Protocol of the Session on January 20, 2011

Hochwasser kann man nicht verhindern. Es sind Naturereignisse, mit denen wir leben müssen. Wir können lediglich dazu beitragen, dass die Auswirkungen durch gezielte Hochwasservorsorge, durch Hochwasserschutzmaßnahmen minimiert werden.

Technischer Hochwasserschutz: Die eigene Vorsorge – das, glaube ich, ist an der Stelle ganz wichtig – und auch Bauverbote in Hochwasserüberschwemmungsgebieten sind Möglichkeiten, um negative Auswirkungen zu minimieren. Weitere technische Maßnahmen sind natürlich in der Diskussion. Aber man muss auch ganz klar sagen: Einen hundertprozentigen Schutz wird es nicht geben. Wie soll denn der Schutz aussehen? Wollen wir uns an einem 500-jährigen Hochwasser orientieren? Was passiert dann, wenn wir ein tausendjähriges bekommen? Wer soll diese Maßnahmen letztlich bezahlen? Wer soll sie unterhalten und wie sollen unsere Städte aussehen? Ich stelle mir das sehr fragwürdig vor, wenn die Städte dann mit hohen Hochwasserschutzmauern umgeben sind. Das dürfte auch nicht gerade das Ziel sein.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, gerne.

Vielen Dank, Herr Meyer. – Sie sprachen gerade an, dass technischer Hochwasserschutz natürlich notwendig ist. Geben Sie mir aber recht, dass in der letzten Zeit noch recht inkonsequent damit umgegangen worden ist, in Überschwemmungsgebieten keine Neubauten zuzulassen bzw. Bebauungspläne, die noch existieren, aufzuheben?

Ich sage dazu, dass es ein sehr komplexer Zusammenhang ist. Natürlich ist technischer Hochwasserschutz nicht die einzige Maßnahme. Das sagt ja auch niemand. Nur reicht es auch nicht zu sagen: Gebt den Flüssen mehr Raum. Wir müssen an dieser Thematik arbeiten. Wenn man an das Jahr 2002 denkt – wir haben jetzt das Jahr 2011 –, ist es natürlich auch so, dass viele Maßnahmen ganz einfach von Gegnern verzögert wurden, die jetzt schon wieder vergessen haben, welche Konsequenzen eingetreten sind. Wir müssen immer wieder thematisieren, dass wir uns schützen, aber dazu auch bereit sein müssen und das letztlich nicht vor Gericht austragen, nur weil ich keine Hochwasserschutzanlage in meiner Nähe haben möchte.

Jedenfalls mit Blick auf die Frage dieser Aktuellen Debatte kann ich feststellen, dass es richtig war, die Schlussfolgerungen aus 2002 zu ziehen, und dass es auch richtig

war und ist, HQ100 als realistische Zielgröße im Hochwasserschutz in Sachsen vorzugeben.

Insgesamt wurden in den Jahren 2003 und 2005 47 Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen erarbeitet. Sie gelten für die Elbe und für die Gewässer I. Ordnung. Es war aber auch damals schon geplant, für das damalige Nichtschadensgebiet – leider im August-Hochwasser betroffene Schadensgebiete in Ostsachsen – auch Hochwasserschutzmaßnahmen vorzusehen. Ich denke, es war gut, dass man dort schon so weitsichtig gewesen ist.

Sachsenweit sind 351 Maßnahmenkomplexe mit über tausend Einzelmaßnahmen in der Planung. 72 davon sind bereits fertiggestellt, 41 im Bau und 238 befinden sich im Planungs- und Genehmigungsverfahren. Beispielsweise sind hier Hochwasserrückhaltebecken in Lauenstein an der Müglitz, im Bereich der Elbe bei Torgau, aber auch im Erzgebirge oder im Bereich von Groß Särchen zu nennen.

Es hat sich das Landeshochwasserzentrum als leistungsstarkes, effizientes und vor allem auch in kritischen Zeiten belastbares Instrumentarium für einen besseren Hochwasserschutz bewährt. Ich möchte an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank und meine Wertschätzung den Mitarbeitern gegenüber äußern, die sehr professionell in Gefahrenzeiten die Behörden und die Öffentlichkeit immer informieren und auch nicht überhitzt reagieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es ist auch gelungen, den Vorhersagezeitraum seit 2002 von 24 auf 60 Stunden zu erhöhen – 60 Stunden Zeit für Bürger und Kommunen, sich auf Gefahren vorzubereiten.

Die Gemeinden erarbeiten derzeit ihre Wasserwehrsatzungen und Alarm- und Einsatzpläne. Teilweise war es den Kommunen gar nicht bewusst, dass sie nach § 102 Sächsisches Wassergesetz dafür verantwortlich sind. Dabei werden sie von den Landkreisen und natürlich auch von der Staatsregierung unterstützt. Es kann im Hochwasserfall jeder Bürger und jeder Bedienstete der Verwaltung verpflichtet werden, auch mitzuarbeiten.

Die Hochwassermeldewege müssen den Kommunen noch einmal deutlich erklärt werden. Da gab es sicherlich teilweise Probleme.

Was die Schadensbeseitigung angeht, kann ich aus meinem Landkreis Görlitz berichten, dass dort eine Stabsstelle „Flut“ eingerichtet wurde, mit einer Mitarbeiterin der Landesdirektion unterstützt, um die Maßnahmen zu koordinieren und Prioritäten festzulegen. Ich denke, am Netz der Hochwassermeldepunkte ist noch zu arbeiten. Im Bereich der Grenzkommunen hat sich herausgestellt, dass die zwischenstaatlichen Meldewege zu verbessern sind und dass es darauf ankommen muss, dass die Kommunen miteinander sprechen.

Ich meine, die eigenen Vorsorge- und Hochwasserversicherungen – 98,3 % der Sachsen erhalten unkomplizierte Versicherungen – sind sehr wichtige Elemente, um auch künftig die Hochwasserschutzsituation im Griff zu behal

ten, soweit uns das gelingt. Wie gesagt, es sind Naturereignisse. Das erst einmal an dieser Stelle.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das war für die Fraktion der CDU Herr Kollege Meyer. Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Frau Kollegin Pinka.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Beim ersten Überdenken der Thematik „Hochwasserschutz – aus Erfahrung gelernt“ ist mir natürlich aufgefallen, dass weder die Staatsregierung noch die Oppositionsparteien an den ungewöhnlichen Schneehöhen der letzten Monate beteiligt waren und dass sie offensichtlich keinen Draht nach oben haben, um die Situation zu beeinflussen. Solche extremen Tauwetterereignisse können nun einmal stattfinden. Von daher sind Sie an diesem Zustand unbeteiligt, dass diese Tauwetterereignisse jetzt dazu führen, dass viel Wasser die Elbe hinunterfließen muss. Das ist, glaube ich, auch eine Binsenweisheit. Allerdings sind das Naturgesetze und nur diese sind alternativlos.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Beim zweiten Überdenken zum Thema „Hochwasserschutz“ muss ich wie meine Vorredner konstatieren, dass die Informations- und Kommunikationsdefizite, die wir zum letzten Hochwasser angemahnt hatten, deutlich verringert wurden. Es gab ein paar kleine Ausfälle auf dem Surfer der Landeshochwasserzentrale, aber diese sind beim nächsten Mal sicher abzustellen.

Zudem habe ich natürlich auch festgestellt, dass Herr Kupfer – wenn für mich auch etwas spät – nach Prag gereist ist, um mit seinem tschechischen Kollegen Gespräche aufzunehmen, wie man Frühwarnsysteme verbessern kann, und dass er gemeinsam mit ihm vielleicht nach Polen reisen wird, um auch dort noch einmal auf den Kollegen zuzugehen, um die Frühwarnsysteme zu verbessern. Das, erkenne ich an, ist hochlöblich. Auch die Technischen Hilfswerke, die Feuerwehren, andere Helfer, Deichläufer usw. haben wieder eine hervorragende Einsatzbereitschaft gezeigt. Ich möchte an dieser Stelle denjenigen Menschen danken, die hier eingesetzt waren.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Beim dritten und doch etwas tieferen Nachdenken zur Debatte fällt mir natürlich alles wieder ein, was wir schon in den letzten Monaten besprochen haben und was mit der aktuellen Hochwassersituation nicht unmittelbar zusammenhängt. Das sind Dinge, die wir zum Thema Hochwasserschutz debattiert haben, Veränderungen, die die Staatsregierung vorgenommen hat oder auch nicht, die vielleicht noch einmal angesprochen werden sollten.

Das sind zum Beispiel Themen, die die Landesumweltgesetzgebung betreffen, zum Beispiel ein nicht umgesetzter § 99a aus dem Wassergesetz, aus dem Teil Besondere Bestimmungen für den Hochwasserschutz, in dem zum

Beispiel Grundsätze und Ziele einer landesweiten Hochwasserschutzplanung formuliert werden sollten. Aber ich bin guter Hoffnung, dass wir uns irgendwann einmal dem EU-Recht widmen werden und eine Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie umgesetzt wird.

Bis dahin sollten wir uns einer weiteren ganzheitlichen Gewässerdenkweise widmen. Dazu liegt Ihnen ein Antrag – gemeinsam mit SPD und GRÜNEN – vor: „Hochwasservorsorge und Hochwasserschutz an Gewässern II. Ordnung verbessern“ – ein Vorschlag, wie wir Hochwasserschutz von der Quelle, also vom Entstehungsgebiet des Hochwassers, bis zum Gewässer I. Ordnung „denken“. Dies entspricht auch der Denkweise in der Europäischen Union, die nicht nach Zuständigkeiten einteilt, sondern nach Wasserqualitäten und Wasserquantitäten.

Nebenbei gesagt, haben wir uns im letzten Jahr den Vorkaufsrechten im Sächsischen Wassergesetz gewidmet. Wir haben sie abgeschafft. Das war meines Erachtens ein großer Fehler, weil gerade in der Umsetzung der Hochwasserschutzkonzeption an Gewässern II. Ordnung eben jetzt die Gemeinden keinen ersten Zugriff mehr auf vielleicht gewünschte Grundstücke haben.

Frau Friedel sprach es schon an, und auch wir haben uns dem Thema der Versicherung gegen Elementarschäden gewidmet. Der „Gipfel“ im Herbst hat ja erbracht, dass 17 000 Wohngebäude in Sachsen nicht gegen Hochwasserschäden versicherbar sind. Dann warnte Herr Ulbig kurz vor Weihnachten die Bürger dieses Landes, dass sie Versicherungsprämien einsparen wollen und zukünftig nicht mehr oder nur noch in Ausnahmefällen die Bürger als Hochwasseropfer Geld vom Freistaat erhalten werden. Da, meine ich, widmen wir uns zwar den betroffenen Bürgern und fordern die Kommunen auf, Eigenvorsorge zu machen, aber der Freistaat macht das für sich auch nicht; denn wir sind auch nicht gegen Hochwasserschäden versichert. Daher ist es aktuell, dass wir uns einmal einem Gesamtkonzept widmen, wie wir finanzielle Folgen von Naturereignissen regeln wollen.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Die GRÜNEN haben Ihnen ja dazu einen Vorschlag während der Haushaltsdebatte gemacht, dem Sie leider mehrheitlich nicht folgen konnten.

Zum Schluss möchte ich noch einmal auf den Haushalt generell eingehen. Hier haben wir den Kommunen relativ wenige Spielräume für Investitionen gegeben. Gestern hatten wir schon das Thema Straßenbau oder Schulhausbau. Da können Sie sich vorstellen, was überhaupt noch an Geld übrig bleibt, um in Hochwasserschutz zu investieren, ganz zu schweigen von der Beräumung von Gräben oder dem Unterhalt und den Pflegemaßnahmen an Gewässern II. Ordnung, die in der Obliegenheit der Gemeinde sind. Da bleibt das natürlich ewig aktuell.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Frau Kollegin Dr. Pinka von der Fraktion DIE LINKE. Für die FDP spricht jetzt Kollege Günther.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, denn kaum steigt der Pegel der Elbe, ändert die SPD sofort ihr aktuelles Debattenthema.

(Stefan Brangs, SPD: Das ja auch eine Aktuelle Debatte!)

So schlimm waren selbst wir in der Opposition nicht.

Meine Damen und Herren! Spätestens seit 2002 hat sich bei uns in Sachsen auch der Wortschatz geändert. Seit 2002 sagt niemand mehr bei uns die Floskel: „Das interessiert mich wie eine Wasserstandsmeldung.“ Diese Problematik und diese Floskel sind bei uns Sachsen seit dieser Zeit aus dem Wortschatz herausgefallen, und seitdem arbeitet die Staatsregierung konsequent am Hochwasserschutz.

Wir sind ein Stück vorangekommen. Das, was möglich war, konnte gemacht werden. Wunder vollbringen kann niemand. Wir arbeiten am Ausbau der Pegel. Wir sind an der Sicherung der Deiche dran. Wenn wir von den Deichen reden, müssen wir natürlich auch davon reden, dass wir dort die Bäume, die die Standsicherheit der Deiche gefährden, fällen müssen. Wir arbeiten am Neubau von Rückhaltebecken. Aber das, was wir an unseren Vorfahren am Thema vorbeigearbeitet haben, können wir jetzt in kurzer Zeit nicht ändern. Was wir brauchen, ist ein Umdenken der Menschen.

(Martin Dulig, SPD: Und Steuersenkung!)

Auch das. Pegelsenkung und Steuersenkung.

Die einzelnen Bürger müssen sich beim Thema Hochwasserschutz umstellen. Ich bringe einmal ein praktisches und ganz aktuelles Beispiel, wie eine Stadt plant, den Fluss, der durch sie fließt, zu schützen. Die Landestalsperrenverwaltung stellt einen Plan auf, doch die Bürger erkennen nicht, dass er dem Schutz ihrer Stadt dient. Dann plant die Landestalsperrenverwaltung mit allen Maßnahmen ungefähr einen HQ100-Schutz, aber die eigene Stadt plant für die Zuflüsse HQ25. Dann funktioniert das nicht, und wir können als Freistaat tun und lassen, was wir wollen, aber wir bekommen es nicht hin, wenn nicht alle gemeinsam mitziehen. Wir müssen versuchen, den Menschen zu erklären, dass Hochwasserschutz auch Einschränkungen ihrer persönlichen Freiheit bedeuten kann.

(Zuruf von der NPD: Das ist ein ganz neuer Zug!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Sie sprachen gerade an, dass zwischen HQ25 und HQ100 bei Gewässern I. Ordnung eine Differenz besteht und dass dieses Wasser

dann trotzdem diesem Gewässer zufließt. Meine Frage ist: Geben Sie mir recht, dass mit dem Doppelhaushalt nicht ausreichend Geld für diese Planungsmaßnahmen zur Verfügung steht, die jetzt in den Kommunen vorliegen, auch wenn sie nur HQ25-Hochwasser betreffen?

Da gebe ich Ihnen nicht recht, denn wenn eine Kommune HQ25-Schutzmaßnahmen zu finanzieren plant, dann wäre dieses Fördergeld, das wir reingeben, umsonst, weil es am Ziel vollkommen vorbeiführt. Bei dieser Stadt – ich kenne sie genau – mangelt es nicht an den Finanzen, sondern am Selber-Mitdenken. An den Finanzen wäre komplett falsch.