Protocol of the Session on May 20, 2010

Obwohl die Hauptarbeit noch zu tun ist, hat der Untersuchungsausschuss der letzten Wahlperiode wichtige Erkenntnisse und Hinweise erbracht, die leider nicht in zureichendem Maße in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen sind.

Erstens. Es gibt erhebliche Hinweise darauf, dass die OKReferatsleiterin nicht unabgestimmt, jedenfalls aber mit Kenntnis und Billigung ihrer Vorgesetzten im Landesamt für Verfassungsschutz, die Aktensammlung angelegt hat. Selbst Innenminister de Maizière hat nach dem Verbot der OK-Beobachtung durch den Sächsischen Verfassungsgerichtshof die Weiterbeobachtung ausdrücklich angeordnet. Er war damals also der Überzeugung, dass die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes auf eine Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hindeuten.

Die Theorie der Staatsregierung, ein Leipziger Polizist sei die Hauptquelle Gemag gewesen, erscheint durch Zeugenaussagen widerlegt. Damit, meine Damen und Herren, sind die wesentlichen Säulen der Verteidigungsfassade der Staatsregierung erschüttert.

Zweitens. Dennoch erscheint auch gesichert, dass die Tätigkeit des OK-Referats die einfachsten Voraussetzungen einer seriösen polizeilichen Ermittlungsarbeit nicht eingehalten und auch ungeprüft Gerüchte zusammengetragen hat. Eine Fach- und Rechtsaufsicht im Innenministerium hat aufgrund grenzenloser Naivität und Respekt vor den ach so geheimen Schlapphüten faktisch nicht stattgefunden.

Die offenbar in weiten Teilen unseriöse Arbeit im OKReferat darf aber nicht dazu verleiten, die aufgeschriebenen und angeblich ermittelten korruptionsverdächtigen Sachverhalte als bloße Hirngespinste abzutun. Dies ist gerade der Kurzschluss der CDU-Fraktion. Wenn der Bote einer Nachricht diese verstümmelt, ist damit die Unwahrheit der Botschaft keinesfalls erwiesen.

Drittens erscheint Folgendes nach den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses über die in Rede stehenden Sachverhalte gesichert: Polizei, Staatsanwaltschaft und

Gerichte haben die sogenannten Freier des Minderjährigenbordells „Jasmin“, das Ende Januar 1993 geschlossen wurde, nicht ermittelt und sind Zeugenaussagen nach Freiheitsentziehungen und Vergewaltigungen auch von einer Unter-14-Jährigen im Bordell nicht nachgegangen. Der Zuhälter und Vergewaltiger W. kam trotz Vorstrafen mit einer doch sehr überschaubaren Freiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten davon. Dies steht für mich aufgrund meiner eigenen Aktenlektüre fest.

Offenbar gab es in Leipzig schon früh Gerüchte, dass es einen Deal zugunsten des Zuhälters und Vergewaltigers gegeben hat. Jedenfalls nahm im Jahr 2000 eine Leipziger Polizeieinheit den Faden wieder auf und versuchte, den Zuhälter und Vergewaltiger als Informanten zu gewinnen. Dies bestätigten die Ermittler durch die Blume. Die Opfer des Bordells „Jasmin“ wurden im Sommer 2000 unter Umständen vernommen, die darauf hindeuten, dass Ermittlungen ohne vollständigen Niederschlag in der Ermittlungsakte geführt wurden. Sie waren offensichtlich auf die Ermittlung der Freier gerichtet. Obwohl zwei Zeuginnen Personen nannten, wurden die Ermittlungen unter nicht nachvollziehbaren Umständen Ende 2000 abgebrochen. Kurz darauf hat jedenfalls einer der beschuldigten Richter eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Beamten eingeleitet.

Viertens. Bei der Vermögenszuordnung des Grundstücks Riemannstraße 52 in Leipzig im Jahre 1994 und der unglaublich großzügigen Förderung der Sanierung des Hauses in den Folgejahren wird aufseiten der Leipziger Wohnungsgesellschaft, der Erwerberin, und später befasster Richter derselbe Personenkreis fassbar, der aus unklaren Quellen auch in irgendeiner Weise mit dem Minderjährigenbordell „Jasmin“ in Verbindung gebracht wurde.

Die Staatsregierung hat uns bisher glauben machen wollen, dass die Förderung im Wesentlichen rechtmäßig gewesen wäre. Der Rechnungshofbericht hat uns im November 2009 eines Besseren belehrt. Ich frage: Warum denn verteidigt die Staatsregierung hier so entschlossen, wie in den letzten Sitzungen des Rechtsausschusses zu beobachten?

Fünftens. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat nach der Übermittlung der Verfassungsschutzakten offenbar in falsch verstandenem Korpsgeist alles daran gesetzt, die beschuldigten Juristen zu entlasten. Sie hat offenbar nicht ins Bild passende Ermittlungserkenntnisse so lange „bearbeitet“, bis sie passten. Obwohl die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen erst im April 2008 für beendet erklärt wurden, verkündete bereits am 15. September 2007 der Leitende Oberstaatsanwalt, dass die Aktensammlung nur „heiße Luft“ sei. Meine Damen und Herren, das ist ungewöhnlich, da wir sonst stets mit dem Hinweis auf laufende Ermittlungen abgespeist werden.

Heute wissen wir, dass die Staatsanwaltschaft die Belastungszeugen überhaupt nicht vernehmen wollte und sich erst im Dezember 2007 dazu entschlossen hat.

Als die Vernehmungen der Opfer im Januar und Februar 2008 Belastungen ergaben, bemühten sich die Staats

anwälte Schwürzer und Kohle nicht etwa um weitere Aufklärung, sondern um den Nachweis der Unglaubwürdigkeit der Belastungszeuginnen. Dies taten sie auch gegenüber der aufsichtsführenden Person im Justizministerium, der die Aussagen der Zeuginnen für glaubwürdig hielt und erwog, Richter zu suspendieren. Die intellektuellen Klimmzüge der ermittelnden Staatsanwälte können in der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Dresden vom Ende April 2008 nachgelesen werden. Stattdessen leiteten die Staatsanwälte Strafverfahren gegen berichtende Journalisten und die Zeuginnen ein.

Meine Damen und Herren! Es hat offensichtlich in der Staatsregierung ein Drehbuch der Scheinaufklärung zur Vertuschung gegeben. Dies haben wir aufzuklären. Das ist neu, und dies konnte der alte Untersuchungsausschuss nicht leisten. Die einjährige verfassungswidrige Blockade des Untersuchungsausschusses diente allein dazu, mit verwaltungsinternen Kontrollkommissionen mit unklarem Auftrag und unklarem Aktenzugang Aufklärung und Entlastung vor der Öffentlichkeit zu simulieren. Währenddessen wurde mit der Referatsleiterin ein Sündenbock präpariert und durch gezielte Indiskretionen zur öffentlichen Schlachtung freigegeben.

Jetzt, im Februar 2010, wurden die Ermittlungen gegen die Referatsleiterin wegen Geheimnisverrats eingestellt. Vor zwei Wochen setzte sie gerichtlich die ihr von der Staatsregierung verweigerte Akteneinsicht in eigenen Angelegenheiten durch. Sie will damit die von ihr behauptete Aktenmanipulation durch die Hausspitze nachweisen.

Meine Damen und Herren! Die Staatsregierung hat einfach auf Zeit, ihren Medieneinfluss und die Vergesslichkeit dieses Parlaments und der Öffentlichkeit gesetzt, Herr Staatsminister und Herr Ministerpräsident. Wir sorgen heute dafür, dass Ihre Rechnung nicht aufgeht. Trotz allem sage ich ausdrücklich an dieser Stelle: Korruptive Netzwerke in Sachsen sind für mich bisher nicht nachgewiesen. Alle Sachverhalte können mit Nachlässigkeit, Schlamperei, Fehlsteuerungen der Ermittlungsbehörden, Korpsgeist gegen angebliche Nestbeschmutzer oder dem politischen Überlebenskampf eines angeschlagenen Ministerpräsidenten erklärt werden. Auch dann wären wir verpflichtet aufzuklären und dies zu ändern. Dennoch stimmt auch dieser Satz. Es bestehen weiterhin wachsende Anhaltspunkte dafür, dass es tatsächlich korruptive Netzwerke gegeben hat und vielleicht auch noch gibt. Beide Möglichkeiten zwingen uns als Parlament zu handeln. Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass sich der 5. Sächsische Landtag heute als handlungsfähig erweist.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Für die miteinbringende Fraktion GRÜNE sprach der Abg. Lichdi. Die weitere

Reihenfolge der Fraktionen: CDU, FDP, NPD. Sie beginnt mit Herrn Kollegen Piwarz für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Sumpffieber ist eine recht heimtückische Krankheit. Immer wieder erleiden Infizierte schwere Fieberschübe,

(Beifall bei der CDU und der FDP)

ganz offenbar auch mit einigen Jahren Abstand und anscheinend ist die speziell in Sachsen grassierende Form des Sumpffiebers mit Medikamenten der Wirkmethoden Weitemeier, Beyer, Irrgang oder Staatsanwaltschaft Dresden nicht zu behandeln. Oder aber, wir haben es mit einem äußerst resistenten Patientenstamm zu tun, dem offenbar nur Abgeordnete der Opposition angehören können.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Sie haben die Behandlung verweigert!)

Leider ist das Geschilderte und sind die Infizierten kein Fall für die Quarantänestation des Robert-Koch-Instituts in Hamburg. Wir müssen uns hier im Sächsischen Landtag mit dem neuesten Ausbruch der Krankheit beschäftigen. Eigentlich hatte ich ja gehofft, dass zwei Jahre in der Selbsthilfegruppe des 2. Untersuchungsausschusses der alten Legislaturperiode zur Heilung gereicht hätten.

(Lachen und Beifall bei der CDU und der FDP)

Aber schon bei der Diskussion über den damaligen Abschlussbericht zeigte sich, dass offenbar mehr Medikamente notwendig sind, um auch die letzten Symptome der Krankheit, speziell im Chemnitzer Raum, zu beseitigen.

Meine Damen und Herren! Zwei Jahre hat der 2. Untersuchungsausschuss der letzten Legislaturperiode ermittelt. Die damalige Arbeit hat mehrere Ergebnisse gezeigt. Erstens: Oft genug war sich die Opposition nicht einig, was man genau ermitteln wollte. Zweitens: Skandalisierung ging immer vor Sacharbeit und schließlich drittens, und das ist das Wichtigste: Den Sachsensumpf hat es nie gegeben. Von der einstigen Skandalgeschichte des Jahres 2007 ist nicht mehr viel übrig geblieben, außer die straf- und zivilrechtlichen Verfahren gegen diejenigen, die fleißig daran mitgewirkt hatten, den Freistaat Sachsen mit einer beispiellosen Skandalisierungswelle zu überziehen. Der selbsternannte Mafiaexperte Jürgen Roth musste diverse Unterlassungserklärungen abgeben. Die Höhe des Schadenersatzes, den er zu zahlen hat, kann er wohl nur schwer durch das Schreiben neuer Skandalbücher kompensieren.

Journalisten des „Spiegel“ wollen plötzlich nicht mehr Autoren eines Artikels von Anfang 2008 gewesen sein, der unbescholtene Bürger ganz ungeniert in den Bereich des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen rückte. Diese Journalisten waren sich damals nicht zu schade, vor den staatsanwaltschaftlichen Befragungen auf die damaligen Opfer zuzugehen, um Aussagen in ihrem Sinne zu

bekommen. Aber jetzt ziehen die feinen Herren den Schwanz ein und wollen es nicht mehr gewesen sein.

Ich möchte daran erinnern: Wie war es denn vor knapp drei Jahren? Jedes noch so abwegige Gerücht jagte das nächste. Die Medien überboten sich in der Darstellung des vermeintlichen Abgrundes, die Opposition geiferte und witterte die Chance ihres Lebens, und allen voran die Linkspartei.

Keine zwei Jahre später blieben bei der Landtagswahl über 3 % Verlust übrig und ein betröppelter Spitzenkandidat, der fast vom eigenen Parteivorsitzenden abgeräumt worden wäre.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass der Wähler diese Skandalisierung nicht honoriert hat. Aber es ist dem Freistaat Sachsen durch die haltlosen Gerüchte ein enormer Schaden entstanden, ein Schaden, den Sie von der Linken zu verantworten haben.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Doppelt schlimm ist aber, dass DIE LINKE nichts gelernt hat und ihre Legende vom Sachsensumpf weiterstricken will. Nun muss also der Landesrechnungshof mit seinem Prüfbericht zu einem Grundstücksgeschäft in Leipzig herhalten. Nach den intensiven Beratungen im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss stand zu erwarten, dass sie dies zum Gegenstand eines neuerlichen Untersuchungsausschusses machen werden. Allerdings stellte der Landesrechnungshof schon in seiner Prüfmitteilung vom Juli 2009 fest, dass es „keine Hinweise auf mafiöse Netzwerke und organisierte Kriminalität unter Beteiligung öffentlich Bediensteter im Zusammenhang mit den Grundstücksgeschäften der LWB gibt“.

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Vollständig vorlesen!)

Was soll denn dann noch Ihr Antrag für einen Untersuchungsausschuss? Sind Sie alle mal wieder klüger als Landesrechnungshof, Staatsanwaltschaft, Prüfgruppen und Gerichte zusammen? Die Vergangenheit müsste Ihnen doch eindrucksvoll gezeigt haben, dass das nicht so ist. So ein bisschen müssen Sie das wohl auch geahnt haben, denn wer gedacht hätte, DIE LINKE konzentriert sich auf einige wenige Komplexe, der sah sich getäuscht. Der ganze Unsinn der vergangenen Legislaturperiode wurde wieder auf 15 Seiten zusammengeschrieben und als Einsetzungsantrag auf den Weg gebracht.

Dass Sie damals von Ihrem totgerittenen Pferd nicht absteigen wollten, mag man ja noch verstehen. Dass Sie jetzt aber versuchen, auf den toten Gaul wieder hochzukommen, kann man nur noch mit Ignoranz und totaler Verblendung erklären.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Der Sächsische Landtag verkommt wieder zur Bühne für die persönlichen Interessen der Herren Bartl und Hahn. Geradezu willfährig

behilflich sind wieder einige Steigbügelhalter der anderen Oppositionsparteien.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Schlimm genug, dass Sie sich damit hinter den Minderheitenrechten unserer Verfassung verstecken können. Über das makabre Schauspiel bei der Reihenfolge der Untersuchungsausschüsse habe ich bereits in der letzten Plenarsitzung gesprochen. Die GRÜNEN haben mit dem Müll-Untersuchungsausschuss ihre Spielwiese bekommen. Mit der heutigen Zustimmung bedanken sie sich nun bei den Linken für deren Unterstützung. Peinlich, aber oppositionelle Realität in Sachsen!

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Hermenau hatte schon damals Bedenken gegen dieses Vorgehen geäußert. Die GRÜNEN haben trotzdem mitgemacht. Gestern wurde Martin Dulig in der „Freien Presse“ mit den Worten zitiert, dass sich die Menschen im Land mit anderen Problemen beschäftigen. Recht hat er. Die GRÜNEN haben wieder Bauchschmerzen. Toll! Da muss man sich fragen: Wie schmerzresistent sind Sie denn eigentlich?

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Seien Sie doch endlich konsequent, denn wer zu der Erkenntnis gekommen ist, dass der Untersuchungsausschuss Unsinn und blinder Aktionismus ist, der muss ihn ablehnen und nicht noch seine Unterschrift daruntersetzen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Es geht aber noch weiter. Besonders perfide wird es, wenn Sie nun auch das Krisenmanagement der Staatsregierung zum damaligen Sachsensumpf oder zur damaligen Sachsensumpfaffäre untersucht wissen wollen. Hier soll nun der Bock zum Gärtner gemacht werden. Die Skandalisierer von damals wollen ihren eigenen geschaffenen Skandal untersuchen. Das ist an Zynismus nicht mehr zu überbieten. Das werden wir Ihnen auch nicht durchgehen lassen.