Damit komme ich zur letzten Frage, ob das Ganze für irgendetwas gut ist. Hier arbeite ich ausnahmsweise einmal mit Verweis auf eine Autorität. Der Jugendforscher, Sexualforscher und Soziologe Kurt Starke kommt in einer Expertise mit besonderem Blick auf die Angebote pornografischen Inhalts zu folgendem Ergebnis – Zitat: „Erstens. Eine schädliche Wirkung von Pornografie per se auf Jugendliche kann nicht belegt werden. Beim Bewerten von Pornografie kann nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass pornografische Produkte Jugendliche negativ beeinflussen und sie sittlich gefährden. Diese beliebte Fiktion hat keine wissenschaftliche Substanz.
Zweitens. Pornografie existiert und es gibt Gründe dafür. Sie ist Bestandteil der marktwirtschaftlichen Gesellschaft und folgt den Mechanismen dieser Gesellschaft. Jugendliche künstlich und willkürlich aus diesen Mechanismen herauszunehmen ist inadäquat. Aus Sicht der Sexualwissenschaft wie der Jugendforschung und in Anbetracht der Analysen in der vorliegenden Expertise sind die einschlägigen Paragrafen nicht nur unnütz und praktisch nicht durchsetzbar, sondern latent oder tatsächlich schädlich für Jugendliche.“ – So weit das Zitat – ich habe etwas gekürzt, um Sie nicht mit Paragrafen zu verschrecken, aber sie sind warnend, und dem ist wenig hinzuzufügen – außer dass Jugendmedienschutz natürlich durchaus sinnvoll und notwendig ist.
Aber Jugendmedienschutz heißt, Kinder und Jugendliche ernst zu nehmen, heißt, Geist und Geld zu investieren – in Medienbildung, in Medienerziehung und in Mediensozialarbeit. Das alles sind Bereiche, die gerade von den schlimmsten Kürzungswellen seit Jahren betroffen sind – auch da sollte man ansetzen.
Statt diese Bereiche zu stärken und den sich schnell wandelnden Medien anzupassen und weiterzuentwickeln, wird hier wieder ein plumpes Verbotsgesetz vorgelegt.
Aber es gibt auch Zeichen der Hoffnung. Linke und GRÜNE haben das, was die Staatskanzleien der Länder hier zusammen vorgelegt haben, von vornherein infrage gestellt. Die FDP hat sich auf ihrem jüngsten Bundesparteitag ganz eindeutig per Beschluss gegen diesen Unsinn ausgesprochen. Selbst die Arbeitsgruppe Medien der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der CDU/CSU hat vergangene Woche – heute veröffentlicht – beschlossen, dass die Novellierung – Zitat – „nicht weiter verfolgt werden soll und zunächst erst einmal die EnqueteKommission Internet und digitale Gesellschaft des Bundestages befasst werden soll“ – eine sehr weise Entscheidung.
Lassen Sie uns den Spuk auch heute hier beenden – am ehesten, indem Sie unserem Antrag zustimmen; der GRÜNE-Antrag geht in eine ähnliche Richtung. Es würde aber auch schon reichen, wenn die Staatsregierung hier
Das war Frau Abg. Bonk für die Fraktion DIE LINKE. – Die CDUFraktion ist an der Reihe; Herr Abg. Gemkow, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag modifiziert die bestehenden Regelungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages. Der Zweck dieses Staatsvertrages ist der Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Angeboten in elektronischen Medien, die ihre Entwicklung oder Erziehung beeinträchtigen, und darüber hinaus der Schutz vor Angeboten, die die Menschenwürde oder strafrechtlich geschützte Rechtsgüter verletzen.
In diesem Sinne verbessert der neue JugendmedienschutzStaatsvertrag den Schutz der Kinder und Jugendlichen im Internet. So ist die Einführung einer freiwilligen Alterskennzeichnung vorgesehen; die Altersstufen entsprechen dem bereits geltenden Jugendschutzgesetz – also Einstufung nach 0, 6, 12, 16 und 18 Jahren –, so wie man es von der heimischen DVD gewöhnt ist. Diese Kennzeichnung kann dann von nutzerautonomen Jugendschutzprogrammen erkannt werden. Das heißt, nur dann, wenn sich Eltern entscheiden, selbst ein solches Programm zu installieren und bestimmte Inhalte herauszufiltern, die für ihre Kinder ungeeignet sind, findet eine Filterung auch statt. Die Filterung findet also aufgrund des Handelns der Nutzer statt und nicht im Einflussbereich des Netzproviders.
Unbegründet ist außerdem die Sorge, dass sogenannten Accessprovidern oder Betreibern von Foren, Chats oder Social Communities jetzt eine Haftung für Inhalte von Dritten auferlegt wird; denn die Haftungsabstufung des Telemediengesetzes bleibt unberührt. Es gibt also keine Haftung für Inhalte von Dritten.
Die Verpflichtungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages richten sich nur an Anbieter von Inhalten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zusammenfassend bleibt zu sagen: Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sieht keine Zensur oder Sperrung vor. Einzig eine freiwillige Kennzeichnung ist möglich. Ob diese Kennzeichnung dann auch auf dem heimischen Computer als Filterkriterium benutzt wird, obliegt einzig und allein den Nutzern selbst. Nur wenn sich Eltern entscheiden, selbst ein Jugendschutzprogramm auf dem Rechner für ihre Kinder zu installieren, werden die vorhandenen freiwilligen Alterskennzeichnungen genutzt, um für bestimmte Altersstufen ungeeignete Inhalte auszuschließen. Das ist richtig so. Denn in erster Linie tragen die Eltern Verant
wortung für die Erziehung ihrer Kinder. Die Eltern entscheiden über den Zugang ihrer Kinder zu Inhalten. Dadurch wird die Verantwortung der Eltern gestärkt.
Der Zugriff auf sämtliche Inhalte bleibt darüber hinaus unbeeinträchtigt. Die Sorge vor einer Zensurinfrastruktur ist vor dem Hintergrund dieser freiwilligen technischen Ausgestaltung durch den Nutzer unbegründet. Jeder Nutzer entscheidet selbst, auf welche Seiten zugegriffen werden kann. Dass den Eltern durch den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag jetzt ein Mittel an die Hand gegeben wird, ihre Kinder effektiv vor gefährdenden Inhalten zu schützen, ist eine gute und richtige Entscheidung.
Deshalb kann weder das Ersuchen der Nichtunterzeichnung des 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrages unsere Zustimmung finden, noch besteht ein Bedarf an der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragten Aufforderung an die Staatsregierung.
Vielen Dank, Herr Gemkow. – Die Fraktion der SPD ist nun an der Reihe. Es spricht Herr Abg. Panter. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einem Punkt sind wir uns sicherlich alle einig: Jugendmedienschutz ist ein sehr wichtiges Anliegen, das bisher, in der analogen Welt, sinnhaft geregelt wurde. Wir befinden uns aber mittlerweile in der digitalen Welt. Wenn gesagt wird, es ginge nur um freiwillige Kennzeichnungen, dann muss man sich dennoch die Dimensionen versinnbildlichen: Allein im öffentlich-rechtlichen Bereich wird von ungefähr fünf Millionen Seiten ausgegangen, die gekennzeichnet werden müssten. Geht man davon aus, dass für die Kennzeichnung einer Seite 10 Sekunden erforderlich sind – ein durchschnittliches Arbeitsjahr hat 220 Arbeitstage, der Arbeitstag in der Regel acht Stunden –, dann bräuchte man ungefähr acht Jahre, um das allein im öffentlichrechtlichen Bereich ordentlich zu handhaben. Da reden wir noch gar nicht vom privaten Bereich, wo auch schon Probleme angerissen wurden.
An den Ausführungen meines Vorredners fand ich die klare Verteidigung des vorliegenden Entwurfs des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages interessant. Nun kennt die CDU-Fraktion vielleicht Marlies Kohnle-Gros besser als ich. Diese Frau ist Vorsitzende der AG Medien der Großen Fraktionsvorsitzendenkonferenz von CDU und CSU. Sie hat heute an die Fraktionsvorsitzenden von CDU und CSU deutschlandweit einen Brief geschickt, in dem sie verschiedene Punkte ausführt. Ich zitiere den letzten Absatz: Wir appellieren an die CDU/CSUFraktionen, mitzuhelfen, dass es einen neuen Anlauf für eine wirksame gesetzliche Konkretisierung des Jugend
medienschutzes gibt. Der aktuelle Entwurf des 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrages sollte deshalb zurückgestellt werden.“
(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN – Stefan Brangs, SPD: Wie kann denn das passieren?)
Die Diskussionen sind parteiübergreifend kontrovers, was das Thema angeht. Das merkt man auch an diesem Brief der Abgeordneten aus Rheinland-Pfalz, der heute verschickt wurde. Ich empfehle deshalb, dass wir noch einmal intensiv darüber diskutieren, um sinnhafte Lösungen zu finden, die dem Jugendmedienschutz auch in der digitalen Welt gerecht werden.
Wir als SPD-Fraktion werden uns zu beiden Anträgen der Stimme enthalten. Zwar sind beide grundsätzlich zu begrüßen, aber sie lassen doch einige Dinge aus.
Das kurz zur Erläuterung. Meine ausführliche Argumentation können Sie gern im Rest meiner Rede nachvollziehen, die ich jetzt zu Protokoll gebe.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es geht gar nicht, Teile einer Rede zu Protokoll zu geben.
Wir könnten Zeit sparen, aber da insbesondere von der Linksfraktion, aber auch von den GRÜNEN einige Vorwürfe in den Raum gestellt wurden, die nicht mit dem übereinstimmen, was als Text des JugendmedienschutzStaatsvertrages diskutiert wird, ist es notwendig, darauf einzugehen.
Ja, das Thema Jugendmedienschutz wurde und wird heiß diskutiert. Ganz klar, damit wird Neuland betreten. Ich gebe zu, dass die technischen Einzelheiten für viele schwer verständlich sind; da möchte ich mich durchaus einschließen. Auf der anderen Seite wissen wir, dass heute ein Alltag ohne Wikipedia, ohne Newsportale, ohne Blogs, ohne Facebook eigentlich nicht mehr vorstellbar ist – nicht für unsere Generation, noch viel weniger für die Generation unserer Kinder.
Die Verbreitungswege und die Verbreitungsgeschwindigkeit von Informationen nehmen durch das Internet enorm zu. Das ist überhaupt kein Vergleich mehr mit der Informationsverbreitung von vor 20 oder 30 Jahren. Das stärkt die Demokratie und ermöglicht Interaktion. Genau das wollen wir: keine Einschränkung der Interaktion im Internet!
Aber ich sage auch: Freiheit und Verantwortung sind zwei Seiten derselben Medaille. Das gilt auch für den Jugendmedienschutz.
Um es vorwegzunehmen: Der verantwortliche Umgang der Eltern mit dem Thema Mediennutzung und die Medienkompetenz der Kinder sind viel bessere Schutzmechanismen als jedes Gesetz oder jede technische Hilfe.
(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU sowie der Abg. Miro Jennerjahn und Johannes Lichdi, GRÜNE)
Auf der anderen Seite wissen wir, dass die Gefährdungen für Kinder und Jugendliche nicht nur von klassischen PCSpielen oder Videos ausgehen, die man im Laden erwerben kann. Welchen Sinn hat eigentlich die Altersklassifizierung dort noch, wenn der gleiche Inhalt im Internet einfach mal so heruntergeladen werden kann?
Um die Lösung genau dieses Widerspruchs geht es im Bereich des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages. Man kann die Augen vor dem Internet doch nicht einfach verschließen und sagen: Was für den Verkauf im Einzelhandel gilt, gilt nicht für das Internet. Das ist eine Grauzone. Dort lassen wir all das zu, was wir an anderer Stelle regulieren.
Sicherlich ist es schwer vorhersehbar, wie sich die Realität im Internet entwickelt. Man kann als Gesetzgeber heute vermutlich gar nicht voraussagen, welche Arten von Informationsangeboten in zehn Jahren im Internet zu finden sind. Wer hätte denn vor zehn, 15 Jahren beispielsweise gedacht, dass es heute Facebook oder StudiVZ gibt? Die wenigsten Politiker hätten das gedacht.
Klar ist auch: Jugendmedienschutz unter Ausschluss des Internets führt den Jugendmedienschutz insgesamt ad absurdum. Deshalb ist es auch Anliegen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages, die Grundlage für eine freiwillige Kennzeichnung von jugendgefährdenden Inhalten zu schaffen. Es geht nicht um Zwang. Logischerweise kann man nicht all das, was bei klassischen Medien wie dem Fernsehen möglich ist, eins zu eins auf das Internet übertragen. Die Ausstrahlung zu bestimmten Zeiten kann man natürlich nicht im Internet regeln. Auch die Altersbeschränkung ist nicht einfach mit einem Aufkleber auf den Computer möglich. Das funktioniert nicht.
Deshalb geht es darum, dass geeignete Werkzeuge entwickelt werden. Es muss Filtermöglichkeiten geben, bei denen der Anwender entscheiden kann, wie und in welcher Form er Filter anwendet. Uns sind eine freiwillige Selbstverpflichtung und freiwillige Kennzeichnungen lieber als jede Art von staatlicher Zensur. Das ist auf Bundesebene schon einmal schiefgegangen. Deshalb bin ich froh, dass es jetzt korrigiert wird.
Um noch einen der Vorwürfe auszuräumen: Niemand will, dass durch den Staatsvertrag Kontrollpflichten von Anbietern für fremde Inhalte erweitert werden.