Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Brangs, Sie haben eingangs Ihres Wortbeitrages eine deutsche Wochenzeitung zitiert. Gestatten Sie mir, dass ich zu Beginn meines Beitrages eine sächsische Tageszeitung zitiere. In der „Leipziger Volkszeitung“ hat der Kollege Milde das Thema Bürgerarbeit kommentiert und ausgeführt, dass es sich bei der Bürgerarbeit um alten Wein in neuen Schläuchen handeln würde. Die Staatsregierung ist der Auffassung, dass der Kollege Milde in der „Leipziger Volkszeitung“ recht hat.
Er hat deswegen Recht, liebe Kolleginnen und Kollegen, weil tatsächlich mit der Bürgerarbeit, wie sie von der Bundesregierung angeboten wurde, kein nachhaltiger Effekt zur Integration von Menschen in den ersten Arbeitsmarkt entsteht. Kollege Herbst hat ja in der Debatte
bereits auf die Verdrängungseffekte und die entsprechenden Gutachten zu diesem Thema hingewiesen, sodass ich das hier nicht wiederholen möchte. Für die Staatsregierung ist es entscheidend, möglichst viele Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.
Wie Sie aber alle wissen oder wissen sollten, kann Politik für diese Integration, für diese Aufgabe nur die Rahmenbedingungen schaffen. Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt schaffen die Unternehmer. Das heißt, eine erfolgreiche Politik der Staatsregierung auf Integration von Menschen in den ersten Arbeitsmarkt muss darauf ausgerichtet sein, dass Unternehmen im Freistaat Sachsen die Rahmenbedingungen haben, die es ihnen ermöglichen, Menschen einzustellen und somit Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Das ist der Schwerpunkt der Politik der Staatsregierung.
Ich werde Ihnen das alles noch erläutern. Aber gestatten Sie, dass ich das in der Form mache, wie ich es mir vorgenommen habe. Wenn Sie ganz konkret eine Frage haben, Frau Kollegin Dr. Runge, haben Sie ja die Möglichkeit, von einer Zwischenfrage Gebrauch zu machen.
Wenn Sie sich die aktuellen Arbeitsmarktdaten anschauen, sehen Sie, dass wir in Sachsen eine recht erfreuliche Entwicklung haben. Trotz Krise liegt die Arbeitslosenquote im Freistaat Sachsen im Mai 1,2 Prozentpunkte unter dem Niveau des Mai im Vorjahr. Sicherlich trägt die demografische Entwicklung einen Teil zu dieser erfreulichen Entwicklung bei. Aber wir haben tatsächlich nicht nur weniger Arbeitslose, sondern wir haben – das ist das Erfreuliche an den Zahlen – tatsächlich mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, und zwar über 3 000 mehr in diesem als im letzten Jahr.
Hierfür haben die Tarifpartner, die Unternehmer im Freistaat Sachsen, einen wesentlichen Beitrag geleistet, dass dies möglich wurde, weil sie durch flexible Regelungen im Bereich der Tarifverträge oder durch flexible Regelungen in Haustarifverträgen oder Vereinbarungen mit den Mitarbeitern vor Ort die Möglichkeit geschaffen haben, dass Unternehmer flexibel auf die Krise reagieren konnten. Die Kurzarbeiterregelung der Bundesregierung hat dazu ebenfalls einen wichtigen Beitrag geleistet.
Wenn es nun darum geht, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Unternehmer mehr Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt schaffen können, ist es sehr wichtig, dass wir als Staatsregierung im Rahmen unserer Fördermöglichkeiten ihnen weiterhin die Möglichkeit einräumen, durch entsprechende Förderung investieren und somit als Unternehmen wachsen zu können.
Wie Sie wissen, sind die sächsischen Unternehmen im bundesdeutschen Durchschnitt eigentlich immer noch zu klein. Wir haben in der sächsischen Wirtschaft eine entsprechende Exportschwäche, und es ist unsere Aufgabe
als Staatsregierung – so verstehen wir dies –, diese Schwächen der Unternehmen zu beseitigen, damit die starken Unternehmen auch innovative Arbeitsplätze schaffen können, Arbeitsplätze mit einem höheren Wertschöpfungspotenzial. Dies erreichen wir am besten, indem wir diejenigen Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen, direkt fördern. Darauf wollen wir uns im Rahmen der Staatsregierung konzentrieren.
Wir haben uns daher, als das Bundesprogramm „Bürgerarbeit“ aufgelegt wurde, im Rahmen der Staatsregierung darauf verständigt, wie wir mit diesem Programm umgehen sollen. Die Verständigung mit dem Sozialministerium, mit dem Ministerium für Soziales und Verbraucherschutz, war genau das, was wir getan haben, eben aus den genannten Gründen keine Kofinanzierung anzubieten und diesem Programm neutral gegenüberzustehen. Weil wir uns entschieden haben, dem Programm neutral gegenüberzustehen und den Kommunen zu überlassen, ob sie im Einzelfall von diesem Programm Gebrauch machen wollen oder nicht, haben wir die Unterstützungsschreiben für die entsprechenden Kommunen nicht getätigt.
Herr Minister, danke schön! Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, setzen Sie ausschließlich auf das Instrument Unternehmensförderung, Wirtschaftsförderung? Ich möchte Sie fragen, ob Sie uns vielleicht sagen können, inwieweit die vom Bund, von der Bundesregierung und durch das Land kofinanzierten Konjunkturpakete 1 und 2 wesentlich dazu beigetragen haben, dass solche zusätzlichen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze entstanden sind. Können Sie uns eine Antwort geben, wie hoch der Anteil tatsächlich für die Entstehung von Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt ist? Die zweite Frage, die sich anschließt, ist: Wie können Sie eigentlich rechtfertigen, dass im neuen Doppelhaushalt die staatliche Investitionsquote von über 20 % auf 16 % abgesenkt wird, wenn Sie denn zusätzliche Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt schaffen wollen?
Frau Kollegin Dr. Runge, ich möchte mit der zweiten Frage beginnen. Mit einer Investitionsquote von circa 16 %, wie wir sie als Staatsregierung dem Sächsischen Landtag vorschlagen, liegen wir sicherlich noch an der Spitze aller bundesdeutschen Länder. Es ist ein gutes Zeichen für den Freistaat Sachsen, dass wir eben nicht wie andere Bundesländer unser Geld für Zins und Tilgung ausgeben müssen, sondern es in den Freistaat Sachsen investieren können. Sie sehen, eine geringere Verschuldung und eine geringere Zins- und Tilgungslast
Zu Ihrer ersten Frage. Es gibt keine Berechnungen, die den ersten Arbeitsmarkteffekt hinsichtlich der Konjunkturpakete der Bundesregierung bewerten. Wir hatten sehr unterschiedliche Auswirkungen. Wir hatten als Beispiel das Thema Abwrackprämie, das in einer ganz bestimmten Branche gewirkt hat. Zum anderen haben wir eine ganze Reihe von Konjunkturprogrammbestandteilen, die überwiegend im Baubereich wirken oder gewirkt haben. Hier hatten wir relativ spät Effekte, eigentlich erst im Frühjahr dieses Jahres, sodass es im ersten Jahr noch keine Effekte auf dem ersten Arbeitsmarkt gab.
Wenn man sich jetzt die erfreuliche Entwicklung im Freistaat Sachsen mit 1,2 Prozentpunkten weniger Arbeitslosenquote anschaut, wird man in diesem positiven Effekt noch relativ wenig Effekte aus dem Konjunkturprogramm finden. Ich denke aber, wenn die Konjunkturprogramme gerade im Baubereich jetzt stärker wirken und die entsprechenden Aufträge platziert werden und wenn man die Auslastungsquoten in der Baubranche anschaut, wird man sicherlich im Laufe des Jahres noch einen deutlichen Effekt dieser Konjunkturprogramme auf dem ersten Arbeitsmarkt bemerken können.
Herr Staatsminister, Sie haben ja nun gesagt, dass Sie das Unterstützungsschreiben nicht für die Landesregierung erbringen wollten und konnten.
Nun wäre in diesem Zusammenhang meine Frage: Es wäre doch möglich gewesen, bei einer Unterstützung entsprechende ESFProjekte des Freistaates mit zu nutzen, und ich verstehe nicht ganz – deswegen meine Nachfrage –, warum Sie am 6. April ein Rundschreiben herausgegeben haben, dass Projekte zu beschäftigungsfördernden Maßnahmen eingereicht werden sollen. Ich würde durch eine Kleine Anfrage konkretisieren, wie viel Rücklauf es gegeben hat, aber was haben Sie denn damit bezweckt, wenn Sie solche Projekte doch eigentlich für kontraproduktiv halten?
beit neutral verhalten und deswegen darauf verzichtet, diese Unterstützungsunterschriften bzw. -briefe zu leisten. Aber wenn ich jetzt in der weiteren Beantwortung der Fragen, die der Kollege Krauß als Fragen einer Kleinen Anfrage tituliert hat, voranschreite, werden Sie anhand der Zahlen sehen, dass dies nicht im großen Maße nachgefragt wurde.
Ich möchte jetzt gern zur Beantwortung der Fragen kommen, damit wir den Antrag zumindest in diesem Punkt heute abarbeiten können. Hinsichtlich der unterschiedlichen politischen Bewertung und der Frage der Kofinanzierung durch den Freistaat wird man hier im Parlament entscheiden müssen. Wir werden auf jeden Fall versuchen, Ihnen die angefragten Informationen zur Verfügung zu stellen.
In dem Punkt 2a fragen Sie nach den Anmeldungen bezüglich der Interessenbekundungen im Freistaat Sachsen und aus den anderen Bundesländern. Ich kann Ihnen das nach einzelnen Bundesländern vortragen; ich denke aber, aufgrund der fortgeschrittenen Zeit können wir uns vielleicht auf die Zahl des Freistaates und des Bundes insgesamt beschränken: Im Freistaat waren es 3 268; demgegenüber stehen auf der Bundesebene 32 780. Wenn Sie das Bundesland konkret haben möchten, kann ich Ihnen das gern noch nachreichen.
Im Punkt b fragen Sie an, wer sich letztendlich in diesem Zusammenhang bei der Staatsregierung gemeldet hat. Es gab insgesamt drei Anfragen: eine Anfrage der Stadt Leipzig, eine Anfrage der ARGE Vogtlandkreis und eine Anfrage des Landkreises Bautzen. Diese Anfragen sind bei uns in der Staatsregierung eingegangen.
Ich möchte noch einen Punkt zurechtrücken: Im Punkt f Ihres Antrages schreiben Sie: die notwendige Unterstützungsbekundung. Damit könnte suggeriert werden, dass eine Unterstützungsbekundung durch das jeweilige Bundesland Voraussetzung dafür ist, dass sich eine Kommune an diesem Projekt beteiligen kann. Wenn Sie sich die entsprechenden Bestimmungen und auch die Antragsunterlagen durchlesen: Gerade in den Erläuterungen in diesen Antragsunterlagen wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass diese Unterstützung eines Bundeslandes nicht Voraussetzung ist. Ich halte das für eine wichtige Nachricht, die man hier mitteilen muss. Die Kommunen, die sich daran beteiligen wollen, können dies gern tun. Es ist eine Abwägungsentscheidung, die man vor Ort treffen muss.
Wie Sie wissen, war die Kommune, die sich beim Kommunal-Kombi im Freistaat Sachsen am stärksten engagiert hat, die Stadt Leipzig. Es ist relativ interessant, wenn wir uns die Zahlen der Interessenbekundungen anschauen, wie sie aus den verschiedenen Bereichen des Freistaates kommen. Denn wenn – das ist zumindest meine These – die Stadt Leipzig mit dem Thema Kommunal-Kombi sehr gute Erfahrungen gemacht hat, müsste sie eigentlich im Bereich Bürgerarbeit im Interessenbekundungsverfahren
an der Spitze stehen. Dies ist aber nicht der Fall, denn wenn man sich die Zahlen anschaut, hat die ARGE Dresden deutlich mehr Interessenbekundungen abgegeben, und ein im Verhältnis zur Stadt Leipzig doch relativ kleiner Landkreis wie der Landkreis Meißen ebenso wie die Stadt Leipzig. Daran können Sie sehen, dass auch im Bereich Leipzig hinsichtlich des Themas KommunalKombi und der entsprechenden Effekte eine gewisse Ernüchterung eingetreten ist und die Staatsregierung mit ihrer zurückhaltenden Bewertung des Programms Bürgerarbeit sehr sachgerecht und sorgfältig reagiert hat.
Herr Abg. Brangs, halten Sie das Schlusswort oder sprechen Sie noch in der Debatte? – In der Debatte, bitte.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht das Schlusswort, sondern ich möchte einige Dinge anmerken, die mir wichtig sind.
Die beste Beschreibung dafür, was in den letzten Monaten bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Ihrem Ministerium nicht passiert ist, ist Ihre eigene, nämlich, dass Sie sich neutral verhalten. Das trifft es ganz gut, weil in vielen Bereichen noch nicht erkennbar ist, in welche Richtung es gehen soll.
Ein Beweis dafür, dass es bei dem Thema Bürgerarbeit genau darauf ankommt, dass man sich auch als Landesregierung klar zu einem sinnhaften Programm bekennt, von dem viele Menschen in diesem Land partizipieren und bei dem wir im Bereich des Kommunal-Kombi nur positive Rückmeldungen haben, ist doch, dass auch die Bundesregierung erkannt hat, dass es sinnvoll wäre, wenn sich auch die Landesregierung positiv positionieren würde.
Ihr Kollege Jörg Bode in Niedersachsen hat genau das Richtige gemacht: Er hat diesen Prozess aktiv begleitet, hat dieses Programm begrüßt und die Koordinationsfunktion übernommen, damit die Fragen, die im Zusammenhang mit der Bürgerarbeit gestellt werden, auch beantwortet werden, sodass die Beteiligten, die davon profitieren, die gewünschten Antworten bekommen. Er hat gesagt: Das ist ein sinnvolles Programm, das ich unterstütze; ich will mit den Akteuren in den Regionaldirektionen der Agenturen oder Jobcentern zusammenarbeiten. Die dortige Landesregierung ist sogar dazu übergegangen, ergänzend zur Bundesförderung Geld zur Verfügung zu stellen. Die Landesregierung koordiniert genau dieses Verfahren und unterstützt die entsprechenden Beantragungen mit einer Stellungnahme, um das zu befördern.
Meine Rückmeldung ist, dass wir sieben Jobcenter in Sachsen haben, die alle klagen, dass es diese Unterstützung des Ministeriums für sinnhafte Projekte nicht gegeben hat. Zum Beispiel in Leipzig, wo es um ein Integrationsprojekt für Langzeitarbeitslose geht, die ARGE Leipzig mit der Stadt gemeinsam ein Konzept auf den Weg gebracht und jetzt diese Bürgerarbeit beantragt hat, wird
die Frage gestellt: Warum kann dann ein Wirtschaftsminister einfach sagen, ich verhalte mich da neutral und sage dazu überhaupt nichts?
Ich hoffe, dass viele Menschen heute gehört haben, wie Ihre Auffassung zu dieser sinnvollen Tätigkeit ist. Sie haben in, wie ich finde, sehr abwertender Weise über die sinnhaften Projekte gesprochen und diese als Placebos bezeichnet, die keine positive Wirkung auf den Arbeitsmarkt hätten. Sie sagen aber nicht, was die Alternative für die Langzeitarbeitslosen ist und was die Menschen, die gegenwärtig in solchen Projekten tätig sind, dann machen sollen.