(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Vogtländischer Weg! – Andrea Roth, Linksfraktion: Umweltverwaltung!)
Ein Blick über unsere Grenzen verrät, dass sich viele ostdeutsche Bundesländer im Moment in ähnlichen Reformprozessen befinden und – ja! – sogar den Freistaat Sachsen zum Vorbild nehmen wollen. Der Freistaat Sachsen kann also hier eine Vorreiterrolle einnehmen, meine Damen und Herren,
und es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir hier – wie in vielen anderen Bereichen auch – unserer Vorreiterrolle gerecht werden und unsere Reformfähigkeit deutlich unter Beweis stellen.
Die sächsische SPD hat bereits im Vorfeld der Landtagswahlen 2004 die Notwendigkeit einer Verwaltungsreform angemahnt. Mit dem Koalitionsvertrag haben SPD und CDU gemeinsam diese längst überfällige Reformdebatte angestoßen.
Ein wichtiger Teil dieser Debatte – nun komme ich zu einigen Details – drehte sich von Anfang an um die Frage, ob wir überhaupt eine staatliche Mittelbehörde brauchen. Andere Bundesländer zeigen, dass es auch ohne Regierungspräsidien oder eine andere staatliche Mittelebene geht.
Es ist kein Geheimnis, dass sich meine Fraktion eine solche Lösung auch hätte vorstellen können. Letztendlich kommt es aber nicht darauf an, ob man nun einen zweistufigen oder einen dreistufigen Verwaltungsaufbau wählt, sondern darauf, wie gut die Strukturen tatsächlich arbeiten,
Die Koalitionspartner sind davon überzeugt, dass eine noch stärkere Aufgabenbündelung auf der Mittelebene bei den Regierungspräsidien eindeutig der falsche Weg ist, sondern dass eine Reform nur dann einen Sinn macht, wenn in erheblichem Umfang Aufgaben kommunalisiert werden und die mittelbehördliche Ebene neu organisiert wird.
Man mag darüber streiten, ob es in dem einen oder anderen Fall richtig ist, bestimmte Aufgaben zu kommunalisieren oder, wie beispielsweise im Schulbereich, schon zu Beginn der Debatte den Reformbedarf grundsätzlich auszuschließen. Wenn es aber um eine Kommunalisierung geht – das richtet sich speziell an Ihre Adresse, Herr Scheel –, dann sollten Sie das Kommunalisierungsgebot unserer Verfassung auch durchaus ernst nehmen und das notwendige Vertrauen in die kommunale Ebene aufbringen, anstatt von vornherein alles zu verteufeln.
(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Aber nicht in die Koalition! Kein Vertrauen! – Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, Linksfraktion)
Letztlich sind Sie diesem Haus ein eigenes Kommunalisierungskonzept oder auch ein eigenes Verwaltungsreformmodell schuldig geblieben. Das haben wir bis heute nicht.
Es genügt halt nicht, sich nur verbal zur Kommunalisierung zu bekennen, aber dann jeden Vorschlag im Detail abzulehnen. Wenn man den Teich trockenlegen will, darf man nicht nur auf die Frösche hören. So ähnlich heißt es wohl. Was ich damit sagen will: Man muss sich auch mal selbst Gedanken um mögliche Alternativen machen.
Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass die rein fachliche Bewertung, ob eine Kommunalisierung Sinn macht oder nicht, immer in einer gewissen Abhängigkeit zur Größe der kommunalen Gebietsstrukturen steht. Unbestritten erlauben die sogenannten Großkreise, die mal in der Diskussion waren, eine weitaus stärkere Kommunalisierung und weitaus stärkere Synergien als die traditionellen Gebietseinheiten. Gerade mit Blick auf die Region Leipzig oder auf die Lausitz wären solche Kreisgebietsstrukturen denkbar gewesen;
denkbar in dem Sinne, dass eine Kommunalisierung fast aller mittel- oder auch sonderbehördlichen Aufgaben möglich gewesen wäre.
Mit der Grundsatzentscheidung – ich nenne es lieber Kompromiss –, mit dem Kompromiss in der Koalition, eine mittelbehördliche Ebene in der veränderten Gestalt von drei Landesdirektionen beizubehalten, sind eben einer Kommunalisierung, insbesondere bei speziellen Fachaufgaben, strukturelle Grenzen gesetzt. Eine Vollkommunalisierung ist also bei diesem Modell nicht mehr möglich.
Meine Fraktion sieht deshalb den einen oder anderen Punkt der Reform auch skeptisch, das gebe ich zu.
Ich denke da beispielsweise an Teile der Umweltverwaltung, Ämter für ländliche Entwicklung, Denkmalschutz oder auch die Kommunalisierung ausgerechnet der hoheitlichen Aufgaben beim Staatsbetrieb Sachsenforst. Wir sind aber bereit – und das ist die wichtige Botschaft, meine Damen und Herren –,
das notwendige Vertrauen aufzubringen – nicht alles mitzumachen, Herr Dr. Hahn –, dass die kommunale Seite – im Gegensatz zu Ihnen bringen wir dieses Vertrauen auf – die neuen Aufgaben verantwortungsvoll erfüllen wird.
Wir Sozialdemokraten tragen diese Reform auch deshalb mit, weil wir eben Verantwortung für die Beschäftigten von Freistaat und Kommunen tragen.
Nur wenn wir jetzt einen langfristigen Reformprozess mit Blick auf das Jahr 2020 einleiten, werden wir die notwendigen Synergien erreichen, um einen Personalabbau durch Kündigungen auszuschließen.
(Beifall bei der SPD – Sebastian Scheel, Linksfraktion: Dann machen Sie doch zehn Jahre Kündigungsschutz!)
Wer die Reform auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben will, der gefährdet auch die Zukunft der Beschäftigten von Freistaat und Kommunen.
Wir sehen es als unseren Erfolg an, dass es einen dreijährigen Kündigungsausschluss für die bisher staatlichen Beschäftigten, die zur kommunalen Ebene wechseln, geben wird. Natürlich gilt dieser Kündigungsausschluss gleichzeitig für alle Beschäftigten jener Landkreise, die im Zuge der Gebietsreform zusammengelegt werden.
Es reizt mich schon, an dieser Stelle noch einmal auf Mecklenburg-Vorpommern zu schauen. Was hat die Linksfraktion in Mecklenburg-Vorpommern über den dortigen Kündigungsausschluss gejubelt! Ich erspare Ihnen, Herr Scheel, aus den Reden Ihrer Parteikollegen in Mecklenburg-Vorpommern zu zitieren. Immer, wenn DIE LINKE etwas für die Beschäftigten erreicht hat – oder erreicht haben will –, dann ist es ein riesiger Verhandlungssieg. Hat die Sozialdemokratie diesen Erfolg erreicht, dann hat sie die Interessen der Beschäftigten verraten. Das ist – nehmen Sie es mir nicht übel – pure Heuchelei.
Der dreijährige Kündigungsausschluss, die umfangreichen Sozialkriterien bei der Personalauswahl, die Härtefallklauseln – Herr Bandmann hat es schon angesprochen –, Härtefallklauseln für Schwerbehinderte, die Übergangsregelungen für Schwerbehinderte und Frauenbeauftragte, die Einbindung der Personalräte bei der Erarbeitung ergänzender Sozialkriterien, das sind Punkte, für die sich die SPD in den Verhandlungen stark gemacht hat und die jetzt umgesetzt werden, weil auch unser Koalitionspartner diese Priorität erkannt hat. Diese Erfolge lassen wir uns nicht nehmen, meine Damen und Herren.
Ich mache auch keinen Hehl daraus, dass wir die schwierigen Rechtsfragen beim Personalübergang am liebsten durch einen Tarifvertrag gelöst hätten. Aber – das muss man hier auch deutlich ansprechen – das war mit der kommunalen Ebene sowie mit unserem Koalitionspartner nicht zu verhandeln. Deshalb sage ich es sehr deutlich und nehme auch kein Blatt vor den Mund: Für alle rechtlichen Risiken im Zusammenhang mit dem Personalübergang liegt die Verantwortung damit klar an anderer Stelle.
Die Anbindung des Landesjugendamtes beim Sozialministerium, der Verzicht auf eine Kommunalisierung der Schulpsychologen, der Erhalt des Landesamtes für Denkmalpflege, zahlreiche Sonder- bzw. auch Besitzstandswahrungsregelungen für ehemals kreisfreie Städte – da denke ich an die Bereiche Sparkasse, öffentlicher Personennahverkehr, Denkmalpflege, Feuerwehr und Rettungsdienst –, das alles sind Beschlüsse der Koalitionsfraktionen, meine sehr verehrten Damen und Herren, die den Gesetzentwurf der Staatsregierung qualitativ erheblich verbessert haben.
Ergänzend wollen wir mit einem Entschließungsantrag zum Kreisgebietsneugliederungsgesetz unseren Willen unterstreichen, finanzielle Nachteile ehemals kreisfreier Städte im Finanzausgleich 2009/2010 angemessen zu berücksichtigen.
Richtig ist aus unserer Sicht auch die Änderung im Gesetzgebungsverfahren, den Status einer Großen Kreisstadt ab einer Einwohnergröße von 17 500 Einwohnern einzuführen. Richtig war auch, die Kommunalisierung der Heimaufsicht bis 2013 zurückzustellen, um zunächst die Entwicklung der Pflegeversicherung auf Bundesebene abzuwarten.