Protocol of the Session on December 20, 2007

und eine Krise des politischen Anstands in diesem Land.

(Beifall bei der FDP)

Denn wo sonst in Deutschland, meine Damen und Herren, ist es möglich, dass derartig dramatische Ereignisse in weiten Teilen am Parlament vorbei entschieden werden. So sieht Demokratie in meinem Grundverständnis jedenfalls nicht aus.

(Beifall bei der FDP)

Klar ist aber auch, dass die Staatsregierung es geschafft hat, diese demokratie-theoretischen Überlegungen ad absurdum zu führen. Denn wir alle stecken heute natürlich in dem Dilemma, das Kind jetzt wieder aus dem Brunnen holen zu müssen, in welchem es längst liegt.

Ich habe es schon am vergangenen Mittwoch an dieser Stelle gesagt: Für uns als FDP steht das Land an erster Stelle. Für uns geht es deshalb heute darum, einen noch größeren Schaden als den bereits entstandenen vom Land abzuwenden.

Egal, wie man das Abenteuer Sachsen LB insgesamt bewertet, und egal, wer wann welche persönlichen Konsequenzen aus diesem Desaster zu ziehen hat, das Verhandlungsergebnis, das der Finanzminister erreicht hat, ist immer noch besser als das, was sonst auf Sachsen zugekommen wäre.

Eine Bürgschaft in Höhe von 2,7 Milliarden Euro und das Nachschießen von 500 Millionen Euro sind immer noch besser als der totale Untergang der Bank.

Um es an dieser Stelle klar zu sagen: Diesen totalen Untergang der Sachsen LB hat die Staatsregierung schon provoziert, als sie sich in einem Anfall von Größenwahn Anfang der Neunzigerjahre an den Roulettetisch gesetzt und mit dem Geld der sächsischen Steuerzahler auf den Weltfinanzmärkten mitgezockt hat.

Das Verhandlungsergebnis des Finanzministers ist jetzt sicherlich alternativlos. Es hätte angesichts der durch die Politik der Sächsischen Staatsregierung verursachten katastrophalen Verhandlungsposition, die er in Stuttgart hatte, und des enormen Zeitdrucks, den wir alle in diesem Haus haben, wahrscheinlich nicht besser sein können. Deshalb bleibt uns heute hier im Parlament nichts anderes übrig, als den Sack endgültig zuzumachen. Die Aufgabe der Stunde ist es, das Verhandlungsergebnis jetzt ohne weiteren Zeitverlust zu ratifizieren, einen wahrscheinlich Milliarden teuren Befreiungsschlag zu vollziehen und die Sachsen LB in die hoffentlich kompetenteren Hände der Landesbank Baden-Württemberg zu übergeben.

Deshalb hilft uns heute leider auch die Debatte über einen eventuellen Nachtragshaushalt nicht wirklich weiter. Auch

wenn ich die Meinung meiner Kollegin Frau Hermenau teile und in einem Nachtragshaushalt die mit Abstand sauberste Lösung sehe – es ist heute Gefahr im Verzug. Wir müssen sofort handeln, wenn der Schaden für Land und Leute in Sachsen nicht noch viel größer werden soll. Dieser Handlungszwang rechtfertigt es für uns als FDP, mit dem gleichen schweren Herzen, wie es vorhin Martin Dulig für die SPD gesagt hat, auf haushaltstechnische Details und den aus unserer Sicht saubersten Weg ausnahmsweise zu verzichten.

Eines sollte für uns, vor allem aber für die Kollegen von CDU und SPD, klar sein, eines sollten wir auf jeden Fall aus dem Niedergang der Sachsen LB gelernt haben: nämlich, dass Vertrauen gut ist, Kontrolle aber immer besser.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Das war Lenin!)

Die Tatsache, dass sich die Staatsregierung mithilfe der Mehrheitsfraktionen und gegen die Mahnungen beispielsweise der FDP, aber auch aller anderen Oppositionsparteien in jedem Haushalt bisher gewaltige finanzpolitische Freiräume und gewaltige Ermächtigungen hineinschreiben ließ, war ein Fehler. Die Staatsregierung hat spätestens mit der Sachsen LB das Vertrauen dieses Parlaments gründlich missbraucht. Die Zeit der großzügigen Ermächtigungen muss in Sachsen ein für allemal vorbei sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Für die Entscheidung der FDP-Fraktion stellten sich zunächst heute nur zwei Fragen: Gab es im Morgengrauen des 13. Dezember eine Alternative zu der jetzt vorgelegten Vereinbarung? Wollen wir mit einer Ablehnung der von der Staatsregierung vorgeschlagenen Lösung das Signal aussenden, dass sich Sachsen an die Vereinbarung nicht mehr gebunden fühlt?

Für uns sind die Antworten klar. Für beide Fragen können sie nur „Nein“ heißen. Es gab zu dem Ergebnis vom 13. Dezember keine Alternative. Auch aus zeitlichen Gründen, um das Gesamtergebnis nicht zu gefährden, gibt es für uns zu dem Instrument einer Bürgschaft keine Alternative. Deswegen wird die FDP heute das Verhandlungsergebnis nicht ablehnen.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Damen und Herren der Staatsregierung, wagen Sie es nicht, sich jetzt als Retter der Sachsen LB aufzuspielen; denn Sie haben nichts gerettet! Sie haben die Sachsen LB Anfang der Neunzigerjahre – das wurde heute schon gesagt – gegen den Rat sehr vieler Experten gegründet. Sie haben die Sachsen LB im Jahr 2007 in Trümmer gelegt. Sie haben eine der größten Politikpleiten in der deutschen Geschichte auf dem Gewissen. Sie haben das Geld der sächsischen Steuerzahler in einer ungeahnten Größenordnung ebenfalls auf dem Gewissen. Sie haben dem Ansehen des Freistaates Sachsen nachhaltig Schaden zugefügt.

(Beifall bei der FDP)

Anstatt sich jetzt das Weihnachtsmannkostüm anzuziehen und sich darunter zu verstecken, sollten Sie endlich Reue zeigen und sich endlich schämen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Milbradt, der Retter ist da!)

Sachsen hat an Reputation verloren. Die Früchte von 17 Jahren Aufbauarbeit stehen, zumindest in Teilen, auf dem Spiel. Der Preis, den die Bürgerinnen und Bürger für die Spielsucht ihrer Staatsregierung bezahlen müssen, ist hoch. Sie bezahlen die Spielsucht und die Zockereien, und das, obwohl Sie sich Ende der letzten Woche hier im Sächsischen Landtag ganz klar gegen Glücksspiel ausgesprochen haben. Sie bezahlen die Zockerei der Staatsführung mit einem engen finanzpolitischen Korsett, dem sich Sachsen in den nächsten Jahren viel stärker als bisher unterordnen muss. Sie bezahlen es mit fehlenden Gestaltungsspielräumen und einem dicken Minus in Sachen Zukunftsvorsorge. Statt für künftige Generationen vorzusorgen, müssen wir heutige und künftige Steuermehreinnahmen als Vorsorge für das Fiasko um die Sachsen LB vorhalten. Und das, sehr geehrter Herr Hähle, in Replik auf Ihre letzte Rede vergangene Woche, sind keine Peanuts, sondern das ist sehr dramatisch.

(Beifall bei der FDP – Dr. Fritz Hähle, CDU: Habe ich nie gesagt!)

Sie haben vorhin vom Hochwasser gesprochen. Das nächste Hochwasser wird man sicher mit einer höheren Mauer, zumindest hier im Bereich des Landtages, verhindern können. Die Fehler, die Sie mit Ihrer Staatsregierung in Sachsen machen,

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Es ist auch Ihre!)

und die Verantwortung, die Sie als Mehrheitsfraktion in Sachsen zu tragen haben, kann man mit einer Mauer, egal wie hoch sie ist, überhaupt nicht mehr verdecken.

(Beifall bei der FDP – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hört, hört!)

Es ist schön, dass der Ministerpräsident das Desaster der Sachsen LB jetzt untersuchen lassen will. Ich frage mich allerdings, wieso sich das Ganze nur auf die wirtschaftlichen Folgen beschränken soll. Was herauskommt, weiß ich schon. Es wird sicherlich wieder von sogenannten Marktstörungen und davon, dass uns diese überrascht haben, gefaselt werden. Nein, um die wirtschaftlichen Folgen und vor allem um die wirtschaftlichen Gründe dafür geht es nicht. Es muss so langsam auch um die politische Verantwortung in diesem Land gehen.

Darüber möchte ich heute noch kein abschließendes Urteil sprechen. Ich möchte Ihnen aber einen Kompass mit auf den Weg geben für eventuelle Überlegungen, die in den Mehrheitsfraktionen, in der Staatsregierung angestellt werden. Dazu zitiere ich jemanden, der über die Verantwortung von Angestellten in unserem Land kürzlich etwas gesagt hat, nämlich den Chef der Gewerkschaft der Polizei, Matthias Kubitz. Er schilderte folgenden Fall:

Ein Polizist, der nach 16 Stunden Nachteinsatz sein Einsatzfahrzeug mit Benzin statt mit Diesel betankt hat, wurde vom Freistaat Sachsen wegen des nötigen Abpumpens des falschen Kraftstoffes im Umfang von ein paar hundert Euro in Haftung genommen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Tja, tja!)

Als Kompass vielleicht nur so viel: Bitte achten Sie darauf, dass das, was Sie von Ihren Angestellten und Beamten des Freistaates Sachsen fordern und erwarten, auch für Sie selbst gilt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion – Karl Nolle, SPD: Das war aber gemein!)

Gestatten Sie mir noch einen persönlichen Satz über meinen Parteifreund Ingolf Roßberg, und zu dem, was er gerade hier in Dresden durchmacht: Suspendiert wegen eines „überschaubaren Vergehens“,

(Oh-Rufe bei der SPD)

der am Ende, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ohne sich bereichert zu haben, während der Flut eine falsche Entscheidung getroffen hat

(Stefan Brangs, SPD: Jetzt wird es langsam eigenartig!)

und aufgrund dieser Entscheidung um alles, was er sich bisher erarbeitet hat, auch um jeden Pensionsanspruch, gebracht werden soll. Oder wenn ich mir den Fall Görlitz anschaue, was dort den ehrenamtlichen Aufsichtsratsmitgliedern wegen möglicherweise falscher Entscheidungen zur Deponie droht, muss ich ehrlich sagen, verstehe ich die Verhältnismäßigkeit in diesem Land beim besten Willen nicht mehr.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion)

Auch wenn die Staatsregierung um die politische Verantwortung noch herumredet, muss man aus dem Landesbankdesaster – ich hatte es schon vorige Woche angedeutet – sicher eine Konsequenz ziehen: Der Staat ist nicht der schlauere Unternehmer. Öffentliche Banken haben sich aus hoch riskanten Spekulationsgeschäften künftig herauszuhalten.

(Beifall bei der FDP)

Wir dürfen nie vergessen, dass die Sachsen LB nicht der erste Fall war, sondern es gab bereits die West LB, die sich in England verspekuliert hat. Es gab Berlin. Die Sachsen LB hat sich mit sehr eigenartigen Krediten an einkommensschwachen Häuslebauern in den USA verzockt.

Alles Dinge, für die die Landesbanken niemals mit dem Geld der Steuerzahler gegründet und gestützt worden sind. Weil sich das anscheinend in Deutschland überall immer wieder wiederholt, ist es für uns ganz wichtig, dass wir endlich wirkungsvolle Schranken gegen diese Betätigungen einziehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Das war es, was Herrn Biedenkopf – ich glaube, die Debatte so in Erinnerung zu haben – maßgeblich mit aus dem Amt getrieben hat. Herr Milbradt hat bereits Hunderte Millionen Euro verbrannt und verloren, und Milliarden könnten uns noch treffen. Ich glaube, ein gewisses Missverhältnis zwischen 66,00 Euro auf der einen Seite und Milliarden Euro auf der anderen Seite kann man nicht leugnen.

Zu diesem Thema passt vielleicht zum Abschluss auch ganz gut noch einmal ein Rückblick auf die Plenardebatte, die unsere Fraktion im Juli dieses Jahres hier im Parlament angestoßen hatte. Sie stand unter dem Thema „Umwandlung der Sachsen LB in eine Aktiengesellschaft“. Dort hatten wir gefordert, dass sich auch privates Kapital an der Landesbank beteiligen dürfen muss. In der Debatte am 4. Juli lehnte mein Kollege Matthias Rößler von der CDU-Fraktion dies mit der Bemerkung ab, dass man sich hier nach Sachsen keine Heuschrecken herholen wolle.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich weiß ja nicht, wie dann eine entsprechende Strafverdreifachung, -vervierfachung aussehen müsste, außer aus dem Amt zu gehen. Aber das kann ja die Union vielleicht noch in den nächsten Tagen entscheiden. Jedenfalls wird die Lage nicht besser, solange der Name Milbradt mit dem der Sachsen LB verbunden ist. Sie können doch nicht glauben, sobald Sie sie verkauft haben, wäre das nicht mehr existent, dann gäbe es diese Realitäten nicht mehr.

Ja, Herr Rößler, die denkbar größte Heuschrecke im Fall der Sachsen LB ist wahrscheinlich der Staat selbst. Er hat das Geld der Steuerzahler mit großem Appetit aufgefressen, und dafür tragen Sie, meine Damen und Herren der Mehrheitsfraktionen, gemeinsam die Verantwortung.

Vielen Dank.