Protocol of the Session on February 10, 2011

Ich möchte noch einmal zu den Fördervoraussetzungen sprechen, weil durch das Zitieren der NPD-Fraktion der Eindruck entstehen könnte, dass dieses Programm nur für einen ganz geringen Personenkreis angelegt ist, was mitnichten der Fall ist. Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass dieses Programm zum Beispiel für Personen über 50 Jahre bestimmt ist; diejenigen, die einen entsprechenden Berufsabschluss nicht haben, deren Mobilität aus den verschiedensten Gründen eingeschränkt ist, aber auch für Personen, die nicht über einen Berufsabschluss verfügen, die keine bzw. nur geringe Berufserfahrungen haben, die ihre Erwerbstätigkeit wegen Kinderbetreuung längere Zeit unterbrechen mussten.

Wenn Sie sich diesen gesamten Katalog ansehen, wird deutlich, dass sich dieses Programm eben nicht an eine eng begrenzte Zahl von Langzeitarbeitslosen richtet, sondern dass es tatsächlich die Problemfälle betrifft, die wir im Freistaat Sachsen haben.

Ich bin für die Debatte, die heute geführt wurde, sehr dankbar, weil die Redebeiträge der unterschiedlichen Fraktionen auch die unterschiedliche Herangehensweise an das Problem Langzeitarbeitslosigkeit deutlich machen. Während von den Oppositionsfraktionen beklagt wurde, dass wir das Modell Bürgerarbeit nicht offiziell unterstützen, und weil von der Opposition auch beklagt wurde, dass die staatlichen Zuschüsse des Freistaates Sachsen für den Kommunal-Kombi eingestellt wurden, hat die Staatsregierung mit diesem Ideenwettbewerb bewusst ein anderes Instrument gewählt, das eben nicht wie Bürgerarbeit oder Kommunal-Kombi auf einen Lohnkostenzu

schuss an die Kommunen setzt. Das begehren Sie eben gerade. Stattdessen wollen wir eine Begleitung der arbeitssuchenden Menschen.

Das ist der ganz entscheidende Unterschied: Sie wollen Geld geben, damit jemand irgendwo für eine bestimmte Zeit beschäftigt wird; wir wollen Geld dafür ausgeben, dass die Menschen begleitet und nicht nur für eine bestimmte Zeit staatlich subventioniert beschäftigt werden, sondern dass sie nach der Begleitung in der Lage sind, langfristig auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

(Zuruf des Abg. Thomas Kind, DIE LINKE)

Das ist der grundsätzlich andere Ansatz, den wir haben.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Deswegen erscheint es auch logisch, dass wir als Staatsregierung Ihren Antrag nicht befürworten können. Sie haben es auch überhaupt nicht verstanden. Bei Ihrer Überlegung hinsichtlich unseres Vorschlages, dieses Modell, diesen Ideenwettbewerb für die Kommunen zu öffnen, gehen Sie irrig davon aus, dass es dann, wenn irgendeine Person in den Kommunen beschäftigt wäre, für die Kommunen für die Dauer der Beschäftigung einen Zuschuss gäbe. Das ist aber in diesem Programm mitnichten vorgesehen. Es soll in der Phase der Beschäftigung gerade keinen Zuschuss für denjenigen geben, der den Mitarbeiter beschäftigt, sondern es soll Geld dafür geben, die Leute fit zu machen, und es soll darum gehen, die Leute in der ersten Phase auf dem ersten Arbeitsmarkt zu begleiten.

(Karl-Friedrich Zais, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Das ist der völlig andere Politikansatz, den die Staatsregierung verfolgt. Deswegen bitte ich Sie namens der Staatsregierung, den Antrag abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zum Schlusswort der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Obwohl ich davon ausgehen kann, dass auch bei diesem Antrag nicht das Novum eintreten wird, dass Sie einem Antrag der Opposition zustimmen – das wird nicht passieren, das habe ich verstanden –, bin ich dankbar für die Debatte und für die weiteren Erkenntnisse, die im Hause gereift sind. Ich bin auch Herrn Krauß wirklich zu Dank verpflichtet, dass er sich in seinem Beitrag öffentlich für einen zweiten Arbeitsmarkt, für einen öffentlichen Beschäftigungssektor in Sachsen ausgesprochen hat.

Natürlich verbinden wir damit mehr als die Bürgerarbeit. Das möchte ich hier noch einmal ganz explizit darstellen. Wir wollen einen öffentlichen Beschäftigungssektor, der

natürlich von einem Mindestlohn und von vernünftigen und fairen Arbeitsbedingungen getragen ist. Wir orientieren uns da ganz klar an dem Berliner Modell des ÖBS, das seit mehreren Jahren sehr positiv funktioniert, wobei man jetzt auch die Bürgerarbeit mit dem Berliner ÖBS verbindet.

Zu dem Widerspruch zwischen Ideenwettbewerb und guten Beispielen hat, denke ich, die Fraktion der FDP noch Nachholbedarf in Richtung Staatsregierung. Überhaupt gibt es da in der Koalition ein bisschen Wirrwarr. Es gibt doch schon sehr viele gute Beispiele. Genau das, was hier beschrieben wird, wird doch mit dem Programm „50plus“ bereits betan. Die Träger von „50plus“ haben im Dezember in Leipzig ihre Abschlusskonferenz durchgeführt. Die Beispiele gibt es also sehr wohl. Damit wäre der Ideenwettbewerb eigentlich entbehrlich. Darüber müssen Sie selbst noch einmal nachdenken.

Wir wollen über diese Initiative die Arbeit begleiten und qualifizieren und es den Kommunen ermöglichen, in den ÖBS einzusteigen.

Dann noch einmal zu der anderen Frage: Wir haben natürlich sehr wohl verstanden, dass ein gewisser Teil der Arbeitslosen bei der guten Konjunktur in den ersten Arbeitsmarkt hineinkommt. Eine zweite Ebene ist, dass es Betroffene gibt, die eine gewisse Unterstützung brauchen. Auch dafür gibt es Instrumente. Auch das ist richtig und wird gelingen.

Jetzt müssen wir Folgendes feststellen – deswegen vorhin noch einmal die Zahlen zum Einhämmern und Einmeißeln –: Wir haben eine Gesamtbeschäftigungsquote in Sachsen von 1,93 Millionen, und wir haben 400 000

Personen – wir wollen nicht über die Zahl streiten, vielleicht sind es nur 320 000, wenn wir nur die registrierten Arbeitslosen nehmen, das ist mir völlig egal an dieser Stelle –, von denen ein erheblicher Teil in die Wirtschaftskraft Sachsens nicht integriert werden kann. Wie wollen Sie bei 1,93 Millionen Beschäftigten in Sachsen insgesamt 25 % mehr unterbringen? Das wird einfach auf Dauer nicht gelingen. Die betroffenen Langzeitarbeitslosen warten mittlerweile seit 17, 18 Jahren darauf, wieder eine Chance zu bekommen. Das wird nicht für alle funktionieren. Das müssen wir einfach zur Kenntnis nehmen.

Deshalb wird es einen gewissen Kreis von Personen geben, die über ÖBS eine Chance erhalten müssen, am gesellschaftlichen Leben wieder teilzunehmen, ihrem Leben einen Inhalt zu geben. Dafür wollen wir an dieser Stelle streiten.

Ich würde gern auf Kollegen Krauß eingehen und ihn einladen, in einer konstruktiven Diskussion im Ausschuss auch einen fraktionsübergreifenden Antrag einzubringen, wenn wir in der Sache weiterkommen.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 5/4788 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

Rechtsanspruch auf Gebärdensprachdolmetscher für gehörlose und hörgeschädigte Eltern von Kindern in Kindertagesstätten und Schulen

Drucksache 5/4524, Antrag der Fraktion der SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die einreichende Fraktion, danach folgen CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung. Ich erteile nun der SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Hörende Menschen wie Sie und ich haben ein ganz gravierendes Kommunikationsproblem: Wir können keine Gebärdensprache. Damit können wir uns mit mehreren Tausend Menschen im Freistaat nicht verständigen, weil wir ihre Sprache, nämlich die Gebärdensprache, nicht verstehen. Sie können unsere Sprache, die Lautsprache, nicht lernen. Das wird dann zum Problem, wenn Gehörlose und Hörende aufeinander treffen, was absolut wünschenswert ist. Für Gehörlose ist es so, dass es für sie auch in lebensnotwendigen oder in unvermeidbaren Zusammenhängen eine Bedeutung hat, zum Beispiel bei Arztterminen, bei Be

hördengängen, bei Bankterminen oder eben – wenn sie hörende Kinder haben – auf Elternabenden.

90 % der gehörlosen Eltern haben hörende Kinder. Diese Kinder wachsen in einer ganz speziellen Situation auf. Für ihre Eltern sind sie die Brücke in eine andere Welt, die Brücke in die Welt der Hörenden. Schon in jungen Jahren nehmen sie diese Brückenfunktion wahr. Sie fungieren für ihre Eltern als Familiendolmetscher bei der Bewältigung ihres Alltages. Es kommt zu einer Rollenumkehr, die für die Kinder und Eltern gleichermaßen anstrengend ist. Bei den Dolmetscherdiensten, die die Kinder übernehmen, werden ihnen oftmals Kompetenzen zugebilligt, die sie in ihrem Alter noch gar nicht haben können. Die Kinder bewegen sich nicht nur zwischen zwei Sprachen, sondern auch zwischen zwei Kulturen. Als Wanderer zwischen den Welten, zwischen der Welt

der Hörenden und der Welt der Gehörlosen, sind sie überlastet und überfordert.

Gehörlose Eltern sind oftmals gezwungen, ihre Kinder als Dolmetscher einzusetzen, denn Gebärdendolmetscher, sind aus gutem Grund sehr preisintensiv. Zum Beispiel kostet eine Stunde Gebärden dolmetschen 55 Euro ohne Mehrwertsteuer und ohne Fahrtkosten. Der Nachteilsausgleich für Gehörlose beträgt momentan 103 Euro im Monat. Das macht dann großzügig gerechnet einen Aufenthalt in der hörenden Welt von einer Stunde im ganzen Monat für einen Gehörlosen aus, wenn man davon ausgeht, dass sie nur diesen einen Nachteil damit ausgleichen müssten. Daher ist es auch finanziell kaum möglich, Elternabende mit einem privat gebuchten Dolmetscher zu absolvieren. Zudem ist der Nachteilsausgleich auch für den Nachteil gedacht, gehörlos zu sein und diesen auszugleichen und nicht für das Elternsein. Ein Anspruch auf Gebärdendolmetscher bei Elternabenden in Kitas und Schulen, wie ihn unsere Fraktion vorschlägt, wäre deshalb eine wichtige und notwendige Unterstützung für gehörlose Eltern.

Einige von Ihnen werden sich jetzt vielleicht fragen: Ist das nicht wieder so ein Antrag, der zwar gut gemeint ist, aber den Betroffenen gar nicht so richtig weiterhilft? Diesen Effekt haben wir bewusst vermieden. „Nichts über uns ohne uns“, so lautete das Motto der UNBehindertenrechtskonvention. Diesen Leitsatz haben wir uns zu eigen gemacht. Wir haben diesen Antrag mit Unterstützung von Vertretern aus der Gehörlosenarbeit erarbeitet. Damit haben wir eines sichergestellt:

(Beifall bei der SPD)

Ja, genau, Sie können auch ruhig in Gebärden klatschen. Der Antrag ist nicht nur gut gemeint, er ist vor allen Dingen auch gut gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Stellungnahme der Staatsregierung konnten wir erfahren, dass selbige darin „ein berechtigtes Anliegen“ sieht. Mit der Durchsetzung dieses Antrags würden wir zwei Dinge ermöglichen: Zum einen unterstützt er Eltern dabei, ihre Rolle als Erzieher wahrnehmen zu können, die sie wirklich gern übernehmen wollen. Zum anderen ermöglicht er es Kindern von Gehörlosen, eine Rolle einzunehmen, die ihrem Alter und ihrem Entwicklungsstand tatsächlich entspricht. Kind zu sein und nicht Dolmetscher ist etwas, das hörenden Kindern gehörloser Eltern nicht immer möglich ist.

Als Abgeordnete können wir dieses Problem der Rollenverschiebung für sie nicht in allen Bereichen des Lebens lösen. Aber wo wir es können, sollten wir es tun. Ich habe eingangs schon festgestellt, dass wir eine Schwäche im kommunikativen Bereich haben, weil wir keine Gebärdensprache können. Das lässt sich aber ändern. Wir können das auch lernen und ich denke, wir fangen jetzt in der Plenarsitzung gleich einmal damit an. Das erste Wort,

das wir heute lernen können, ist das Wort Ja. Das geht so, das können Sie ruhig mal mitmachen.

(Die Abg. Hanka Kliese, SPD, zeigt die entsprechende Gebärde.)

Das bedeutet „ja“, und ich bitte Sie dann auch um Ihr Ja für unseren Antrag.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Die CDUFraktion; Herr Abg. Krasselt, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion hat zum Ziel, insbesondere den gehörlosen und hörgeschädigten Eltern von Kindern in unserem Freistaat eine bessere, auf gesetzlicher Grundlage basierende Teilhabe bei Elternabenden in Kitas und Schulen durch Hinzuziehen von Gebärdendolmetschern zu gewährleisten. Dieses Ansinnen ist grundsätzlich richtig und zu befürworten.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN und der FDP)

Dies entspricht natürlich der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. Dass die Koalition dem Antrag dennoch nicht folgen kann, möchte ich jetzt im Einzelnen begründen. Im Punkt 1 Ihres Antrags wird zwar dezidiert ausgeführt, was die Gesetzesinitiative an rechtlichen Regelungen umfassen soll, aber es fehlt der Bezug zur praktischen Umsetzung. Man stelle sich vor, es gäbe ein solches Gesetz, wäre aber mit seiner Einhaltung gegenwärtig überfordert, weil die Voraussetzungen noch nicht oder nicht vorhanden sind. Der Klageweg wäre möglich, ohne dass wir heute wüssten, was auf den Freistaat zukäme. Ihr Antrag zielt bei seinem – und da wiederhole ich mich gern – grundsätzlich vernünftigen Ansatz nur auf eine einzelne Gruppe von Menschen mit Behinderung mit begrenztem Wirkungsfeld.