Mittlerweile ist der „Heim-TÜV“ ja schon ein kleiner sächsischer Exportschlager geworden. Auch uns erreichten vor einigen Wochen Anrufe von Kolleg(inn)en aus dem Saarland, um mehr darüber zu erfahren, da man ein solches Mittel wie den „Heim-TÜV“ dort ebenfalls gern auf den Weg bringen möchte.
Meine Damen und Herren, mit dem „Heim-TÜV“ liegt nicht nur ein Dokument vor, sondern auch ein Handlungsauftrag für die Betreiber, für die Kommunen und die Landkreise. So manches hat sich in den letzten Jahren auch bewegt – nicht genug, sagen wir als LINKE, noch nicht genug. Gerade der Punkt „Soziale Betreuung“ sollte im Fokus der gemeinsamen Bemühungen in den nächsten Jahren und auch schon bei den nächsten Haushaltsberatungen stehen; denn auch in diesem Zusammenhang gilt: Ehrenamt ist gut, kann aber nur Ergänzung für hauptamtliche Strukturen sein und niemals deren Ersatz.
Diese und ähnliche Fragen spielten im letzten Monat bei der Anhörung im Innenausschuss zum SPD-Antrag bezüglich eines Runden Tisches „Humanitäre Flüchtlingspolitik Sachsen“ und zu unserem Antrag zum Thema „Flüchtlingsaufnahme in Sachsen“ bereits eine große Rolle. Wir erwarten bei der Evaluierung des „HeimTÜV“, dass die vielfältigen Anregungen aufgenommen werden: mehr Zeit für Gespräche, auch mit den Bewohnerinnen und Bewohnern, stärkere Einbeziehung von örtlichen Verantwortungsträgern, wie Bürgermeistern und örtlichen Vereinen, Gemeinderäten, Initiativen und Landtagsabgeordneten, nicht nur von der CDU.
Meine Damen und Herren, wir sprechen heute über die Unterrichtung über den „Heim-TÜV“; aber wir wissen auch, dass der Sächsische Ausländerbeauftragte Martin Gillo neben seinem Hinschauen in diesem Teilbereich der Unterbringung sehr Wesentliches dazu beigetragen hat, dass es in Sachsen zu einem zwar langsamen, aber immerhin einem Umdenken in Fragen der Unterbringung hin zu deutlich mehr dezentralen Lösungen gekommen ist. Dafür möchte ich mich bei Ihnen ganz besonders bedanken – in meinem Namen und im Namen der Fraktion DIE LINKE.
Wir möchten Ihnen und Ihrem Team für so vieles danken, was Sie in den letzten Jahren angegangen sind, angedacht und auf den Weg gebracht haben. Sie waren nicht nur ein „Kummerkasten“ für zugewanderte Menschen. Sie sind mehr, viel mehr, und das wird bleiben, auch wenn Sie, Herr Gillo, dieses Amt nicht mehr persönlich bekleiden. Jeder Nachfolger, jede Nachfolgerin wird sich an Ihnen messen lassen müssen.
Ich denke dabei an Ihre unermüdliche Forderung nach einer Willkommenskultur oder an Ihre deutlich gezeigte Freude über hervorragende schulische Ergebnisse von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund oder an Ihren Einsatz für die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen oder, oder, oder. Die Aufzählung ließe sich noch lange fortsetzen.
Ich möchte nur noch einen persönlichen Punkt erwähnen. Sie waren für die Familie Kilada da – in den Tagen nach dem Mord, bei der Beisetzung und beim Prozess. Fast zu jedem Prozesstag haben wir beide uns im Leipziger Gerichtssaal, beim Prozess gegen die brutalen Mörder des Sohnes Kamal Kilada getroffen, ermordet aus rassistischen Motiven von einschlägig bekannten Nazis. – Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Prof. Gillo! Auf der heutigen Tagesordnung steht der „Heim-TÜV“ 2013. Er ist unter den vielen von Ihnen erfolgreich angeschobenen Initiativen etwas Besonderes; denn er ist eines der ersten Projekte, das Sie als neuer Sächsischer Ausländerbeauftragter angeschoben haben.
Im Jahr 2010 wurde er zum ersten Mal durchgeführt, seitdem jährlich fortgeschrieben, und meine Vorrednerin und die Vorredner haben es bereits gesagt: Dieses Thema war nicht nur wichtig, sondern Sie haben es geschafft, hier Erfolge zu organisieren. Dies ist deshalb wichtig, da es überhaupt darum ging, erst einmal die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Schicksal von Flüchtenden und ihre Behandlung in Deutschland zu richten.
Die Thematisierung der Unterbringung von Flüchtenden in Heimen war ein wichtiger Schritt; denn Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften erfolgt nicht freiwillig, sondern per Gesetz, und es ist kein Jugendherbergsaufenthalt, sondern eine extrem anstrengende Situation für die Betroffenen. Nicht nur einige Tage oder Wochen, sondern für Monate, ja oft sogar Jahre haben sie keinen eigenen Wohnraum, sondern ein Zimmer, das man sich eventuell mit Fremden teilt, ohne Privatsphäre – und eben kein „trautes Heim“.
Der „Heim-TÜV“ hat klare Kriterien aufgestellt, die ein Heim erfüllen muss, um als akzeptabel und menschenwürdig zu gelten, und er zeigt Wirkung. 2010 waren es noch Besuche aller Gemeinschaftsunterkünfte und vertrauliche Gespräche mit Verantwortlichen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, um Probleme zu benennen und gemeinsame Lösungen zu finden. Damals war noch die Hälfte der Heime rot eingezeichnet. 2011 – ein großer Schritt – waren noch 10 % rot. 2012 war keines mehr rot, und nach vielen Verbesserungen haben wir gesehen, dass es von Gelb auf Grün wechselte.
Herr Prof. Gillo, das ist Ihr Erfolg, und dies ist vor allem auch deshalb zu loben und möglich gewesen, weil Sie in Ihrer persönlichen Art mit einem sehr respektvollen Ansatz agiert haben. Es ging Ihnen eben nicht darum, die
Kommunen vorzuführen, sondern Sie wollten konkrete Verbesserungen, und Sie haben zuallererst mit den Verantwortlichen gesprochen mit dem Ziel, ihr Verständnis zu bekommen und sie für die Situation der Flüchtenden zu sensibilisieren.
Lieber Prof. Gillo, die SPD-Fraktion sagt Ihnen Danke. Wir konnten uns in der Vorbereitung alle gemeinsam an Ihre Vorstellung in der SPD-Fraktion erinnern. Wir hatten Ihnen damals zehn Punkte präsentiert, die wir als SPD in der Flüchtlingspolitik in Sachsen als wichtig erachtet haben, und wir hatten damals etwas das Gefühl, dass Ihre Aussagen noch sehr im Ungefähren blieben. Sie sind damals von uns mit einem gewissen Vertrauensvorschuss unterstützt worden, und ich möchte für die SPD-Fraktion feststellen: Sie haben diesen Vertrauensvorschuss mit Zinsen zurückgezahlt.
Sie haben viel erreicht: Die Verbesserung der Lebenssituation, die Verbesserung der Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen, und auch Ihr Einsatz für die Verbesserung bei der Residenzpflicht sind zu nennen. Sie haben in Ihrem Leben über den Tellerrand hinausgeschaut und die Erfahrungen an Sachsen weitergegeben. Davon hat unser Freistaat profitiert.
Ich denke, was Sie ausgemacht hat, ist Ihre Dialogbereitschaft. Sie waren eine der Personen, die es geschafft haben, in allen demokratischen Fraktionen Anerkennung zu erlangen – durch den Dialog, aber nicht nur mit den anderen Fraktionen, sondern auch mit den Flüchtlingsverbänden, den Betroffenen selbst und der Zivilgesellschaft. Sie waren die liberale Stimme der CDU in dieser Legislaturperiode, und Sie werden große Fußstapfen hinterlassen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Prof. Gillo, zunächst möchte ich Ihnen, auch im Namen der gesamten FDP-Fraktion, ganz herzlich für Ihre geleistete Arbeit als Ausländerbeauftragter im Freistaat Sachsen danken. Ihre Bemühungen um eine echte Willkommenskultur sind bemerkenswert. Sie hinterlassen als Ausländerbeauftragter große Spuren. Da Sie freiwillig aus dem Landtag ausscheiden werden, wünsche ich Ihnen von dieser Stelle aus für Ihren weiteren Lebensweg alles erdenklich Gute.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Deutschland werden Asylsuchende nach dem Königsteiner Schlüssel vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in die
einzelnen Bundesländer verteilt. Sachsen erhält nach dem jährlich neu zu berechnenden Schlüssel zurzeit 5,1 % der Flüchtlinge zugewiesen. Flüchtlinge, das sind Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen, in unser Land kommen und nichts anderes wollen, als Schutz suchen.
Nach den ersten Wochen in der Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz bzw. in der Außenstelle in Schneeberg werden die Asylbewerber auf die Landkreise und auf die drei kreisfreien Städte nach der jeweiligen Einwohnerzahl verteilt, die dann wiederum die Asylbewerber in Unterkünften unterbringen. Diese Unterkünfte haben Sie, Herr Prof. Gillo, mit der Einführung eines Heim-TÜVs einer Prüfung unterzogen. Dieser Heim-TÜV hat in Deutschland inzwischen Vorbildcharakter. Diese Methode des Heim-TÜVs erlaubt es, unter Einbeziehung verschiedener Faktoren das Leben in den Gemeinschaftsunterkünften zu analysieren und die Unterkünfte zu bewerten.
Nach der Einführung erstellten Sie im Jahr 2010 den ersten Bericht. Dabei wurden noch 50 % der Unterkünfte als inakzeptabel eingestuft. Im Jahr 2011 waren es nur noch 10 %. Die Methodik wurde in den vergangenen Jahren angepasst und die Perspektive der Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften systematischer und stärker einbezogen.
In dem nun vorliegenden Bericht 2013 hat mittlerweile keine einzige Unterkunft mehr eine rote Kennzeichnung erhalten, und die Anzahl der grünen Ampeln hat weiter zugenommen. Diese positive Entwicklung der Heime hat nicht unwesentlich mit Ihren Kontrollen im Rahmen des Heim-TÜVs zu tun.
Ich möchte nicht auf einzelne Heime eingehen und bereits Gesagtes wiederholen, aber ein Satz, den ich immer wieder lese, beunruhigt mich doch. Das ist der Satz: „Ausreichende soziale Betreuung gibt es nicht.“ Wir dürfen nicht vergessen, dass in den Asylbewerberheimen auf engstem Raum viele Menschen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Kulturen und auch unterschiedlicher Religionen zusammenleben, die zum Teil traumatisierende Ereignisse erlebt haben und für die ein Arbeitsverbot gilt.
Das dies ein Nährboden für soziale Spannungen ist, liegt auf der Hand. Obwohl bei der sozialen Betreuung im Vergleich zum Jahr 2001 eine deutliche Verbesserung zu erkennen ist, besteht dennoch weiterer Handlungsbedarf, auch in den kommenden Jahren.
Abschließend möchte ich Ihnen allen die Lektüre des Heim-TÜVs empfehlen, denn er gibt einen guten Einblick in das Innere der sächsischen Asylbewerberheime. Noch mehr aber empfehle ich Ihnen einen Besuch in einer der Unterkünfte. Das öffnet Augen und würde vor allem Ihnen auf der rechten Seite des Parlaments die Möglichkeit geben, Ihre Ressentiments und Ihre Vorurteile zu überdenken.
Prof. Martin Gillo, vielen Dank an Sie und an Ihr Team für Ihre in dieser Legislaturperiode geleistete Arbeit als Ausländerbeauftragter. Vielen Dank auch für das Hinschauen im Rahmen des Heim-TÜVs, denn es lohnt sich wirklich.
Mit den ersten strukturierten Besuchen von Unterkünften für Asylsuchende und Flüchtlinge vor vier Jahren haben Sie ein Monitoring eingeführt, das beispielgebend für die gesamte Bundesrepublik ist. Vor Ihnen taten das vor allem die NGOs, wie der Sächsische Flüchtlingsrat „Pro Asyl“, Amnesty International, einige Wohlfahrtsverbände und andere lokale oder regionale Akteurinnen und Akteure der Zivilgesellschaft. Deren Stimmen wurden jedoch nicht ernst genommen, nicht gehört oder einfach abgetan. So leicht ging es dann mit den mit Drucksachennummern versehenen Berichten aus Ihrem Haus nicht mehr.
Mit einem ausgeklügelten und transparenten Bewertungssystem zur Situation in den Gemeinschaftsunterkünften haben Sie sich einen Namen gemacht. Sie provozierten eine öffentliche politische Debatte darüber, wie wir mit Menschen, die bei uns um Asyl ersuchen, umgehen. Es ging Ihnen um eine menschenwürdige Unterkunft. Ich bin mir sicher, dass Sie sich mit diesem Engagement viele Freunde gemacht haben, aber eben auch nicht nur Freunde.
(Jürgen Gansel, NPD: … weitere Zuwanderungsanreize geschaffen haben! – Karl Nolle, SPD: Nazibande raus!)
Indem Sie die zum Teil lebensunwürdigen Wohnbedingungen öffentlich gemacht haben und zugleich konstruktive Vorschläge zur Verbesserung lieferten, trugen Sie wesentlich dazu bei, die Unterbringung von Flüchtlingen zu verbessern. Dabei ging es nicht nur um Mindeststandards wie funktionstüchtige Betten, Stühle oder nach Geschlechtern getrennte Sanitärbereiche, sondern Sie beleuchteten auch Faktoren wie die Lage der Unterkunft, die Infrastruktur der Umgebung, die Teilhabe der Kinder an Schule und Kita. Das war Ihnen ganz besonders wichtig.
Auch die Einbindung der Bewohnerinnen und Bewohner in die Gemeinden haben Sie angesprochen. Dass das Engagement der Gemeinden vor Ort in letzter Zeit zugenommen hat, ist auch Ihrem Wirken geschuldet.
Wir empfehlen unbedingt, dieses Monitoring, diesen Heim-TÜV, zu verstetigen und eine unabhängige Stelle mit der Durchführung der Besuche und der Erstellung des Heim-TÜVs zu beauftragen. Dieser Heim-TÜV ist ein Qualitätsmerkmal für Sachsen. Daneben ist es allerdings auch an der Zeit, Herr Staatsminister Ulbig, dass Sie Farbe bekennen und Ihre Führungsaufgabe in Bezug auf die Unterbringung von Flüchtlingen wahrnehmen.
Schließlich ist die Unterbringung von Flüchtlingen eine Pflichtaufgabe nach Weisung mit vollem Weisungsrecht.
Die im Heim-TÜV sowie im Unterbringungskonzept formulierten Mindeststandards, wie die soziale Betreuung und die infrastrukturelle Anbindung, sollten im Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetz geregelt werden. Damit werden gleiche Verhältnisse in ganz Sachsen gesichert, und es obliegt nicht länger nur den unteren Unterbringungsbehörden, selbst zu entscheiden, ob sie nun das Unterbringungskonzept und die im Heim-TÜV genannten Standards umsetzen oder nicht. Dazu gehört selbstverständlich auch die Anhebung der in § 10 Sächsisches Flüchtlingsaufnahmegesetz an die Unterbringungsbehörden zu erbringenden Pauschale.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Namen meiner Fraktion und auch in meinem Namen bleibt mir noch eines zu sagen: Vielen Dank, Martin Gillo, für Ihren Einsatz. Vielen Dank, dass Sie stets unbequem, aber zugleich konstruktiv waren. Wir wünschen Ihnen alles Gute für die nächste Zeit.