Auch eine vor wenigen Wochen in der Außenstelle des kommunalen Sozialverbandes in Chemnitz abgehaltene Diskussionsrunde hat sich diesem Thema gewidmet. Insbesondere die Arbeitsagenturen als wichtige Glieder in dieser Kette haben hier ihre Unterstützung zugesagt.
Es muss uns mehr als bisher gelingen, gute Beispiele zu publizieren, um Arbeitgeber zu interessieren. Allein der Fachkräftemangel, der sich schon jetzt in Sachsen auswirkt, wird in Zukunft zunehmen, und wir können es uns überhaupt nicht leisten – schon aus ökonomischer Sicht –, auf das Potenzial behinderter Menschen zu verzichten. Die Hauptsorge kleiner Betriebe ist – das höre ich immer wieder –, dass sie bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten behinderte Menschen weiter beschäftigen müssen. Ich denke, hier besteht die Notwendigkeit, weiter aufzuklären.
Ein weiteres wichtiges Feld – Sie haben es angesprochen – ist die selbstbestimmte Teilhabe an Bildung als Voraussetzung für ein erfolgreiches Berufsleben. Selbstverständlich haben Menschen mit Behinderung vom Kleinkind bis zum Erwachsenen das Recht, entsprechend ihren Möglichkeiten die Bildungsangebote Sachsens zu nutzen. Aber es tun sich häufig Hürden auf, die die Betroffenen nicht übersteigen können. Bildlich gesprochen geht es nicht darum, sie über diese Hürden zu heben, sondern diese wegzuräumen, damit sie selbstbestimmt ihren Weg gehen können.
Bezüglich der frühkindlichen Bildung gibt es seitens unserer Fraktion ein Prüfungsbegehren an das sächsische Kultusministerium, um den aktuellen Stand festzustellen und die weitere Vorgehensweise zu bestimmen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle ein weiteres Beispiel anführen. Schon vor dem Jahr 2005 ist dieses Thema in unserer Stadt aktuell auf der Tagesordnung gewesen. Damals kannten wir den Begriff „Inklusion“ überhaupt
noch nicht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Tageseinrichtungen haben sich aus eigenem Antrieb weitergebildet, und Inklusion wird schon seit über fünf Jahren gelebt. In den Schulen ist die Teilhabe in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet worden, ohne dass wir schon zufrieden sein können.
Alle in den letzten Jahren in meinem Wahlkreis sanierten Schulen sind barrierefrei gestaltet worden. Lassen Sie mich an dieser Stelle aber noch einmal ein deutliches Votum für unsere Förder- und Sonderschulen sprechen. Ich denke, sie leisten eine hervorragende Arbeit. Sie für Teilhabemängel anzusprechen ist nicht sachgerecht.
Ich bin überzeugt, dass wir diese Schulen bei der Verwirklichung der Inklusion haben müssen, denn ohne sie würde es gar nicht gehen.
Einen nicht zu unterschätzenden Beitrag bei der Teilhabe an allgemeinbildenden Schulen haben die freien Schulen. Das ist in den letzten Wochen besonders deutlich geworden. Ich persönlich bin sehr froh, dass es gelungen ist, die Finanzierung der freien Schulen auf das Maß zu bringen, wie wir es jetzt vorgeschlagen haben, damit diese Schulen ihre Arbeit fortsetzen können.
Fortgesetzt wird die Bildung für Menschen mit Behinderung aber auch an den Universitäten, in der Berufsausbildung und in der Erwachsenenqualifizierung. Es stehen verschiedene Fördermöglichkeiten zur Verfügung. Auch hier gilt das Gesagte: Es sind Hürden niederzureißen oder zu verkleinern. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten.
Ich habe häufig den Begriff „Menschen mit Behinderung“ gewählt. Sie alle wissen natürlich, dass Behinderung in sehr unterschiedlichen Formen zum Ausdruck kommt. Schon deshalb ist die Verwirklichung selbstbewusster Teilhabe nicht einfach umsetzbar, sondern auf sehr differenzierten Wegen und nur mit viel Engagement zu erreichen. Hier ist – da stimme ich Ihnen zu – noch mehr nötig, als wir bisher erreicht haben. Allein mit politischen Debatten – so notwendig diese sind – erreichen wir das nicht, denn hier brauchen wir das Engagement jeder Bürgerin und jedes Bürgers unseres Freistaates.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist sehr zu begrüßen, wenn die Staatsregierung als Aufgabe festschreibt: Grundsätzlich ist für die Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte der Menschen mit Behinderungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene der legislative und sonstige Handlungsbedarf zu ermitteln.
Das erscheint auch schlüssig, wenn die Staatsregierung dem Zweck der UN-Konvention entsprechen will, nämlich den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.
Doch ich habe so meine Bedenken, wenn sich die Staatsregierung an anderer Stelle zurücknimmt und erklärt: „Eine Überprüfung sämtlicher Gesetze und Verordnungen darauf, ob sie im Einklang mit dem Übereinkommen stehen, ist jedoch aus Kapazitätsgründen nicht möglich.“
Meine Damen und Herren! Ich finde, es ist nicht das Entscheidende, sämtliche Gesetze und Verordnungen auf ihre Vereinbarkeit mit der UN-Konvention zu überprüfen, sondern es kommt vielmehr darauf an, die konkreten Lebensverhältnisse zu überprüfen und hierbei die Situationen zu beseitigen – also nicht nur festzustellen, sondern auch zu beseitigen –, die die Sicherung der Teilhabe und der selbstbestimmten Lebensführung aller unmöglich machen. Natürlich ist in solchen Sachverhalten zu hinterfragen, ob die Ausgestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen hier und da ausreichend oder unzureichend ist.
Ich stimme im Grunde genommen auch mit denjenigen überein – wir haben das in diesem Haus schon gehört –, die sagen: Verhaltensweisen, gutes Benehmen, Fragen des Anstandes und des höflichen Umganges untereinander lassen sich nicht allein durch Gesetze bestimmen – auch nicht die der gegenseitigen Rücksichtnahme. Hier sind Erziehung und Bildung, Kunst und Kultur maßgeblich. Aber, meine Damen und Herren, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind es auch, damit die eben genannten Faktoren überhaupt zur Entfaltung kommen können, damit Leben in der Gesellschaft möglich wird, und zwar für alle Mitglieder der Gesellschaft.
Hierfür tragen für die Legislative im Freistaat Sachsen der Landtag bis hin zum Gemeinderat und für die Exekutive die Staatsregierung bis hin zur Gemeindeverwaltung besondere Verantwortung, auch die Vertreter aus der Wirtschaft, dem Handel und der Gastronomie, aber auch die Parteien. Nicht nur meine hat hierbei Reserven, sondern es sind auch andere Parteien, die Veranstaltungen durchführen und oftmals nicht die Fragen der Barrierefreiheit im Blick haben, meine Damen und Herren. Also, wenn wir darüber sprechen, seien wir alle zu uns selbstkritisch genug. Ich meine, auch die Verbände und Selbsthilfegruppen haben Verantwortung, indem sie sich sachgerecht in die öffentliche Diskussion einbringen.
Nun können wir wirklich nicht behaupten, meine Damen und Herren, wir hätten gar keine Regelungen, die auf die Sicherung der Teilhabe und selbstbestimmten Lebensführung abstellten. Ich denke an das Grundgesetz, die Formulierung in Artikel 3, das Sozialgesetzbuch in seiner Komplexität – ob nun SGB I, IX oder VI oder wie sie alle heißen –, das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes oder das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, die Baugesetze, die Verordnungen, die DIN und, und,
Und doch, meine Damen und Herren: Wir sind nicht zufrieden. Es reicht eben nicht, nur auf die Gesetze hinzuweisen, sondern es muss sich auch um die Einhaltung dieser Gesetze gekümmert werden. Das scheint mir überhaupt das Problem zu sein. Oder aber es muss geklärt werden, warum es Schwierigkeiten bei der Anwendung dieser Gesetze gibt.
Herr Krasselt hat hier zu Recht auf umfangreiche Leistungen hingewiesen. Gerade die Werkstatt für behinderte Menschen ist für mich natürlich keine schlechte Leistung, aber die WfB tragen nicht unbedingt dazu bei, dass Inklusion tatsächlich gelebt werden kann. Das sollten wir nicht aus den Augen verlieren. Mir wäre es lieber, wenn Menschen mit Behinderungen tatsächlich mit anderen in der Wirtschaft mitarbeiten könnten und diejenigen ohne Behinderung keine Probleme in sogenannten geschützten Bereichen oder im täglichen Umgang haben würden. Hier machen wir uns meines Erachtens sehr viel vor.
Herr Krasselt, was die Allianz betrifft: Am 3. Dezember 2009 ist dazu aufgerufen worden. Sie sagen, jetzt, am 3. Dezember 2010, solle über erste Ergebnisse berichtet werden. Nach meiner Erfahrung kann über Ergebnisse noch nicht berichtet werden – es sei denn, es ist ein Ergebnis, dass sich die Allianz am 03.12. nun auch gründet.
An dieser Stelle habe ich ein Problem. Die Allianz heißt „Allianz zur Beschäftigungsförderung“. Sie haben die Agentur für Arbeit angesprochen. Wir hatten über all die Jahre schon so viele Förderinstrumentarien, und trotzdem ist es nicht gelungen, den Bestand an arbeitslosen schwerbehinderten Arbeitnehmern erheblich abzubauen. Vor einem halben Jahr haben wir das hier besprochen. Wir brauchen nicht unbedingt noch mehr neue Gremien oder einfach nur Informationsveranstaltungen. Wir brauchen konkrete Lösungen, gemeinsam mit dem Unternehmerverband und den Verbänden zur Beschäftigung.
Sie sagen, es bestünde die Sorge, Angst oder was auch immer, dass, wenn der Betrieb nicht mehr so gut läuft, er sich dann nicht von den Schwerbehinderten trennen könne. Abgesehen davon, dass ich das ohnehin schon für sehr bedenklich halte, sage ich Ihnen: Diese Fragen sind geklärt, auch in jüngster Vergangenheit. Das haben wir auch während der Veranstaltung gehört, bei der wir beide gemeinsam waren.
Zum Thema Sonderschulen. Wenn wir von inklusiver Schulbildung reden, dann sage ich: Ja, unbedingt! Verkennen Sie aber bitte nicht, dass die Regelungen, die wir in der Bundesrepublik Deutschland haben, eigentlich gar nicht von Inklusion sprechen. Auch der Bundestag hat das so nicht verabschiedet. Er spricht immer noch vom integrativen Teil.
Es sind die Behindertenverbände, es sind wir als LINKE – mittlerweile sind es einige andere mehr –, die tatsächlich die Inklusion einfordern, und das zu Recht. Einfach nur
den Status von Sonderschulen zu rechtfertigen reicht meines Erachtens nicht aus. Ich bin der Meinung, Sonderschulen sollten einen anderen Charakter haben. Warum können sich nicht die Sonderschulen auch für nicht behinderte Menschen öffnen, sodass man dort gemeinsam am Unterricht teilnehmen kann? Ich denke, hier gibt es noch viele Möglichkeiten, bei denen man gar nicht so sehr mit Rechtfertigungsnöten zu tun hat.
Meine Damen und Herren! Ich halte es nicht für hinnehmbar und für völlig deplatziert, wenn die Staatsregierung vorträgt, dass sie eine Überprüfung sämtlicher geltender Gesetze und Verordnungen darauf, ob sie im Einklang mit dem Übereinkommen stehen – ich hatte es gesagt –, für unmöglich hält. Hier, meine ich, verstecken Sie sich hinter einer Schutzbehauptung. Sie leisten vorab eine Rechtfertigung dafür, ebendiese Aufgabe gar nicht erst in Angriff nehmen zu müssen.
Ich erinnere daran, dass Sie ohnehin noch einige Aufgaben im Freistaat Sachsen zu erledigen haben. Ich darf zum Beispiel an die Vorhaben aus der 3. Legislaturperiode erinnern, als Sie, meine Damen und Herren von der regierungstragenden Fraktion der CDU – damals waren Sie ja noch allein –, der Bevölkerung die Vereinfachung von Rechtsvorschriften und eine Entbürokratisierung in diesem Bereich versprochen haben. Erledigen Sie diese Aufgabe, dann leisten Sie auch hier einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Teilhabe, meine Damen und Herren!
Teilhabe geht nicht ohne Barrierefreiheit. Denken Sie bitte an die Vorschriften, die wir in der Sächsischen Bauordnung haben. Der Entschließungsantrag geht insoweit auch darauf ein. Ich kann überhaupt nicht verstehen, dass, wenn Gebäude – und zwar öffentliche Gebäude! – in der jüngsten Vergangenheit gebaut oder saniert wurden, diese nicht barrierefrei sind.
Denken Sie beispielsweise an das Theater in Zittau. Dort gehen Sie nicht sachgerecht mit den ausgereichten Fördermitteln um; denn Barrierefreiheit herzustellen ist eine maßgebliche Bedingung. Hier brauchen Sie, meine Damen und Herren, einfach mehr Glaubwürdigkeit, und das sollten Sie ernster nehmen.
Oder denken Sie an den ÖPNV. Heute früh in der Aktuellen Debatte, von der SPD-Fraktion eingereicht, ist davon bereits die Rede gewesen. Von einem barrierefreien ÖPNV in Sachsen sind wir sehr weit entfernt. Das ist dramatisch, da aufgrund der Sozialkürzungen einerseits die Behindertenfahrdienste nach und nach aussterben und andererseits die Kommunen ihren Teil an freiwilligen Leistungen zum Nachteilsausgleich für außergewöhnlich Gehbehinderte nicht mehr aufbringen wollen. Wie wollen Sie, meine Damen und Herren, die Teilhabe und die selbstbestimmte Lebensführung dann tatsächlich sichern?
Meine Damen und Herren! Wenn die Staatsregierung mitteilt – ich darf noch einmal zitieren –, sie wolle „dieje
nigen Handlungsfelder identifizieren, welche die Belange von Menschen mit Behinderung berühren, und infolgedessen auf eine Überprüfung der betroffenen Rechtsnormen, auf eine Vereinbarkeit mit dem Übereinkommen hinwirken“, dann sage ich Ihnen: Genau das ist das Problem. Die Staatsregierung hat offenbar die Intention der Konvention nicht verstanden.
Nehmen Sie doch die Gesellschaft, wie sie ist, als Ganzes: Arme, Reiche, Starke, Schwache, Junge, Alte, Frauen, Männer, Mädchen, Jungen, Gesunde, Kranke, Menschen ohne Behinderung und Menschen mit Behinderung! Meine Damen und Herren, lassen Sie nicht zu, dass diese Pole in der Gesellschaft weiter ausgestaltet werden und ein Keil zwischen sie getrieben wird.
Belange von Menschen mit Behinderung finden Sie – darin haben Sie völlig recht, verehrte Kollegin – in allen Bereichen der Gesellschaft. Wenn es um die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft geht, dann sollten es gerade die Belange von Menschen mit Behinderung sein, die die Erfordernisse staatlichen Handelns bestimmen. Wenn Sie zuerst an diesen Personenkreis denken, dann haben Sie überhaupt keine Probleme mehr. Also, lassen Sie es uns anpacken!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordneten! Mit der Verabschiedung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Dezember 2006 haben die Vereinten Nationen bevölkerungsrechtlich und behinderungspolitisch einen längst notwendigen Reformschritt vollzogen. Es wurde die erste verbindliche Übereinkommenserklärung geschaffen, die sich explizit mit den Menschenrechten von Personen mit Beeinträchtigungen auseinandersetzt.
Dabei ist es völlig unwesentlich, um welche Art der Beeinträchtigung es sich handelt, ob es um Menschen mit Sinnesbehinderung wie Seh- und Hörbehinderung geht, ob es Menschen mit Körperbehinderung betrifft, die meist Einschränkungen der Mobilität zur Folge haben, oder ob es sich um Menschen mit Einschränkungen auf der kognitiven Ebene handelt. Es ist unerheblich, ob die Behinderungen von Geburt an vorhanden sind oder ob sie aufgrund einer Erkrankung oder eines Unfalles nachfolgend eingetreten sind. Es umfasst auch die Behinderungen, die aufgrund von degenerativen Erscheinungen – sprich: eines normalen Alterungsprozesses – bedingt sind.
Die an dieser Stelle vorgestellte und thematisierte Anfrage der Kollegen der SPD-Fraktion umfasst und hinterfragt dabei all diese Lebensbereiche. So hinterfragt sie die