Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anlass der Debatte ist zum einen die vor Kurzem veröffentlichte Studie der DIW und zum anderen der kürzlich stattgefundene kleine Parteitag der CDU, der sich mit dem Thema Rente beschäftigt hat.
Die Frage der Altersarmut ist für uns nicht neu. Wir wissen, dass wir es mit einer hohen Arbeitslosigkeit zu tun haben. Wir wissen auch, dass wir in Ostdeutschland gebrochene und löchrige Erwerbsbiografien haben. Ferner wissen wir, dass der Trend zu den Mini-, Midi- und Teilzeitjobs vielleicht das Problem auf dem Arbeitsmarkt relativiert, das eigentliche Problem aber nach hinten auf die Rente verlagert und uns dann vor die nächsten Probleme stellt.
Das Aktuelle daran ist aber, dass das DIW dies faktisch untersetzt hat. Eine Mehrzahl der heute 40-Jährigen wird durchschnittlich weniger als 600 Euro monatlich Rente bekommen, das heißt, sie wird noch unter der Grundsicherung liegen. Besonders stark betroffen sind ostdeutsche Frauen. Bei den nach 1961 Geborenen liegt der Rentenanspruch sogar unter 500 Euro. Das sind dramatische Zahlen, die zum Handeln zwingen, denn vielen ostdeutschen Rentnerinnen und Rentnern droht dann ein Leben auf Hartz-IV-Niveau.
Davor können wir doch die Augen nicht verschließen, sondern wir müssen jetzt handeln. Erreicht haben wir bisher, dass wir mit Rot-Grün die Grundsicherung im Alter beschlossen haben und diese auch funktioniert. Wir haben damit eine Mindestabsicherung erreicht, aber die Zahlen zeigen, dass es anscheinend nicht ausreicht. Wo sind die politischen Handlungsmöglichkeiten?
Die Durchschnittsverdiener müssen eine Rente erhalten, die deutlich über der Grundsicherung liegt. Notwendig ist auch, dass wir ein gesetzlich definiertes Sicherungsniveau einschieben, auf das sich die Versicherten wirklich verlassen können. Der soziale Ausgleich in der Rentenversicherung muss steuerfinanziert weiterentwickelt werden. Arbeitslose und Geringverdiener müssen besser gegen Armut im Alter geschützt werden.
Zweitens, die betriebliche Altersvorsorge. Ich sage dazu ganz klar: Für mich haben tarifliche Lösungen Vorrang vor gesetzlichen Lösungen. Ich möchte, dass sich die Arbeitgeber nicht herausnehmen. Es muss eine solidarische Leistung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bleiben – auch bei der betrieblichen Altersvorsorge.
Drittens. Wir sollten durchaus überprüfen, inwieweit wir die Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung weiterentwickeln können.
Derzeit zahlen nur abhängig Beschäftigte in die Rentenversicherung ein. Mit der Erwerbstätigenversicherung würden wir alle Erwerbstätigen hineinnehmen, also auch Unternehmer, Freiberufler und Selbstständige. Das bedeutet aber, dass wir Kappungsgrenzen, so wie in der Schweiz, einführen müssten. Wir würden sonst mit Zitronen handeln, da wir zu Beginn zwar mehr Einnahmen, aber später höhere Ausgaben hätten.
Viertens, das Konzept der Mitarbeiterbeteiligung. Wir haben von Olaf Scholz das Konzept der Mitarbeiterkapitalbeteiligung vorliegen. Das sollte schnell und flächendeckend eingeführt werden, weil wir so Arbeitnehmer zusätzlich zum Lohn an den Gewinnen beteiligen können.
Fünftens. Das gehört hier ganz deutlich hinein und hat keine weniger wichtige Priorität, nur weil ich es als fünften Punkt nenne: die Einführung eines Mindestlohnes.
Ich bin mir sicher, dass wir in Kürze alle für den Mindestlohn eintreten werden – auch die CDU –, denn spätestens wenn die Arbeitnehmerfreizügigkeit kommt, werden wir diese Debatte noch einmal auf der Tagesordnung haben.
Sie ist im Kontext der Sicherung vor Armut im Alter noch einmal anzusprechen. Ich freue mich, dass wir vor Kurzem im Pflegebereich den nächsten Mindestlohn vereinbart haben. Ich verstehe nur nicht, warum man immer noch zwischen Ost und West trennt.
Die Frage ist nur: Was können wir hier in Sachsen tun? Jetzt könnte man sagen, dass das nichts mit uns zu tun hat. Das stimmt nicht. Ich kenne mehrere Vorgänger von Herrn Tillich, die sich mit diesem Thema befasst haben. Ob es Herr Biedenkopf in der Bayerisch-Sächsischen Zukunftskommission oder in der Robert-Bosch-Stiftung
oder ob es Herr Milbradt war – man kann zu den Vorschlägen stehen, wie man will. Aber sie haben zumindest das Problem erkannt und Lösungsansätze erarbeitet. Was wir jetzt hören, ist nichts, obwohl wir das Dauerthema Demografie ständig behandeln. Auf der Agenda der Staatsregierung scheint nicht zu stehen, sich tatsächlich um die Frage zu kümmern, wie wir Altersarmut verhindern können.
Wenn die CDU das Thema Rente für sich erkennt, dann aber, bitte, ordentlich! Auf dem Parteitag wurde groß angekündigt, wir werden uns um die Rente kümmern, und dann wird am 22. März ein kleiner Absatz, aus zwei Sätzen bestehend, beschlossen, der da heißt: Das gesetzliche Rentensystem hat sich auch in den neuen Bundesländern bewährt. Wir wollen ein einheitliches Rentenrecht in Ost und West schaffen. – Das war alles, was die CDU zu diesem Thema zu sagen hat.
Die Herausforderung ist eine andere. Herr Tillich, nehmen Sie Ihren Amtseid wahr! Sie müssen Schaden vom Land abwenden. Wir gehen sehenden Auges in ein großes Problem hinein.
Das war die einbringende Fraktion, die SPD mit Herrn Dulig. – Als nächste spricht die CDU-Fraktion; Herr Kollege Krauß, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Erkenntnisse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sind nicht neu. Die Diskussion lohnt dennoch.
Ich will die Ergebnisse kurz zusammenfassen; ich dachte, Herr Dulig macht es. Was sind die Ergebnisse? Jüngere Leute werden eine geringere Rente haben als die heutige Rentnergeneration. Wer länger arbeitslos ist, wird einmal eine geringere Rente haben. Wer ein geringes Einkommen hat, wird einmal eine geringere Rente haben. Wer Teilzeit arbeitet, wird eine geringere Rente haben. Die Einführung der Rente mit 67 ist richtig. Eine gute Wirtschaftspolitik heißt: mehr Arbeit und bessere Rente. Das sind die Ergebnisse.
Ich hätte mir zum Beispiel gewünscht, dass wir auch einmal über das Thema Rente mit 67 reden. Sie wurde richtigerweise eingeführt, weil sie den nachfolgenden Generationen zugute kommt. Ich hoffe, dass die SPD die einmal für richtig befundenen Erkenntnisse nicht über Bord wirft, nur weil sie in der Opposition ist.
Die Ursache, weshalb wir über das Thema Altersarmut reden, ist einfach. Wir haben zu wenige junge Menschen. Die Geburtenrate ist zu niedrig. Wir haben eine Geburten
rate von 1,4 Kindern pro Mann und Frau. Seit 40 Jahren gibt es mehr Sterbefälle als Geburten. Wir haben eine dynamische Rente, was besagt: Die jetzige arbeitende Generation versorgt die Generation, die zurzeit in Rente ist. Das heißt, alle Rentenbeiträge, die heute eingezahlt werden, sind spätestens 14 Tage später ausgegeben. Es ist also nicht so, dass das Geld, das man in die Rentenversicherung einzahlt, auf einem großen Haufen landet und wenn man dann irgendwann, nach 20 oder 30 Jahren, in den Ruhestand geht, bekommt man es von dort ausgezahlt. Alles, was heute eingezahlt wird, ist spätestens 14 Tage später ausgezahlt.
Allein diese Beiträge reichen nicht aus, sondern – Sie wissen es ja – 80 Milliarden Euro schießt der Bund aus dem Bundeshaushalt in die Rentenversicherung hinein. Das ist der größte Kostenblock, den es insgesamt im Bundeshaushalt gibt.
Wir haben eine positive Entwicklung, die eine gewisse negative Wirkung auf die Kosten hat. Die Menschen leben zum Glück länger. Während man seine Rente 1960 durchschnittlich zehn Jahre in Anspruch genommen hat, sind es heute 17 Jahre. Das ist deutlich länger und damit muss ebenso länger eine Rente gezahlt werden. All das zwingt dazu, dass man Reformen durchführt, auch im Rentenbereich. Es bringt uns relativ wenig, wenn DIE LINKE die Augen vor allen Problemen verschließt und denkt, man kann immer und in allem so weitermachen wie bisher. Sie müssen erkennen, dass sich Realitäten geändert haben.
Lassen Sie mich drei Themenfelder ansprechen, bei denen wir Handlungsbedarf sehen. Das erste – Kollege Dulig hat es angesprochen – ist die Rentenangleichung Ost-West. Wir halten es für einen richtigen Weg, wenn man sagt, wir wollen die Rentenangleichung 20 Jahre nach der Wiedervereinigung haben.
Aber wir müssen aufpassen. Die Tücken liegen im Detail. Ich erinnere an den Ausgleichsfaktor. Heute werden die Beiträge, die man im Osten einzahlt, aufgewertet. Das heißt, dass ein Ost-Arbeitnehmer höhere Rentenansprüche erwirbt als jemand bei gleichem Einkommen im Westen. Wenn jemand einen Stundenlohn von 7 Euro hat, dann erwirbt er die gleichen Rentenansprüche wie jemand, der im Westen für 8,50 Euro arbeitet. Ich halte das für gerecht, weil die Einkommen bei uns im Osten insgesamt niedriger sind. Es wäre aus meiner Sicht fatal, wenn man bei einer Rentenangleichung Ost-West die Negativkonsequenz ohne Weiteres mitnehmen und sagen würde, die Angleichung verschwindet. Das wäre problematisch für diejenigen, die heute arbeiten. Das muss man verhindern.
Ein zweiter Ansatzpunkt ist die Rente für Geringverdiener. Das muss das Ziel sein: Derjenige, der sein Leben lang gearbeitet hat, bekommt eine Rente, die höher ist als
Derjenige, der heute einen Stundenlohn von 8 Euro hat, 45 Jahre alt ist und in 20 Jahren in Rente geht, hat dann 47 Jahre ununterbrochen gearbeitet. Er bekommt in 20 Jahren eine Rente von 522 Euro. Das liegt unter dem Grundsicherungsniveau. Das bekommt auch jemand, der nie eine Schaufel in die Hand genommen, also nie gearbeitet hat.
Das ist ungerecht. – Ja, selbst mit „Ihrem“ Mindestlohn von 8 Euro kommen Sie dort nicht weiter. Das habe ich Ihnen gerade vorgerechnet.