Fest steht aber am Ende der Debatte auch, dass zur wirksamen Bekämpfung von Kinder- und Familienarmut die Umsetzung des Urteils nur ein erster Schritt ist. Wir brauchen sowohl eine bedarfsgerechte Finanzierung von Familien, wir brauchen die Verknüpfung mit guter Arbeit und guter Entlohnung, wir brauchen eine leistungsfähige Infrastruktur und eine Verbesserung der Chancengleichheit für unsere Kinder. Dieses Konzept hat die Koalition für die Betroffenen derzeit leider nicht.
Ich will kurz unseren Änderungsantrag einbringen. Wir haben den Antrag der Linken auf die für uns wichtigsten Punkte zur Umsetzung des Urteils reduziert. Wir wollen eine unabhängige Kommission für die Ermittlung der Bedarfe eingerichtet wissen. In dieser Kommission sollen unabhängige Gutachter mitarbeiten. Ähnlich verhält es sich bei der Einführung eines Mindestlohnes. Das Verfassungsgericht hat klargestellt, dass das soziokulturelle Existenzminimum nicht unterschritten werden darf. Wir bevorzugen deshalb, eine Kommission zur Ermittlung zu installieren, die auch auf die Wahrung des Lohnabstandes zu achten hat.
Die Debatte um Regelsätze für Kinder sowie Grundeinkommen und Grundsicherung befindet sich leider noch nicht auf der Zielgeraden. Wir sehen hier einen ersten Schritt hin zur Kindergrundsicherung in einer Festlegung der eigenständigen Regelsätze für Kinder.
Ich habe immer noch das Wahlplakat der FDP „Wegen Dir“ mit diesem Kind vor Augen. Heute können Sie unserem Antrag zustimmen und ganz viel Gutes für die Kinder in diesem Land tun.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes auf 500 Euro, vollständige Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung, 10 Euro Mindestlohn – es ist wie immer, DIE LINKE steht hinter der Theke des Fleischwarenfachgeschäfts und tönt: Darf es noch ein bisschen mehr sein?
Auch wenn Ostern näher ist als der nächste Wahltermin, meine Damen und Herren, es ist absolut keine Zeit zum Geschenke verteilen. Der Gipfel ist: Eine Senkung von Steuern und Abgaben für den ganz normalen Arbeitnehmer oder Selbstständigen haben Sie in jedem Ihrer Beiträge in den letzten Monaten absolut ausgeschlossen, aber 20 Milliarden Euro für die Erhöhung des Hartz-IVRegelsatzes auszugeben, dafür haben Sie Geld. Ihre Debatte, werte Genossinnen und Genossen, ist nichts anderes als eine Provokation der berufstätigen Bevölkerung und aller Steuerzahler unseres Landes.
Bevor wir mal wieder über die angeblich in Deutschland vorhandene Verteilungsungerechtigkeit sprechen, sollten wir endlich über Leistungsgerechtigkeit sprechen.
Anstatt dass wir wieder einmal über das Verteilen sprechen, sollten wir zur Abwechslung mal über das Schaffen sprechen. Darum sollte es gehen, meine Damen und Herren.
Herr Zastrow, ist Ihnen bekannt, dass im Steuerkonzept der Linkspartei bis zu einer Größenordnung von 65 000 Euro Jahreseinkommen eine Entlastung eingebaut ist? Haben Sie das zur Kenntnis genommen, wenn Sie hier so einen Unfug erzählen?
Dass in unserem Steuerkonzept eine Entlastung im Bereich bis 65 000 Euro Jahreseinkommen eingeplant ist. Bei allen Gegenfinanzierungen der von uns geforderten Projekte ist das entsprechend gegenfinanziert, auch mit einer Steuerentlastung bis 65 000 Euro. Lesen Sie bitte das Steuerkonzept und versuchen Sie dann sachlich zu argumentieren und schwadronieren Sie nicht solchen Unfug.
Es ist sicher für viele in diesem Hause eine Zumutung, sich im Detail mit Ihren Steuerkonzepten zu befassen, weil wir wissen, wohin das führt.
Es gab mal einen größeren Testlauf, der entsprechende Ergebnisse in Ostdeutschland gebracht hat. Aber Sie können Ihre Redezeit gern noch dafür nutzen, uns das noch einmal zu erklären. Sie müssen aber dazusagen, wie Sie zu dieser Steuerentlastung kommen.
Die Wege, die Sie inklusive des Versprechens eines anstrengungslosen Grundeinkommens für alle vorschlagen, lehnen wir natürlich ab, meine Damen und Herren.
Auch wenn es Ihnen von der Linken unheimlich schwerfällt, das zu verstehen, und Sie es wahrscheinlich auch nicht verstehen wollen: Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass all das, was Sie so großzügig und gönnerhaft an bestimmte Bevölkerungsschichten verteilen wollen,
zunächst erst einmal von irgendjemandem über hohe Steuern und Abgaben erwirtschaftet werden muss, die alle Berufstätigen und alle Unternehmer in diesem Land zahlen. Darum geht es.
Die realen Nettoverdienste sind in Deutschland inzwischen nur noch auf dem Niveau von 1991. Das Statistische Landesamt in Kamenz hat erst jüngst errechnet, dass im Schnitt einem sächsischen Arbeitnehmer nur 65 Euro netto von 100 Euro brutto bleiben. Das ist zu wenig. Es ist höchste Zeit, dass wir uns um diejenigen kümmern, die unseren Sozialstaat mit ihren Steuern am Leben erhalten, und dass wir ihnen in Form von Steuer- und Abgabensenkungen ein bisschen von der in den letzten Jahren allen gegenüber gezeigten Solidarität zurückgeben, meine Damen und Herren.
Wir sind als FDP – das dürfte allgemein bekannt sein – keine Fans von Hartz IV. Hartz IV war und ist nicht unsere Idee. Was GRÜNE und Sozialdemokraten da geschaffen haben, ist in weiten Teilen Murks. Da gebe ich Ihnen von den Linken sogar recht.
Deswegen hat die Ohrfeige des Bundesverfassungsgerichtes auch in den rot-grünen Gesichtern ordentlich gesessen. Aber Hartz IV ist nun mal Realität, und deswegen müssen wir alles dafür tun, die Wirksamkeit aller Arbeitsvermitt
lungsmaßnahmen und der Leistungserbringung zu verbessern. Kollege Krauß hat es vorhin schon gesagt. Wir hatten gestern dazu eine ausführliche Debatte. Unsere Position hat sich von gestern zu heute nicht geändert. Sie ist immer noch dieselbe. Ich will sie deswegen nicht allumfassend wiederholen. Klar ist, wir müssen besser werden, wenn es darum geht, den Menschen zu helfen, die keine Arbeit haben.
Wir dürfen nicht vergessen, Kollege Hahn, dass Hartz IV keine Dauerlösung sein soll. Hartz IV ist kein permanenter Ersatz für ein Einkommen aus eigener Leistung, sondern nur eine Hilfe auf Zeit und eine Brücke zur Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt. Das ist das oberste Ziel. Dafür muss Hartz IV einfach treffsicherer und wirkungsvoller werden, meine Damen und Herren.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sagt nicht, dass die Regelsätze per se zu niedrig sind und zwingend angehoben werden müssen. Ich sehe dafür persönlich auch keine Spielräume. Kritisiert wird vor allem die Regelsatzberechnung für Kinder von Leistungsempfängern. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Kinder trotz des Schicksals ihrer Eltern bestmögliche Startchancen ins Leben erhalten.
Dafür müssen die Mittel, die der Staat für diese Kinder vorsieht, natürlich auch bei den Kindern ankommen und nicht – wie mir zu Ohren gekommen ist – zuweilen von unverantwortlichen Eltern in einen neuen Fernseher, Bier oder Tabak investiert werden. Deshalb sollte man aus Sicht der FDP darüber nachdenken, in bestimmten Fällen über die Ausreichung von Gutscheinen statt Geldleistungen diesen Kindern den Zugang zu Bildung zu erleichtern oder den Besuch beispielsweise von Freizeit- und Sportangeboten zu ermöglichen.
Der von CDU und FDP in Sachsen durchgesetzte freie Eintritt in staatliche Museen für Kinder und Jugendliche zeigt, dass solche Lösungswege gut sind und ordentliche Ergebnisse bringen, meine Damen und Herren.
Mir ist nicht klar, was die Mindestlohndebatte eigentlich in diesem Antrag zu suchen hat, weil wir permanent – –
ja, Herr Pellmann, über das Thema Mindestlohn in diesem Parlament sprechen. Ich habe die Vermutung, dass das heute nicht das letzte Mal sein wird. Es wird ganz sicher bei der nächsten Plenarsitzung wieder eine Rolle spielen. Deswegen möchte ich nicht so intensiv darauf eingehen.
Ich nehme zur Kenntnis, dass sich DIE LINKE offensichtlich an dem Wettlauf „Schneller, höher, weiter“ schnell noch beteiligen muss. Offensichtlich sind Sie in
Zugzwang geraten, seitdem der DGB die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 Euro fordert.
Ich hatte deshalb die Wette abgeschlossen, wann Sie mit einer höheren Zahl kommen würden. Jetzt ist es endlich so weit: Sie werfen 10 Euro in den Ring. Glückwunsch – Sie sind jetzt für einen Moment wieder Spitzenreiter. Ich warte schon auf den Tag, an dem von irgendjemand anderem – vielleicht vom Paritätischen Wohlfahrtsverband oder von der SPD – 10,50 Euro gefordert werden. Meine Damen und Herren, das kann beim besten Willen nicht der Weg sein.