Protocol of the Session on September 2, 2010

Umso größer ist meine Anerkennung, dass eine Oppositionsfraktion

(Zuruf des Abg. Thomas Kind, Linksfraktion)

jetzt bin ich bei Frau Hermenau – bei allem, was Sie heute kritisch vorbringen, sich zunächst einmal darauf verständigt hat, dass der Rahmen des Haushaltes vernünftig ist.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Das haben wir zehn Jahre lang gemacht!)

Auch dazu sage ich, das ist mutig. Ich will das nicht so lustig ausdrücken, wie Sie es immer machen, Herr Hahn. Das zeigt ganz einfach, was ich von einer Opposition auch erwarte: dass sich eine Opposition nämlich so verhält, dass man sieht, sie ringt darum, eines Tages in der Regierung zu sitzen. Sie mit Ihren Vorschlägen gehen selbst gar nicht davon aus.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Abwarten! – Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Denn es ist geradezu verrückt, wenn Sie heute Vorschläge unterbreiten, die ein Regieren in diesem Land im Jahr 2020 nicht erleichtern, sondern erschweren.

(Beifall bei der CDU, der FDP, der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE, und der Staatsregierung)

Das heißt, Sie sagen mit anderen Worten, dass Sie sich gemeinsam mit Herrn Bartl jetzt darauf spezialisieren werden, hier immerzu Sand ins Getriebe zu streuen, um uns aus dem Tritt zu bringen, und dass Sie sich nicht damit beschäftigen werden, wie Sie eines Tages in die Regierung kommen könnten. Insofern, Herr Hahn, war das kein guter Auftakt in der 1. Lesung.

Ich freue mich insgesamt auf eine gute Beratung. Das wird kein einfacher Weg. Aber ich glaube, dass wir uns für Sachsen darum bemühen sollten, wie die Regierung es vorgelegt hat, diesen soliden, diesen verantwortungsbewussten, generationengerechten Weg zu gehen. Ich wünsche uns eine erfolgreiche Beratung des Haushalts.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die CDU-Fraktion sprach der Abg. Flath. – Als Nächste die SPD-Fraktion mit dem Kollegen Dulig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In meiner Erwiderung auf die Regierungserklärung habe ich gestern bereits darauf hingewiesen, dass es der Sächsischen Staatsregierung anscheinend nur um eine Sache geht: sich billig aus der Affäre zu ziehen. Und billig ist in diesem Fall im wahrsten Sinne des Wortes gemeint. Sie will möglichst wenig Geld ausgeben, damit Spardosen gefüllt werden, mit denen dann die hausgemachten Probleme abfinanziert werden sollen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Landesbank!)

Das einfachste und im Moment vielgenutzte Mittel, die Spardosen voll zu bekommen, sind Kürzungen. In diesem Land wird ein Kürzungsfeuerwerk abgebrannt, bei dem einem Hören und Sehen vergeht. 2010 190 Millionen Euro Bewirtschaftungsmaßnahmen, 2011 sollen es 1,2 Milliarden Euro Einsparungen sein, 2012 dann 1,3 Milliarden Euro.

Über die Folgen dieses Feuerwerks macht sich bei dieser Kaputtmacherkoalition Schwarz-Gelb aber keiner Gedanken. Herr Finanzminister, ich bitte um semantische

Nachsicht. Die Kürzungssense wird den Freistaat zum Unland machen.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von der CDU: Oh! – Zuruf von der CDU: Ohne Substanz!)

Mit diesen Kürzungen wird der Kitt aus den Fugen der Gesellschaft gekratzt. Das gefährdet den sozialen Zusammenhalt in diesem Land massiv. Die SPD wird das nicht hinnehmen, denn wir sind der Überzeugung, dass solider Haushalt und gerechte Politik machbar sind.

Bei diesem Haushaltsentwurf wird die Öffentlichkeit über die wahren Umstände getäuscht. Es werden alle denkbaren Taschenspielertricks angewendet, um die Tatsachen zu verschleiern: Tarnen, Tricksen, Täuschen.

Es liegt der Bericht des Rechnungshofes vor. Der hat doch das Aufstellungsverfahren massiv kritisiert. Der Bericht macht deutlich: Dieser Haushalt ist auf größtmögliche Intransparenz angelegt. Titelgruppen sind viel zu weit gefasst, aufgebläht, und es ist völlig unklar, was eigentlich aus ihnen gezahlt werden soll. Der gravierendste Kritikpunkt im Bericht ist aus unserer Sicht aber, dass fast alle Titel gegenseitig deckungsfähig sind. Das bedeutet, der Minister kann nach Gutsherrenart am Parlament vorbei die Mittel nach Gutdünken von einer Ecke in die andere schieben und das Finanzministerium hat immer den Finger drauf. Ein Beschluss des Landtages ist damit völlig unnötig geworden. Wir könnten genauso gut sagen, liebe Staatsregierung, hier sind 16 Milliarden Euro, mach damit, was du willst.

Nebenbei: Der Bericht des Rechnungshofes wird erst im Januar im Ausschuss angehört. Die Mehrheit der Regierungskoalition hat eine frühere Anhörung verhindert. Die Begründung dafür war die Überarbeitung der Mitarbeiter. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie wollen aber nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch das Parlament täuschen. In der letzten Woche haben wir durch Zufall herausgefunden, dass die uns zugeleiteten Vorlagen unterschiedlich sind. Das ist nicht dem Ministerpräsidenten aufgefallen. Erst durch den Zeitungsartikel von vorgestern ist eine hektische Betriebsamkeit entstanden.

(Zuruf von der CDU: Ei, gucke!)

Wer will denn jetzt wissen, ob das, von dem Sie gesagt haben, dass es verändert wurde, tatsächlich alles ist? Wer will uns das zusichern? Die Staatsregierung? Sie? Sie sowieso, denn Sie glauben alles, was Ihnen die Staatsregierung vorlegt. Das ist ja klar.

(Zuruf des Abg. Robert Clemen, CDU)

Man muss sich doch als Abgeordneter in diesem Hohen Haus wenigstens darauf verlassen können, dass die Vorlagen alle gleich sind. Aber darüber sind Sie heute früh hinweggegangen. Sie haben unseren Antrag auf Absetzung abgelehnt. Sie brauchen sich natürlich nicht zu wundern, wenn wir aufgrund dieser Verfahrensmängel

und vor allem dieser Intransparenz der Überweisung des Haushaltes an den Haushalts- und Finanzausschuss nicht zustimmen werden.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Ihre durchsichtigen taktischen Sandkastenspiele sind nur Mittel zum Zweck. Der Staatsregierung geht es bei allem nur darum, den eigenen Spielraum ohne Kontrollmöglichkeit zu erweitern. Es geht darum, noch mehr Geld dort zu verstecken, wo es keiner mehr findet, es bei günstiger Gelegenheit hervorzuholen und sich dann gegenseitig auf die Schultern zu klopfen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Kurz vor der Wahl!)

Wie das dem Land dient, kann ich nicht erkennen. Natürlich kommen aus der Propagandamaschine angebliche Ziele. Es heißt: Wir müssen die Pro-Kopf-Verschuldung konstant halten. Bis 2019 muss Sachsen finanziell auf eigenen Füßen stehen. Oder: Sachsen muss zum Geberland werden. Die Staatsregierung handelt demnach im Interesse zukünftiger Generationen und sorgt dafür, dass in Sachsen weiter investiert werden kann.

Eigentlich will die Staatsregierung ihr finanzielles Eigenleben aber kurzfristig für eigene Interessen nutzen. Auf der Liste dieser Interessen steht die Vorsorge für das Desaster bei der Landesbank an erster Stelle. Die Bürgschaft über 2,75 Milliarden Euro wird irgendwann fällig. Darin sind sich alle Experten einig. Dieses Geld will die Staatsregierung parat haben, aber nicht erst dann, wenn die Bürgschaft fällig wird, sondern sofort. Sie will jetzt auf Kosten der Menschen im Freistaat ihr eigenes Versagen abfinanzieren, obwohl die Laufzeit der Bürgschaft mehrere, vielleicht 20 Jahre, beträgt.

Platz Nummer drei auf der Liste nimmt der Doppelhaushalt 2013/2014 ein, denn das wird der Wahlhaushalt. Deshalb wird es sich die Staatsregierung nicht nehmen lassen, dann wieder das Füllhorn über das ganze Land auszuschütten. Es wird Straßen, Schulen und neue Gemeindezentren regnen, auf dass die Bevölkerung auch bei der nächsten Wahl ihr Kreuzchen wieder an der richtigen Stelle macht.

Dieser Drang nach finanziellem Eigenleben ohne Kontrolle wird aber neben diesen kurzfristigen Zielen immer mehr zum Selbstzweck. Es wird gekürzt, obwohl es finanziell nicht nötig ist. Es wird gespart, obwohl es kein Ziel gibt, für das man spart. Man freut sich, wenn Förderprogramme nicht komplett ausgeschöpft werden, weil das Geld dann zurück an den Finanzminister geht.

Die Staatsregierung kommt mir vor wie Dagobert Duck, der in seinem Geldspeicher im wahrsten Sinne des Wortes im Geld schwimmt, keinem was abgeben will und über jeden Kreuzer jammert, der seinen Speicher verlässt.

(Lars Rohwer, CDU: Wer hat denn diese Rede geschrieben?)

Langfristig läuft diese Politik der Staatsregierung ins Leere.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Noch schlimmer ist, dass diese Politik das gefährliche Staatsverständnis dieser Staatsregierung offenbart: Sie genügt sich selbst.

(Beifall bei der SPD)

Experten für Finanzen treffen die Entscheidungen. Man braucht die anderen nicht mehr – kein Parlament, keine unbequemen Fragesteller aus der CDU-Fraktion oder der bösen Opposition, keine Journalisten, die nachfragen. Das ist alles Ballast, der effiziente Entscheidungen behindert.

Menschen sind in diesem Weltbild Kostenstellen und Haushaltstitel, für die man leider Mittel bereitstellen muss. Diese Mittel werden dann noch für Projekte vergeben, die zwei oder drei Jahre laufen. Was danach kommt, weiß niemand. Langfristige Bindungen will der Staat nicht mehr eingehen. Alles muss schlank, effizient und morgen kündbar sein.

Diese Haltung können wir nicht hinnehmen. Wir sind uns der Verantwortung bewusst, die wir für unser Land und die Gesellschaft haben. Es geht darum, für die Menschen in diesem Land das Beste zu erreichen. Wir müssen den sozialen Frieden bewahren und unsere Gesellschaft zusammenhalten. Es geht auch beim Haushalt um soziale Gerechtigkeit. Wir brauchen dafür langfristige Perspektiven.

Wir reden jetzt über die Vorgaben, die uns die Regierung selbst macht. Selbstverständlich gibt es eine finanzpolitische Verantwortung, der sich auch die SPD als Oppositionspartei stellt. Wir halten darum am gesetzlich verankerten Neuverschuldungsverbot fest, auch wenn Frau Hermenau gern das Gegenteil behauptet.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Ich freue mich, dass Sie das in der Öffentlichkeit sagen!)

Wir sind aber der Überzeugung, dass alle unsere Vorschläge für den Doppelhaushalt 2011/2012 ohne neue Schulden finanzierbar sind.

Ein solider Haushalt und gerechte Politik sind machbar. Mehr noch: Wir sind sicher, dass die Kürzungen in diesem Haushalt nicht nur politisch, sondern auch finanziell unnötig sind.

Wir sind prinzipiell auch dafür, die Schulden abzubauen, die der Freistaat hat, aber doch nicht in der Situation, in der sich der Freistaat augenblicklich befindet. Die Zinsen an den Weltmärkten sind auf dem Tiefststand.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Richtig!)