Protocol of the Session on January 22, 2008

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

In zahllosen regulären und Sondersitzungen des federführenden Innenausschusses sowie der mitberatenden Ausschüsse wurden, basierend auf dem Regierungsentwurf und der hierzu durchgeführten öffentlichen Expertenanhörung, zum Teil kontroverse, letztendlich aber konstruktive Diskussionen geführt.

Die Argumente sind ausgetauscht, die Zeit für eine Entscheidung ist reif. Aus meiner Sicht kann sich das Ergebnis sehen lassen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Mit dem nun vorliegenden Beschlussvorschlag wird es gelingen, eine moderne bürgerfreundliche Verwaltung und integrierte leistungsfähige Strukturen zu schaffen.

Die Beschlussempfehlung des Innenausschusses enthält eine Reihe von Änderungen am Regierungsentwurf, wie zum Beispiel die nochmalige deutliche Anhebung der Anzahl der Kreisräte. Die Notwendigkeit der Kreisreform und das Leitbild – diese beiden Punkte hat sich der Ausschuss ausdrücklich zu eigen gemacht. Vor dem Beginn der gebietlichen Diskussion hat der Innenausschuss das Leitbild des Innenministeriums diskutiert und es angenommen. Es ist also keineswegs so, dass es kein Leitbild gegeben hätte, nach dem im Innenausschuss diskutiert wurde. Was ich allerdings feststellen muss: Es

war das einzige Leitbild, das in der Diskussion war. Die Opposition hat weder das Leitbild durch Anträge verändert noch ein eigenes Leitbild in die Diskussion eingebracht.

(Holger Zastrow, FDP: Sie haben überhaupt keinen Änderungsantrag angenommen!)

Auch wenn im Zuge der Beratungen einzelne Abstriche am Kommunalisierungspaket – und damit auch an dem übergehenden Personal – der Staatsregierung gemacht wurden, bleibt die Rechtfertigung der Gebietsneugliederung erhalten. Nur damit können dauerhaft leistungsfähige und effektive Verwaltungsstrukturen auf der kommunalen Ebene geschaffen werden. Die damaligen Erwartungen – im Jahr 1994 – an die Entwicklung des Landes müssen jedoch hinsichtlich der Bevölkerungs- und Einnahmenentwicklung deutlich korrigiert werden.

In der Zusammenschau aller Aspekte gibt es keine vernünftige Alternative zu einer umfassenden Funktional- und Kreisgebietsreform. Die Grundsätze und Leitlinien der Kreisgebietsneugliederung geben der Reform ein klares Leitbild vor. Die neu zu bildenden Landkreise wurden nach einer Vielzahl sachgerechter Kriterien abgegrenzt. Dazu zählen die Einwohnermindestgröße, die Bürgernähe und Problemnähe, die Flächengröße, raumordnerische, landesentwicklungspolitische, wirtschaftliche und infrastrukturelle Aspekte, das System der zentralen Orte, die Zusammenfassung von Landkreisen mit unterschiedlicher Finanz- und Leistungskraft, die Verkehrsanbindung, die landschaftliche und topografische Situation, kulturelle, historische und religiöse Bindungen und Beziehungen sowie die Berücksichtigung der StadtUmland-Verhältnisse.

Vor dem Hintergrund der angesprochenen Bestandsschutzinteressen der Landkreise sollen keine Kreisteilungen erfolgen und die neue Struktur soll jeweils auf dem Zusammenschluss kompletter Landkreise beruhen.

Ich bin überzeugt, dass es auch sonst keine fachlich zwingenden Gründe gibt, bestehende Kreise wieder aufzuteilen. Die durch die Staatsregierung vorgeschlagene und in der Ausschussberatung bestätigte Gebietskonfiguration wurde diesem Leitbild als Ergebnis der Diskussion vollumfänglich gerecht.

An dieser Stelle erlaube ich mir, auf Ihren Hinweis, Herr Zastrow, einzugehen, Döbeln und die Leipziger Tieflandbucht betreffend. Als ich zur Schule ging, gehörte der Döbelner Raum noch nicht zur Leipziger Tieflandbucht. Sie sind ja deutlich jünger. Vielleicht hat sich das inzwischen geändert. Zu meiner Zeit war das jedenfalls noch nicht der Fall.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Weil Sie keinen Dialekt sprechen!)

Forderungen nach der Bildung deutlich größerer Einheiten wurden bewusst nicht aufgegriffen. Kreiskommunale Verwaltungseinheiten einer solchen Größenordnung

gefährden die hinreichende Bürgernähe und flächendeckende Problemsicht der Verwaltung

(Unruhe im Saal – Glocke der Präsidentin)

und der kreiskommunalen Entscheidungsträger für das gesamte Gebiet.

Mit der Reduzierung von bisher 29 auf 13 leistungsstarke und europaweit konkurrenzfähige kreiskommunale Verwaltungseinheiten tun wir das Notwendige, handeln jedoch angemessen und maßvoll. Entsprechend den strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an Gebietsneugliederungsvorhaben hatten die Landkreise und kreisfreien Städte im Anschluss an die vorgeschlagene Findungsphase die Möglichkeit, zu dem Neugliederungsvorschlag in der Anhörungsphase vom Dezember 2006 bis März 2007 Stellung zu nehmen.

An dieser Stelle ein Wort, warum ich diese Findungsphase vorgeschaltet habe. Mit der Findungsphase wollte ich einen Vorschlag, der dem Leitbild entspricht, in die Diskussion bringen. Ich wollte eine Diskussion – sie hat ja auch stattgefunden – über diesen Vorschlag anregen. Von Anfang an habe ich gesagt, dass ich natürlich Gegenvorschläge erwarte. Aber bitte Gegenvorschläge, die sich für ein Gesamtkonzept im Lande eignen, und nicht Heraussuchen von Filetstücken und Entstehenlassen von irgendwelchen Mauerblümchen – das war meine Aussage vor der Findungsphase. So sind wir in die Findungsphase gegangen.

In der Anhörungsphase haben wir 242 Stellungnahmen von der kommunalen Seite gehört. Wir haben über 400 Bürgerschreiben und Unterschriftensammlungen zum gebietlichen Teil erhalten. Insgesamt wurde ein erhebliches Maß an Zustimmung erreicht. Die Staatsregierung hat die eingegangen Stellungnahmen in eine umfassende Abwägung einbezogen, die die Koalitionsfraktionen im Zuge der Beratung überprüft und der sie sich im Wesentlichen angeschlossen haben. Sachgerechte Anregungen wurden berücksichtigt und ein ausgewogenes Ergebnis erreicht.

Selbstverständlich konnte nicht allen lokalen, oft divergierenden Interessen Rechnung getragen werden. Oberste Priorität ist es, allen Teilräumen des Freistaates weitgehend einheitliche Entwicklungschancen einzuräumen und niemanden zurückzulassen. Die Entscheidungen für oder gegen eine bestimmte Fallkonstellation beruhen stets auf sachlichen und fachlichen Prüfungen. Selbstverständlich wurde die Erstellung des Neugliederungsvorschlages wie die gesamte Verwaltungsreform von Abstimmungen in den Fraktionen der Koalition begleitet. Das ist nicht nur legitim, sondern liegt gleichsam in der Natur einer Koalitionsregierung.

Festzuhalten bleibt: Die vorliegende Kreisneugliederung ist das Ergebnis einer auf der Grundlage entscheidungserheblicher Sachverhalte nach Abwägung aller Argumente und möglichen Alternativen getroffenen sachlich und fachlich fundierten Entscheidung.

Auf drei Punkte möchte ich besonders eingehen: Neugliederung im Leipziger Raum, Einkreisung von Plauen, Kreissitzfrage Borna – Grimma, Aue – Annaberg, Kamenz – Bautzen.

Zur Neugliederung im Leipziger Raum. Hauptmaßstab einer Neugliederung der Landkreise können nicht staatlich vorgegebene Strukturen wie Regierungspräsidien oder regionale Planungsverbände sein. Es geht um die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung durch die Kreisneubildung. Wägt man die diskutierten Varianten, zum Beispiel die Bildung eines Landkreises aus Torgau– Oschatz, Muldentalkreis und Döbeln oder Leipziger Land, Muldentalkreis und Döbeln gegen die jetzt gefundene Lösung ab, ist dieser hinsichtlich der arbeits- und sozialräumlichen Verflechtungen, möglichen Folgen für andere Landkreise sowie der landespolitischen Vorteile der Vorzug zu geben.

(Holger Zastrow, FDP: Glauben Sie!)

Zum Vogtländischen Weg. Er ist aus praktischen und rechtlichen Gründen abzulehnen. Niemand kann erklären, wieso die Schaffung einer neuen Abstimmungs- und Bürokratieebene aus Landkreis und kreisfreier Stadt effektiver sein soll als eine Politik aus einem Guss. Alle Modelle – dazu gehören auch die der Opposition –, die keine vollständige Übertragung der Kreisaufgaben auf einen der Partner vorsehen, sind weniger effektiv als eine einheitliche Struktur und damit keine gleichwertige Alternative zur Einkreisung. Wir nehmen das Demokratieprinzip sehr ernst. Es ist ein Verfassungsgebot.

Lassen Sie mich noch einmal auf die Varianten der Opposition zum Vogtländischen Weg zurückkommen. Der einfachste – ich hatte es gestern schon gesagt – ist der Vorschlag der FDP: Im Vogtland bleibt alles, wie es ist; wir reden später drüber.

Der Vorschlag von Herrn Lichdi ist für mich schwer umzusetzen. Zumindest kann ich mir mit seinem Vorschlag keine transparente Verwaltung vorstellen. Ich darf es an einem Beispiel erläutern, wie Herr Lichdi im Innenausschuss seinen Vogtländischen Weg realisiert wissen wollte. Nehmen wir einmal an, in einem Vermessungsamt, das als staatliche Aufgabe auf den Kreis übergeht, wird von einem Mitarbeiter eine Revisionsvermessung durchgeführt – ein häufiger Fall für die Aufgabe eines Vermessungsamtes auf der kreislichen Ebene. Handelt es sich um ein Grundstück, das einem Bürger aus dem Landkreis gehört, untersteht nach der Idee von Herrn Lichdi

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Nein!)

doch! – der Bedienstete dem Landrat und damit auch der Kontrolle durch den Kreistag.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Nein!)

Wird der gleiche Beamte nochmals bei einer Vermessung für ein Grundstück, das im städtischen Raum liegt, tätig, untersteht er dem Stadtrat und dem Oberbürgermeister.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Herr Lichdi, so hatten Sie uns Ihre Variante beschrieben. Sie können dies im stenografischen Protokoll so wiederfinden.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Lichdi, sehr gern. Da kann ich einen Schluck Wasser nehmen.

Herr Minister! Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass das, was Sie gerade dargestellt haben, mitnichten meine Rede war und auch nicht unserem Vorschlag entspricht, den ich übrigens im Auftrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebracht habe?

Mein Vorschlag basiert natürlich auf dem Territorium. Es kommt darauf an, für welches Territorium der jeweilige Bedienstete tätig wird.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Keine Frage!)

Ich hatte die Frage eingeleitet, Herr Kollege Hähle, mit: „Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen?“. Sind Sie vielleicht auch bereit, das im Interesse der Debatte zur Kenntnis zu nehmen?

Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Ihre Aussage sachlich nicht zutrifft und dass ich vielmehr gesagt habe, dass es darum geht, für welches Territorium der Bedienstete tätig wird, ob er einerseits für den Vogtlandkreis oder andererseits für die Stadt Plauen tätig wird?

Herr Lichdi, genau das habe ich gesagt. Sie werden es im Protokoll nachlesen können. Das Beispiel lautete: Der Vermesser ist für eine Revisionsvermessung eines Grundstückes, das im ländlichen Raum liegt, zuständig. Als nächste folgt eine Vermessungsaufgabe für ein Grundstück im städtischen Bereich. Genau das habe ich gesagt. Ich danke Ihnen noch einmal dafür, dass Sie das so dargestellt haben.

(Beifall bei der CDU)

Der Vorschlag von Herrn Dr. Friedrich war von hoher Ehrlichkeit im Ausschuss geprägt, da er selbst gleich den großen Nachteil zugegeben hat. Bei Herrn Dr. Friedrich wählen Kreisräte und Stadträte als Erstes für eine Verbandsversammlung die Mitglieder. Das war dann ihre eigentliche Aufgabe; denn alles andere, was künftig läuft, entscheiden diese Mitglieder der Verbandsversammlung.

Konsequenterweise müssten Sie eigentlich auch noch einen Vorsitzenden der Verbandsversammlung wählen, einen Quasi-Landrat Ihrer Konstruktion. Sie haben dies im Innenausschuss zugegeben. Diese Ihre Konstruktion hat den riesengroßen Nachteil, dass in der Tat das Demokratieprinzip schwer leidet, denn die gewählten Kreistagsmitglieder werden einmal so richtig aktiv, nämlich,

wenn sie die Mitglieder der Verbandsversammlung wählen. Alles andere machen sie dann nicht mehr.

Zu den Kreissitzen hat Herr Bandmann schon ausgeführt, dass es eigentlich logisch ist, dass nur eine Stadt den Kreissitz bekommen kann. Der Gesetzentwurf formuliert ein klares Leitbild, bei dem die Umsetzung der landesentwicklungspolitischen Zielvorgaben des Landesentwicklungsplanes im Mittelpunkt steht, nämlich Stärkung und Stabilisierung des Zentrale-Orte-Systems. Nur bei zentralörtlich gleich hoher Einstufung entscheiden die übrigen landesplanerischen, wirtschaftlichen und historischen Aspekte. Dieses Prinzip kam auch bei Aue, Kamenz und Grimma zur Anwendung. Kamenz und Aue haben im Vergleich zu Bautzen und Annaberg keine gleichwertige zentralörtliche Einstufung. Lieber Thomas Colditz, es tut mir leid, ich muss trotzdem Folgendes sagen: Wenn ein Städteverbund die Aufgabe eines Mittelzentrums ausführt, ist es in der Tat nachrangig einem Mittelzentrum, das ausschließlich von einer Stadt ausgeführt wird.

Borna und Grimma sind hinsichtlich der Wertung in der zentralörtlichen Einstufung gleichwertig. Insofern war hier die Abwägungsentscheidung knapper als in allen anderen Fällen. Aber Borna liegt im Raum mit besonderem handlungsplanerischem Handlungsbedarf und hat den größeren mittelzentralen Verflechtungsbereich zu versorgen. Der mittelzentrale Verflechtungsbereich von Borna bezieht sich auf 84 100 Einwohner und von Grimma auf 68 400 Einwohner. Aus diesem Grund wurde die Entscheidung zugunsten von Borna getroffen. Es liegt letzten Endes im Ermessen des Gesetzgebers, für welche Lösung er sich konkret entscheidet, solange er sich auf dem Boden der Leitbildgerechtigkeit bewegt. Das tut der Gesetzentwurf unzweifelhaft.

Herr Dr. Friedrich, Sie hatten heute Vormittag in Ihrem Beitrag davon gesprochen, dass Sie befürchten, dass dieses Gesetz beim Verfassungsgericht liegt. Ich habe mich etwas über die Formulierung gewundert. Befürchten Sie das wirklich oder sollte man dafür lieber ein anderes Verb suchen?