Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Einsatz von Open Source Software ist entgegen dem Eindruck, den hier manche zu erwecken versucht haben, für die Staatsregierung kein Neuland. Seit Langem wird immer wieder geprüft und diskutiert, wie es mit dem Einsatz der sogenannten FLOSS aussieht.
Aufgrund der umfangreichen Vorarbeiten in den Staatsministerien und nachgeordneten Behörden waren auch die Daten vorhanden, die man bei der Beantwortung der Großen Anfrage einsetzen konnte. Die Staatsregierung hat bereits im Jahr 2005 im Wege einer Migrationsstudie die Machbarkeit und die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes von Open Source Software und Commercial Linux Software umfassend untersucht. In der Studie wurden vier Infrastrukturalternativen beschrieben, diese Alternativen dann in einer Nutzwertanalyse bewertet sowie nachfolgend einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung unterzogen. Darauf aufbauend wurde der mögliche Handlungsbedarf ermittelt.
Meine Damen und Herren, das ist die logische Vorgehensweise, in der man sich mit solchen Problemen auseinandersetzt. Manche Redner in der Debatte hingegen haben einen solchen streng logischen Ansatz deutlich vermissen lassen.
Lassen Sie mich eines sagen: Es bleibt aber nicht bei diesen Untersuchungen. Auch das war ein Vorwurf, der hier unberechtigterweise erhoben wurde. Wie aus der Antwort auf die Große Anfrage hervorgeht, ist Open Source Software in der Staatsverwaltung in Sachsen bereits im Einsatz.
Wo es möglich ist, werden Open-Source-Alternativen ergebnisoffen bewertet. Es gibt hier eben nicht eine ideologisch begründete Ignoranz oder eine Verweigerungshaltung der Staatsregierung, meine Damen und Herren. Aber Pauschalforderungen bringen uns kein Stück weiter. Ein deutlich verstärkter oder gar überwiegender Einsatz von Open Source Software ist nicht ohne weitere Prüfungen und strategische Überlegungen möglich. Kollege Modschiedler hat das bereits angesprochen. Es geht um die Frage der Machbarkeit, bevor man vollmundig Forderungen aufstellt, meine Damen und Herren.
Diese Überlegungen müssen sich zudem im Kontext der allgemeinen Optimierung der IT-Organisation und -Verwaltung bewegen.
Auch das ist – das haben wir bereits gesagt – ein laufendes Geschäft, und natürlich gibt es hier noch Möglichkeiten, die man berücksichtigen und ausbauen kann.
Die Antwort der Staatsregierung, sowohl die aktuelle Ausgangslage als auch die Planungen betreffend, verdeutlicht die Anstrengungen, die die Staatsregierung unternimmt, um die Informationstechnik als Triebfeder und Unterstützung für eine moderne Verwaltung und die Staatsmodernisierung insgesamt zu nutzen.
Ausdruck dafür ist unter anderem die am 4. Mai durch das Kabinett erfolgte Berufung von Herrn Dr. Wilfried Bernhardt, dem Staatssekretär in meinem Haus, zum Beauftragten für Informationstechnik des Freistaates Sachsen, CIO. Die Berufung von Herrn Dr. Bernhardt zeigt, dass sich die Staatsregierung gerade auch den Herausforderungen stellt, vor denen Sachsen wegen der demografischen Entwicklung und der absehbaren finanziellen Engpässe steht.
Meine Damen und Herren, die stetige Optimierung des Einsatzes von Informationstechnik und E-Government ist entscheidend für die Schaffung einer leistungsfähigen und auch wirtschaftlich arbeitenden Verwaltung. Das verkennt die Staatsregierung keineswegs. Mit der Berufung des Beauftragten für Informationstechnik haben sich die Möglichkeiten, den Einsatz von Informationstechnik und E-Government im Freistaat strategisch zu planen und zu steuern, verbessert. Darunter fallen auch Entscheidungen über den Einsatz von Software und Technologien, aber – um das klar zu sagen – dieser Einsatz von bestimmter Software ist nur ein Teilaspekt, der in weitere strategische Überlegungen eingebettet sein muss. Auch das ist in der Debatte von den Rednern der Opposition nicht richtig erkannt worden.
Und auch bei der Prüfung und Beschaffung von Alternativen, von bestimmten Programmen kann der Freistaat Sachsen nicht autonom agieren. Auch das ist verkannt worden. Entwicklungen in den Verwaltungen des Bundes und anderer Länder wie auch der Kommunen haben
ebenso Einfluss auf die Entwicklung wie die Entwicklungen in der Wirtschaft. Sachsen ist nicht eine Insel der Seligen.
Wir sind nicht autark, wir sind kein Alleinspieler in diesem Bereich, auch wenn sich manche das so zu wünschen scheinen.
Wir sind in vielen Bereichen und gerade auch im ITBereich darauf angewiesen, länderübergreifend bundesweite Lösungen zu suchen und zu finden.
Der Einsatz Freier Software hängt also von vielen Faktoren ab. Die Große Anfrage umfasst insgesamt 56 Fragen zu einer ganzen Reihe von verschiedenen Themenbereichen. Schon daran kann man erkennen, wie komplex die Problemstellungen im Einzelnen sind und wie detailliert die Lösungen sein müssen.
Bereits in einer Veröffentlichung vom 11. Mai 2010 haben erfahrene IT-Experten auf fünf Ursachen hingewiesen, die einen deutlich stärkeren Einsatz von Open Source Software im Bereich der öffentlichen Landesverwaltung gegenwärtig zumindest als sehr schwierig erscheinen lassen.
Erstens. Eine kritische Masse an Endnutzern im Verwaltungsbereich wird im Gegensatz zu den sonstigen Anwendungsbereichen in der Freien Software nicht erreicht. Linux und Open Source bleiben insbesondere beim Endnutzer bzw. beim Fachanwender eine Nischenlösung. Nur in einer geringen Zahl von Verwaltungen hat sich beispielsweise Open Office als Alternative zu Microsoft Office durchgesetzt.
Zweitens. Die Zahl der Fachanwendungen – das ist für die tägliche Arbeit besonders wichtig – steigt, und die Zahl der zur Verfügung stehenden Fachanwendungen auf Linux-Basis bleibt weiterhin gering. Sie steigt im Gegensatz zu den Anforderungen nicht.
Drittens. Bei der Bund-Länder-Koordinierung für die ITEntwicklung sollen gerade auch Marktstandards berücksichtigt werden. Das spricht nicht gegen, sondern gerade für einen Einsatz auch der Produkte etablierter Anbieter, nämlich dem Nachkommen von sogenannten De-factoStandards in der Verwaltung.
Viertens. Auf den drei Ebenen Bund, Länder und Kommunen sind zahlreiche Konsolidierungsbestrebungen im IT-Bereich zu verzeichnen. Das schränkt den Spielraum für alternative IT-Lösungen eher ein. Das ist offensichtlich. Damit ist solchen Lösungen und Dienstleistern der Vorzug zu geben, die große Installationen betreiben und Massenanforderungen gerecht werden können. Das ist nicht zuletzt auch eine langfristige Kostenfrage.
Fünftens. Ebenso wie die Zahl der Open-Source-Anwendungen ist die Zahl der spezialisierten Dienstleister, die sich auf den Umgang mit Open-Source-Programmen
verstehen, gering. Mit anderen Worten: Was wir bei einem verstärkten Einsatz von Freier Software an Kosten der Software selbst sparen, müssten wir für zusätzliches eigenes Fachpersonal, das es auf dem freien Markt nicht gibt, wieder oben drauflegen. Ob das nur ein Nullsummenspiel bleibt oder tatsächlich zu größeren Kosten führt, steht noch nicht fest. Wer etwas anderes behauptet, würde dies lediglich behaupten, und zwar ins Blaue hinein.
Meine Damen und Herren, all das zeigt: Ganz so einfach, wie es hier gewünscht bzw. behauptet oder dargestellt wurde, verhält es sich mit dem Ziel des verstärkten Einsatzes Freier Software nicht. Weder übermäßige Skepsis noch übermäßige Euphorie helfen in der Sache weiter.
Stattdessen ist ein nüchternes Abwägen angebracht. Es kommt hier nicht darauf an, politische Willensbekundungen vorzunehmen. Was von den Rednern der Linken und der NPD gekommen ist, hatte mit der sachlichen Problemstellung überhaupt nichts zu tun. Da ging es rein ideologisch um die Frage von Monopolen und darum, ob man da überhaupt kaufen darf.
Das ist etwa so wie die Frage: Dürfen wir es uns leisten, Dienst-Kfz bei etablierten Herstellern zu kaufen, oder sollten wir nicht selbst versuchen, sächsische Staatsautos zu basteln? Das wäre zumindest wesentlich autonomer. Manches hier war also von wenig Sachkunde getragen.
Lassen Sie mich deshalb zusammenfassend feststellen: Der Einsatz von Freier und Open Source Software kann unter geeigneten Rahmenbedingungen langfristig zu Kostensenkungen führen. Aber wohlgemerkt, die Betonung liegt auf „kann“. Vorher sind hohe Anfangsinvestitionen für die Planung und Migration der Daten erforderlich. Durch den Einsatz von Freier und Open Source Software kann Herstellerunabhängigkeit gewonnen werden. Dies geht jedoch unter Umständen mit einem verstärkten eigenen Personalbedarf einher.
Um tatsächlich positive Wirkungen zu erreichen, gibt es keine Patentlösungen. Das hat noch keine Verwaltung vorgemacht, meine Damen und Herren.
Die Ausgangssituation wie auch die Folgewirkungen im IT-Bereich der Staatsverwaltung und bei länderübergreifenden Lösungen darüber hinaus sind insgesamt zu betrachten, um den Migrationsaufwand richtig abschätzen zu können.
Letztlich ist der Einsatz von Freier und Open Source Software an den strategischen Zielen der Staatsregierung auszurichten und zu bewerten, meine Damen und Herren, und das tun wir. Das tun wir in dieser Staatsregierung vielleicht stärker, als es zuvor geschehen ist, und das
werden wir auch in Zukunft tun. Da können Sie auf uns vertrauen. Sachsen wird in den nächsten Jahren weiter seine IT ausbauen und modernisieren, um als einer der modernsten Standorte für Verwaltung in Deutschland dazustehen.
Meine Damen und Herren! Wenn jetzt niemand mehr sprechen möchte, ist die Aussprache zur Großen Anfrage beendet und ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/2536 auf. Wird Einbringung gewünscht? – Bitte, Herr Dr. Gerstenberg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir halten in diesem Entschließungsantrag unter Punkt I einige Wahrheiten fest – wie die Staatsregierung selbst verkündet hat, ist es nahe liegend, dem zuzustimmen – und wir stellen selbstverständlich auch einige Zielstellungen und Forderungen auf.
Herr Staatsminister, wir gehen durchaus nicht an der Realität vorbei. Selbstverständlich gibt es Umstellungskosten. Aber alle Studien besagen, dass sich diese Kosten mittel- bis langfristig amortisieren und zu Einsparungen führen. In einer Zeit, in der der Freistaat Sachsen gerade mittel- und langfristig mit sinkenden Einnahmen rechnen muss, sind solche Einsparungen angebracht.
Ein Beispiel zeigt das Auswärtige Amt, das im Jahr 2005 umgestellt hat. Der Leiter der IT-Stelle des Auswärtigen Amtes konnte mit Stolz verkünden, dass andere Ministerien im Vergleich zum Auswärtigen Amt pro Kopf das Doppelte bis Dreifache an IT-Kosten haben. So viel zu Einsparungseffekten.
Auch die Zahl der Endnutzer lässt sich erhöhen, indem man einfach umstellt. Das Versorgungsamt der Polizei in Niedersachsen hat dies getan. Seitdem gibt es dort 11 000 Endnutzerarbeitsplätze mit Open Office. Damit lässt sich die Zahl erhöhen. Also nicht abwarten, sondern handeln.
Kollege Modschiedler, Große Anfragen dienen dem Informationsgewinn, sie müssen ausgewertet und interpretiert werden. Ich habe diese scharfe Kritik an der Qualität der Antworten der Staatsregierung, dass diese nicht aussagekräftig genug sind, nicht vorgebracht. Ich glaube aber, dass es auch wichtig ist, nicht dabei stehen zu bleiben, sondern sich eine Meinung zu bilden. Politik ist immer dann von Vorteil, wenn man weiß, was man will.
Wir wollen erstens – dazu bekennen wir uns – eine neue IT-Strategie im Freistaat Sachsen, die sich zum Ziel stellt, mittelfristig teilweise und langfristig, möglichst – so weit es geht – vollständig eine Migration zu Freier Software durchzuführen.