Protocol of the Session on September 30, 2010

Eines steht fest: Das gesamte Energiekonzept der Bundesregierung ist um die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke herumgebaut worden. Wir stimmen zum Teil überein. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen sagt: Bis Mitte des Jahrhunderts ist eine Versorgung – zumindest die Stromversorgung – zu 100 % aus erneuerbaren Energien möglich.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Viel früher!)

Selbst dieses Ziel wird nicht angepeilt.

In den Zielen gibt es schon Übereinstimmungen. Über die Wege, wie man dorthin gelangt, wird der politische Streit nötig sein.

Ich bitte Sie darum, dass Sie endlich anfangen, ein zukunftsfähiges Energieprogramm für Sachsen zu entwickeln.

Bitte beachten Sie die Redezeit.

Ich komme zum Ende.

Etwas Interessantes geschah gestern: Die Energieexperten des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung Frau Prof. Kemfert ließ gestern über die Presse einen Appell an die brandenburgische Landesregierung mitteilen, dass sie schnell einen Fahrplan für den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung entwickeln sollte. Das würde ich Ihnen auch für Sachsen dringend empfehlen.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE sprach die Abg. Frau Dr. Runge. – Als Nächstes spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Jurk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich den Debattentitel gelesen habe, habe ich versucht zu übersetzen, was damit gemeint wäre. Einige Redner sind darauf bereits eingegangen. Es geht um die Versorgungssicherheit, um die Preiswürdigkeit und am Ende auch um die klimaschonende Erzeugung von Energien.

Je weiter man sich mit diesem Thema vertraut macht, desto mehr stellt man sich die Frage: Wie erreicht man diese Ziele? Mir fällt als Erstes die Energieeffizienz ein. Wir wissen, dass 30 % mehr Energieeffizienz möglich sind. Wir haben in diesem Bereich riesige Potenziale. Mir fällt ein, dass die erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Wir haben in Sachsen in den letzten fünf Jahren einen guten Weg genommen. Es ist wichtig, dass wir Brückentechnologien finden, um eine hundertprozentige Versorgungssicherheit mit erneuerbaren Energien sichern zu können. Dazu gehört für mich ausdrücklich auch die effiziente und klimaschonende Nutzung der heimischen Braunkohle.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Was die Frage der Energiepolitik der Bundesrepublik Deutschland betrifft, kann ich nur sagen, hat es an jene Koalitionsrunde sehr große Erwartungen gegeben, die am 4. September dieses Jahres in Berlin stattfand. Im Anschluss sprach Frau Merkel von einer Revolution. Um diesen klassenkämpferischen Jargon beizubehalten, sage ich, für mich war es die Konterrevolution.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Beifall bei den GRÜNEN)

Es gab einen klaren Beschluss zum Atomausstieg. Bis 2022 sollten Atomkraftwerke noch laufen können. Das stellte auch Planungssicherheit her. Übrigens nicht zu Unrecht kritisieren gerade die Stadtwerke auch, dass jene Planungssicherheit jetzt aufgekündigt wurde. Milliardenschwere Investitionen werden nicht getätigt. Das, was wir als Zukunftschance sehen sollten, nämlich die dezentrale Energieversorgung, wird damit weiterhin zugunsten der vier großen Konzerne behindert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man sollte sich vor Augen führen, was da geplant ist. Sieben Atomkraft

werke sollten acht Jahre länger laufen – die etwas älteren und technologisch nicht so reifen – und weitere zehn Atomkraftwerke bekommen einen Aufschlag von 14 Jahren. Das heißt, bis 2036 wird man in Deutschland Atomstrom produzieren.

Frau Dr. Runge, Sie haben völlig zu Recht auf das vorgelegte Energiekonzept hingewiesen. Darin kommt die Braunkohle sehr, sehr stiefmütterlich vor. Ich hätte eigentlich gedacht, dass die Redner der Koalition aus CDU und FDP genau auf diesen Punkt eingehen, denn das ist eine große Gefahr für den Freistaat Sachsen, weil die Braunkohle

(Zuruf von der CDU)

hier völlig unterrepräsentiert ist – unter dem Stichwort CCS. Wenn man hört, dass die unionsgeführten Länder wie Schleswig-Holstein und Niedersachsen gerade dabei sind, die CCS-Technologie kaputtzumachen, dann muss ich sagen, Sie müssen erst in Ihren Reihen klären, wie die Rahmenbedingungen für die Braunkohle wirklich sind.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Beifall bei der SPD)

Ich hatte das große Vergnügen, seinerzeit ein Energieprogramm gemeinsam mit dem jetzigen Ministerpräsidenten auszuarbeiten, damals noch Umweltminister. Wir hatten die Mitzeichnung aller Häuser und am Ende war es die Staatskanzlei, die dieses Programm nicht wollte, mit der eindeutigen Begründung, da stehe zu viel erneuerbare Energie drin

(Zuruf von der SPD)

und zu wenig von der Braunkohle. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Passen Sie doch jetzt bitte auf, was mit der Braunkohle hier in der Bundesrepublik Deutschland passiert!

(Beifall bei der SPD)

Ich verfolge sehr interessiert die Meinungsäußerungen der Sächsischen Staatsregierung. Dabei ist auffällig, dass Herr Morlok als Wirtschaftsminister dominiert. Das ist zunächst einmal richtig. Sie sagen auch, Sie wollen sächsische Interessen wahren.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Darauf haben Sie auch einen Amtseid geschworen. Aber, Herr Morlok, ich weiß nicht so recht, was Sie eigentlich angreifen wollen; denn das Problem, das ich sehe, ist im Moment, dass wir bis auf dieses Energiekonzept eigentlich wenig von der Bundesregierung vorgelegt bekommen haben. Gerade die Frage des Beratungsverfahrens ist für mich von ganz entscheidender Bedeutung. Was wird denn am Ende zum Beispiel im Bundesrat beraten werden?

Vorher ist die Frage zu stellen: Wird es nicht schon im Bundestag die Möglichkeit geben, gerade auch für die Abgeordneten von CDU und FDP aus Sachsen, sächsische Interessen einzubringen? Ich erwarte das ganz einfach, nicht nur von denen, die jetzt in der Opposition

sind, sondern auch von Ihnen, weil dieses Energiekonzept nicht gut für Sachsen ist. Das haben Sie zu Recht festgestellt, Herr Morlok. Aber ich frage mich eben auch: Ist das ein Widerspruch zu dem, was gesagt wurde? Herr Tillich ist diesbezüglich relativ wenig zu vernehmen.

Es trifft nach einem Jahr Regierungsbilanz vielleicht zu: Der Auftritt von Herrn Tillich ist zwar inhaltslos, aber er ist blendend.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Von daher habe ich fast den Eindruck, sehr verehrter Herr Morlok, dass Sie am Ende derjenige sind, der die Niederlage auskosten darf, und Herr Tillich hatte damit wenig zu tun.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute über einen Dringlichen Antrag gesprochen, der nicht zugelassen wurde. Herr Flath, Sie hatten völlig recht, als Sie das Thema des Transportes von Atommüll angesprochen hatten. Es macht deutlich, in welchen Größenordnungen hier mit Atommüll umgegangen werden muss. Es macht eben auch deutlich, wo das Risiko liegt. Ich habe mit großem Interesse gelesen, dass die Kritik auch von einer großen Koalition aus SPÖ und ÖVP aus Österreich kommt, und ich schließe mit den Worten des Bundeskanzlers Faymann, der auch mit Blick auf das AKW Isar II bei Landshut sagte: „Das einzig Nachhaltige an Atomkraft ist das nachhaltige Risiko.“

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion sprach Kollege Jurk. – Für die Fraktion DIE GRÜNEN spricht der Abg. Lichdi.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei diesem Debattentitel fragt man sich schon: Was soll das eigentlich? Diese Aktuelle Debatte funktioniert nach dem altbekannten Zastrow-Prinzip: Wir haben zwar nichts zu melden, loben uns aber mal kräftig und kleistern den Rest mit Ideologie zu. Im Übrigen ist es ganz schlechter parlamentarischer Stil – leider nicht zum ersten Mal –, dass Sie versuchen, einen Antrag meiner Fraktion, der heute terminiert worden ist, mit dieser Aktuellen Debatte zu toppen und damit totzumachen.

Herr von Breitenbuch, ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich hatte bisher eine bessere Meinung von konservativer Politik.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Wenn Sie der Meinung sind, dass konservative Politik Atompolitik ist, dann gute Nacht für den Konservatismus in Deutschland. Dann ist der Regierungswechsel wirklich nicht mehr fern.

(Zuruf von der CDU: Skandal! – Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist ein Skandal allererster Güte, was uns hier diese schwarz-gelbe Chaostruppe in Berlin serviert. Die Schrottreaktoren, deren Laufzeit für 30 Jahre geplant war, sollen jetzt teilweise länger als 50 Jahre laufen. Dieser Geheimvertrag mit dem Sicherheitsrabatt, der Nachrüstungen auf 500 Millionen Euro beschränkt, ist unglaublich und eindeutig verfassungswidrig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Dass Sie es wagen, diese Brückenlüge hier noch einmal vorzutragen, ist unglaublich. Alle seriösen Gutachten – selbst das, was Sie selbst in Auftrag gaben – sagen aus, dass wir eine Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke nicht brauchen, um in die erneuerbare Zukunft zu starten. Nein, das Gegenteil ist richtig: Die Verlängerung der Laufzeiten bremst und soll – das ist Ihre politische Absicht – den Ausbau der erneuerbaren Energien bremsen.

Meine Damen und Herren! Jetzt muss ich Herrn Wirtschaftsminister Morlok einmal loben, denn eines hat er richtig erkannt: Er hat erkannt,

(Unruhe bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD – Weitere Zurufe)

dass es eine reine Atomvereinbarung ist und dass die geplante Abschöpfung von Frau Merkel und ihrem Parteigenossen Brüderle noch nicht einmal 50 % erreicht. Frau Merkel rennt durch das Land und sagt, wir schöpfen 60, 70, 80 % ab. Sie haben es erkannt – vielen Dank, Herr Wirtschaftsminister –, es seien nur 50 %. Das ist aber leider auch noch zu viel, wie die Studie des Ökoinstituts – ich gebe gern zu, dass ich dieser mehr Glauben schenke als Frau Merkel und auch Ihnen, Herr Morlok – sagt: Bestenfalls bekommen wir eine Abschöpfung von knapp 40 % hin. Ich denke, es wird wahrscheinlich im Endeffekt noch weniger werden, weil ganz klar ist, dass sich hier die Atomlobby ihr eigenes Konzept geschrieben hat.

Aber, meine Damen und Herren, was hat das Ganze energiepolitisch mit Sachsen zu tun? Meine Vorredner sind zu Recht darauf eingegangen. Es ist wirklich unglaublich, wie die Sächsische Staatsregierung sächsische Interessen verrät und nicht wahrnimmt und uns hier eine Aktuelle Debatte vorlegt, als ob sie einen großen Erfolg erzielt hätte oder als ob sie nur dabei gewesen wäre. Sie saß noch nicht einmal am Katzentisch, sie saß noch nicht einmal unter dem Tisch.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN – Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Sie saß noch nicht einmal auf der Toilette, als verhandelt wurde.