Protocol of the Session on February 10, 2011

Wer sich an dieser Stelle dagegen ausspricht, den fordere ich von hier aus auf: Machen Sie doch einen anderen Vorschlag; machen Sie einen, der besser ist und der wirklich einen Effekt hat! Denn die freiwillige Selbstverpflichtung wurde seit 2001 in der Privatwirtschaft abgeschlossen, und was ist passiert? – So gut wie gar nichts.

Wenn Sie dann noch sagen, dass Frauen nicht aufgrund einer Quotierung in diese Position kommen wollen – also dass wir das selbst eigentlich nicht wollen –, dann ist das für mich mal ein Thema gewesen, aber es ist keines mehr,

weil ich mir sage: Wie kommen denn Männer an diese Stelle? Männer kommen durch Netzwerke dahin, und es gibt eine informelle Männerquote. Warum soll ich mir einen Kopf machen, wenn ich durch eine Frauenquote an eine bestimmte Stelle komme?

Gerade in Führungspositionen – und besonders in Entscheidungs- und Aufsichtsgremien – kommen Männer nämlich vor allem durch eines: qua Geschlecht und über Netzwerke. Wir haben gesehen, dass die Quotierung erfolgreich ist. Schauen Sie nach Norwegen, da ist der Frauenanteil in fünf Jahren um das Vierfache gestiegen.

Staatsministerin Clauß hat in ihrer Pressemitteilung vom 30.01. dieses Jahres den Führungsanteil von Frauen in Ostdeutschland über den grünen Klee gelobt und ich denke, dass das nicht der Wirklichkeit entspricht, wie wir alle wahrnehmen; ich werde dazu später noch etwas sagen.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN und der SPD)

Die CDUFraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Werte Gäste! Eine Tageszeitung titelte Mitte Januar dieses Jahres: „Ganz oben ist die Luft dünn und männlich“. Schaut man sich die Zahlen des Statistischen Bundesamtes an, so hat der Verfasser recht: Knapp 56 % der Abiturienten sind Frauen. 51 % der Hochschulabsolventen sind weiblich. Bei 44 % liegt der Frauenanteil bei den Promotionen. In eine Führungsposition schaffen es knapp 22 % – in Sachsen sind es immerhin 25 %. In den Vorständen kommen dann nur noch gut 3 % an. Frauen sind in den großen Wirtschaftsunternehmen eindeutig unterrepräsentiert.

Aber hilft dagegen eine gesetzliche Quote? Ich glaube nicht; denn es besteht die Gefahr, dass sich dann die neuen Aufsteigerinnen dem Vorwurf aussetzen müssen, letztlich nur eine Quotenfrau ohne entsprechende Eignung zu sein.

(Beifall bei der CDU)

Doch wer sich nach oben arbeitet – mit Ehrgeiz, persönlicher Begeisterung, Durchsetzungskraft und Managementtalent –, ist mit Recht stolz auf seine eigene Leistung und Kompetenz, und genau diese Frauen würden geschwächt, wenn es die Chance gäbe, sie als Quotenfrauen zu belächeln. Auch geht für mich die aktuelle Diskussion in eine völlig falsche Richtung. In die Chefetagen gehören die besten Experten: Profis mit hohem Verantwortungsbewusstsein und entsprechenden Voraussetzungen. Dabei darf es keine Rolle spielen, ob sie weiblich oder männlich sind.

(Elke Herrmann, GRÜNE, steht zu einer Zwischenfrage am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich würde gern weitermachen.

Qualität muss oberste Priorität haben. Die Frauen in der CDU sind alle durch Wählerinnen und Wähler gewählt.

(Beifall bei der CDU, der Abg. Anja Jonas, FDP, und der Staatsregierung)

Die Quote löst auch nicht das Problem, dass in vielen Bereichen weiblicher Nachwuchs fehlt. Das zeigt die geringe Zahl an Hochschulabsolventinnen in bestimmten Fachrichtungen, wie im Maschinenbau, der Elektrotechnik oder dem IT-Bereich. Unternehmen müssen einstellen können, wen sie wollen und wer am besten ins Team passt; denn Personalplanung ist eine zentrale Stellschraube im täglichen Wettbewerb.

Nun soll der Staat einen Teil der Personalplanung übernehmen. Doch übernimmt er damit auch die Verantwortung? Vielmehr ist ein Sinneswandel in den Köpfen, in der Gesellschaft notwendig, welcher sich gesetzlich nicht anordnen lässt. Der Staat hat da ganz andere Möglichkeiten.

Dreh- und Angelpunkt des Erfolges sind zahlreiche Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wie Kindertagesstätten und Horte mit flexiblen Öffnungszeiten und ohne starre Betriebsferien; Ferienprogramme für Kinder; Projekte, die Kinder, insbesondere Mädchen, schon frühzeitig für Technik und Naturwissenschaften begeistern; flexiblere Arbeitszeitmodelle; weniger Abendtermine oder auch Veränderungen beim Vaterschaftsurlaub – alles Stellschrauben, an denen die Politik drehen kann.

Auch benötigen wir mehr allgemeines Verständnis für elterliche Pflichten. Ich bin überzeugt, dass die öffentliche Diskussion zu diesem Thema die Wirtschaft zum Nachdenken bringt, mehr Frauen in den Führungsetagen einzusetzen, schon allein, um einer staatlich verordneten Regelung zu entgehen. Die Telekom, E.on, Bosch, BMW, Daimler, die Deutsche Bahn und Airbus setzen bereits erste Zeichen für Veränderungen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Die Fraktion DIE LINKE, bitte.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Daraufhin Heiterkeit und interne Gespräche zwischen Abgeordneten der CDU und der GRÜNEN – Glocke der Präsidentin)

Ich bin begeistert, wie dieses Thema die Gemüter berührt.

(Christian Piwarz, CDU: Das war Herr Lichdi!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, eigentlich brauchen wir über diesen Antrag gar nicht zu verhandeln; denn die Bundeskanzlerin, die oberste Chefin, hat ein Machtwort gesprochen – in Basta-Manier und ganz wie ein echter Patriarch. Aber Spaß beiseite!

Natürlich ist es sehr, sehr wichtig, auch in Sachsen alle Möglichkeiten zu nutzen, Gleichstellungsthemen wie die Erhöhung des Frauenanteils in Führungsgremien anzusprechen, zu diskutieren und vor allem nach Lösungen zu suchen, um Veränderungen herbeizuführen.

Die Situation in Deutschland ist, verglichen mit anderen – nicht nur westeuropäischen – Ländern, schlimm. Ein Gleichstand mit Indien beim Frauenanteil in Vorständen – 2,2 %, wie im DIW-Bericht konstatiert – ist beschämend, aber auch bezeichnend. Trotzdem wird weiter auf Freiwilligkeit und Selbstverpflichtung von Unternehmen gesetzt, obwohl bewiesen ist, dass sich dadurch, wenn überhaupt, nur ganz, ganz langsam etwas verändert. Länder wie Norwegen, Spanien, Schweden, die Niederlande und seit Jahresbeginn auch Frankreich zeigen, dass es mit einer Quote sehr, sehr schnell Veränderungen geben kann und Unternehmen gut beraten sind, wenn sie auf die Kreativität und das Engagement von Frauen in Unternehmen und besonders auch in den Führungsspitzen vertrauen.

Trotzdem sträuben sich Kanzlerin Merkel und ihre NachNach-Nachfolgerin im Amt der Frauenministerin, Kristina Schröder, hartnäckig, eine verbindliche Frauenquote für die Wirtschaft für Vorstände und Aufsichtsräte einzuführen. Beide Damen setzen weiter auf Freiwilligkeit und auf Appelle an die Wirtschaft.

Doch blicken wir nach Sachsen! Sie, Frau Ministerin Clauß, verkündeten in einer Pressemitteilung vom 30. Januar – es wurde hier schon erwähnt –, dass wir in Sachsen schon einen fast 25%igen Frauenanteil in Führungspositionen erreicht hätten. Wir seien die Besten und die Größten, hätten also kaum noch Handlungsbedarf.

Wollen wir die Zahl mal hinterfragen: Noch im August lasen wir in einer Presseinformation von databyte Lübeck, dass wir in Sachsen mit 18,59 % Frauen in Führungspositionen einen der vorderen Plätze beim Vergleich der Länder der Bundesrepublik belegen, hinter Berlin mit 19,17 %. Woher also die Steigerung um fast sieben Prozentpunkte in einem halben Jahr?

Hm. Vielleicht ist das der Politik der drastischen Kürzung der Gelder im Bereich der Gleichstellung von Mann und Frau geschuldet? Oder auch der finanziellen Strangulierung des Landesfrauenrates? Oder haben Sie sich die Zahlen so zusammengestellt – oder zusammenstellen lassen –, wie man sie besser verkaufen kann?

Wenn man den öffentlichen Dienst und die Privatwirtschaft zusammenrechnet, also Leiterinnen von Kitas, Horten, Grundschulen in die Statistik einrechnet, kommt man auf ganz phantastische Zahlen, da es gerade im öffentlichen Dienst mehr als 50 % Frauen sind, die dort arbeiten, was sich natürlich auch bei den Leitungsfunktio

nen in den genannten Einrichtungen, also im unteren und mittleren Bereich, auswirkt. Dass aber gerade in hohen und höchsten Positionen auch im öffentlichen Dienst bei uns im Freistaat die Lage nicht so rosig ist – besonders, was die Staatsregierung anbelangt –, ist in der Antragsbegründung gut dargestellt und wurde von Kollegin Herrmann auch noch einmal erläutert.

Ob nun der angekündigte Gleichstellungsbeirat von Frau Ministerin Clauß, den sie im Juni installieren will, Abhilfe schafft, bleibt abzuwarten. Außerdem ist es bei Weitem nicht das Verdienst der Sächsischen Staatsregierung und ihrer Ministerin, dass Sachsen besser dasteht, besonders im Vergleich zu den alten Bundesländern.

Im vor Kurzem erschienenen Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, der ja von Bundesministerin Kristina Schröder nicht einmal in Empfang genommen wurde, wird übrigens auch eine Quotenregelung für Vorstände und Aufsichtsräte empfohlen. In diesem Bericht begründen die Wissenschaftlerinnen den deutlichen Vorsprung der ostdeutschen Länder bei Frauen in Führungspositionen – ich zitiere –: „Zum einen ist in Ostdeutschland der Anteil der kleinen und mittelständischen Unternehmen, die eher in Frauenhand sind, generell höher. Zum anderen war das Rollenbild in der DDR jenes einer erwerbstätigen Frau. Da Frauen zu DDR-Zeiten deutlich häufiger berufstätig waren als Frauen in Westdeutschland, existiert in Ostdeutschland eine andere Ausgangssituation.“

Wir hatten also auch in Sachsen sehr gute Startbedingungen. Nutzen wir diese! Denn eines steht fest:

„Um einen höheren Frauenanteil in Führungsetagen von Wirtschaftsunternehmen zu erreichen, brauchen wir, jedenfalls gesellschaftlich betrachtet, einen Bewusstseinswandel und eine generell familienfreundlichere Arbeitswelt.“ – So Sachsens Gleichstellungsministerin Christine Clauß in ihrer Presseerklärung vom 9. Juni 2010.

Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zeigt, in welche drei Richtungen gearbeitet werden muss:

Zum Ersten geht es um den öffentlichen Dienst. Das ist noch das Leichteste. Hier hat man die Möglichkeit, entsprechende Gesetze durchzusetzen, wenn man will.

Der zweite Weg, die Privatwirtschaft, ist schon etwas schwieriger zu gehen. Aber wenn man mit Wirtschaftsvertretern gerade von mittleren und kleinen Unternehmen spricht, so sagen sie, dass gerade in diesem Bereich der Frauenanteil doch schon gestiegen ist und Frauen dort gern in Führungspositionen arbeiten. Das Zusammenwirken mit Kammern und auch mit Universitäten, um Weiterbildungen, Fortbildungen zu initiieren, ist sicherlich ein richtiger Weg.

Aber natürlich muss auch die Bundesebene tätig werden; denn eine Quote ist notwendig für Aufsichtsräte und Vorstände. Diese Gesetzesinitiative sollte von Sachsen unbedingt befördert werden. Sollte der heutige Antrag abgelehnt werden, Frau Ministerin, ist das vielleicht ein guter Arbeitsplan für den Gleichstellungsbeirat.

Wir werden dem Antrag zustimmen.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Die SPD-Fraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich in den vergangenen Wochen den „Pressespiegel“ las, erschien es mir zuweilen ganz schön fragwürdig, wie viele Politikerinnen und Politiker, Journalistinnen und Journalisten und wie viele Medien sich plötzlich so positiv über die Frauenquote äußerten. Zum Glück kam in dieser Woche alles wieder ins Lot. Die „Wirtschaftswoche“ machte mit einem schönen Titel gegen die Quote auf. Auch im „Spiegel“ war ein Kommentar dagegen zu lesen. Mit Frau Merkels Eingreifen in dieser Wochen fühlten sich die Quotengegner dann auch bestärkt, dass sie sich jetzt outen können. Dank der Rede von Frau Saborowski-Richter wissen wir, dass sich auch die CDU in Sachsen nach wie vor im gleichstellungspolitischen Entwicklungsland aufhält.

Aber was haben wir nun? Ich denke, wir haben eine ehrliche Debatte. Die ist längst überflüssig – äh, überfällig; das wurde auch schon gesagt.

(Heiterkeit bei der CDU und der FDP – Zuruf von der NPD: Freud’scher Versprecher!)

Jetzt haben Sie Ihren Spaß gehabt. Dann können Sie mir jetzt umso aufmerksamer zuhören.