Nun haben Sie, Herr Ministerpräsident, den Erzieherinnen und Eltern wieder einmal etwas versprochen nach dem Modell, das wir schon von den Schulen und von der Polizei kennen. Die CDU verspricht Reparaturen an den Schäden, die vorher von der CDU-geführten Staatsregierung durch Nichtstun selbst angerichtet wurden.
Nun also sind es die Kitas, die ein paar Euro mehr kriegen, nachdem ihr Budget viele Jahre lang eingefroren war. Sie wollen ihnen unter anderem 50 Euro für eine Qualitätsoffensive zugestehen. Was für eine Arroganz gegenüber den Beschäftigten!
Was wir brauchen, ist eine effektive Verbesserung des Personalschlüssels an den Kitas durch mehr qualifizierte Erzieherinnen und Erzieher. Ich sage es noch einmal: Es geht um mehr qualifiziertes Personal und nicht um Hilfskräfte oder Ehrenamtler(innen) als Ersatz.
Was Geräuschkulissen durch kindliche Kommunikation angeht, bin ich so einiges von zu Hause gewöhnt. Zu dem, was ich aber bei der verdienstvollen Aktion „Perspektivwechsel“ der Wohlfahrtsverbände vor Kurzem erst wieder erleben konnte, sagen nicht nur meine Ohren: So können wir die frühkindliche Bildung in Sachsen nicht weiterbetreiben. Auf dem Papier haben wir Gruppengrößen von 13 Kindern, was eigentlich schon zu viel ist. Da Urlaub, Fortbildung und Weiteres oft nicht mit eingerechnet werden, sind es tatsächlich oft genug 19 Kinder, die mit einer Erzieherin den Tag verbringen. Das hält kein Mensch auf Dauer ohne gesundheitliche Beeinträchtigung aus,
vor allem dann nicht, wenn die engagierten sächsischen Erzieherinnen und Erzieher jedes Kind individuell fördern möchten bzw. dazu sogar nach dem Gesetz verpflichtet sind. Selbst das gemeinsame Zähneputzen klappt kaum noch, wie das Ministerium selbst festgestellt hat.
Um es in der Sprache des Sports zu sagen: Sachsen steht bei der frühkindlichen Bildung auf einem Abstiegsplatz. Wir wollen Sachsens Kitas aber bundesweit in eine Spitzenposition bringen. Das schaffen wir, wenn die Richtlinienkompetenz der Staatskanzlei und des Finanzministeriums nicht mehr in der Hand der CDU liegt.
Ein bisschen schwanger gibt es nicht. Mit ein bisschen weniger CDU in der Regierung ist es nicht getan. Wer glaubt, er könne das Bundeskoalitionsmodell auf Sachsen übertragen, wird sein schwarzes Wunder erleben.
Was uns dann erwartet, sehen wir jetzt an den Segnungen der Großen Koalition wie der Mütterrente. 25 Euro pro
Kind wurde den Frauen in Sachsen und den anderen neuen Bundesländern versprochen, was sowieso schon weniger als im Westen wäre. Da aber in der DDR die Mütter nach dem Wochenurlaub zum großen Teil wieder gearbeitet haben, kursieren nun in den Leserbriefspalten der Zeitungen als Beispiele: 53 Cent für ein Kind oder 3,25 Euro für fünf Kinder statt 25 Euro für ein Kind. Mit Verlaub, da müssten eigentlich sogar Sie, die ganz Schwarzen, rot vor Scham werden bei diesem Betrug.
Wir wollen ein soziales Sachsen, eine Bildungspolitik von der Kita bis zur Hochschule, die alle mitnimmt, eine moderne und bürgernahe Verwaltung, demokratische Erneuerung, aktive Arbeitsmarktpolitik und eine Wirtschaftsförderung, die sich nicht auf Leuchttürme beschränkt, sondern den noch immer ausblutenden ländlichen Raum berücksichtigt.
Die damalige CDU-Alleinregierung setzte in der Ära Biedenkopf vor allem auf Leuchttürme; ob sie nun VW oder AMD hießen, die Großen in der Auto- und Chipindustrie standen im Mittelpunkt. Das war aus heutiger Sicht weniger falsch, als wir damals oft kritisierten. Denn starke internationale Player tragen zum Renommee des Freistaates bei und bilden einen globalen, wettbewerbsfähigen und wichtigen Teil des Rückgrates der Wertschöpfung. Aber gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Sachsen lassen sich allein so nicht schaffen. Es können nicht alle Sachsen in ein paar industrielle Zentren pendeln. Das innovative Potenzial großer Teile des Landes bleibt so unberücksichtigt. Die Vielfalt Sachsens, auf die wir doch so stolz sind, wird nicht genügend ins Spiel gebracht. Da bin ich ganz beim Papier „Sachsen 2020“ der Vereinigung der sächsischen Wirtschaft und des Sächsischen Landkreistages.
Ja, wir haben in Sachsen spürbar mehr Zuwanderung durch junge Leute, in Dresden und Leipzig, vor allen Dingen an die Universitäten. Wir haben aber auch viele Regionen mit starken Schrumpfungen der Bevölkerung. Auf diese wachsende Kluft zwischen Stadt und Land haben Sie keine Antwort. Es kann kein Zufall sein, dass wir trotz Abrisses von mehr als 100 000 Wohnungen immer noch 220 000 leer stehende Wohnungen in ganz Sachsen haben.
Unsere Orientierung auf die kleine und mittelständische Wirtschaft, die Anfang der Neunzigerjahre altbacken wirkte, ist nun hochaktuell. Es ist die Zukunft einer hoch flexiblen und dynamischen regional und international vernetzten Wirtschaft.
Auch wir LINKEN haben dazugelernt und haben in unserem Wahlprogramm ausdrücklich eine Fusionsförderung im KMU-Bereich stehen, weil unsere sächsische Wirtschaft insgesamt zu kleinteilig ist, um langfristig zu Regionen wie Baden-Württemberg und Bayern aufschließen zu können.
Damit sind wir beim Mindestlohn, der nach der Meinung des amtierenden Ministerpräsidenten zum Schaden der Wirtschaft in Sachsen ist.
Herr Ministerpräsident, Sie haben Ihre Position kontra flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn erst dann aufgegeben, nachdem Ihnen die Meinungsumfragen gezeigt haben, dass nur 3 % der Menschen in Sachsen Ihrer Meinung sind – das sind die aktuellen Umfragewerte der FDP, auf die Sie nicht zurückstürzen wollten – und nachdem klar war, dass die Große Koalition in Berlin trotz schwarz-gelben Untergangsgeschreis aus Dresden unerbittlich Kurs auf den Mindestlohn nimmt. Uns soll das recht sein.
Wir waren bereits glühende Anhänger des Mindestlohnes und des Grundsatzes, dass man von seiner Arbeit leben können muss, als noch andere relevante demokratische Parteien in diesem Land uns deswegen verteufeln wollten. SPD und Gewerkschaften waren damals noch strikt gegen den gesetzlichen Mindestlohn. Das ist nicht schlimm. Wir müssen alle gelegentlich dazulernen.
Auf Initiative des DGB Sachsen haben LINKE und SPD in dieser Legislaturperiode ein Vergabegesetz entworfen und in den Landtag eingebracht, in dem bereits 8,50 Euro Stundenlohn als Bedingung für Vergaben öffentlicher Aufträge festgeschrieben war. Die CDU hat diesen Gesetzentwurf abgelehnt. Nun hat die CDU den gesetzlichen Mindestlohn in der Bundesrepublik mit eingeführt, allerdings mit einigen peinlichen Gegenstimmen sächsischer Bundestagsabgeordneter. Sie sehen also: DIE LINKE wirkt.
An diesem parlamentarischen Vorstoß, der gewissermaßen der bundesweiten Entscheidung pro Mindestlohn vorausgegangen ist, waren auch die GRÜNEN beteiligt. Rot-Rot-Grün funktioniert, wie Dutzende gemeinsamer Vorlagen im Land gezeigt haben.
Rot-Rot-Grün ist wegweisend für Deutschland. Rot-RotGrün sollte ab Herbst die dominierende Farbkombination in Sachsen sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den demokratischen Fraktionen, lassen Sie uns gemeinsam bundesrepublikanische Geschichte schreiben. Wo es Auslaufmodelle gibt, gibt es auch immer Zukunftsmodelle, an denen gearbeitet wird. Die haben in Sachsen den Arbeitstitel Rot-RotGrün.
Die erstmalige bundesweite flächendeckende gesetzliche Festschreibung eines Mindestlohns ist ein historischer Fortschritt. Wir bleiben dabei, dass das für jedes reguläre Arbeitsverhältnis gelten muss. In diesem Sinne werden wir auch weiter Druck machen.
Ja, es gibt Unternehmen in Sachsen, die Schwierigkeiten haben, den Mindestlohn zu zahlen. Ihnen muss geholfen werden, aber nicht so, dass die Beschäftigten nach der Arbeit zum Amt gehen müssen, sondern das Unterneh
men. Außerdem sollten wir alle die Kirche im Dorf lassen. Die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, das IAB, hat errechnet, dass die Lohnsumme in Deutschland durch den Mindestlohn insgesamt gerade einmal um 1,5 % wächst. Wer angesichts dessen vor der Wiedereinführung des Sozialismus warnt, ist nicht ganz bei Trost.
Ein weiteres Thema, das die Politik in Berlin wie in Dresden beschäftigte, war die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds. Der NSU-Untersuchungsausschuss im Sächsischen Landtages hat nach Auffassung des rot-rot-grünen Minderheitenvotums klar zutage gebracht: Dieser von Sachsen ausgehende mörderische Naziterror hätte verhindert, das Terrortrio in Sachsen rechtzeitig gefasst werden können. Diese Verantwortung dürfen wir nicht nach Thüringen abschieben, wie es Schwarz-Gelb lange Zeit versucht hat. Daraus müssen politische Konsequenzen gezogen werden. Ein Naziasyl im Landtag, wie wir es im Vormonat erleben mussten, ist jedenfalls die falscheste aller Antworten.
Eine falsche Antwort auf die Bedrohung der rechtsstaatlichen Ordnung ist auch der planvolle demografische Niedergang der sächsischen Justiz. Die Hälfte der Richter ist über 50 Jahre alt, nur 1 % unter 40 Jahren. Die CDUgeführte Regierung steuert auf einen Kollaps der hiesigen Gerichtsbarkeit im nächsten Jahrzehnt zu. Denn wie Sie bis dahin den nötigen Justiznachwuchs organisieren wollen – auch dafür haben Sie keinen Plan, ich habe jedenfalls heute keinen gehört.
Ich weiß, Herr Ministerpräsident, das Gerücht, Sie könnten EU-Kommissar werden, hat sich nicht erhärtet. Schade eigentlich; denn ich glaube, in Brüssel wären wir Sachsen mit Ihnen gut vertreten.
Dort kommt es auf geschmeidiges Verhandeln hinter den Kulissen an. Davon verstehen Sie etwas. In der Staatskanzlei in Dresden sind dagegen regelmäßig klare Entscheidungen und beherztes Auftreten in der Öffentlichkeit auch in komplizierten Konfliktsituationen gefragt. Es wäre ein Verstoß gegen das achte der zehn Gebote, kein falsches Zeugnis wider seinen Nächsten abzulegen, würde ich behaupten: Das hat der Ministerpräsident aber gut gemacht.
Aber abgestimmt wird am 31. August sowieso nicht über das Arbeitszeugnis für einen Ministerpräsidenten, sondern über den Einfluss der Parteien auf die zukünftige Gestaltung des Landes. Die CDU hat fertig.
Es war nicht alles schlecht, was Sie in 24 Jahren zusammenregiert haben. Aber so darf es im Freistaat auf keinen Fall weitergehen.
Vielleicht werden wir manchmal Kurt Biedenkopf um Rat fragen, nicht gerade, wenn es um die Porzellanmanufaktur in Meißen geht. Ganz sicher werde ich mir die Vorschläge des Weltbürgers Prof. Gillo zur Willkommenskultur in Sachsen zu eigen machen. Mit Erich Iltgen, unserem langjährigen früheren Landtagspräsidenten, werde ich gern über mehr Wege zur direkten Demokratie in Sachsen sprechen.
Die Wählerinnen und Wähler haben am 31. August die Wahl: Schönreden wie bisher oder besser machen mit neuer, unverbrauchter Kraft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das war ein Fußballabend. Ich denke, nach diesem grandiosen Spiel haben die deutschen Fußballer, wenn sie schön auf dem Boden bleiben, wenn sie vernünftig bleiben, allerbeste Chancen, Weltmeister zu werden.