue, was Subsistenzwirtschaft heißt, dann wird gesagt: Das sind Menschen, die aus ideologischen Gründen zur Subsistenzwirtschaft zurückkehren wollen. Vor allem in ländlichen Gebieten Afrikas wird das noch betrieben. Es spiegelt die Abwesenheit einer nationalen Wirtschaftsstruktur wider.

Also, meine Damen und Herren, wir betreiben in Sachsen mit Sicherheit keine Subsistenzwirtschaft, sondern auch unsere privaten Landwirte liefern hochwertige Qualität, die am Markt Bestand hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ansonsten sind wir bei der GAP-Reform wieder beim Kampf um das Geld gelandet. Ich kann die Landwirte nur bitten, keine gegenseitige Neiddebatte anzufachen: Der „Ökologische“ brauche es mehr als der, der konventionell produziert, oder der mit der größeren Flächenausstattung weniger als vielleicht der Nebenerwerbslandwirt, der bei Mercedes in Stuttgart einen gut bezahlten Job hat. Wenn zwei sich streiten, freut sich immer der Dritte, und der wird dann mit Sicherheit außerhalb der Landwirtschaft zu finden sein.

Ich möchte anmahnen, bei der gesamten Debatte den Bürokratieabbau nicht zu vergessen, und darum bitten, im Zuge der Debatte, bei der die Energieversorgung jetzt wegen Atomkraft usw. wieder neu aufgerufen ist, auch einmal die ökologische Leistung der Landwirte in einem anderen Licht zu sehen. Ist es klug, landwirtschaftliche Nutzflächen für Biotope aus der Produktion zu nehmen, oder ist es klug, sie zur Produktion für nachwachsende Rohstoffe zu nutzen, um damit den Einsatz von Öl oder Atomkraft zu substituieren, sprich Kornkraft statt Kernkraft?

Zum Abschluss noch ein Wunsch von mir, nämlich – wie immer – kostendeckende Preise. Das könnte uns solche Debatten in Zukunft ersparen und die zur Verwaltung der Subventionen notwendige Bürokratie auch. In diesem Sinne: Ich weiß, dass sich dieser Wunsch so schnell nicht

erfüllen wird, also bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nun das Schlusswort für die Fraktion DIE LINKE. Frau Abg. Kagelmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz auf einige Argumente eingehen, die hier vorgebracht worden sind.

Herr Breitenbuch, es hat mich dann doch ein bisschen erstaunt: Wir wenden uns ab von den Landwirten und wenden uns hin zu der „ganz anderen Bevölkerung“. – Das ist eine eigenwillige Sicht. Für mich ist selbstverständlich auch der Landwirt Teil der sächsischen Bevölkerung und auch er profitiert von einer sauberen Umwelt. Er profitiert ganz besonders von lebendigen ländlichen Räumen und von hohen Einkommen dort, denn er möchte selbstverständlich auch erzeugergerechte Preise erzielen. Diese Unterscheidung konnte ich also überhaupt nicht nachvollziehen. Aber wir wissen, worauf Sie abstellen. Wir kennen den Gegenwind aus dem Berufsstand.

Allerdings noch einmal ein wenig einschränkend: Sie finden bei uns den Ansatz der Modulation ausdrücklich nicht, weil wir diesen Ansatz, eine Verschiebung zwischen erster und zweiter Säule, gar nicht brauchen, weil unser Gesamtansatz schon höhere ökologische Zugangsvoraussetzungen für die Mittel der ersten Säule vorsieht. Insofern brauchen wir keine Modulation.

Wir brauchen aus unserer Sicht auch keine Kappung. Das sage ich noch einmal sehr deutlich, damit das nicht falsch im Raum stehen bleibt. Darin stimmen wir nicht ganz mit den GRÜNEN überein. Aus unserer Sicht darf es keine Benachteiligung von Eigentumsformen geben. Nachhaltige ökologische landwirtschaftliche Produktion ist nicht zwingend größenabhängig. Deshalb stellen wir auf ganz konkrete ökologische und soziale Zugangskriterien für die Mittel der ersten Säule ab.

Ich trage immer gern dazu bei, dass sich die Kolleginnen und Kollegen fortbilden. Aber Wikipedia wird von freien Autoren gespeist. Insofern müssen wir da möglicherweise noch etwas ergänzen, Herr Heinz.

Ich hatte deutlich gemacht, dass es uns bezüglich der Arbeitskraftkomponente um die Lohnabhängigen in der Landwirtschaft geht. Das habe ich sehr klar gesagt. Diesbezüglich – noch einmal – verstehe ich die Verwirrung nicht, was das bürokratische Monster an dieser Stelle betrifft. Wer lohnabhängig ist, dessen Arbeitgeber führt Renten- und Krankenversicherungsbeiträge ab, und das wird erfasst. Wie das in jedem Industriebetrieb der Fall ist, dürfte das auch in der Landwirtschaft so sein. Demzufolge kann man auf diesem System ganz normal aufbauen.

Meine Damen und Herren! Es wird immer wieder die ausufernde europäische Bürokratie beklagt. Aber Bürokratieabbau ist kein Ziel an sich. Es muss darum gehen, dass die Kontrollen einem Ziel verpflichtet sind, nämlich höhere Umweltstandards durchzusetzen und Aufgaben wie Klimaschutz, Schutz der Biodiversität zu erfüllen. Wenn sie das nicht tun, dann muss man darüber nachdenken, wie man sie wirkungsvoller gestalten kann. Im Übrigen sind Kontrollen auch in anderen Bereichen selbstverständlich. Der Landwirt ist davor nicht gefeit. Aber solange wir die Ziele in der Biodiversität und im Klimaschutz nicht erreicht haben, müssen wir uns höheren ökologischen Kriterien verpflichten.

Herr Staatsminister Kupfer, zu der wachsenden Weltbevölkerung: Ich bin Herrn Kollegen Brangs sehr dankbar, dass er noch einmal das Verhältnis deutlich gemacht und gesagt hat, dass wir von Sachsen aus nicht die Weltbevölkerung mit sächsischem Schweinefleisch überschwemmen wollen. Das Problem – ich habe es deutlich gemacht – ist, dass die europäische Exportpolitik die Erzeugerstrukturen in den Entwicklungsländern zerstört. Das ist das Problem und damit erreichen wir in Zukunft eben gerade nicht die Sicherung der Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung. Das ist das Problem.

Ich habe das Beispiel der Sojaproduktion und des Flächenverbrauchs in den Herkunftsländern der Sojaprodukte beschrieben. Das ist genau unser Problem. Wir verdrängen im Ausland die Flächen, damit dort das Soja für unsere Tiere produziert wird. – Herr Breitenbuch, da können Sie den Kopf schütteln, die Zahlen, die ich gebracht habe, sind nachvollziehbar.

Meine Damen und Herren! Wir können uns lange streiten. Jawohl, DIE LINKE steht dazu, es braucht mehr soziale und mehr ökologische Zugangskriterien.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Das muss in eine Neuausrichtung der europäischen Agrarpolitik Eingang finden. Wir haben Ihnen dazu einen Vorschlag unterbreitet und ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kagelmann. – Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über die Drucksache 5/5298, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP. Ich bitte um die Dafür-Stimmen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und zahlreichen Gegenstimmen hat der Antrag die erforderliche Mehrheit gefunden und ist beschlossen.

Wir kommen nun zur Drucksache 5/4277, Antrag der Fraktion DIE LINKE. Auch hier bitte ich um die DafürStimmen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag nicht die erforderliche Mehrheit gefunden und ist nicht beschlossen worden, meine Damen und Herren. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 9

Umstände der Zulassung von Naziaufmärschen am 13. und 19. Februar 2011 in Dresden aufklären – Konsequenzen sind endlich nötig!

Drucksache 5/5081, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Friedliche bürgerschaftliche Protestkultur gegen Naziaufmärsche würdigen und unterstützen!

Drucksache 5/5300, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Fraktionen können wie folgt Stellung nehmen: DIE LINKE, die GRÜNEN, CDU, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Bartl. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Die jetzige Antragsdebatte schließt natürlich an die heute früh auf Antrag der Koalitionsfraktionen unter anderer Thematik und Schwerpunktsetzung geführte Aktuelle Debatte an.

Wir wollen mit diesem Antrag, das ist bereits aus der Themenkennzeichnung erkennbar, Anstoß geben, dass der Landtag als Stätte der politischen Meinungs- und Willensbildung tatsächlich hinterfragt und auch in einer entsprechenden abstimmungsfähigen Form die Staatsregierung darum ersucht, aufzuklären, was die Umstände für die Zulassung dieser Aufmärsche vom 13. und 19. Februar betrifft, in welcher Entscheidungslage die Staatsregierung bzw. die ihrer Fach- und Rechtsaufsicht unterstehenden Behörden gewesen sind.

Die Auseinandersetzung mit Aufmärschen von Neonazis in Dresden, die die Ereignisse vom 13. und 15. Februar 1945 mit der Zerstörung weiter Teile von Dresden durch Bombardements der Alliierten als Ergebnis des vom Hitlerfaschismus vom Zaun gebrochenen Zweiten Weltkrieges missbrauchen, hat eine lange Geschichte. Sie begann – anders, als das Kollege Zastrow heute Vormittag annahm – bereits 1998 mit damals noch einer sogenannten Spontandemo von Leuten, die sich selbst verharmlosend als „Nationale“ bezeichneten, seither regelmäßig beantragt von der JLO. In tatsächlicher Trägerschaft kann man durchaus auch Vertreter der Fraktion der NPD im Parlament mit sehen. Zuletzt 2010 in fast fünfstelliger Zahl der Umzug von Neonazis durch die sächsische Landeshauptstadt bzw. war das im Umfeld des 13. Februar 2011 begehrt.

Das geschah mit der Konsequenz, dass von Jahr zu Jahr die Zahl der Menschen zugenommen hat, die aus den verschiedenen Gegenden der Bundesrepublik und auch aus dem besorgten Ausland nach Dresden kommen, um

zu verhindern, dass – wenn man es ganz profan formulieren will – an diesem Tag des Gedenkens an das unermessliche Leid, das infolge des Krieges Tausende, ja Millionen Unschuldige trifft, den Nazis die Straße gehört. Diejenigen, die sich ihnen entgegenstellen wollen – das wird das Hohe Haus gewiss nicht in Abrede stellen –, tun das in absoluter Überzahl völlig friedlich. Ich darf daran erinnern, dass der Innenstaatssekretär Dr. Wilhelm, auch bezogen auf den 19. Februar, in öffentlicher Verlautbarung davon gesprochen hat, dass 99,9 % der Demonstranten friedlich gehandelt haben. Diese Menschen wollen letzten Endes mit ihrem Protest, mit ihrem Gegenprotest klarmachen, dass das, was sich im Umfeld dieses Gedenkens tut, gewissermaßen eine andere Art Kultur bezeugen soll als ein Aufmarsch von Neonazis.

Wir haben eine Situation – darum können wir uns nicht drücken – dass Dresden, etwa wie Wunsiedel, inzwischen einen exemplarischen bzw. symbolischen Stellenwert in der Auseinandersetzung um die Frage hat, ob es hinzunehmende Normalität ist, dass Neonazis unbehelligt und letztlich geschützt von Tausenden eigens hierzu aus dem Bund und den Ländern zusammengezogenen Polizeibeamten gerade an einem solchen Tag besonderen historischen Gedenkens an Konsequenzen an Krieg und Faschismus durch beste Stadtkernlagen ziehen können.

Das ist heute früh auch bereits erörtert worden: Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung versteht es letztlich nicht, dass bei der Entscheidung über die Genehmigung der von der JLO angemeldeten Aufmärsche bzw. von anderen, aus dem gleichen Lager kommenden Anmeldern – in diesem Jahr waren es drei – seitens der Versammlungsbehörde eher nicht Beachtung findet, dass der eigentliche Zweck der Anmelder und Hintermänner, das Gros der unter schwarzen und braunen Losungen Marschierenden, nicht Mahnung und Erinnerung an Folgen von Faschismus und Krieg sind, sondern der Spieß quasi umgekehrt und der Eindruck erweckt werden soll, die eigentlichen Kriegsverbrecher seien die Alliierten gewesen.

Dann finden sich eben auf den Transparenten – das war auch am 13. und 19. Februar wieder der Fall – die Worte vom Bombenholocaust. Worte, die auch hier in diesem

Landtag von diesem Pult von Vertretern der NPD ausgesprochen werden. Es bleibt allenfalls als Reaktion und Sanktionsmöglichkeit, wenn man hier spricht,

(Holger Apfel, NPD: Ist straffrei!)

einen Ordnungsruf zu bekommen.

Da steht die Frage im Raum, ob nicht auch hier der Grundgedanke gelten muss – das will ich noch einmal wiederholen –, den das Bundesverfassungsgericht in seinem besagten Beschluss vom 4. November 2009, diesem Wunsiedel-Urteil, dahingehend geprägt hat, dass es berechtigt und gerechtfertigt ist, in verfassungskonformer Auslegung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit derartige Veranstaltungen neonazistischen Hintergrunds wenn schon nicht zu verbieten, dann zumindest repressiv so einzuschränken, dass erkennbar wird, worauf die propagandistische Gutheißung des Nationalsozialismus abzielt: die Relativierung der Singularität des Unrechts und des Schreckens, die die nationalsozialistische Gewalt- und Lügenherrschaft hervorgebracht hat. Das muss im Bereich der Entscheidung über Versammlungsrecht eine Rolle spielen muss.

(Andreas Storr, NPD, steht am Mikrofon.)

Herr Bartl, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Ich gestatte heute keine Zwischenfrage, Herr Storr.

(Jürgen Gansel, NPD: Unsicherheit!)

Das ist keine Unsicherheit. Das hängt mit dem Thema zusammen.

Wenn das Bundesverfassungsgericht in dem besagten Urteil das Verbot der jährlich wiederkehrenden für den 20. August 2005 angemeldeten Versammlung der Neonazis zum Thema „Gedenken an Rudolf Heß“ für rechtens hält und die damalige Verfassungsbeschwerde des inzwischen verstorbenen Neonazis Rieger mit der Begründung abgewiesen hat, wenn von der Versammlung eine Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung nationalsozialistischer Gewalt und Willkürherrschaft ausgeht, weil es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, daraus die Vermutung abzuleiten, dass durch solche Äußerungen auch die Würde der Opfer verletzt wird, ist nicht zu erkennen, wieso ein solcher Hintergrund für die Naziaufmärsche im Umfeld des 13. Februar 2010 und 2011, also die alljährlich angemeldeten, von vornherein zu verneinen wäre.