Protocol of the Session on May 20, 2010

Eines steht fest: Wir wollen und wir müssen den Wald mehren und so die Attraktivität des ländlichen Raumes für Freizeit, Sport oder Erholung bewahren und stärken. Der positive Effekt der Aufforstung ist auch eine Wirkung für den Hochwasserschutz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich wissen wir, dass die Attraktivität der sächsischen Städte und Landschaften eng mit der Erreichbarkeit in Verbindung steht. Deshalb setzen wir alles daran, die bestehenden Lücken im Fernstraßennetz abzubauen. Natürlich werden wir auch dabei die bestehenden Standards hinsichtlich ihrer Kosten-Nutzen-Verhältnisse gründlich überprüfen.

(Zuruf von der SPD: Keine Gullydeckel mehr!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Selbstverständlich werde ich ganz persönlich darauf drängen, dass auch die Erzgebirgsmagistrale in meiner Heimatregion, im Erzgebirge, kommen muss.

Die medizinische Versorgung muss besonders im ländlichen Raum flächendeckend gesichert und weiterentwickelt werden. Wir brauchen zielgerichtet Anreize für motivierte Ärzte, die sich in unterversorgten Regionen niederlassen. Jedes kleine Beispiel hilft hier in Sachsen, was Sie, Herr Kupfer, aufgeführt haben. Jedes kleine Beispiel hilft, andere Ärzte in den ländlichen Raum zu locken. Da ist es nicht immer notwendig, nur mit finanziellen Anreizen zu locken, sondern auch das Umfeld muss aktiv gestaltet werden.

Aber, sehr geehrte Damen und Herren, jeder Einzelne von uns kann natürlich auch etwas zur Entwicklung des ländlichen Raumes im Freistaat beitragen, einfach mit der Auswahl dessen, was wir täglich einkaufen. Liebe Mitbürger, essen Sie doch mehr sächsisches Fleisch!

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Trinkt einheimisches Bier und einheimischen Wein! Versorgt euch mit Produkten der hiesigen Bauern. Das ist es, ein kleiner Beitrag, den jeder im Kleinen dafür leisten kann,

(Zuruf des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

damit am Ende mehr Geld im sächsischen ländlichen Raum bleiben kann.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Zur weiteren Entwicklung des ländlichen Raumes ist noch sehr viel notwendig, nicht nur den Gemeinden Gelder über das Konzept ILE zur Verfügung zu stellen, sondern auch der finanzielle Ausgleich zwischen Land und Kommunen muss an die tatsächlichen Bedingungen vor Ort angepasst werden. Wir haben es im Koalitionsvertrag vereinbart. Wir streben die Einführung des Flächenfaktors im FAG an. Auch hier sind künftig kreative Ideen gefragt.

(Martin Dulig, SPD: Ja, warum seid ihr dann an der Regierung?!)

Wir müssen die Kommunen unterstützen, indem wir neu darüber nachdenken, welche Aufgabendimensionierung in Zukunft zu leisten ist.

Die Menschen im ländlichen Raum brauchen ganz konkrete Lösungen, die notwendigen Herausforderungen zu erkennen, die spezifischen Potenziale zu nutzen und notwendige Maßnahmen abzuleiten.

(Andreas Storr, NPD: Welche konkreten Maßnahmen sind das nun?)

Dazu bedarf es – nicht so rumschreien, einfach wieder rausgehen, das reicht! – eines ressortübergreifenden Handlungskonzeptes für den ländlichen Raum. Hierfür möchte ich Sie auch um Ihre Unterstützung zum Entschließungsantrag der Fraktionen CDU und FDP bitten.

Meine Damen und Herren! Wir werden auch in Zukunft an einem bedarfsgerechten und an der demografischen Entwicklung ausgerichteten Konzept zur Weiterentwicklung des ländlichen Raumes nicht vorbeikommen. Wir brauchen ressortübergreifende Lösungen für den ländlichen Raum. Dazu sind auch kreative Ideen notwendig.

(Zuruf von der NPD)

Lassen Sie uns diese gemeinsam entwickeln und umsetzen! Lassen Sie uns beginnen und machen und nicht stagnieren, denn Stagnation ist das fallende Laub für den ländlichen Raum. Lassen Sie es uns deshalb gemeinsam anpacken.

(Alexander Delle, NPD: Wo sind denn die Lösungen?!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Als nächster Redner Michael Weichert für die Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Weichert, Sie haben das Wort.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Jetzt kommt etwas Realistisches!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Staatsminister Kupfer über die Integrierte Ländliche Entwicklung sprechen darf, gerät er gern ins Schwärmen. Da geht es zum Beispiel um das Schmieden von Ideen und Kooperationen, um zielgerichtete Projekte für die Bedürfnisse der Region, um gemeinsam überstandene Debatten, die deren Teilnehmer zusammenschweißen, und um Abstimmungen über das Ortseingangsschild hinweg. Ja, das klingt toll, Herr Staatsminister, fast so, als wäre im ländlichen Raum Sachsens alles in bester Ordnung. Tatsächlich, meine Damen und Herren, im Chaos der hilflosen Versuche zur Entwicklung des ländlichen Raumes ist die ILEFörderung noch das Beste, was uns widerfahren ist. Denn: Es macht Sinn,

(Zuruf von der NPD: Es hat Sinn!)

Regionen auf der Grundlage ihrer Entwicklungskonzepte und nach eigenen Prioritäten Verantwortung bei der Gestaltung der Zukunft zu übertragen. Es macht auch Sinn, die Kooperation der Akteure vor Ort zu fördern, um das Kirchturmdenken zu überwinden, und es macht Sinn, auch an dieser Stelle ausdrücklich die positive Rolle Europas zu würdigen, denn ohne Europa könnten wesentliche Entwicklungen im ländlichen Raum nicht passieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Trotzdem kann die Aufzählung erfolgreicher Projekte aus den sächsischen ILE- und LEADER-Regionen nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier noch vieles im Argen liegt. Herr Kupfer, ich empfehle Ihnen einmal ein Treffen mit Ihrem Parteikollegen Herrn Krieg, Bürgermeister von Arzberg. Da bekommen Sie das ganze Programm – von Schulschließung über Ärztemangel, fehlende Infrastruktur,

(Thomas Jurk, SPD: Große Abwasseranlage!)

das können Sie an einem Ort besichtigen. Da sind Sie in einer Stunde durch und wissen, was alles noch zu tun ist. Alles komplett. Mir fallen außerdem die starren Förderrichtlinien ein, auf deren Basis die ILE-Förderung beantragt und bewilligt wird. Obwohl die Fördertatbestände umfangreich sind, müssen sie dringend erweitert werden. Zu dieser Einschätzung gelangte beispielsweise der Landrätekonvent auf seiner Sitzung am 10. Mai dieses Jahres in Görlitz. Bisher ist nämlich keine Richtlinie flexibel genug für Innovation. Akteure, die ausgetretene Pfade verlassen möchten, stoßen gegen den starren Text der Förderbestimmungen, und auch die Regionalmanagements können oft nicht weiterhelfen.

Das schafft Frustration, erzeugt Passivität und sorgt dafür, dass Potenziale in den Regionen ungenutzt bleiben.

Dabei, meine Damen und Herren, sind es gerade die Innovationen, die der ländliche Raum dringlicher als alles andere braucht. Er braucht auch die Menschen, die hinter diesen innovativen Ideen und Konzepten stehen. Darum fordere ich die Staatsregierung auf, an dieser Stelle aktiv zu werden und sich endlich etwas einfallen zu lassen.

Ich weiß, Kreativität ist nicht gerade eine Stärke der Regierung. Doch keine Angst, die Praktiker vor Ort, die tagtäglich mit den Förderinstrumenten arbeiten, haben da schon sehr konkrete Vorstellungen. Deren Wunsch ist es zum Beispiel, einen kleinen Teil der Gesamtsumme in Form eines Regionalbudgets auszureichen. Die Rede ist von bis zu 5 % der jährlich bereitstehenden Fördersummen. Dieses Geld sollte den Regionen als frei verfügbare Mittel zur Verfügung stehen. Diese können durch den örtlichen Koordinierungskreis an innovative Projekte vergeben werden. Meine Damen und Herren! Das hätte auch noch einen zweiten positiven Effekt. Damit würde dann auch die Rolle der Koordinierungskreise gestärkt. Sie sind derzeit nicht viel mehr als ein Kaffeekränzchen, das auch nicht mehr tun kann, als die vom Regionalmanagement vorher bereits geprüften und ausgewählten Projektvorschläge durchzuwinken.

Würde man ihnen die Hoheit über einen Teil des Budgets einräumen, wäre dies eine dringend notwendige Aufwertung dieser Gremien, die aus wichtigen regionalen Akteuren zusammengesetzt sind; dies haben Sie bereits erläutert, Herr Staatsminister.

Meine Damen und Herren! Auch die Landwirte finden sich in dieser Förderung des ländlichen Raumes nicht wieder. Dabei sind gerade sie es, die den ländlichen Raum entscheidend prägen und dringend benötigte Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Doch ist es aufgrund der Förderbedingungen oft nicht möglich, landwirtschaftliche Betriebe bzw. deren Produkte sinnvoll in die ILE zu integrieren. Die Bauern haben deshalb laut Sächsischem Landesbauernverband bereits resigniert. Sie sagen, es bringe nichts, beim ILE mitzuarbeiten.

Der Staatsregierung sind die Probleme bereits seit Langem bekannt; denn in der Schriftenreihe der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft widmet sich ein ganzes Heft – nämlich Heft Nr. 14/2008 – dem Thema Landwirtschaft in der ILE. Darin steht unter anderem – ich zitiere –: „Insgesamt besteht der Eindruck, dass die Land- und Ernährungswirtschaft noch zu wenig vertreten ist.“ Dies ist meines Erachtens nicht einfach hinnehmbar, meine Damen und Herren, zumal es im gleichen Heft weiter heißt – ich zitiere –: „Viele der geplanten Projekte mit land- und ernährungswirtschaftlichem Bezug haben grundsätzliches Potenzial zu einer höheren betrieblichen oder regionalen Wertschöpfung.“

Doch trotz dieser Erkenntnisse kann ich leider nicht erkennen, dass sich die Staatsregierung bisher bemüht hat, an dieser Stelle etwas zu tun. Wohin das führt, möchte ich Ihnen gern an einem konkreten Beispiel vor Augen führen. Im Juni des vergangenen Jahres fand in NeusalzaSpremberg der 1. Oberlausitzer Genussmarkt statt,

(Heinz Lehmann, CDU: Sehr richtig!)

an dem circa 60 Erzeuger, Händler, Handwerker und ortsansässige Unternehmen teilnahmen.

(Beifall des Abg. Heinz Lehmann, CDU – Staatsminister Frank Kupfer: Das wurde gerade gesagt!)

Ja, klar. – Ziel der Veranstaltung war es, über die Vielfalt der regionalen Angebote und Spezialitäten zu informieren, neue Kunden für die Teilnahme zu gewinnen und damit die regionale Wertschöpfung zu stärken. Es handelte sich also um ein typisches Projekt für den ländlichen Raum. Doch für die Organisatoren entpuppte sich die Förderung des Marktes als blanke Katastrophe und bürokratischer Irrsinn, weil

die Stadt als Antragstellerin überhaupt nicht vorgesehen war,

der Bürgermeister umständlich nachweisen sollte, dass er für die Stadt vertretungsberechtigt ist,

einzelbetriebliche Werbung nicht zulässig war, das heißt, selbst ein Händlerverzeichnis nicht förderfähig war, und

die Auflage bestand, Händler und Kunden zu befragen. Bis zu sieben Befrager waren daraufhin im Einsatz. Zusammen mit Vor- und Nachbereitung, Auswertung, Präsentation und Bericht für die Förderstelle wären ohne ehrenamtliche Mitarbeiter des Regionalmanagements Kosten von circa 10 000 Euro entstanden.

Und nun das dicke Ende, meine Damen und Herren: – –

Herr Weichert, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gern, Herr Lehmann.