Protocol of the Session on July 10, 2014

(Beifall bei der FDP und der CDU – Heiterkeit)

Als nächste Rednerin spricht Frau Hermenau für die GRÜNEN.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Liebe Frau Dr. Pinka, es ist, um auf den ersten römischen Anstrich Ihres Antrages zu kommen, nicht unerheblich, wann wir aus der Braunkohle aussteigen. Da können wir nicht zustimmen. Das muss Ihnen klar sein.

Die Klimaentwicklung – das wissen Sie, vielleicht sogar detailreicher als ich – lässt keine zeitlichen Verschiebungen nach hinten mehr zu. Die neuen Filme zum Beispiel über die jahrelangen Messungen der Geomorphologen zum Abschmelzen des Grönlandeises, das wirklich erhöhend auf den Wasserspiegel wirkt, weil es auf dem Festland schmilzt, zeigen, dass man nicht mehr lange warten kann. Das ist einfach so. Hier haben wir unseren Beitrag zu leisten.

Ich habe mit Amüsement zwischen den Zeilen herausgelesen, dass Sie sich ebenso wie Ihre Parteikollegen in Brandenburg Gedanken darüber machen, was passiert, wenn die Staatsfirma Vattenfall von der Regierung in Schweden zu einem anderen Portfolio überredet wird, was durchaus denkbar ist und was ich schon öfter als eine Gefahr für unsere strukturelle Entwicklung eingeordnet habe.

In Brandenburg, habe ich gehört, seien die Überlegungen dahin gediehen, diese Kraftwerke aufzukaufen und eine Art Staatsbetrieb aus der Braunkohle zu machen. Na, willkommen in der DDR!

(Heiterkeit des Staatsministers Sven Morlok)

Das hat sich so herumgesprochen. Davon kann ich nur abraten. Unabhängig von diesem Risiko möchte ich noch hinzufügen, dass der bayerische Ministerpräsident, Herr Seehofer, weder die große Trasse noch den Strom aus der Braunkohle haben möchte. Die logische Konsequenz ist: Es gibt keine Nachfrage, dann reduziert man das Angebot.

Der zweite Punkt, Frau Dr. Pinka, erfährt unsere volle Zustimmung. Das können Sie nachvollziehen. Auch wir haben das Gefühl, es ist höchste Zeit, dass man endlich mal einen vernünftigen Fahrplan für den Ausstieg aus den Tagebauen und den Firmen entwickelt. Das wird natürlich über Jahre hinweg dauern, aber dafür braucht man eine Art Plan, so ähnlich, wie man die Vereinbarung mit der Energiewirtschaft zu den Atomkraftwerken geschlossen hatte. Sie war auch schon unterschrieben, bis dann irgendjemand auf die Schnapsidee kam, es wieder aufzuheben.

Was die Tagebaue, zum Beispiel Nochten II usw., betrifft: Man kann es ja wie in Nordrhein-Westfalen machen. Dort hat man bei einem kleinen Teil von Garzweiler II gesagt: Den werden wir nicht brauchen; er bleibt, wie er ist. Ich denke, wenn man sich den Heimatfraß der Sorben in der Region anschaut, ist man gut beraten, bei diesem Thema eher einmal eine Anleihe in NRW zu nehmen. Also: Zustimmung.

Zu III eine freundliche maximale Enthaltung. Ich habe die Verwirrung des Kollegen Meyer durchaus geteilt, das möchte ich mal so deutlich sagen. Ich hätte es nie so aggressiv formuliert, dafür gibt es keinen Grund. Aber die Verwirrung war da. Ich habe nicht herauslesen können, dass Sie existierende Initiativen einbeziehen wollen, nicht nur das Bündnis Oberlausitz, von dem ich natürlich auch weiß über Frau Schubert, sondern zum Beispiel auch das InnoDreiländereck. Sie haben vorgeschlagen, dass man ein paar Wissenschaftler an eine Studie setzt. Das klang für mich wie eine ABM von einigen Leuten in der Lausitz, die Sie persönlich kennen, die das Rentenalter noch nicht erreicht haben. Tut mir leid!

(Heiterkeit und Beifall des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

Nein, dem können wir nicht zustimmen, das geht einfach nicht. Ich habe mich gefragt: Wer bekommt denn die ABM? Wenn man die Forschung von einigen Wissenschaftlern für eine Strukturförderung hält, ist das aus meiner Sicht schon waghalsig. Wichtiger wäre es wohl gewesen, Beschäftigungsperspektiven für diejenigen, die in der Braunkohle arbeiten, zu schaffen.

Ich halte auch diese Stadt-Land-Gleichmacherei, gelinde gesagt, ein wenig für Blödsinn; denn natürlich kennen wir alle Artikel 72 Abs. 2 Grundgesetz, der von gleichwertigen Lebensverhältnissen spricht. Aber wir haben außerordentlich unterschiedlich verlaufende Bevölkerungsentwicklungen in Stadt und Land, deshalb werden wir darüber noch einmal ganz anders diskutieren müssen, wie man eine lebenswerte Lausitz und lebenswerte Städte hat, was das bedeutet und welche Rahmenbedingungen dafür erforderlich sind.

Sie sprechen von einer zielgerichteten wirtschaftlichen Strukturpolitik. Ich kann nur sagen: Ich würde an Ihrer Stelle einmal versuchen, darüber nachzudenken, ob man nicht mehr Arbeitsplätze in der Kunststoffindustrie finden kann. Dort gibt es ein Unternehmernetzwerk Oberlausitzer Kunststofftechnik, da wäre einiges zu machen. Erneuerbare Energien in der Lausitz, das geschieht leider durch Ihr Wirken, Herr Morlok, zeitverzögert. Dort ist noch einiges zu tun, bis man auch davon leben kann. Aber das ifo Institut hat die ökonomischen Rahmenbedingungen doch sehr klar beschrieben. Natürlich gehen Einkommen, Binnennachfrage, Bevölkerung usw. zurück, aber es gibt Möglichkeiten, zum Beispiel, den Technologietransfer für die Lausitz für Patentdatenbanken nutzbar zu machen, Technologietransferstellen bei den Kammern – all dies könnte man tun.

Natürlich müssen die Engpässe beim Verkehr in den überregionalen Bereich abgehoben werden. Aber eines, finde ich, geht nicht: dieses ständige Gejammer über die abgehängte Region. Da muss man sich eben etwas einfallen lassen. Beispielsweise könnte man einmal überlegen, ob man nicht Wettbewerbe um Talente und Kreativität so betrachtet, dass man die Frauenarbeitswelt stärker in den Blickpunkt rückt. Mehr Frauen – übrigens auch mehr potenzielle Mütter, falls das auf der anderen Seite interessant ist. Sie sind, wenn man es rein lebenspraktisch betrachtet, qualifiziert, selbstständig, freiberuflich und hoch mobil. Sie würden also in eine solche Infrastruktur wie in der Lausitz passen und hätten vielleicht auch große Lust, dort zu leben;

(Beifall des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

aber nicht, wenn dauernd herumgejammert wird, dass das eine abgehängte Region ist. Dann tun sie das natürlich nicht. Sie könnten dort sozusagen ihr eigenes Einkommen erwirtschaften.

Es gibt also eine Menge zu diesem Thema zu sagen. Ich werde jetzt nicht mehr dazu ausführen. Wenn über den Antrag insgesamt abgestimmt wird, enthalten wir uns. Das ist das Maximum an Freundlichkeit, das ich heute dafür aufbringen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die NPD-Fraktion verzichtet auf einen Redebeitrag. – Es gibt noch eine Wortmeldung für eine zweite Runde. Frau Dr. Runge.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann einigermaßen nachvollziehen, dass dieser Antrag von einigen Abgeordneten nicht sofort verstanden wird. Auch mir ging es so.

(Heiterkeit bei der CDU und der NPD)

Der wichtigste, entscheidende Punkt besteht doch darin, Herr Meyer, und Sie haben das heute wiederum bestätigt: Sie wissen alles, Sie können alles und es geht alles in

Ordnung. Es geht alles seinen CDU-Gang in der Lausitz, natürlich mit einer rosigen Zukunft für die Menschen dort. Die CDU hat alles im Griff.

Genau das ist der Punkt: der mentale Punkt, dass Sie Ignoranten sind, den Sand in den Kopf stecken

(Heiterkeit bei der CDU und der NPD – Andreas Storr, NPD: Den Kopf in den Sand stecken!)

und nicht wahrnehmen wollen, welcher Wandel sich nicht nur global, sondern auch regional vollzieht.

(Präsidentenwechsel)

Unser Antrag will unter I. zunächst weiter nichts als die Anerkennung der Tatsache, dass es ein Energiekonzept der Bundesregierung gibt, die den Umbau des Energiesystems bis 2050 auf der Basis erneuerbarer Energien beschlossen hat.

(Alexander Krauß, CDU, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Kollegin?

Nein, danke.

Auch Sachsen ist Teil der Bundesrepublik Deutschland, und es ist nicht unerheblich – damit hat Frau Hermenau völlig recht –, wann wir aus der Braunkohlenverstromung aussteigen. Dass es schneller kommen kann, beweist Folgendes: dass bereits im Hause des Wirtschaftsministers Gabriel Überlegungen angestellt werden, wie per Gesetz alte Braunkohlenmeiler vom Markt genommen werden können.

Eine Möglichkeit ist über eine Normenvorgabe für den CO2-Ausstoß, wie es in Großbritannien geschehen ist. Gabriel favorisiert aber ein sogenanntes Flexibilisierungsgesetz im Zusammenhang mit einem Kapazitätsmechanismus und einem Kapazitätsmarkt, der als Reservekraftwerk quasi für die Stabilisierung des Netzes vorgesehen wird. In der Tat ist es so, dass es sich gerüchtehalber herumgesprochen hat, dass diese Reservekapazitäten von Kraftwerken Geld kosten werden, und die Frage ist, ob diese Kraftwerke weiter von den Privatunternehmen betrieben werden – denn diese wollen das nicht und stellen permanent Anträge zur Stilllegung – oder ob das der Staat übernimmt. Das ist die Frage, die in diesem Zusammenhang diskutiert wird.

(Alexander Krauß, CDU: Immer versuchen, bei den Fakten zu bleiben!)

Aber das ist nicht unser Problem. Unser Problem ist folgendes: Wie sagt der bekannte und berühmte Fußballtrainer Pep Guardiola in einem Werbespot für Audi: „Nichts ist so alt wie der Status quo.“ Und Sie verfallen mental genau diesem in der Forschung beschriebenen Lock-in-Effekt, indem Sie an den vorhandenen energiewirtschaftlichen Strukturen in der Lausitz festhalten, koste es was es wolle, egal, was rundherum passiert.

(Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Genau das ist der Punkt: dass wir als LINKE parallel zu einem Ausstiegspfad aus der Braunkohlenverstromung einen Strukturwandel wissenschaftlich und per Forschung begleiten wollen;

(Alexander Krauß, CDU: Die Leute in der Lausitz wollen Arbeit!)

denn weder Herr Krauß noch die Initiative in der Lausitz noch wir haben ein Patentrezept, wie dieser Strukturwandel erfolgreich für die Zukunft gestaltet werden kann. Sie sind nicht einmal offen dafür, Ideen aus Bergbauregionen in anderen Teilen der Welt oder aus dem Rhein-RuhrGebiet aufzunehmen,

(Zuruf von der CDU: Doch!)

die sich über solche Forschungsprogramme, die natürlich die regionalen Akteure, Initiativen, die es dort gibt – –

(Zuruf von der CDU: Haben Sie nicht zugehört, Frau Runge?)

Niemand bestreitet doch, dass es dort Initiativen und organisatorische Zusammenschlüsse gibt. Diese sollen im Grunde genommen in einem solchen Reallabor, angebunden an die Hochschule und nicht als ABM-Maßnahme –

(Zuruf von der CDU: Das ist aber so!)

das ist nun wirklich eine billige Unterstellung –, angesiedelt werden, wie es zum Beispiel das Land BadenWürttemberg in einer anderen Hinsicht zum wirtschaftlichen Strukturwandel tut.

Wir sollten vielleicht offen sein und aus anderen Weltregionen lernen, wie wirtschaftlicher Strukturwandel durch ein solches Forschungsprogramm mit dem Ziel, ein integriertes Gesamtkonzept zu entwickeln, unter Beteiligung der Akteure vor Ort gestaltet werden kann. Darum geht es in diesem Antrag.

Es ist ein völliges Missverständnis, dass wir damit den Strukturwandel bereits fest vorgeben würden, ganz im Gegenteil. Die Zukunft der Lausitz ist offen. Weil die Bruttowertschöpfung, bedingt durch den Bergbau und durch die Braunkohlenindustrie, sehr hoch ist, stellt sich doch die Frage: Wenn das wegbricht, welchen Ersatz für Beschäftigung, für Bruttowertschöpfung gibt es in dieser Region? Natürlich kann man die gesamte Lausitz nicht auf die Braunkohlenwirtschaft reduzieren. Das ist doch völlig unbenommen, Herr Krauß.

(Zuruf von der CDU)

Wir wollen bei Ihnen sozusagen ein Umdenken, eine Öffnung mental erreichen. Wir wollen, dass die Zukunft offen ist. Wir wollen, dass diese Zukunft mit den Beteiligten vor Ort und mit der Staatsregierung gestaltet wird.