Protocol of the Session on January 22, 2008

Wir kommen zum letzten Entschließungsantrag, dem der Fraktion der FDP, Drucksache 4/11046. Herr Zastrow, bitte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Eine etwas traurige Randnotiz der Kreisgebietsreform ist zweifelsohne, dass der Name Niederschlesien zumindest verwaltungstechnisch von der sächsischen Landkarte und sogar von der bundesdeutschen Landkarte verschwindet. Denn mit der Kreisgebietsreform geht der bisherige Landkreis NOL, also der Niederschlesische Oberlausitzkreis, in dem gemeinsamen Landkreis Görlitz auf.

Ich will klar sagen, dass wir als FDP-Fraktion den Namen Görlitz für den neuen Landkreis für gut halten. Ich glaube, dass er die Region sehr gut beschreibt und dass er auch bei der Mehrheit der Einwohner dieser Region, die immerhin von Weißwasser bis nach Zittau und nach Löbau geht, sicherlich den größten Konsens findet und von daher alternativlos ist.

Allerdings muss man sagen, dass Niederschlesien für Sachsen eine sehr wichtige Wurzel ist, noch eine recht junge, aber eine, die untrennbar mit unserem Heimatland verbunden ist. Auch wenn die niederschlesische Region längst nicht die Bekanntheit und die sächsische Tradition der Mark Meißen, der Lausitz oder des Erzgebirges hat: Sachsen wäre ohne das niederschlesische Gebiet überhaupt nicht denkbar. Sachsen wäre ohne Niederschlesien

auch nicht das, was es heute ist, meine Damen und Herren.

Nicht umsonst hat der Freistaat Sachsen den Begriff Niederschlesien in der Sächsischen Verfassung verankert. Dem Rechnung zu tragen, meine Damen und Herren, ist Sinn und Zweck unseres Entschließungsantrages. Aber es geht noch um eine andere Sache, denn Sachsen hat die Vaterschaft für die sich heute noch auf deutschem Boden befindlichen niederschlesischen Gebiete übernommen. Diese Tatsache konfrontiert uns immer wieder mit unserer eigenen Geschichte, einer Geschichte, der wir uns bewusst sein sollten. Denn Niederschlesien erinnert uns in ganz besonderer Art und Weise auch an das, was uns der Zweite Weltkrieg und was uns die Naziherrschaft eingebrockt haben und was eben diese Naziherrschaft aus unserem Land gemacht hat.

(Jürgen Gansel, NPD: Wer waren die Vertreiber?)

Niederschlesien, Herr Gansel, erinnert uns auch an eine DDR-Geschichtsschreibung, die das Schicksal vieler Deutscher nach dem Krieg einfach ignoriert und oftmals totgeschwiegen hat.

Niederschlesien erinnert uns aber auch an die vielleicht glücklichste Stunde der jüngeren sächsischen Geschichte, nämlich die Wiedererrichtung unseres Freistaates Sachsen im Jahre 1990. Ich bin als jemand, der damals nicht im Landtag gesessen hat, den Vätern der Sächsischen Verfassung außerordentlich dankbar, dass sie damals im vollen Bewusstsein Niederschlesien in der Sächsischen Verfassung verankert haben.

Meine Damen und Herren! Wir wollen, dass diese niederschlesischen Traditionen hochgehalten und durch den Freistaat Sachsen auch in Zukunft befördert und unterstützt werden, auch wenn der Name Niederschlesien nicht mehr in einer Gebietskörperschaft auftaucht. Es darf – das dürfte in unser aller Interesse sein – nicht passieren, dass an Niederschlesien nur noch ein braungehaltenes Autobahnschild erinnert oder aber am Ende der Name Ihres Jugendverbandes, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Schließlich heißt dieser: Junge Union Sachsen und Niederschlesien. Deswegen bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Danke. – Herr Bandmann hat sich gemeldet für die CDU, bitte schön.

Meine Damen und Herren! Ich hatte vorhin schon zum gleichen Thema etwas ausgeführt.

Herr Zastrow, Sie haben darauf hingewiesen, dass die Väter der Verfassung dieses in die Landesverfassung eingebracht haben. Ich gehöre in der Tat dazu.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Der Dank gilt zunächst Steffen Heitmann, der im Gohrischer Entwurf diese Vorlage eingebracht hat. In diesem Entwurf stand aber: „im ehemals schlesischen Gebiet“. Ich habe in den Verhandlungen im Verfassungs- und Rechtsausschuss dann das Wort „ehemals“ streichen lassen. Dieser Antrag hat eine Mehrheit gefunden und seitdem steht es so drin.

Sie haben völlig recht, dass der Freistaat Sachsen hier eine Verantwortung hat und sich dieser Verantwortung auch stellt. Die Situation ist die, dass der Kreisname, der in Zukunft „Landkreis Görlitz“ lautet, durch kommunale Entscheidungen zustande gekommen ist. Die Stadträte und die Kreisräte des Niederschlesischen Oberlausitzkreises, des Kreises Löbau-Zittau und der Stadt Görlitz haben diesen Namen vorgeschlagen.

Die Sorge, dass das niederschlesische Element in irgendeiner Weise untergehen wird, halte ich für unberechtigt. Der Freistaat Sachsen hat mit enormen finanziellen Mitteln – auch die Bundesrepublik Deutschland und die Stadt Görlitz – das Schlesische Museum zu Görlitz unterstützt und eingerichtet. Die Landsmannschaften haben einen erheblichen Anteil daran und es sind dort Kulturschätze aus ganz Schlesien untergebracht. Ich kann nur jedem empfehlen, dem Museum in Görlitz einen Besuch abzustatten.

Ich hatte auf die Fahnenverordnung des Freistaates Sachsen verwiesen. Wer an Feiertagen nach Görlitz kommt, wird die weiß-gelben Fahnen sehen.

Von daher ist dieser Änderungsantrag

(Margit Weihnert, SPD: Entschließungsantrag!)

richtig, dieser Entschließungsantrag – eine Leerformel. Dass schlesische Geschichte und Kultur lebendig bleibt, kommt darin zum Ausdruck, dass wir mit den Schlesiern in Polen eine exzellente Zusammenarbeit pflegen und dass dieser Widerspruch aufgehoben wird.

Wir haben in Görlitz selbst als europäische Stadt, als Europastadt firmiert. Polen ist in gleicher Weise daran interessiert, dass bei uns zu diesem Thema eine gute Zusammenarbeit stattfindet. Die Verantwortung für die Schlesier nur auf das niederschlesische Gebiet zu beschränken halte ich für eine Einschränkung, die unzulässig ist. Das wollten Sie so nicht sagen; ich will Ihnen das auch nicht unterstellen, aber ich denke, wir müssen deutlich machen, dass die Schlesier, aber auch andere Vertriebene die alte Bundesrepublik wieder mit aufgebaut haben und dass auch in der ehemaligen DDR viele Vertriebene dieses Land mit aufgebaut haben. Ich denke, dies ist immer wieder anzuerkennen und es ist deutlich zu machen, was Vertriebene für Deutschland geleistet haben. In der Charta des Bundes der Vertriebenen haben sie sich von Anfang an dazu bekannt, dass sie dem Frieden in Europa dienen und aus den geschichtlichen Lehren lernen wollen. Als Koalition sehen wir es nicht als notwendig an, über diesen Antrag hier extra zu beschließen, da die Aufgaben ohnehin aus unserer Sicht erfüllt sind.

(Beifall bei der CDU)

Danke. – Es gibt weiteren Aussprachebedarf. – Gleich vom Saalmikrofon; bitte.

Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP! Meine Fraktion kann sich Ihrem Entschließungsantrag ebenfalls nicht anschließen. Auch nach Ihrer blumigen Rede, Herr Zastrow, kann ich die Sinnhaftigkeit und vor allem den praktischen Nutzen dieses Entschließungsantrages nicht erkennen. Lassen Sie mich das ganz kurz aus der Sicht einer Kreisrätin einer betroffenen Gebietskörperschaft, nämlich des bis jetzt noch existenten Niederschlesischen Oberlausitzkreises, begründen. Ich darf Ihnen sagen, worüber wir vor Ort diskutieren: über alles Mögliche, Herr Zastrow, aber wirklich nicht über den Kreisnamen Görlitz, der von allen Gebietskörperschaften – – In diesem Fall muss ich Herrn Bandmann recht geben, auch wenn es mir schwer fällt: dass wir an diesem Punkt alle übereinstimmend gesehen haben, dass dies ein tragfähiger Kompromiss ist.

(Holger Zastrow, FDP: Habe ich das gesagt?)

Das haben Sie gesagt: der Name Görlitz sei ein tragfähiger Kompromiss.

(Holger Zastrow, FDP: Das habe ich explizit nicht gesagt!)

Selbstverständlich haben Sie das gesagt. Insofern erübrigt sich Ihr Antrag natürlich.

Frau Kagelmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Sie haben – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Kagelmann, ja oder nein?

Bitte schön.

Das ist doch ein Wort. – Herr Morlok, bitte.

Frau Kagelmann, ist Ihnen entgangen, dass unser Fraktionsvorsitzender Holger Zastrow ausdrücklich für unsere Fraktion dargestellt hat, dass auch wir den möglichen Kreisnamen Görlitz als eine gute Wahl empfinden, dass wir jedoch darüber hinaus trotzdem der Auffassung sind, dass weitere Dinge getan werden müssen, es aber in keinem Fall so ist, dass wir, wie Sie es hier darstellen, kritisiert haben, dass wir den Namen Görlitz ausgewählt haben?

Frau Kagelmann.

Das habe ich gerade in der Zwiesprache mit Herrn Zastrow zum Ausdruck gebracht. Sie haben natürlich darauf hingewiesen, dass es ein tragfähiger Kompromiss ist. Belassen Sie es

doch dabei und legen Sie hier nicht solch einen Entschließungsantrag vor, der die Sache dann wieder relativiert.

Sie fordern in Abschnitt II die Staatsregierung auf, die schlesische Geschichte und Kultur weiterhin zu befördern. Damit sagen Sie natürlich ausdrücklich, dass sie es bis jetzt tut. Ich kann Ihnen als jemand, der in Niesky wohnt, bestätigen: Natürlich lebt die schlesische Kultur bei uns vor Ort durch Einrichtungen und Vereine. Sie wird gelebt.

(Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Können Sie mir den Verlust des Verweises auf Schlesien quantifizieren? Er ist schlecht quantifizierbar und deshalb natürlich auch schlecht kompensierbar. Aber wenn überhaupt, dann lassen Sie das unsere Sorge als Kreisräte sein. Wir werden darüber entscheiden, wie wir dieser schlesischen Identität Rechnung tragen werden. Dazu bedarf es keines Antrages der FDP-Fraktion.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Besteht weiterer Aussprachebedarf? – Nein. Meine Damen und Herren, damit stimmen wir nun über den Entschließungsantrag der FDP-Fraktion mit der Drucksachennummer 4/11046

ab. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei 2 Stimmenthaltungen und einer Reihe von Jastimmen dennoch mit großer Mehrheit abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Das war der letzte Entschließungsantrag. Wir kommen noch einmal zur Auszählung der Wahl zurück. Sie haben am Ende mitbekommen, dass es aufgrund der Akustik hier vorn eine kleine Irritation gab. Die Zahl der Neinstimmen vermindert sich um eine Stimme, daraus wird eine Enthaltung. Das Endergebnis lautet: 65 Jastimmen zur Kreisgebietsreform und 51 Neinstimmen sowie eine Enthaltung.

Nun liegt noch ein Antrag auf unverzügliche Ausfertigung dieses Gesetzes vor. Dem wird entsprochen, wenn der Landtag die Dringlichkeit entsprechend § 50 Abs. 2 der Geschäftsordnung beschließt. Wenn es keinen Widerspruch gibt, dann würden wir so verfahren. – Danke schön.

Damit ist diese denkwürdige 98. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages beendet. Wir sehen uns morgen früh pünktlich um 10:00 Uhr zur 99. Sitzung wieder.