In den vergangenen Tagen ging es um die Frage, ob die Erweiterung juristisch zulässig ist oder nicht. Das ist bestimmt eine wichtige und richtige Frage, geht aber am Thema vorbei. Ich sehe es eher pragmatisch.
Wenn die Erweiterung heute nicht funktioniert, wird Herr Hahn eben einen neuen Untersuchungsausschuss beantragen und die Linksfraktion beschließt mit ihren Stimmen diesen neuen Ausschuss. Dann sitzen wir in ein paar Wochen wieder überflüssigerweise hier zusammen. Insofern freuen auch wir uns, dass mit dem heutigen Änderungsantrag das juristische Geplänkel beendet wird und wir uns auf die inhaltlichen Fragen konzentrieren können.
Im Untersuchungsausschuss am vergangenen Montag haben wir bei der Befragung des Zeugen der FDPFraktion Claus-Harald Wilsing Erstaunliches erfahren. Der Zeuge Wilsing hat ausgeführt, dass ein rechtzeitiger Verkauf der Sachsen LB Europe 500 Millionen in die Staatskasse gespült hätte. Dieser Sachverhalt zeigt auf, dass wir uns auf weitere unangenehme Überraschungen einstellen können. Die Frage ist doch, warum es nicht zu diesem Verkauf gekommen ist. Wer war an diesen Verhandlungen von der Staatsregierung und den Ministerien beteiligt? Wer hat geblockt und den Verkauf letztlich verhindert? Bei einem rechtzeitigen Verkauf wäre dem sächsischen Steuerzahler das Milliardendesaster erspart geblieben und wir hätten sogar noch ein Plus gemacht.
Zu einem weiteren Thema. Am 18. Januar 2008 haben wir mit Verwunderung der Presse entnommen, dass die Landesbank Baden-Württemberg ihr Rücktrittsrecht zum Kaufvertrag verlängert hat. Davon war aber in den Beratungen des Plenums im Dezember und des fachlich zuständigen Haushalts- und Finanzausschusses nicht die Rede. Das verwundert uns schon sehr.
Der Ministerpräsident ist zwar heute nicht anwesend, aber ich frage dennoch: Herr Ministerpräsident, gibt es viel
Wie geht es neben der heutigen Erweiterung des Untersuchungsauftrages weiter? Wir erwarten das von der Staatsregierung groß angekündigte von Ernst & Young erarbeitete Gutachten. Ursprünglich für Mitte Januar angekündigt, soll es nun Ende Januar vorliegen.
Die Frage der politischen Verantwortung wird dieser Bericht zwar nicht beantworten, insofern darf nicht zu viel erwartet werden. Der Bericht wurde auch nicht vom Sächsischen Landtag, sondern von der Staatsregierung gefordert. Gleichwohl wird der Bericht eine Basis für die weitere Diskussion um die zivil- und strafrechtliche Verantwortung bieten und damit am Ende auch zu der zentralen Fragestellung führen, wer in der Staatsregierung für das gesamte Desaster die Verantwortung trägt. War es nur ein einzelner Referatsleiter in der Bankenaufsicht, der die Fäden in der Hand hatte, oder gingen die Fäden weiter in die Sächsische Staatskanzlei? – Alles offene Fragen.
Das Abenteuer Sachsen LB ist damit noch lange nicht zu Ende. Wenn der Untersuchungsausschuss dazu einen Beitrag leisten kann, dann werden wir, die FDP-Fraktion, einer Erweiterung heute nicht entgegenstehen. Unsere Fraktion stimmt daher der Erweiterung zu.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrter Herr Schmalfuß, ich möchte Ihnen gleich zu Beginn meiner Rede meinen Dank aussprechen, dass Sie einer der Ersten waren, die damals diese notwendige und von uns allen inzwischen als notwendig erachtete Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes gefordert haben.
Meine Damen und Herren! Wir erinnern uns noch alle an das Statement der Sachsen LB von Anfang August 2007, als vollmundig dementiert wurde, dass es bei der Sachsen LB je Probleme geben könnte wie zuvor bei der Industrie-Kreditbank. Wenige Tage später mussten Bank und Finanzministerium einräumen, dass es auch bei der Sachsen LB ein Liquiditätsrisiko gebe. In einer ersten Notoperation stellten die Landesbank und die Sparkassenorganisation der Republik der Sachsen LB eine Notkreditlinie in Höhe von 17,3 Milliarden zur Verfügung, um die drohende Illiquidität der Bank abzuwenden. Von einer nachhaltigen und dauerhaften Lösung der Probleme der Sachsen LB war hier die Rede; wir erinnern uns alle noch daran. – Wieder einmal war es ein schöner Tag für Sachsen.
Nur einige Tage später lag die Sachsen LB erneut auf der Intensivstation, und dieses Mal mit einem kurzfristigen Mittelbedarf von 250 bis 350 Millionen; es konnten auch 800 Millionen sein, man wusste es nicht so genau. Angeblich wusste auch niemand so richtig, warum und wofür.
In dieser Situation, meine Damen und Herren, identifizierten unsere Finanzgenies eine Ungeheuerlichkeit, nämlich: eine böse britische Bank, die Barclays, würde die schwierige unverschuldete Lage der Sachsen LB ausnutzen, um 250 Millionen von der Sachsen LB zu fordern. Igitt, wie gemein!, kann ich dazu nur sagen. Meine späteren Fragen, ob sich Barclays eigentlich vertragskonform verhalten habe, wurden damals von Herrn Süß wie folgt beantwortet: Ja, sie haben sich vertragskonform verhalten. – Es gab also Verträge.
Dieser angeblich so plötzliche Kapitalbedarf der Sachsen LB im August 2007 rührte daher, dass die Bank in dieser Unzeit Wertpapiere veräußerte und diese Wertpapiere lediglich zum Zeitwert und nicht zum Nominalwert verkauft werden konnten. Angeblich erst durch diesen Verkauf stellte sich heraus, dass es für einige Conduits Sondervereinbarungen gab, sogenannte Valuation Agreements, nach denen die Sachsen LB verpflichtet war, zum Beispiel der Barclays-Bank die Differenz zwischen Verkaufserlös und Nominalwert der Papiere zu erstatten. Das waren diese 250 Millionen.
Das Leben könnte so schön sein. Wir kaufen uns Aktien bei den Banken. Die uns die Aktien verkaufen, garantieren, dass wir denselben Kaufpreis für die Aktien immer zurückbekommen, egal, wie die Aktienkurse stehen. Das wäre ein Valuation Agreement mit einer Bank für Aktien. Nur leider machen das die übrigen Banken nicht. Nur unsere schlaue Sachsen LB hat das gemacht, und zwar auf Risiko des Freistaates Sachsen und der sächsischen Kommunen und damit auf unser aller Risiko. Das ist die Wahrheit.
Laut Aussage von Herrn Wilsing, dem Ex-Vorstand in Dublin, im Untersuchungsausschuss am 21. Januar 2008 soll in einer Kreditausschusssitzung der Sachsen LB am 16. Juni 2005, also drei Wochen vor Ablauf der alten Gewährträgerhaftung, beschlossen worden sein, den Ormond Quay ohne volumenmäßige Begrenzung nach oben aufzustocken und die Erhöhung des Volumens auch noch der Gewährträgerhaftung zu unterlegen. Herr Wilsing behauptete weiter, dass die Mitglieder des Kreditausschusses, besonders Staatssekretär Habermann, damals eindeutig informiert wurden, dass Bank und Gewährträger beim Ausbau des Ormond Quays nicht mit den üblichen 4 %, sondern mit dem gesamten Volumen, also damals bereits 5 Milliarden und zum Schluss 17,3 Milliarden, haften. Das hat Herr Wilsing gesagt. Er hat auch gesagt: Was sind schon 5 Milliarden für den Freistaat? Das wäre verkraftbar gewesen. – Das hat Herr Wilsing gesagt.
Nach meinen Informationen sind allerdings die Behauptungen von Wilsing, der bei dieser Kreditausschusssitzung überhaupt nicht anwesend war, man habe das 5 Millionen
teure 100-%-Risiko kommuniziert, voll und ganz unwahr. Man kann auch sagen, er hat gelogen. Man kann auch sagen, dass der smarte Ehrenmann im Nadelstreifen etliche Falschaussagen produziert hat, und zwar uneidliche. Was tatsächlich wahr ist, können wir erst dann herausbekommen, wenn die Protokolle und Vorstandsvorlagen vorliegen und Augenzeugen befragt werden. Bis dahin darf Wilsing zwar lügen, die Betroffenen aber sind an die Vertraulichkeit gebunden. Das wollen wir schnellstens abschaffen. Warum und wieso bzw. wer diese Harakiri-Vereinbarung zum Ormond Quay unterzeichnet hat und wer es gewusst hat, das bleibt bis heute im Dunkeln und bedarf der dringenden Aufklärung, meine Damen und Herren.
Wollte man mit den Millionen aus Dublin, koste es letztlich, was es wolle, das eigentliche politische Scheitern der Bankstrategie verdecken? Wollte man unbequemen Nachfragern den Mund stopfen? Denn wer Millionen bekommt, fragt selten nach den Risiken.
Aus heutiger Sicht hat der Untersuchungsausschuss nur an den Symptomen der Bankkatastrophe herumoperiert. Wir haben uns intensiv mit der MDL, mit Günstlingswirtschaft, begnadeten Bankern und brasilianischen Nächten beschäftigt, aber bei dem Virus Sachsen LB, Europe PSC, der sich in der Blackbox in Dublin befand, waren wir an den Einsetzungsbeschluss des Landtages gebunden. Nun muss konsequent die politische Aufarbeitung des Exitus der Sachsen LB erfolgen. Vielleicht finden wir dabei auch die Antwort auf die Frage: Woher kommen die Widerstände? Wer hat ein politisches und wer hat ein wirtschaftliches Interesse daran, dass die tatsächlichen Hintergründe nicht aufgeklärt werden? Wer hat die Hand aufgehalten? Wer hat Milliarden veruntreut? Deshalb, meine Damen und Herren, brauchen wir die beantragte Erweiterung des Untersuchungsauftrages.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Satz sagen, der auf dem Lande oft zu hören ist: Nichts schweißt eine Dorfgemeinschaft mehr zusammen als eine gemeinsame Leiche im Keller. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass wir diese Leiche endlich heben!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Dieser Untersuchungsausschuss beschäftigt sich ja nicht nur mit Verantwortlichkeit, sondern auch mit Stilfragen; und hier ist sicher der richtige Ort, um einige Stilfragen auch innerhalb des Parlamentes zu klären.
Herr Kollege Schmalfuß, Sie haben sich darin gefallen, hier zu vertreten, dass die FDP im September 2007 eine Erstinitiative vorhatte, indem sie einen Antrag vorlegte.
Ich kann dazu – Herr Nolle hat es bestätigt, obwohl er wahrscheinlich nicht genau Bescheid weiß – nur sagen: Ich habe Sie alle als demokratische Fraktionsvorsitzende angeschrieben und Sie gebeten – das war im August 2007 –, ob Sie sich nicht an der Erweiterung des Untersuchungsausschusses beteiligen wollen. Ich habe ein ordentliches Schreiben von Herrn Dr. Hähle bekommen. Von der FDP-Fraktion habe ich einen Antrag ohne Antwortschreiben bekommen. Von der SPD habe ich überhaupt nichts bekommen. Mit der Linken habe ich mich mündlich verständigt. – Das ist der Stand der Dinge.
Daraufhin haben Sie diesen Antrag im September nicht eingereicht – das ist Ihr gutes Recht –, wahrscheinlich, weil Sie, genau wie ich und alle anderen, zu der Schlussfolgerung gelangt sind, dass man vor dem 31.12. keine Nägel mit Köpfen machen kann.
Das ist in Ordnung, so haben wir uns auch alle geeinigt. Was mich aber etwas ärgert, ist, dass Sie einen etwas komischen Zungenschlag in die Sache hineingebracht haben. Herr Hähle hat das Gespräch mit mir gesucht. Wir haben überlegt, ob es sinnvoll sei, einen Unterausschuss zu bilden. Sie, Herr Hähle, haben von mir eine negative Antwort bekommen, da meine Erfahrungen mit dem Unterausschuss 2005 denkbar schlecht sind; das können Sie sicher nachvollziehen. Deshalb haben wir darauf verzichtet und bis nach dem 31.12. gewartet. Danach haben die Linksfraktion und wir einen Formulierungsvorschlag vorgelegt und deutlich gemacht: Wir sind für Änderungsvorschläge mehr als offen. Das haben wir auch in der Pressekonferenz deutlich gesagt, da wir wollten, dass alle anderen demokratischen Parteien daran teilnehmen.
Die FDP hat sich in der letzten Woche darin gefallen, nicht daran teilzunehmen, und sie hat – im Gegenteil – in einer Pressemitteilung davor gewarnt, dass man jetzt keinen Schnellschuss machen dürfe.
Das ist Ihre Aussage, ich kann das hier nur wiederholen. Es sind alles Schriftstücke, die vorliegen und die man einsehen kann.
Das ist ja in Ordnung; dann hat es jetzt eine Änderung gegeben. Ich habe es so verstanden: auf Betreiben der Koalitionsfraktionen. Warum die FDP die ganze Zeit über geschwiegen hat, wird ihr Geheimnis bleiben. Aber für mich steht die Frage – Herr Schmalfuß, ich habe Sie bisher in Ihrer Arbeit persönlich als seriös erlebt und Ihnen einen seriösen Stil unterstellt –, dass Sie sich entscheiden müssen, welches Image Sie in Zukunft in diesem Parlament haben wollen.
Ich habe nun noch die Möglichkeit, kurz etwas zu sagen. Uns war klar, dass die erste Form des Antrages von Linksfraktion und GRÜNEN rechtswidrig gewesen ist.
Ich verweise auf das Juristische Gutachten vom 21. Januar 2008. Ergebnis – ich zitiere –: „Der Antrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes des 1. Untersuchungsausschusses der 4. Legislaturperiode des Sächsischen Landtages, Drucksache 4/10912, ist wegen des Verstoßes gegen die allgemein zu beachtenden Grundsätze für die Erweiterung von Untersuchungsausschüssen unzulässig.“