Protocol of the Session on April 28, 2010

Fünftens fehlen konkrete Anbauregeln. Im Gentechnikgesetz gibt es derzeit keine Regelung beispielsweise für Feldabstände, keine Koexistenzvorgaben und auch keine Haftungsbestimmungen für Genkartoffeln.

Schließlich sechstens. Wenn Amflora angebaut und in Verkehr gebracht wird, müssen alle anderen, die gentechnikfreie Kartoffeln anbieten, mit zusätzlichen Kosten rechnen. Um nämlich zu gewährleisten, dass die angelieferten Kartoffeln nicht kontaminiert sind, müssen sie auf Gentechnikverunreinigungen getestet werden. Die Kosten für die Tests tragen jene Marktbeteiligten, die auf gentechnikfreie Qualität setzen, und nicht die, die Amflora nutzen wollen. Gerechte Lasten- und Nutzenverteilung sieht anders aus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schon jetzt gibt es Alternativen. Die Kartoffelsorten Henriette und Eliane produzieren in etwa so viel Amylopektinstärke wie die Amflora. Eine weitere Alternative ist die Kartoffelsorte Tilling. Sie kommt ohne Gentransfer aus und stellt auch keine Überschreitung der Artengrenze dar. Hier werden durch eine bestimmte Chemikalie die vorhandenen genetischen Eigenschaften optimiert, und so wird eine Veränderung ausgelöst. Dieser Prozess findet

übrigens in jeder Pflanze auch völlig natürlich statt, beispielsweise durch die Strahlung des Sonnenlichts. Die Chemikalie beschleunigt den Prozess allerdings. Selbst Greenpeace hat damit kein Problem. Der Anbau ist unproblematisch und risikolos. Der Stärkeproduzent Emsland Group hat im Oktober 2009 die ersten 100 Tonnen Tilling verarbeitet. Andere Firmen haben weitere Alternativen auf dem Markt.

Meine Damen und Herren, Artikel 26 a der EUFreisetzungsrichtlinie gibt den Mitgliedsstaaten das Recht, den Anbau von Amflora zu verbieten. Wir sollten das nutzen. Deshalb ist es sinnvoll, diesem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Schmidt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich schon langsam gewundert und mich gefragt, wann wir wieder einmal über das Thema grüne Gentechnik hier im Landtag diskutieren, denn meist, wenn die allerdings konventionell veränderten Bäume vor dem Landtag ergrünen, war dies der Fall. Außerdem war seit Langem abzusehen, dass es erneut zu einer Anbauzulassung einer durch grüne Gentechnik veränderten Pflanze, diesmal der Kartoffelsorte Amflora, kommen wird, auch wenn die letzte Entscheidung dafür, wie gesagt, erst im März fiel.

Sollte die antragstellende Fraktion wirklich daran interessiert sein, den Anbau einer Kartoffelsorte zu verhindern, dann hätte es ja Sinn gemacht, dies nicht erst zu diskutieren, wenn diese Kartoffelsorte bereits ausgepflanzt ist. Auch die im Antrag formulierten Risiken, auf die ich später noch eingehen werde, waren seit Längerem bekannt, und wir hätten genügend Zeit gehabt, in Ruhe und Sachlichkeit über dieses Thema zu diskutieren.

Ich möchte eingangs zum wiederholten Male klarstellen, dass die CDU-Fraktion bei der Einführung neuer Technologien, bei Fragen der Lebensmittelsicherheit oder generell bei Fragen des Verbraucherschutzes die hohen Sicherheitsstandards in Deutschland für unabdingbar hält.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dies verlangt jedoch trotzdem einen sachlichen sowie wissenschaftlich fundierten Umgang mit diesen Themen. Jede ideologisch geführte Diskussion auch und gerade über das Thema grüne Gentechnik trägt nicht zu mehr Sicherheit bei, sondern lediglich zu einer verstärkten Verunsicherung der Bevölkerung. Doch leider muss ich befürchten, dass genau dies die Antragsteller beabsichtigen. Wenn ich da an den Umgang mit dem Thema BSE zurückdenke, graut es mir noch heute.

(Zuruf des Abg. Klaus Tischendorf, Linksfraktion)

In ähnlicher Art und Weise gehen nun seit Jahren die Antragsteller mit dem Thema GVO um. Dass es dadurch zu einer zunehmenden Ablehnung durch die Bevölkerung

kommt, ist doch nur logisch, und ich kann dies gut verstehen. Es werden Horrorszenarien für den menschlichen Organismus prognostiziert, wenn auch nur minimalste Spuren von gentechnisch veränderten Organismen in die Nahrungskette des Menschen gelangen, eigenartigerweise aber nur, wenn diese aus dem Bereich grüne Gentechnik kommen. Kein Wort davon, in welch vielfältiger Form bei der Lebensmittelverarbeitung gentechnisch veränderte Produkte, wie Aromen, Enzyme, Vitamine usw., bereits eingesetzt werden und längst fester Bestandteil unserer Ernährung geworden sind. Und auch kein Wort zu möglichen Gefahren, wenn in höchster Konzentration gentechnisch erzeugte Medikamente dem menschlichen Organismus zugeführt werden. Denken wir dabei nur an das Insulin.

Wenn Gefahren für den menschlichen Organismus allein aus der Tatsache abzuleiten sind, dass es sich um GVO handelt, kann man die Gentechnik nur in ihrer Gesamtheit ablehnen und nicht nur in einem gerade ins politische Kalkül passenden Bereich. Alles andere ist verlogen.

Meine Damen und Herren, ich bin selbstverständlich der Meinung, dass wir in Deutschland und in Europa dieses Thema mit einer sehr großen Sorgfalt behandeln müssen, auch wenn weltweit die grüne Gentechnik bereits einen Anbauumfang von circa 140 Millionen Hektar erreicht hat. Wir müssen selbst die Gefahren und Risiken umfassend testen und Zulassungen nach unseren möglicherweise höheren Standards prüfen.

Wie lief das nun bei der im Antrag in der Kritik stehenden Kartoffelsorte Amflora ab? Nicht etwa plötzlich, unerwartet oder über Nacht ist diese auf europäischen Feldern aufgetaucht. Das Zulassungsverfahren läuft bereits seit 1996. Also soll bitte niemand den Zulassungsbehörden unterstellen, dass diese über eine zu kurze Zeit oder nicht umfassend eine Gefahrenabschätzung durchgeführt hätten.

Nach umfangreichen Tests und zahlreichen Anbauversuchen seit 2006 auch in Deutschland wurde Amflora im März dieses Jahres durch die EU-Kommission für den Anbau zugelassen. Auch wenn Amflora als ungefährlich für die menschliche Ernährung eingeschätzt wurde, ist dies überhaupt nicht der Zweck Ihres Antrages. Mischa Weichert ist darauf ja auch eingegangen. Auch ist die Freigabe als Nahrungsmittel nicht Bestandteil der Anbauzulassung, was wohl mancher glauben mag. Die Zulassung bezieht sich lediglich auf die industrielle Verarbeitung zur Stärkegewinnung und, allerdings meist nur Reststoffe betreffend, zur Futternutzung.

Nebenbei bemerkt ist diese Kartoffel als Speisekartoffel auch völlig ungeeignet, denn sie wird beim Kochen aufgrund ihres hohen Stärkegehaltes so extrem mehlig, dass sie für eine normale Speisenzubereitung völlig ungeeignet ist. Amflora hat, wie im Antrag formuliert, ein Resistenz-Marker-Gen nptII.

Auch diese Tatsache ist von Beginn des Zulassungsverfahrens an bekannt und wurde in zahlreichen Gutachten bereits untersucht. Vom Antragsteller wird befürchtet,

dass es beim Eingang in die menschliche Ernährung Resistenzen gegenüber bestimmten Antibiotikaarten auslösen könnte. Auch das hat Mischa Weichert vorhin ausgiebig erläutert.

Genau aufgrund dieser Bedenken wurde die bereits für 2009 anstehende Zulassung an ein weiteres Gutachten durch die EFSA, also die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, geknüpft. Nach erneuter Prüfung wurde jedoch zum wiederholten Male die Unbedenklichkeit bestätigt. Erst danach erfolgte die bereits erläuterte Zulassung.

Die Wahrscheinlichkeit der im Antrag formulierten Gefahren ist so gering, dass man wohl bei gleicher Messlatte der Schadensabwägung einen Großteil unserer Lebens- und Genussmittel vom Markt nehmen sowie den Pkw-, Zug-, Flug- und Schiffsverkehr sofort verbieten müsste.

Ich behaupte nicht, dass ich sowohl Zulassungsverfahren als auch die daraus resultierenden Schlussfolgerungen in ihrer Gesamtheit bewerten kann. Ganz im Gegenteil, genau dafür haben wir Behörden mit Fachwissenschaftlern, die diese Bewertungen im Auftrag der Politik vornehmen.

Es geht jedoch nicht, dass ich, wenn mir Ergebnisse gefallen, damit politisches Handeln begründe, und wenn sie mir nicht gefallen, die fachliche Eignung der Zulassungsbehörden generell infrage stelle.

Meine Damen und Herren! Wie vorhin bereits aufgeführt, hat ein Großteil – bzw. zumindest die größten deutschen Stärkeproduzenten – den Einsatz der Kartoffelsorte Amflora bisher abgelehnt. Außerdem gibt es inzwischen auch auf herkömmliche Weise gezüchtete Kartoffelsorten mit ähnlichen Eigenschaften. Wenn diese Aussagen stimmen – davon gehe ich aus –, ist die zukünftige Bedeutung von Amflora ohnehin eher als extrem gering einzuschätzen.

Trotzdem war es durch grüne Gentechnik möglich, eine solche Pflanze zehn bis 15 Jahre früher als konventionell zu züchten. Es ist wahrscheinlich auch möglich, zukünftige Ergebnisse grüner Gentechnik, wie beispielsweise eine deutliche Trockenheits- oder Salzresistenz, eine bessere Nährstoffausnutzung der Pflanze oder eine deutliche Verbesserung der Inhaltsstoffe, in jahrzehntelanger konventioneller Züchtung zu erreichen. Aber es muss die Frage erlaubt sein: Haben wir dazu wirklich die Zeit? Ist es mit Blick auf eine stark wachsende Weltbevölkerung und daraus resultierende Lebensmittelknappheit, auf den immer stärker einsetzenden Klimawandel sowie eine enorm steigende Nachfrage an nachwachsenden Rohstoffen mit diesem Wissen wirklich vertretbar, einen verantwortungsvollen und kontrollierten Einsatz der grünen Gentechnik generell auszuschließen?

Allerdings ist mir auch bewusst: Solange in Deutschland und in Europa die Lebensmittelregale gut gefüllt sind und wir auch auf Urlaubsreisen in ärmste Länder keinen Mangel befürchten müssen, lässt sich mit solchen die

Bevölkerung verunsichernden Anträgen politisches Kapital schlagen. Meine Damen und Herren, die CDUFraktion wird den Antrag ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Als Nächstes spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Kagelmann.

Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! In der Gesellschaft endet die politische Vernunft offensichtlich dort, wo der Einfluss des Geldes beginnt. Wie anders ist es sonst zu erklären, dass eine Totgeburt der gentechnischen Spitzenforschung unbedingt auf den Acker kommen soll, die niemand wirklich braucht oder haben will?, abgesehen natürlich vom Entwickler BASF, die wollen ihre Kosten wieder hereinhaben, klar.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Keine Schleichwerbung!)

Die gentechnisch veränderte Kartoffel Amflora ist veraltet und überflüssig, dafür aber aufgrund der eingebauten Antibiotikaresistenzen gefährlich, und ihr Anbau ist nach Ansicht von Juristen auch nicht europarechtskonform.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das haben wir alles schon gesagt!)

Ja, ich darf das gern noch einmal erhärten. Ich glaube, die Koalition braucht ein wenig, um es zu verstehen.

(Christian Piwarz, CDU: Dann müssen Sie es aber auch richtig vortragen!)

Umweltverbände und Humanmediziner warnen vor Langfristfolgen. Seltene Einigkeit herrscht aber auch bei Bauernverbänden, Kartoffelhandelsverband und Stärkeherstellern. Sie alle wollen die Gentech-Knolle nicht, auch, weil inzwischen mehrere gleichwertige, aber konventionell gezüchtete Stärkekartoffeln verfügbar sind oder kurz vor der Vermarktung stehen, die ohne hohe Lizenzgebühren wesentlich billiger und außerdem völlig konfliktfrei zu haben sind. Aber die Gentech-Kartoffel ist da. Sie hat BASF viel Geld gekostet und muss nun auf den Markt, und jetzt darf sie das auch offiziell, nachdem die EU jüngst die Zulassung für den Anbau erteilt hat. – So weit, so schlecht.

Nun gibt es, wie meist im Leben, zwei Reaktionsmöglichkeiten für die Politik: aussitzen oder handeln. Koalitionsvertragskonform hat sich die Bundesregierung aufs Aussitzen verlegt – und das konsequent. Nicht einmal die nötigen und gesetzlich vorgeschriebenen Regeln für den Anbau der Gentechnikkartoffel liegen vor, um wenigstens ein Minimum an Schutz für die gentechnikfrei wirtschaftende Landwirtschaft herstellen zu können – und das, obwohl § 16 b) des Gentechnikgesetzes den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten und damit das Vorsorgeprinzip zum Schutz der Schutzgüter nach § 1 Gentechnik

gesetz, wie Leben und Gesundheit von Menschen sowie den Schutz der Umwelt, eindeutig regelt. Deshalb muss die Bundesregierung politisch zum Handeln gezwungen werden, bevor der Anbau von Amflora von MecklenburgVorpommern aus auf andere Bundesländer übergreifen kann. Daran sollte eigentlich auch die Sächsische Staatsregierung ein unmittelbares Interesse haben; denn gerade in Sachsen hapert es gewaltig mit der behördlichen Aufsicht.

Per Zufall konnte ich für Sachsen an einem konkreten Einzelfall nachweisen, dass die Sicherung der Koexistenz von gentechnischer und konventioneller Landwirtschaft praktisch eben nicht garantiert werden kann – und dies trotz vorliegender Anbauregeln.

Was war passiert? Nach Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung darf auf gentechnisch veränderten Mais kein konventioneller Mais angebaut werden. Genau das aber ist eingetreten. Auf einer Fläche von knapp 30 Hektar war im Landkreis Nordsachsen in den Jahren 2008 und 2009 konventioneller Mais auf Gentech-Mais zur Aussaat gebracht worden – trotz Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung.

Nun ist eine Verordnung nur so gut, wie ihre Einhaltung kontrolliert und – noch wichtiger – Verfehlungen geahndet werden können. Dazu habe ich die Staatsregierung befragt und Widersprüchliches zutage gefördert. Nach Aussage des SMUL wurden alle landwirtschaftlichen Betriebe im Freistaat, die im Frühjahr 2009 Flächen für den Anbau von gentechnisch verändertem Mais an das Standortregister gemeldet hatten, über das Anbauverbot und die besonderen Festlegungen zur Anbaufolge per Schreiben vom April 2009, also unmittelbar nach dem Verbot, informiert.

Was das Staatsministerium zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Aufgrund einer mutmaßlich falschen Betriebszuordnung im zentralen Standortregister beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit war ihnen ein Betrieb schlicht „durch die Lappen gegangen“, wobei, wohlgemerkt, die Flächen 2008 pflichtgemäß vom Betrieb beim zentralen Standortregister angemeldet worden waren. Der Übertragungsfehler führte dazu, dass die Aufsichtspflicht durch die zuständige Behörde nicht wahrgenommen werden konnte, weil die Flächen beim SMUL schlicht nicht bekannt waren.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Das kann doch nicht wahr sein!)

Ich wage weiter zu behaupten, dass Durchwuchskontrollen ohnehin eher die Ausnahme darstellen und vor allem folgenlos bleiben, weil sie – erstens – in der Regel vom Bewirtschafter selbst durchgeführt werden, also der Bock zum Gärtner gemacht wird, und weil sie – zweitens – vor allem nicht sanktioniert werden können. Hinzu kommen solch gewaltige Schlaggrößen, dass diese nicht mit der erforderlichen Sorgfalt kontrolliert werden können. Damit ist die Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung ein äußerst stumpfes Schwert der Aufsichtskontrolle.

Aber wenn der Durchwuchs von Gentech-Mais auch noch – hierzu zitiere ich aus der Antwort des SMUL auf eine meiner Fragen – „vor der Aussaat des konventionellen Maises auf den gesamten Flurstücken kontrolliert“ wird, dann frage ich mich selbst als beruflicher Laie: Will mich die Staatsregierung verschaukeln? Durchwuchs kommt von Durchwachsen. Was noch nicht aufgewachsen ist, kann auch nicht festgestellt werden. Hinzu kommt, dass Saatgut oftmals erst aufgeht, wenn eine Bodenbearbeitung durchgeführt wird. Was, bitte schön, können solche Kontrollen vor der Maisaussaat bringen? Da muss auch der Gutwilligste, Herr Staatsminister Kupfer, an der Ernsthaftigkeit der Staatsregierung bei der Gewährleistung des Vorsorgeprinzips des Gentechnikgesetzes zweifeln.

Zurück zur Amflora. Auch hierbei gibt es beim Versuchsanbau im Landkreis Müritz in Mecklenburg-Vorpommern Probleme mit dem Durchwuchs. Anfang Juli 2008 wurde beispielsweise bei einer Feldkontrolle Durchwuchs von Amflora-Pflanzen auf einem inzwischen mit Mais bestellten Feld entdeckt.