Protocol of the Session on March 30, 2010

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsministerin Christine Clauß)

Für die Fraktion der CDU sprach Herr Kollege Krauß. – Als Nächstes hat Frau Kollegin Neukirch für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne mit drei Zitaten:

„Wir werden bürgerschaftliches Engagement aller Generationen fördern … Junge Menschen wollen wir für eine aktive gesellschaftliche Mitgestaltung gewinnen … Deshalb unterstützen wir Modelle und Projekte des generationenübergreifenden Lebens – beim Wohnen, Ehrenamt und im alltäglichen Leben.“

Das wird Ihnen bekannt vorkommen; denn es sind Zitate aus dem Koalitionsvertrag, die eindeutig belegen, wie wenig doch das derzeitige Handeln der Staatsregierung mit dem zu tun hat, was sie vor nicht allzu langer Zeit als Versprechen in einen Koalitionsvertrag geschrieben hat.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Ein Koalitionsvertrag, der so eingehalten wird, verkommt schnell zur Sonntagsrede, wenn das Gegenteil von dem umgesetzt wird, was dort drinsteht. Wenn Sie aber noch nicht einmal selbst an das glauben, was Sie da aufge

schrieben haben, wie sollen das dann die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land tun?

Was tut die Staatsregierung – im Gegensatz zu den Zitaten, die ich gerade vorgetragen habe: Sie kürzt. Sie kürzt bei den freiwilligen Diensten der Jugendlichen. Sie kürzt bei der Richtlinie „Wir für Sachsen“. Sie kürzt bei den Wohlfahrtsverbänden. Sie kürzt bei landesweiten Verbänden wie dem Landesfrauenrat und der LandesSeniorenVertretung. Sie kürzt bei vielen kleineren Projekten im sozialen Bereich. Kurz: Sie kürzt querbeet, überall dort, wo das Ehrenamt tagtäglich organisiert und durchgeführt wird.

Daneben wird in den Gesprächen, die wir in den vergangen Wochen zu den Kürzungen geführt haben, immer wieder darauf hingewiesen, dass wir uns professionelle Sozialarbeit im bisherigen Ausmaß nicht mehr leisten könnten und das Ehrenamt stärker unterstützen müssten. Was wollen Sie eigentlich: Hü oder Hott? Orientieren Sie sich etwa an dem Motto: Das eine nicht tun und das andere gleich ganz weglassen?

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Sie benutzen das Ehrenamt, wie es Ihnen gerade beliebt – mal so, mal so.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: So ist es!)

Kommen wir aber dazu, was das Ehrenamt eigentlich braucht. Das Ehrenamt braucht klare Strukturen. So einfach und klar ist diese Forderung. Ohne Sportverein kein Übungsleiter, ohne Jugendclub kein Sozialarbeiter, der mit den Jugendlichen auch im Ehrenamt nach seiner Arbeitszeit noch etwas unternimmt.

Das Ehrenamt braucht Profis. Es geht nicht um liebgewordene Pfründe oder um Sozialarbeiterstellen, wenn die Demonstranten vor dem Landtag stehen. Das ist ein großer Irrtum. Es geht genau um diejenigen, die tagtäglich dafür Sorge tragen, dass das Ehrenamt in den Regionen dort ankommt, wo es gebraucht wird.

Als Drittes braucht das Ehrenamt Sicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen, was weit über eine Versicherung, wie wir sie in Sachsen Gott sei Dank haben, hinausgeht. Ehrenamt braucht die Stabilität der Verbände und Vereine, für die die Ehrenamtlichen tätig sind.

Vierter Punkt: Das Ehrenamt braucht Weiterbildung. Mittlerweile werden im Ehrenamt in großer Zahl verantwortungsvolle Tätigkeiten ausgeübt. Um die entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, müssen die Ehrenamtler ausgebildet werden. Wir sollten uns überlegen, ob wir das Beispiel der Bürgerstiftung in Dresden, die ein Fortbildungsprojekt aufgelegt hat, auch auf Landesebene realisieren können.

Zum Schluss: Das Ehrenamt braucht Anerkennung. Das weiß jeder. Es gibt viele Auszeichnungsveranstaltungen und auch Aufwandsentschädigungen. Das ist die eine Seite. Ich verrate Ihnen aber, was die Ehrenamtlichen tatsächlich als Anerkennung haben wollen: Sie wollen mit ihrer Tätigkeit ernst genommen werden. Sie wollen, dass

die Verbände, für die sie tätig werden, ernst genommen werden. Man kann nicht jahrelang ein paar Leute an dem Gesundheitsziel „Aktives Altern“ arbeiten lassen, aber dann sagen: Vielleicht haben wir gar kein Geld mehr, um das durchzusetzen. Wenn man so agiert, nimmt man das Ehrenamt nicht ernst.

Sie von der Koalition behaupten, Sie wollten junge Menschen für die Mitgestaltung der Gesellschaft aktivieren. Das Ziel ist gut. Die freiwilligen Dienste sind dafür ein adäquates Instrument. Jugendliche, die sich entsprechend engagieren, werden auch in ihrem späteren Leben ehrenamtlich engagiert sein. Noch wichtiger für uns in Sachsen ist: Sie werden Wurzeln schlagen. Nach Ausbildung und Studium anderswo kommen sie nach Sachsen eher zurück als andere.

Die Kürzung von 600 Freiwilligenstellen bedeutet also: Nicht nur den Jugendlichen werden individuelle Chancen genommen, sondern auch die Hilfen in den Einrichtungen fehlen. Frau Ministerin, Sie haben die Kürzung bei der Jugendhilfe damit begründet, dass Sie – ich zitiere – „auch … an die Älteren denken“ müssten. Ich zitiere weiter: „Das Ganze hat letztlich auch etwas mit Chancen- und Generationengerechtigkeit zu tun.“ Das ist ein richtiger Gedanke.

Aber was tun Sie? Sie wahren Generationengerechtigkeit dadurch, dass Sie nicht nur bei der Jugendhilfe, sondern auch bei den Seniorinnen und Senioren in Sachsen den Rotstift ansetzen.

Ich gehe noch einmal auf die Ausführungen von Herrn Krauß ein: Die Projektanträge, die die LandesSeniorenVertretung gestellt hat, waren auf Anraten der Seniorenbeauftragten des Freistaates Sachsen so gestellt worden und sind dennoch abgelehnt worden.

Die Redezeit, Frau Kollegin.

Ich sage noch zwei Sätze. – Wenn wir unterstellen, dass hinter den vorgenommenen Kürzungen Prioritäten stehen, dann muss man feststellen: Das Ehrenamt gehört eben nicht zu den Prioritäten in Sachsen. – Wenn ich mit dieser Einschätzung falsch liege, dann können Sie morgen unserem Antrag zur LandesSeniorenVertretung zustimmen und den falschen Eindruck revidieren.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Für die SPD sprach Frau Kollegin Neukirch. – Jetzt spricht Frau Kollegin Schütz für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mein Kollege Krauß hat es höflich ausgedrückt: „Verwirrend“ oder „irreführend“ ist der Titel der Debatte. Ich muss ehrlich sagen: Angesichts von 5,22 Millionen Euro, die im Freistaat

Sachsen für bürgerschaftliches Engagement bereitgestellt werden, ist es eine Frechheit, zu behaupten, man wolle es verhindern.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Mittel in dieser Größenordnung stehen uneingeschränkt in diesem Jahr zur Verfügung, um dieses Engagement, das unsere Bürgerinnen und Bürger leisten, tatsächlich zu unterstützen. Die Betonung liegt auf „zu unterstützen“; es ist und bleibt eine ehrenamtliche Tätigkeit. Das dürfen wir nicht vergessen. Ehrenamtliches Engagement bleibt natürlich die existenzielle Ressource für eine zukunftsfähige Gesellschaft und trägt wesentlich zur Gestaltung des Gemeinwesens bei.

Es ist nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine ideelle Frage. Ich darf einmal kurz aufzählen, was wir haben. Wir haben das sächsische Bürgerheft, in dem Engagement formal aufgenommen wird und bei Bewerbungen beigelegt werden kann. Wir haben die Ehrenamtskarte, wir haben den Erich-Glowatzky-Preis, der an unter Dreißigjährige für ihr ehrenamtliches Engagement überreicht wird. Wir haben die Annen-Medaille, die wir für vorbildliches Engagement in der Sozial- und Familienarbeit ausreichen. Wir haben – auch das gehört zum ehrenamtlichen Engagement – die sächsische Tierschutzmedaille im Bereich Umweltschutz.

Es gibt kein anderes Bundesland, das sich überhaupt noch dafür in dieser Art und Weise engagiert, eine Aufwandspauschale für ehrenamtliches Engagement zu zahlen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir haben uns im Koalitionsvertrag für die Fortführung des Programms „Wir für Sachsen“ ausgesprochen. Genau das werden wir tun. Das Ehrenamt ist uns wichtig und dafür stehen wir als Koalition. Deshalb bleibt auch die Aufwandsentschädigung der ehrenamtlichen Arbeit trotz der aktuellen finanziellen Lage und der Steuermindereinnahmen in dieser Größenordnung im Haushalt bestehen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Trotz der Kürzungen!)

Zum Thema: Dass Sie die LandesSeniorenVertretung so eben mal mit hineinmischen, die aus einem ganz anderen Titel finanziert wird – was sonst heute noch zum Förderantrag der LSV genannt wurde, wusste ich nicht –,

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Aus welchem?)

nämlich aus diesem Titel auch Familienverbände und die soziale Integration gefördert werden, das wurde an dieser Stelle überhaupt noch nicht genannt. Dass dann die Bewilligungsbehörde die Landesdirektion Chemnitz ist, die nach ihren gesetzlichen Vorgaben und gesetzlichem Ermessen handeln muss, ist doch an dieser Stelle nicht von der Hand zu weisen. Jetzt aber so zu tun und nur einen Bereich herauszugreifen, nämlich die Seniorenvertretung, die Seniorenvertretung so explizit neben den

anderen Punkten, die alle noch wichtig sind, zu benennen, halte ich schon für schwierig.

Ich sehe die LandesSeniorenVertretung nicht als Lobbyvertretung wie Sie vielleicht. Ich sehe sie als eine Art „Ältestenrat“, der sicherlich für die Interessen der Senioren streitet, weil sie genauso zur Gesellschaft gehören, aber auch in die Zukunft blickt. Mit diesen Ideen und Vorstellungen hinzugehen, das wäre an dieser Stelle der richtige Ansatz gewesen, denn ältere Verantwortungsträger brauchen wir. Wir haben sie auch in den entsprechenden politischen Entscheidungsgremien. Ich denke nur an die Ortsvorsteher, die nicht mehr an Altersgrenzen gebunden sind. Wir behindern also in keiner Art und Weise bürgerschaftliches Engagement, auch nicht das der älteren Generation.

Herr Pellmann, es sei doch noch einmal an Sie appelliert. Wenn jemand etwas mit eigenen Mitteln tut, dann nennt man das Ehrenamt.

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu, Frau Schütz?

Mir sei noch gestattet zu sagen: Ich glaube nicht, dass die LandesSeniorenVertretung ohne Förderung automatisch aus der Bundesvertretung ausgeschlossen wird.

Es sei auch noch Frau Neukirch gesagt: Prioritätensetzung haben wir wirklich mit den Punkten im Koalitionsvertrag gezeigt. Hier zu unterstellen, wir würden es nicht tun, halte ich für maßlos.

Auch DIE LINKE kann, wenn sie gern alles verordnen und bestimmen würde, eines mit Sicherheit nicht: bürgerschaftliches Engagement in diesem Land verhindern.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Kollege Pellmann, eine Kurzintervention? – Das ist die zweite für die Fraktion DIE LINKE.

Genau, Herr Präsident. – Ich hätte gern eine Frage gestellt. Das war mir ja nicht möglich. Deswegen muss ich zu diesem Mittel greifen.

Ich will Ihnen, Frau Schütz, deutlich zu verstehen geben, worum es hier geht. Es gibt Menschen, die wir vom bürgerschaftlichen Engagement nicht ausgrenzen dürfen,