Protocol of the Session on February 9, 2011

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Gibt es weiteren Redebedarf? – Bitte, Herr Kind.

Unsere Fraktion wird sich dem Änderungsantrag der SPD anschließen, weil gerade durch die Konkretisierungen, die darin aufgenommen wurden, der Antrag wesentlich qualifiziert wird. Wenn sich die Koalition dazu entschließen könnte, sich diesem Änderungsantrag anzuschließen, dann könnten wir sicherlich dem Gesamtantrag auch zustimmen.

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist ja ein heißes Angebot!)

Ich denke, damit kann ich jetzt zur Abstimmung kommen. Wenn es keinen weiteren Redebedarf gibt, rufe ich jetzt den Änderungsantrag der SPD-Fraktion auf. Wer möchte die Zustimmung geben? – Die Gegenstimmen, bitte? – Die Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmen dafür ist dennoch der Änderungsantrag der SPD abgelehnt worden.

Wir kommen jetzt zum Ursprungsantrag. Es ist um punktweise Abstimmung gebeten worden. Ich rufe auf den Antrag in der Drucksache 5/4718, Punkt 1. Wer möchte die Zustimmung geben? –

(Unruhe bei der CDU und der FDP)

Das ist der Antrag von CDU- und FDP-Fraktion.

(Lachen bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Ich rufe noch einmal den Antrag auf. Es wurde um punktweise Abstimmung gebeten. Ich rufe den Punkt 1 auf. Wer gibt die Zustimmung? – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Ich sehe, hier hat es Einstimmigkeit zu Punkt 1 gegeben.

(Proteste bei der NPD)

Was hatten Sie?

(Holger Apfel, NPD: Wir waren schon dagegen!)

Sie waren dagegen. Entschuldigung, das habe ich nicht gesehen.

Bei wenigen Gegenstimmen ist der Punkt 1 angenommen worden.

Ich rufe auf Punkt 2. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmenthaltungen und Stimmen dagegen ist Punkt 2 dennoch mit Mehrheit angenommen worden.

Ich lasse jetzt noch einmal über den gesamten Antrag abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei einer ganzen Reihe von Stimmenthaltungen und wenigen Stimmen dagegen ist der Antrag mit Mehrheit angenommen worden.

Meine Damen und Herren! Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Bevor ich den Sitzungsvorstand weitergebe, möchte ich Sie noch über etwas informieren. Sie wissen, dass ich heute die Sitzungsleitung zur 2. Aktuellen Debatte hatte. Ich habe mir die Rede von Herrn Abg. Apfel noch einmal zuarbeiten lassen, um sicherzugehen, dass ein zweiter Ordnungsruf berechtigt ist. Ich möchte Sie davon informieren, was hier gesagt worden ist.

Ich zitiere aus dem Protokoll: „Wir erwarten, dass die Vorbereitungen von Krawallen unterbunden werden und dass das mit Steuergeldern finanzierte Kriminellennest beispielsweise am Bischofsplatz 6 in Dresden ausgehoben wird, die Abgeordnetenbüros von Herrn Lichdi und Frau Jähnigen. Ich sage es klar und deutlich: Für solche Leute,

die die parlamentarische Immunität als Leitwolf für den kriminellen Pöbel missbrauchen, meine Damen und Herren, so wie es Herr Dr. Hahn, Herr Lichdi und Co. tun, kann es nur heißen: Wasser marsch und Gummiknüppel frei!“

Dafür erteile ich den Ordnungsruf

(Beifall bei der CDU, der FDP, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

wegen Diskriminierung dreier Abgeordneter und Aufrufes zur Gewalt.

(Holger Apfel, NPD: Das ist ja wohl lächerlich, das ist die Umsetzung des Polizeirechts! – Christian Piwarz, CDU: Ordnungsruf! – Holger Apfel, NPD: Das haben Sie nicht zu entscheiden!)

Herr Apfel, ich werde Ihnen in eigener Sache keinen Ordnungsruf erteilen, aber eine Missbilligung aussprechen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Folgen von Haushaltskürzungen 2011/2012 abwenden – Zukunft des Antidiskriminierungsbüros Sachsen langfristig sichern

Drucksache 5/4757, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Auch hierzu gibt es eine Diskussion. Es beginnt die Fraktion DIE LINKE, danach folgen CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Bitte, Frau Abg. Klinger.

(Präsidentenwechsel)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich vor: Sie haben eine Tochter mit DownSyndrom, und diese wird nicht zum Ponyreiten zugelassen. Die Begründung: Aufgrund der Behinderung des Mädchens sei die Sicherheit nicht gewährleistet. Dieses Argument zählt allerdings nicht bei deutlich jüngeren, „gesunden“ Kindern. Stellen Sie sich vor: Sie haben vielleicht eine etwas dunklere Augenfarbe oder einen etwas dunkleren Teint – sprich: ein eben nicht ganz „typisch deutsches“ Aussehen – und werden deshalb regelmäßig von der Polizei angehalten und aufgefordert, Ihre Personalien zur Überprüfung vorzuzeigen. Stellen Sie sich vor: ein Paar, beide Ärzte, beide haben ein ähnliches Einkommen und ähnliche Sicherheiten zu bieten und wollen jeweils ein Konto eröffnen. Die Frau, die die deutsche Staatsbürgerschaft hat, kann das. Dem Mann, in dessen Pass eine andere Nationalität steht, wird dies verweigert.

Das sind Fälle von Diskriminierung, wie sie leider alltäglich in Sachsen geschehen. Diskriminierung ist jede Form

von Benachteiligung, Nichtbeachtung, Ausschluss oder Ungleichbehandlung von einzelnen Menschen oder von Gruppen aufgrund ihnen zugeschriebener oder in einem bestimmten Zusammenhang nicht relevanter Merkmale. Diskriminierung ist eine grobe Verletzung der Menschenrechte; denn die in Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Gleichwertigkeit aller Menschen wird damit unterlaufen.

Wie ich zu Beginn des Redebeitrages bereits gezeigt habe, kann Diskriminierung in der Praxis verschiedene Formen annehmen. Auch dazu möchte ich Ihnen noch einige Beispiele nennen. Diskriminierung kann zum Beispiel in Form von Unterscheidungen stattfinden, wenn wie im eingangs genannten Beispiel eher dunkelhäutige Männer systematisch Zielpersonen von polizeilichen Kontrollen werden, oder in Form des Ausschlusses, wenn beispielsweise Roma und Fahrenden keine Identitätsdokumente erstellt werden. Ein weiteres Beispiel sind Einschränkungen, wenn bestimmten Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität oder ihrer Herkunft das Blutspenden untersagt wird. Bevorzugung ist ein weiterer Fall, wenn bei der Wohnungsvergabe deutsche Staatsangehörige bevorzugt werden, oder Verweigerung von angemessener Einrichtung, wenn zum Beispiel öffentliche Gebäude nicht rollstuhlgängig sind. Diese Liste lässt sich weiter fortsetzen.

Was zeigt nun das bisher Gesagte? Zunächst einmal brauchen Betroffene Anlaufstellen, bei denen sie sich beraten lassen können; und weil sich die Diskriminierungsformen nicht in ein Schema pressen lassen, sollten diese Stellen nach einem mehrdimensionalen bzw. horizontalen Ansatz arbeiten. Das bedeutet, eine Hierarchisierung von Diskriminierungsmerkmalen bzw. von betroffenen Gruppen zu verhindern und alle gleichermaßen zu schützen; denn es ist so, dass sich im Alltag Benachteiligung und Ungleichbehandlung in den seltensten Fällen nur auf ein Diskriminierungsmerkmal zurückführen lassen. Die Diskriminierungsmerkmale – noch einmal für Sie zur Erinnerung – sind: Geschlecht, rassistische bzw. ethnische Zuschreibung, sexuelle Identität, Behinderung, Lebensalter und Religion bzw. Weltanschauung.

In Sachsen gibt es bisher nur eine einzige Einrichtung, die mit solch einem übergreifenden Ansatz arbeitet. Das ist das Antidiskriminierungsbüro Sachsen mit Sitz in Leipzig. Das ADB ist seit 2005 eine zentrale Anlaufstelle im Freistaat für alle oben genannten Diskriminierungstatbestände und damit eine Anlaufstelle für alle Menschen. Genau aus diesem Grund wird es auch als positives Beispiel im Antidiskriminierungsbericht des Bundes angeführt.

Die Arbeit nach dem horizontalen Ansatz bedarf eindeutig besonderer personeller, fachlicher und methodischer Kompetenzen der Akteure. Es ist keine Arbeit, die nebenbei zu erledigen ist, sondern nur durch professionelle Arbeit, mit einem breiten Spektrum an Wissen und in umfangreicher Vernetzung getan werden kann.

Ein weiterer Aspekt aus den eingangs genannten Beispielen ist meines Erachtens, dass Menschenrechtsverletzungen nicht in jedem Fall auch als solche gesehen bzw. erkannt werden. Deutschland ist ein Land, das leider auf eine eher diskriminierende als auf eine gleichstellungsorientierte Tradition zurückblickt. Deshalb bedarf es umfassender und professioneller Sensibilisierung, Schulung und Weiterbildung zu Themen wie Gleichbehandlung und Antidiskriminierung. Selbstverständlich ist und war das ADB auch hierbei Ansprechpartner für unterschiedliche Zielgruppen. Diese Zielgruppen reichen dabei von Schülerinnen und Schülern über Studierende, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis hin zu Multiplikator(inn)en, und auch Politik ist zum Beispiel eine Adressatin.

Letztlich geht es darum, nicht nur Betroffene und Interessierte anzusprechen, sondern eine breite Öffentlichkeit für das Thema zu schaffen. Das ADB leistet dies über Information, Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung. Beispiele sind Tagungen und Veranstaltungen, auch in Zusammenarbeit mit lokalen, regionalen und überregionalen Initiativen und Organisationen, mit Betroffenenverbänden, Bildungseinrichtungen und wissenschaftlichen Institutionen.

Daher kann es jetzt meines Erachtens nur eine einzige Schlussfolgerung geben: alles zu tun, um diese wichtige

und einzigartige Einrichtung in Sachsen solide und gesichert zu finanzieren – und das langfristig.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Über Jahre gelang es dem ADB, mit einer auf unterschiedliche Weise zusammengesetzten Mischfinanzierung eine professionelle Struktur und Arbeit aufzubauen. Nun aber, 2011, steht es vor dem Aus – offenbar nicht zuletzt deshalb, weil sich ein Finanzierer – derjenige, der eigentlich das größte Interesse haben müsste – bisher weitestgehend herausgehalten hat: Es ist das Land Sachsen. Deshalb danke ich an dieser Stelle der Stadt Leipzig und ihren Verantwortlichen, dass sie – im Gegensatz zur Staatsregierung – die Bedeutung des Antidiskriminierungsbüros erkannt und bisher einen wesentlichen Beitrag zu dessen Sicherung geleistet hat.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Da kann man auch mal klatschen. – Ich sehe das ADB nur als ein Beispiel für die kurzsichtige Haushaltspolitik auf Landesebene; denn im Freistaat scheint es zum Prinzip zu werden, erst die tatsächliche Bedeutung von Strukturen abzuwerten oder nicht zu erkennen bzw. erkennen zu wollen und dann durch Aushungern zum Sterben zu bringen und ignorant auf das Ehrenamt zu verweisen.

Exemplarisch hierfür ist auch das Thema Landesfrauenrat. Es werden vorhandene, gut arbeitende Strukturen vernachlässigt oder zerstört, um dann – wenn wir beim Beispiel Landesfrauenrat bleiben – mit nebulösen Erklärungen eine neue Struktur ins Leben zu rufen; denn, so hat Frau Clauß verkündet, am 1. Juni 2011 soll ein Gleichstellungsbeirat gegründet werden.

(Staatsministerin Christine Clauß: Das waren keine nebulösen Erklärungen!)

Ich denke allerdings, dass das Problem tiefer liegt und nicht nur – oder nicht vordergründig – finanziell begründet ist, sondern dass die Staatsregierung selbst sehr großen Nachholbedarf bei den Themen Gleichstellung und Antidiskriminierung hat. Eigentlich braucht sie selbst Weiterbildung und Kurse zum Thema.