Protocol of the Session on July 10, 2014

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute Morgen auf dem Weg in den Landtag habe ich von einer neuen Umfrage gehört. Danach sitzt die Kompetenz für Wirtschaft und Sicherheit bei der Koalition und für Bildung und Soziales bei der Opposition. Das sind die Bilder, die verbreitet werden. Wir wissen, sie stimmen nicht. Frau Giegengack hat auf ihre Weise und so, wie ich es gar nicht könnte, deutlich gemacht, dass die Kompetenzen breiter und unterschiedlicher verteilt sind. Dennoch, kann ich mir denken, freut sich der eine oder andere mit Blick auf den Wahlkampf, dass die Bilder so sind.

Herr Schreiber, Sie haben recht, dass die Probleme, mit denen wir es zu tun haben, sicherlich keine spezifisch sächsischen sind. In Niedersachsen gibt es ganz ähnliche Probleme. Versuchen Sie dort einmal bei der Einschulung in der Lüneburger Heide eine Schule in der Nähe zu finden. Das ist ausgesprochen schwierig. Dort gibt es auch keine 1. und 2. Klassen, sondern die sind zusammengelegt. Das erinnert mich an Zeiten vor den Zwanzigerjahren, also an Kaisers Zeiten.

Die Probleme sind breit verteilt. Aber sie sind – Herr Schreiber, da haben Sie nicht recht – natürlich parteipolitisch gebunden. Baden-Württemberg funktioniert prächtig. Das ist bekanntlich nicht CDU-regiert. So könnte man das verteilen. Es geht wahrscheinlich in erster Linie um die Wirtschaftskraft der Länder. Insofern sind Bayern, Baden-Württemberg und Hessen in einer besonders guten Situation. Andere sind eben in einer weniger guten Situation. Es stimmt auch, dass das BAföG-Geld beispielsweise in Niedersachsen bekanntlich nicht den Universitäten zufließt.

Wie viele bildungspolitische Debatten haben wir in den vergangenen fünf Jahren geführt? Keiner bestreitet, dass „Zukunft schaffen durch Bildung“ der Slogan ist, den sich alle aneignen. Aber welche Bildung meinen wir denn? Was soll wie vermittelt werden? An diesem Punkt endet die lagerübergreifende Einigkeit.

Im Blick auf die sächsische Hochschulpolitik hatte ich oftmals den Eindruck, dass „zukunftsfest“ meint, besonders jene Disziplinen zu fördern, die im ökonomischen Sinne wertschöpfend sind. Ich habe das auch verschiedentlich gesagt. Dadurch wird es nicht richtiger, aber auch nicht falscher. Durch diese Ausrichtung geraten Geistes- und Sozialwissenschaften unter einen permanenten Legitimationsdruck. Aber gewinnen wir Zukunft allein mit Ingenieuren und Naturwissenschaftlern?

Braucht unsere Gesellschaft nicht auch Raum für die großen Sinnfragen, für Diskurse über unsere Entwicklung, für die schönen Künste?

(Beifall der Abg. Kathrin Kagelmann, DIE LINKE)

Wir müssen einen kontinuierlichen Diskurs darüber führen, wo wir uns heute befinden und wohin wir wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das scheint mir ein bisschen zu kurz zu kommen.

Sie reden jetzt von einer Überakademisierung und meinen, wir müssten die handwerklichen Berufe stärken. Herr Clemen beispielsweise hat das neulich unterstrichen. Aber wir können die jungen Menschen doch nicht zwingen, Bäcker oder Mechaniker zu werden. Die freie Berufswahl ist ein hohes Gut. Das sage ich gerade auch in Erinnerung an unsere gestrige Debatte über die Aufarbeitung des SED-Staates. Wir wollen den jungen Menschen die Freiheit erhalten, das zu werden, was sie werden wollen. Wir kalkulieren dabei natürlich auch das Scheitern ein.

Ich habe Ihnen mehrfach gesagt, dass ich persönlich immer zu einem Perspektivwechsel bereit bin und versuche, Ihre Positionen zu verstehen. Wenn Sie klipp und klar argumentierten, 14 Hochschulen seien mit Blick auf die sächsische Wirtschaftskraft zu viel, dann verstünde ich das. Was ich nicht verstehe, ist das Hinauszögern von vielleicht bitteren Entscheidungen, denen freilich ein ebenso tragfähiges wie nachhaltiges Konzept zugrunde liegen müsste. Es geht um mehr als darum, eine Durststrecke zu überstehen. Ein Rückgang der Studierendenzahlen, der ja tatsächlich irgendwann kommen wird – darüber sind wir uns einig –, löst unsere Probleme mit der Finanzierung der Hochschulen nicht.

Die Redezeit, Herr Professor, neigt sich dem Ende zu.

Danke schön. Ich habe es bemerkt.

Was wir auf dem Feld der Hochschulpolitik benötigen, ist – so meine ich – der Mut, wirklich neue Wege zu gehen und couragierte Entscheidungen zu treffen. Diese Staatsregierung hatte eine satte parlamentarische Mehrheit und hätte auf dieser Grundlage beherzt Reformen angehen können. Vielleicht kommt der Freistaat in der nächsten Wahlperiode ein Stück auf diesem Weg weiter voran. Das wünsche ich Ihnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Nach Herrn

Prof. Besier, Fraktion DIE LINKE, spricht jetzt Herr Bläsner für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss sagen, ich bin ein Stück weit enttäuscht von der Debatte, da der Titel doch relativ viel versprochen hat. Aber wir haben uns wieder lediglich um Zahlen gekümmert. Das Thema Lehrermangel – keine Frage, das ist das wichtigste Thema überhaupt – haben wir schon sehr oft diskutiert. Aber was ich mir erhofft hätte, auch und gerade von der Opposition, da Sie eigentlich den Anspruch haben, alternative Konzepte vorzulegen – wo sind sie denn? Wir streiten uns: Sind es nun 500 Lehrer mehr, mindestens 1 000 oder doch noch 200 bis 400 mehr?

Ich werfe nur mal einige Aspekte in den Ring. Ich denke, wir sind uns darin einig, dass wir das Problem lösen wollen, und ich bin bei unserer Koalition sicher, dass es in guten Händen ist und wir es immer wieder schaffen, auch wenn es mal schwierige Situationen gibt, wie in diesem Schuljahr, eine Lösung zu finden, und dass wir es auch in Zukunft schaffen, den Lehrerbedarf abzusichern.

Was mir bei der Opposition jedoch fehlt, ist: Wie stehen Sie zu den einzelnen inhaltlichen Themen? Wie geht es mit den Bildungsempfehlungen weiter, Frau Dr. Stange, Frau Falken? Was wollen Sie da? Ich weiß, Sie wollen eine Gemeinschaftsschule. Aber wann wollen Sie sie? Wollen Sie sie überhaupt? Ich höre Unterschiedliches: eine Diskussionsveranstaltung beim SLV. Was will die SPD eigentlich? Ich war mir darüber nicht so ganz sicher.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Wir sind eigenständige Fraktionen! Wir haben unterschiedliche Auffassungen!)

Ja. – Ich weiß nicht, was Sie wollen. Nehmen Sie doch einmal Stellung. Wie soll das konkret ausgestaltet werden? Wir haben das als Koalition ganz klar gesagt, auch diejenigen, die beim Beispiel Sitzenbleiben gefragt haben: Ist das etwas, was wir beibehalten wollen, oder nicht?

Sie mogeln sich bei diesen Fragen immer heraus, weil Sie wissen, dass Ihre Position falsch ist, dass sie ideologisch geprägt ist,

(Zuruf der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

und weil Sie wissen, dass in anderen Ländern schlechte Erfahrungen gemacht wurden, und Sie drücken sich um inhaltliche Themen. Sie haben nur ein Thema – das ist ohne Zweifel wichtig –: Lehrermangel. Aber nehmen Sie Stellung zu den inhaltlichen Themen. Das haben Sie in der gesamten Legislaturperiode kaum getan.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Wie stehen Sie zu dem Thema eigenverantwortliche Schule? Dazu höre ich auf Veranstaltungen immer gute Aspekte von Ihnen, Frau Dr. Stange. Aber ich hätte mir gewünscht, dass Sie das Thema auch heute ansprechen. Die Chance war da, aber nein, es kommt die fünfte Debatte zum Thema „Brauchen wir 500 oder

1 000 Lehrer mehr?“. Ich denke, das wird dem Thema, wie Sie es angekündigt haben, nicht gerecht. Machen Sie inhaltliche Vorschläge. Nehmen Sie Stellung im Wahlkampf, denn dann können die Wähler entscheiden, wer die besseren Vorstellungen hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das war Kollege Bläsner. – Nun käme die Fraktion GRÜNE in dieser zweiten Runde zum Zuge, so sie denn wollte. – Ich sehe keinen Redebedarf. Die NPD?

(Dr. Johannes Müller, NPD: Ebenfalls nicht!)

Wir könnten nun eine dritte Runde einleiten. – Die einbringende SPD-Fraktion kommt wiederum durch Frau Dr. Stange zu Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Lieber Norbert Bläsner, Lesen bildet, sagt man, und Zuhören gleichermaßen. Wir haben hier fünf Jahre lang Konzepte vorgestellt, beginnend mit unserer Gemeinschaftsschule, über die Kindertagesstätten, neue Lernformen, Eckpunkte eines neuen Schulgesetzes usw. usf.

Worum es uns heute in dieser Debatte ging, kurz vor den Landtagswahlen und vor allem kurz vor den Verhandlungen über einen neuen Doppelhaushalt: Wir müssen jetzt die Weichen stellen, ob wir bereit sind, unsere Schulen so auszustatten, dass sie in der Lage sind, die 10 % Schulabbrecher, die wir Jahr für Jahr haben, wirklich zu reduzieren. Das bedeutet – das war unser Konzept –, in den nächsten Jahren jährlich 500 Lehrerstellen über dem Ersatzbedarf zu schaffen; denn wir haben mehr Schüler und müssen diese integrieren usw.

Wir haben ganz klar gesagt: Wir brauchen in den Kindertagesstätten einen neuen Betreuungsschlüssel, die Absenkung auf 1 : 10, 1 : 4 und 1 : 16 für den Hort, damit die Kinder individuell gefördert werden. Dort werden die Grundlagen gelegt, dort fängt die Bildung an. Das waren unsere Kernthemen über die gesamten fünf Jahre, und das war heute unser Kernthema, und wir sehen, dass die Staatsregierung mit dem, was sie für den neuen Doppelhaushalt vorgestellt hat, diese Forderungen nicht erfüllt. Deshalb haben wir die Aktuelle Debatte heute noch einmal angesetzt, um das Ganze abzubilden.

Für die Hochschulen haben mein Kollege Mann sowie Kollege Gerstenberg ausreichend dargestellt, wo wir heute stehen. Ja, wir haben ein leistungsfähiges System. Aber verspielen Sie diese Zukunft doch nicht mit Ihrer Politik!

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und der Abg. Annekathrin Giegengack, GRÜNE)

Gibt es auf den Beitrag von Frau Dr. Stange – sie sprach für die SPD-Fraktion – Redebedarf bei der CDU? – Ich sehe, dass dies nicht der Fall ist. Die Fraktion DIE LINKE noch einmal? – Ebenfalls nicht. Gibt es überhaupt noch Redebedarf aus den Fraktionen zu dieser 1. Aktuellen Debatte? – Das sehe ich nicht. Damit hat nun die Staatsregierung das Wort. Bitte, Frau Staatsministerin Kurth.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Aktuelle Debatte gibt mir und uns die Möglichkeit, einmal Bilanz über die vergangenen fast zweieinhalb Jahre zu ziehen.

Unser sächsisches Bildungssystem – das betone ich immer wieder – beruht auf Kontinuität, Verlässlichkeit und Solidität – ohne stillzustehen. Kein anderes Staatsministerium trägt die Verantwortung für so viele

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für unsere circa 30 000 Lehrerinnen und Lehrer.

Zur frühkindlichen Bildung, zu unseren Kindertageseinrichtungen. Die Bildungsarbeit in unseren Kitas hat sich in den letzten zehn Jahren mit dem Sächsischen Bildungsplan eine sehr solide Grundlage geschaffen. Sie hat einen Qualitätsschub bekommen.

(Annekatrin Klepsch, DIE LINKE: Auf dem Rücken der Erzieherinnen und Erzieher!)

Umgesetzt wird dieser Bildungsplan durch gut qualifiziertes Personal, nämlich durch unsere rund 30 000 Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas. Sie haben einen Fachschulabschluss als staatlich anerkannter Erzieher, das ist die Mindestnorm; und 7,3 % der Fachkräfte haben einen Hochschulabschluss. Das ist ein Spitzenplatz in Deutschland. Das sind uns unsere Kinder wert.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Norbert Bläsner, FDP – Zuruf der Abg. Annekatrin Klepsch, DIE LINKE)

In Sachsen gibt es überdurchschnittlich lange tägliche Betreuungszeiten, und vor allem gibt es ausreichend Betreuungsplätze. Das ist Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die sich bei uns in Sachsen für die Familien, die es wünschen, gut umsetzen lässt.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch kurz bei der frühkindlichen Bildung, bei unseren Kindertageseinrichtungen verweilen. Ein erster Schritt ist mit unserer Förderrichtlinie Bildungschancen getan. Wir stellen für die Jahre 2013 und 2014 insgesamt 10 Millionen Euro für zusätzliches Personal in unseren Kitas mit besonders vielen Kindern mit Entwicklungsverzögerungen sowie Verhaltens- und Sprachauffälligkeiten zur Verfügung.

(Zuruf der Abg. Annekatrin Klepsch, DIE LINKE)

Zur schulischen Bildung. Ich habe es immer gesagt und werde es weiter betonen: Das Kerngeschäft schulischer Bildung sind die Absicherung des Unterrichts sowie dessen gute Qualität, und dies sichern wir in Sachsen auf einem soliden Fundament seit dem Jahr 1990.