Dann noch auf Nordrhein-Westfalen abzuheben macht überhaupt keinen Sinn. Im Landtag Nordrhein-Westfalen – ich habe es mir gerade noch einmal angesehen, weil ich überrascht war darüber, aber es ist tatsächlich so – war es im Jahr 2005 ein einstimmiger Beschluss des Landtages. Wahrscheinlich sind die ganzen FDPler zu dieser Zeit krank gewesen
oder haben sich draußen im Vorhof getroffen und haben über andere Themen debattiert. Also, auch daran war die FDP beteiligt.
Jetzt lassen wir doch mal das mit diesen Mythen und den Spenden. Das hängt mir in der Tat wirklich zum Hals heraus. Ich kenne eine Reihe von Abgeordneten – unabhängig davon, ob sie eine Diätenerhöhung hatten oder nicht –, die seit Jahren für karitative Zwecke spenden, unabhängig von der Frage, ob wir die Diäten erhöhen.
Dazu, dass die FDP erzählt, sie hätte die letzte Diätenerhöhung gespendet, würde ich sagen: Da ist konsequenterweise ein Bruch drin. Sie müssen nicht die letzte Diätenerhöhung spenden, sondern die Hälfte Ihrer Grunddiät; denn Sie sind ja Halbtagsparlamentarier.
Zwei, drei Dinge sind in diesem Zusammenhang schwierig zu vermitteln: Das ist der Zeitpunkt und der Kontext, in dem wir über ein solches Gesetz reden. Das sind in der Tat die inhaltlichen Änderungen und das ist der Umgang mit dem Gesetzentwurf. Im Moment haben wir eine Debatte in diesem Land – damit meine ich nicht den Freistaat, sondern die Bundesrepublik Deutschland –, in der es darum geht, die Frage der Rente der zukünftigen Generationen in den Mittelpunkt der Betrachtungen zu stellen. Es ist darüber zu diskutieren, wie man zukünftig Renten sicher gestalten kann, damit Menschen nicht von Altersarmut betroffen sind. Es ist darüber zu diskutieren, ob wir das Rentenalter anheben. Das ist eine Debatte, die viele Menschen umtreibt.
Parallel dazu wird immer wieder davon gesprochen, dass wir alle den Gürtel enger schnallen müssen, aber – wenn man es sich genau anschaut – in den letzten Jahren sind durch unterschiedliche Entscheidungen im Wesentlichen
die Arbeitnehmer belastet worden, Hotelbesitzer dank der Halbtagsparlamentarier und ebenso Unternehmen entlastet worden.
Jetzt haben wir in Sachsen die Situation – ich komme zum Freistaat –, dass wir in den kommenden beiden Tagen über einen Kürzungshaushalt debattieren werden, der den sozialen Kahlschlag in Höhe von circa 1 Milliarde Euro pro Jahr praktiziert. Das sind 25 Millionen Euro Kürzungen im Bereich der Sozial- und Jugendhilfe, 4 Millionen Euro im Bereich des Kulturraums, 38 Millionen Euro für das Kürzen am Vorschuljahr und es sind 8,5 % Kürzungen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs. Über all das werden wir diskutieren. Genau in dieser Situation diskutieren wir über die Änderung eines Abgeordnetengesetzes.
Dazu sage ich Ihnen: Ich verstehe die Menschen im Land, wenn sie fragen: Auf welchem Planeten leben die eigentlich? Deshalb sage ich, den Kontext, den Sie selbst gewählt haben, nämlich die Art und Weise – darin muss ich Kollegen Tischendorf recht geben –, wie dieser Gesetzentwurf durch das Plenum gepeitscht worden ist, haben Sie zu verantworten. Dass damit immer mehr Kritiker auf den Plan gerufen werden, ist eine Frage der Regie. Die Regie war alles andere als brillant.
Wir haben eine Reihe von Briefen bekommen. Ein Teil dieser Briefe richtete sich an alle Abgeordneten. Darin haben Menschen beschrieben, wie sie im Moment leben und von welchen Renten sie zukünftig leben werden und müssen und welche Lohnsituation sie haben.
Deshalb komme ich zum Thema des Inhaltes. Es geht also um die Diäten. Lateinisch heißt das „Tageslohn“. Das heißt, das ist der Tageslohn, den wir erhalten. Es geht darum, wie man einen Vergleich zu den Menschen im Land herstellt. Ich bleibe dabei, dass es allemal richtiger ist, dass wir eine Berufsgruppe, die wir in der letzten Legislatur gemeinsam mit der CDU gefunden und bei der wir gemeinsam gesagt haben, dass das eine vergleichbare Berufsgruppe ist – nämlich die Landesrichter in R2 –, als Vergleichsmaßstab nehmen.
Jeder in diesem Land weiß dann, was ein Abgeordneter bekommt. Wenn es Erhöhungen im Bereich der Richter gibt, weiß jeder in diesem Land, dass es diese dann auch für die Abgeordneten gibt. Das ist ein vollkommen transparentes Verfahren.
Der Bund macht es übrigens genauso. Der Bund vergleicht sich mit Bundesrichtern. Ich denke, dass diese Kopplung an Beamtinnen und Beamte richtig ist und 2008 richtigerweise beschlossen wurde.
Jetzt zu der Geschichte, die vom Kollegen Piwarz erzählt wird, er wäre so erschüttert über das Verhalten der SPD,
die 2009 einer tariflich vereinbarten Steigerung, die Auswirkungen auf die R2 hat, nicht zugestimmt hat.
(Christian Piwarz, CDU: Dem Beschluss der Erhöhung, Herr Kollege Brangs! – Robert Clemen, CDU: Eure eigenen Beschlüsse!)
Dazu sage ich Ihnen, Kollege Piwarz: Das ist ein Gebot der Stunde. Wenn man in der damaligen Situation von einer weltweiten Krise gesprochen hat, wenn dieses Land aus den Fugen geraten ist und wenn wir dann nicht einmal in der Lage sind zu entscheiden, dass uns eine zustehende Erhöhung in dem Falle nicht so wichtig ist, und wenn wir sagen, wir lehnen diese Erhöhung ab, dann war das politisch richtig, sinnvoll und – ich sage es noch einmal – das Gebot der Stunde.
Vielen Dank. – Kollege Brangs, ich möchte noch einmal verdeutlichen: Ich hatte mich auf die beschlossene Diätenerhöhung zum 01.01. dieses Jahres bezogen. Ich will Sie fragen: Wenn Sie wirklich bei dem Richtergehalt R2, was Sie jetzt noch einmal verteidigt haben, geblieben wären, wären Sie bereit gewesen, dann eine Diätenerhöhung – die sich aus der Diätenerhöhung zum 01.01.2010 und der Diätenerhöhung zum 01.03.2010 ergäbe; in Summe reden wir dann von circa 800 Euro – nachzuholen, zu welchem Zeitpunkt auch immer?
An dieser Stelle sind wir souverän, das habe ich ja gesagt. Das ist eine politische und keine fiskalische Entscheidung. Es ist auch eine fiskalische, aber vor allem eine politische Entscheidung des Landtages. Wir haben dann entschieden, dass wir darauf verzichten, weil es nicht in die Landschaft gepasst hat. Genau das habe ich gesagt.
Insofern hätten Sie sich die Frage selbst beantworten können. Den Automatismus, den Sie glauben da hineinlegen zu müssen, gibt es nicht. Im Übrigen ist Politik nie alternativlos. Derjenige, der sagt, Politik sei alternativlos, kann am besten nach Hause gehen. Wir haben immer Möglichkeiten, uns auch anders zu entscheiden. In diesem Fall haben wir uns anders entschieden.
Ich denke, dass wir mit solchen Entscheidungen eher Transparenz schaffen, denn es hat dazu im Landtag eine Debatte gegeben. Es hat dazu eine Vorlage gegeben, über die debattiert worden ist. Die Leute wussten, auf welcher Grundlage wir das tun.
Jetzt komme ich zu dem Punkt, von dem ich glaube, dass er zukünftig nicht mehr der Fall sein wird. Diese Indexierung, die Sie vorschlagen, will scheinbar eine gerechte Diätenregelung. Scheinbar! Aber die Faktoren, die Sie zu Hilfe nehmen, führen nicht zu Gerechtigkeit, sondern zu Unverständnis. Diese Faktoren haben mit der Realität der Menschen in Sachsen überhaupt nichts zu tun.
Das „Hä“ will ich gleich aufklären, Kollege, damit das für Sie einen Lerneffekt hat. Wir haben 500 000 ALG-IIEmpfänger in Sachsen. Das sind rund 12 %. Wir haben 1,2 Millionen Rentner. Das sind 30 % und nicht 5 %, wie Sie es angeben.
Das Bruttoinlandsprodukt ist eine Messgröße für die gesamten wirtschaftlichen Aktivitäten, aber nicht Maßstab für Einkommen von privaten Haushalten. Für diejenigen, die das nicht glauben, aber zumindest denen Glauben schenken, die unser Sachsen-Verbindungsbüro in Brüssel organisieren, zitiere ich aus einer Pressemitteilung des Sachsenverbindungsbüros vom 5. März 2010: „Das BIP und damit auch das BIP pro Einwohner sind Messgrößen für die gesamtwirtschaftliche Aktivität einer Region. Sie kann deshalb für den Vergleich des wirtschaftlichen Entwicklungsgrades von Regionen verwandt werden.“ Jetzt kommt es: „Das BIP ist aber keine Messgröße, die für das Einkommen des privaten Haushaltes einer Region letztlich zur Verfügung steht.“
(Christian Piwarz, CDU: Das behaupten wir doch gar nicht! – Torsten Herbst, FDP: Wer erzählt denn das?!)
Genau darauf haben mehrere Sachverständige in der Anhörung – ich weiß, dagegen sind Sie resistent – hingewiesen.
Im Wesentlichen geht es darum, dass wir deshalb eine gesetzliche Regelung diskutieren, weil unterschiedliche Interessenlagen abgewogen wurden. Diese waren fraktionsübergreifend. Darin gebe ich Ihnen recht. Aber das hat etwas mit der Ehrlichkeit zu tun: Es gab eine Anzahl von Abgeordneten in diesem Haus, die diesen Kuhhandel nicht akzeptiert und toleriert haben. Sie haben ihn deshalb nicht toleriert, weil wir die Chance verpasst haben, gemeinsam über einen wirklich großen Wurf der Neuregelung des Sächsischen Abgeordnetengesetzes zu reden. Dieser Wurf kann nur dann gelingen, wenn man darüber nachdenkt, wie man Abgeordnete zukünftig stellt. Ich bin dafür, dass man künftig vollständig zu versteuernde Abgeordnetenbezüge einführt und
eine Gesamtsumme hat. Diese Gesamtsumme ohne Zulagen und Pauschalen, mit eigenfinanzierter Altersversorgung ist der einzig richtige Weg.
(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU – Robert Clemen, CDU: Ich denke, das Richtergehalt. Was wollt ihr denn eigentlich?!)
Das ist der einzig richtige Weg. Wir hätten eine Chance gehabt, fraktionsübergreifend ein Modell zu finden, das die Akzeptanz in der Bevölkerung gefunden hätte.
Das jetzt gewählte Verfahren hat darauf gesetzt, im Schnelldurchlauf ein Abgeordnetengesetz vorzutragen. Es ist eine Chance vertan worden. Übrig bleibt, dass sich die kleine FDP jetzt windet – als Halbtagsparlamentarier mal so und mal so. Wahrscheinlich ist es ein weiterer Spruch, der uns entgegenkommt, dass man mehr Netto vom Brutto haben möchte. Das war ja auch einer Ihrer tollen Sprüche.
Wir sind der Auffassung, dass wir so mit dem Thema nicht umgehen können und dass wir an dieser Stelle einen anderen Weg hätten wählen sollen. Deshalb werden wir den Gesetzentwurf ablehnen.
Vielen Dank, Herr Brangs. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Dr. Gerstenberg. Bitte, Sie haben das Wort.