Protocol of the Session on December 14, 2007

Von vielen Rednern wurde bereits die Studie der Internationalen Arbeitsorganisation angesprochen, wonach 246 Millionen Kinder Vollzeitarbeit leisten.

(Heinz Lehmann, CDU: Teilzeitparlamentarier! – Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Ich denke, das Thema ist zu wichtig, als dass Sie, Herr Lehmann und Herr Hähle, darüber Witze machen sollten.

(Beifall bei der FDP – Dr. Fritz Hähle, CDU: Das ziehe ich zurück!)

73 Millionen Kinder davon sind unter zehn Jahren. Das wollte ich betonen, weil Sie, Kollege Rasch, in Ihrem Redebeitrag darauf eingegangen sind, dass man das mit Kartoffelferien, Auszubildenden in Gaststätten oder künstlerischer Tätigkeit vergleichen könnte. Ich denke da an die Thomaner in Leipzig. Ich glaube, dieser Vergleich hinkt. Wir sollten nicht den Eindruck entstehen lassen – ich glaube, das wollten Sie auch nicht –, dass man das damit vergleichen könne, dass es 73 Millionen Kinder unter zehn Jahren gibt, die arbeiten.

Herr Morlok, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Rasch?

Könnte es sein, dass Ihnen entgangen ist, dass ich mit den Beispielen aus unserem Erfahrungshintergrund verdeutlichen wollte, wie schwierig Abgrenzungsprobleme in diesem Zusammenhang sind?

Es ist mir nicht entgangen, Kollege Rasch, dass Sie auf das Abgrenzungsproblem hinweisen wollten. Aber ich meine, wenn man über den wirklich bedrückenden Sachverhalt der Kinderarbeit spricht – das ist von meiner Vorrednerin bereits angesprochen worden –, dann sollte man sehr vorsichtig sein, dass nicht der Eindruck entsteht, man wolle irgendetwas vergleichen oder verharmlosen. Das unterstelle ich Ihnen bewusst nicht. Dieser Eindruck könnte beim Nachlesen des Protokolls aber entstehen.

Wir als FDP-Fraktion unterstützen daher Maßnahmen zur Eindämmung der Kinderarbeit. Wir unterstützen weitgehend den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wir unterstützen dies, obwohl wir in verschiedenen Punkten Bauchschmerzen haben. Auch darauf ist schon eingegangen worden.

Das Thema Zertifizierung ist kein Allheilmittel. Das wurde bereits kritisch angesprochen. Noch weit problematischer ist das Thema Selbstverpflichtungserklärung. Ich denke, Sie sind sich dessen bewusst, dass das eine Krücke ist, denn Papier ist geduldig. Man kann vieles darauf schreiben. Ob das Problem damit gelöst wird, wagen wir zu bezweifeln. Das würden wir hintanstellen und den Punkten Ihres Antrages zustimmen.

Nicht zustimmen können wir Ihrem Punkt 5. Für uns ist es problematisch, dies im Vergaberecht zu regeln. Zumindest ist uns nicht klar, wie Sie es regeln wollen, wie die Regeln aussehen sollen.

Weiterhin möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Ihr Antrag den Titel trägt „Vermeidung des Erwerbs von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit im öffentlichen Beschaffungswesen“. Mir ist in der Diskussion überhaupt nicht klar geworden, wie das Einführen von ökologischen Kriterien bei öffentlichen Ausschreibungen Kinderarbeit verhindern soll. Deshalb werden wir Ihren fünften Punkt ablehnen. Dem Antrag der Koalition werden wir zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke. – Das war die Runde der Fraktionen. Weiteren Aussprachebedarf sehe ich nicht. Frau Staatsministerin Dr. Stange, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich vertrete das SMWA; die Angelegenheit ist für mich eine Herzenssache und deshalb tue ich das gern.

Ausbeuterische Kinderarbeit heißt – insofern ist die Abgrenzung ziemlich klar – Beschäftigung von Kindern, die wie Sklaven gehalten werden, die unter gesundheitsschädlichen Umständen beschäftigt sind und – ich möchte ergänzen – die für das eigene Überleben und das Überleben ihrer Familie arbeiten müssen. Das ist eine sehr deutliche Abgrenzung, die auch die ILO vorgenommen hat, ausbeuterische Kinderarbeit betreffend. Kinderarbeit ist ein Verstoß gegen die Menschlichkeit – so könnte man es auch abgrenzen.

Ich begrüße daher, dass heute in diesem Hohen Hause ein Antrag debattiert wird, der vermeiden soll, dass öffentliche Auftraggeber im Endeffekt Nutznießer solch ausbeuterischer Kinderarbeit werden. Einerseits können wir nicht über die Aufnahme von Kinderrechten im Grundgesetz diskutieren – leider auch strittig – und andererseits deren schlimmen Verletzungen akzeptieren.

Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen hat gegenüber dem ursprünglichen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einige Vorteile. Er enthält nicht nur einen Appell, sondern einen klaren Umsetzungsauftrag, und er vermeidet Ausweitungen, die nichts mit dem konkreten Thema zu tun haben, wie sie hier in der Diskussion debattiert wurden.

Die Staatsregierung unterstützt daher den Antrag der Koalitionsfraktionen. Das SMWA sagt zu, eine Bestimmung bei der nächsten Änderung des sächsischen Vergaberechts aufzunehmen, die das Anliegen des Antrags aufgreift.

(Beifall des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Das SMWA wird ebenfalls im Rahmen der Diskussion über eine Neufassung des bundesweit geltenden Vergaberechts entsprechende Vorschläge von Sachsen aus machen. Ich hoffe dabei auf die Unterstützung der anderen Länder, denn wir haben gehört, dass andere Länder, deren

Parlamente auch dahinterstehen und Ähnliches beschlossen haben.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich danke der Regie des Hohen Hauses, dass wir als letzten Tagesordnungspunkt der letzten planmäßigen Sitzung vor Weihnachten ein Thema zu besprechen haben, das uns über Parteigrenzen hinweg, wie wir gerade gehört haben, ein gemeinsames Signal der Menschlichkeit setzen lassen kann.

Ich bitte daher auch um Unterstützung des Antrages der Koalitionsfraktionen. Lassen Sie mich eines ergänzen, was über den Antrag der Koalitionsfraktionen und den der GRÜNEN hinausgeht: Es ist nicht nur eine Angelegenheit, die wichtig genug ist, alles zu unternehmen, dass ausbeuterische Kinderarbeit nicht nur zu unserem Nutzen, also zum Nutzen der Menschen in einem hoch entwickelten Land, praktiziert wird, sondern es muss uns auch noch etwas anderes umtreiben.

Wir haben gehört, dass es eine sehr hohe Anzahl von Kindern ist, die – ich wiederhole das – nicht nur versklavt sind, sondern mit dieser Arbeit zum Überleben ihrer Familie und zu ihrem eigenen Überleben beitragen müssen. Das heißt im Gegenzug, mit dem Verbot und der Änderung im Vergaberecht in unserem Land muss etwas unternommen werden, damit diese Kinder und deren Familien eine Alternative haben, ihr Überleben zu sichern.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Insofern würde ich das Thema noch umfassender angehen, als wir es heute aufgrund der Rechte und Möglichkeiten, die der Landtag hat, zwangsläufig tun konnten. Aber wir sollten diesen zweiten Teil im Kopf behalten; denn diesen Kindern wird Bildung verwehrt, sie kommen aus diesem Kreislauf nicht heraus und ihnen wird ein geregeltes Leben vorenthalten. Wenn wir ihnen diese Grundlage zu Recht aus humanitären Gründen entziehen müssen, dann muss es eine andere Grundlage für sie geben, damit sie überleben können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Danke schön. – Erhebt sich Widerspruch, dass wir zum Schlusswort

kommen? – Nein. Herr Weichert für die Fraktion der GRÜNEN, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Staatsministerin! Dass der Antrag am Schluss der Debatte steht, liegt schlicht und einfach an der Größe unserer Fraktion. Wir sind immer die Letzten – was in diesem Fall unser PGF in Zusammenarbeit mit der Hausregie wunderbar hinbekommen hat.

(Heiterkeit im Saal – Dr. Fritz Hähle, CDU: Jetzt singen wir „Ihr Kinderlein kommet“!)

Lieber Kollege Rasch, ich kann versichern, dass zum Beispiel die Thomaner in Leipzig peinlichst genau geprüft und gecheckt werden, dass es niemals zum Vorwurf der Kinderarbeit kommt. Deshalb gibt es beispielsweise nur drei Mal das Weihnachtsoratorium, obwohl man es 20-mal verkaufen könnte. Darauf haben sehr viele Organisationen ihr Auge geworfen. Diese Gefahr braucht man nicht zu thematisieren; es gibt sie nicht.

Zum Thema Zertifikation: Es gibt überall schwarze Schafe – das ist völlig klar –, aber mit Zertifikaten ist es allemal besser als ohne. Deshalb ist das auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung.

Dem Änderungsantrag schließen wir uns an.

Frau Staatsministerin, natürlich sind wir auch bei Ihnen, wenn wir die nächsten Schritte in diese Richtung unternehmen und die ganze Sache noch umfassender angehen.

Eigentlich wollte ich jetzt ein schönes Weihnachtsfest wünschen, aber wir haben ja nächste Woche noch ein Paket auszupacken. Deshalb freue ich mich über die sich abzeichnende einstimmige Zustimmung und bedanke mich.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Danke schön. – Damit kommen wir zur Abstimmung. Wir haben es mehrfach gehört: Es gibt einen Änderungsantrag der Koalition, Drucksache 4/10699, der eine Neufassung darstellt. Wer dem Änderungsantrag folgt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Somit ein schöner Abschluss der Woche: Wir haben Einstimmigkeit hergestellt.

Erklärung zu Protokoll

Auch wenn wir diesen Antrag der GRÜNEN für relativ populistisch halten – wir werden natürlich zustimmen.

Kinderarbeit ist unsittlich und verbrecherisch, und wo man ihr das Wasser abgraben kann, sei es auf gesetzgeberischem Wege oder über die Mechanismen des Marktes,

da werden wir Nationale nicht abseits stehen, um solche Maßnahmen zu unterstützen.

Eine kritische Anmerkung kann ich den Damen und Herren Abgeordneten aber trotz der fortgeschrittenen Uhrzeit und in Anbetracht des bevorstehenden Weihnachtsfestes nicht ersparen: Vergessen wir doch bitte

nicht, dass es auch und gerade die Politik der weltweiten Liberalisierung, der offenen Grenzen und einer radikalen Marktglobalisierung ist, wie sie von Ihren Fraktionen auch hier im Sächsischen Landtag betrieben wird, die verbrecherischen Begleiterscheinungen wie der Kinderarbeit Tür und Tor öffnet.

Und insofern, meine Damen und Herren, sehen wir uns als NPD-Fraktion leider selbst bei einem Thema wie dem hier diskutierten in Ihrer Haltung bestätigt: offene Grenzen, ein weltweiter, grenzenloser, völlig liberalisierter Markt ist eben nichts Menschenfreundliches!

Je weniger Grenzen, Zollkontrollen, Passkontrollen usw. es auf diesem Planeten gibt, umso ungehinderter können dann eben auch Produkte aus Kinderarbeit weltweit florieren und sich ihre Abnehmer suchen.