Protocol of the Session on December 13, 2007

Es wird nicht mehr lange dauern, bis die nächste Katastrophe eingetreten ist, und dann wird es wieder hektische Treffen in der Staatskanzlei geben und zu Landtagssondersitzungen kommen. Aber auch dann werden wir keine Klarheit haben.

Mit der heute Nacht vereinbarten Bürgschaftslösung, meine Damen und Herren, setzt die Staatsregierung ihre vollkommen verantwortungslose Salamitaktik bei ihrer Informationspolitik über die Landesbank mit beeindruckender Konsequenz fort. Es begann vor drei Jahren, als die von der NPD-Fraktion aufgedeckten Unregelmäßigkeiten und Machenschaften bei der Sachsen-LB-Tochter Mitteldeutsche Leasing AG von Rednern der CDUFraktion hier ernsthaft als Politklamauk von Neonationalsozialisten verharmlost wurden, bis dann drei Monate später im April 2005 der Landesbank-Untersuchungsausschuss doch auf den Weg gebracht werden musste.

Die Desinformationsstrategie der Staatsregierung und der sie tragenden Fraktionen steigerte sich dann bis zum Finale des heutigen Tages, an dem eine Bürgschaft, deren astronomische Höhe der Freistaat gar nicht schultern kann, als grandioser Erfolg der Staatsregierung gefeiert wird.

Sicherlich war es tatsächlich die einzige Möglichkeit, den Vertrag mit der Landesbank Baden-Württemberg anzustreben, aber es stellt sich ernsthaft die Frage, wer hierfür die Verantwortung und wer hierfür einzig und allein die Schuld trägt.

Herr Milbradt, spielen Sie sich doch nur nicht wieder als Retter der Landesbank auf; denn vielmehr dürfte ab heute unzweifelhaft feststehen, dass mit Blick auf künftige Sparhaushalte unter der von Ihnen stets gerühmten schwarzen Null einzig und allein ein Synonym für den Ministerpräsidenten Milbradt zu verstehen ist!

Durch Ihr Verschulden, meine Damen und Herren, werden ausgeglichene Haushalte in der Zukunft nicht mehr vorgelegt werden, von der Schuldentilgung ganz zu schweigen. Sie versündigen sich an den nachfolgenden Generationen und nicht zuletzt auch an kommenden Regierungen, die für Ihre Politik die Verantwortung tragen müssen, während Sie bereits Ihre Rente genießen.

(Beifall bei der NPD)

Herr Ministerpräsident! Heute hören wir, dass der Verkaufspreis für die Sachsen LB nur noch bei 328 Millionen Euro liegt. Sie machten aber noch vor knapp vier Wochen Ihr Schicksal vom erfolgreichen Verkauf der Landesbank abhängig. Sie als Ministerpräsident sollten hier und heute erklären, ob der nun auf diese Art und Weise wieder zustande gekommene Verkauf für Sie wirklich ein Erfolg ist. Wenn nein, meine Damen und Herren, dann sollte der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen noch ein letztes Fünkchen an Anstand und Charakter haben und einen noch halbwegs würdevollen Abgang praktizieren; denn, meine Damen und Herren,

heute ist der Tag gekommen: Herr Ministerpräsident, Sie stehen vor dem Scherbenhaufen Ihrer desolaten Finanz- und Wirtschaftspolitik auf dem Rücken der Schwächsten unserer Gesellschaft. Treten Sie zurück!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD – Zurufe von der Linksfraktion)

Ich erteile der FDP-Fraktion das Wort, Herr Zastrow, bitte.

Das Interessante ist, Herr Hahn, Herr Porsch: An meine Darbietung erinnern Sie sich wenigstens noch.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das, was Sie, Herr Hahn, vor wenigen Minuten gesagt haben, habe ich jetzt schon wieder vergessen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss allerdings schon sagen, um auf die Zwischenrufe einzugehen: Unter Umständen kann man jetzt sehen, wie kurz eine Stunde der Patrioten real ist. Ein wenig schockiert bin ich nämlich schon. Jeden Morgen erlebt man hier eine neue Überraschung, jeden Morgen haben sich die Rahmenbedingungen verändert, jeden Morgen sitzt man hier und überlegt, was man Neues zu der ganzen Geschichte sagen könnte.

Meine Damen und Herren! Irgendwie gleicht oder hat die Arbeit dieses Parlamentes doch zunehmend etwas von Chaostagen. So kurz vor Weihnachten gestatten Sie mir bitte, ein Gesamtfazit zu ziehen. Man muss ehrlicherweise in Sachsen wahrscheinlich von einem Chaosjahr sprechen

(Sebastian Scheel, Linksfraktion: Es geht ja noch weiter!)

und leider von einem verlorenen Jahr für Sachsen, wenn ich mir die Arbeit der Koalition in den letzten zwölf Monaten so anschaue.

(Beifall bei der FDP – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Chaosregierung!)

Aber zur Sache. Mir fällt es tatsächlich schwer, diese 2,75 Milliarden Euro für eine gute Nachricht zu halten. Es ist keine gute Nachricht, es ist eine sehr traurige Nachricht. Es ist eine Nachricht, die uns einer Menge Zukunftschancen beraubt. Ich habe es gestern schon gesagt: Das ist eine Nachricht, die uns mit Sicherheit viele Gestaltungsspielräume, die wir uns für die nächsten Jahre ausgerechnet haben, nehmen wird.

Es ist aber auch eine Nachricht, die am Ende doch irgendwie etwas Gutes hat, wenn man daran denkt, dass alles hätte noch viel schlimmer kommen können. Das ist ein Widerspruch, das weiß ich, aber klar ist, dass ich dem Finanzminister und dem Ministerpräsidenten gratuliere, dass sie es geschafft haben und wir die Bank jetzt offensichtlich los sind. Und dass der Finanzminister es geschafft hat, dass es am Ende nicht zum Maximalcrash

gekommen ist. Denn wir alle wissen, dass das, was als Alternative zu diesen 2,75 Milliarden Euro stand, uns in Sachsen – so ehrlich müssen wir sein – vor noch größere Probleme gestellt hätte.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das Ergebnis ist wahrscheinlich das Beste, was man aus der Situation machen konnte. Es ist allerdings kein Grund, hier in irgendeiner Weise zu lächeln, zu lachen oder sich auf die Schultern zu klopfen. Wir alle wissen sehr genau, dass es dazu niemals hätte kommen dürfen und dass die Fehler, die bereits vor Jahren gemacht worden sind, hätten niemals gemacht werden dürfen.

(Beifall bei der FDP)

Ich will es einmal praktisch sagen: Mir wird schon ein wenig übel, wenn ich sehe, was man mit einem Bürgschaftsvolumen von beispielsweise 2,75 Milliarden Euro alles hätte machen können. Ich habe mir vorhin kurz angeschaut, was die Bürgschaftsbank Sachsen mit dem aus meiner Sicht sehr interessanten Wirtschaftsförderungsinstrument einer Bürgschaft so gemacht hat. Die Bürgschaftsbank Sachsen – nur einmal als Vergleich – hat zwischen 1990 und dem Jahr 2007 insgesamt Bürgschaftsgarantien in Höhe von 1,5 Milliarden Euro ausgegeben. Damit wurden 9 800 Vorhaben in Sachsen gefördert. Das waren oftmals mittelständische Unternehmen, die richtigerweise damit gefördert worden sind. Damit wurden Investitionen in Höhe von 5,2 Milliarden Euro ermöglicht und 155 000 Arbeitsplätze in Sachsen gefördert. Das alles ging mit einem Volumen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro.

Stellen Sie sich einmal vor, was man alles Sinnvolles mit 2,75 Milliarden Euro hätte machen können. Das wären beispielsweise Bürgschaften in Höhe von 100 000 Euro für 27 500 sächsische Unternehmen gewesen. Und was das für einen Impuls für den Arbeitsmarkt gegeben hätte! Das wäre gigantisch gewesen. Daran sieht man, dass diese 2,75 Milliarden Euro kein Pappenstil sind, sondern uns dieser notwendigen Gestaltungsspielräume berauben.

Die Auswirkungen werden wir alle, meine Damen und Herren, in den nächsten Jahren noch bitter zu spüren bekommen. Das hat Sachsen eigentlich nicht verdient.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion)

Der Steuerzahler wird für das Abenteuer Sachsen LB und – ich will es sehr deutlich sagen – für den politischen Größenwahn, den wir uns in Sachsen mit der Gründung der Sachsen LB geleistet haben, die Zeche zahlen.

Es wurde vorhin bereits von Herrn Jurk angesprochen: Wir müssen uns dringend über die Konsequenzen Gedanken machen. Ich will es deutlich sagen, dass ich Ihre Position, Herr Jurk, teile: Eine wichtige Konsequenz muss es schlichtweg sein – und das gilt nicht nur für Sachsen, sondern generell –: Öffentliche Banken haben sich von solchen Geschäften, von solchen risikohaltigen Geschäften in Zukunft generell zurückzuhalten. Das ist kein

Geschäft für die öffentliche Hand, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion)

Eines müssen wir feststellen: Das Kapitel Sachsen LB hat einen Platz im Geschichtsbuch der deutschen Politik sicher, und zwar als ein erschreckendes Beispiel für den besonders verantwortungslosen Umgang der öffentlichen Hand mit öffentlichen Mitteln, mit dem Geld des Steuerzahlers, und natürlich auch als ein Politskandal ersten Ranges. Ich will gar nicht mehr dazu sagen. Das heißt, ich hoffe – und die Worte von Herrn Jurk geben mir etwas Anlass dazu –, dass meine Hoffnung vielleicht auch berechtigt ist: Ich hoffe, dass die Mehrheitsfraktion in diesem Parlament und auch die Verantwortlichen selbst ganz genau wissen, was jetzt in diesem Land zu tun ist, meine Damen und Herren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile das Wort der Fraktion GRÜNE; Frau Hermenau, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Es ist eine ganz einfache Rechnung. Wir haben als Sachsen ungefähr 700 Millionen Euro in die Sachsen LB hineingesteckt, wir haben 328 Millionen Euro jetzt dafür als Kaufpreis, wir haben rund 100 Millionen Euro mit der Sachsen LB Gewinn gemacht, und wir haben eine Bürgschaft an der Hacke von 2 750 Millionen Euro. Das macht auf der Habenseite 428 Millionen Euro und auf der Sollseite 3 450 Millionen Euro. Damit liegt die Realität im Milliardenbereich und die Theorie des Finanzprofessors im Millionenbereich – nur um einmal deutlich zu machen, worüber wir sprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Es soll doch hier keiner sitzen und denken, dass sich der Markt wieder erholen wird! Wer glaubt das denn? Die Bürgschaft wird fällig werden und das vor dem Hintergrund, dass die Solidarpaktmittel vereinbarungsgemäß heruntergehen und wir weniger Geld aus dem Länderfinanzausgleich erhalten, weil wir immer weniger Sachsen werden. Das heißt, die Haushaltslage im nächsten Jahr in Sachsen wird eh nicht besser, und das kommt jetzt noch oben drauf. Überlegen Sie sich das ganz genau, was Sie hier veranstalten!

Die Reihenfolge der Haftungsträger bei der Fälligkeit der Bürgschaft ist mir nicht klar, das wurde nicht gesagt, das haben auch Sie nicht erwähnt. Vielleicht geht es ja anteilig mit anderen unter dem Schirm. Aber nach dem Getöse, das die Baden-Württemberger in den letzten 48 Stunden veranstaltet haben, muss ich natürlich vermuten, dass die Sachsen die Ersten sind, deren Bürgschaft gezogen wird, wenn die tatsächlichen Verluste eintreffen. Das ist keine theoretische Bürgschaft, denken Sie das bloß nicht! Das Geld wird fließen müssen.

Sparkassen und Landesbanken kämpfen – deswegen gibt es auch diese gemeinsame Vereinbarung von heute Nacht am Finanzplatz Frankfurt – um ihr Geschäftsmodell und damit um ihre eigentliche Existenz. Auch das ist ein Indiz dafür, dass die Krise weitergeht. Die Krise geht auch deswegen weiter, weil Präsident Bush in der letzten Woche die Hypothekenraten für fünf Jahre eingefroren hat. Der Markt ist praktisch tot. Es geht auch deswegen weiter, weil zum Beispiel Sachsen Funding, eine dieser Zweckgesellschaften, ihr Geschäft zu 98 % in den USA gemacht hat und dabei zu 100 % nur mit Immobilien, die alle faul sind. Da muss es doch klar sein, dass Sachsen Funding als Zweckgesellschaft der erste Bürgschaftsfall ist, der eintritt. Wir sehen uns alle 2008 zu diesem Thema wieder, das garantiere ich Ihnen.

Herr Milbradt, Sie haben ja wieder den Manager des Augenblicks hinbekommen. Die Dauerkrise ist geblieben, die bleibt uns auch weiter erhalten. Wir bekommen zweimal im Jahr einen Adrenalinschub, weil dann diese Manager-Augenblicke passieren, in denen Sie gut sind, und die anderen 363 Tage im Jahr leben wir in einer Dauerkrise.

Der Investitionsstandort Sachsen hat richtig Schaden genommen, jetzt schon. Das ist gar nicht mehr zu heilen. Der Bürgschaftsrahmen von Sachsen ist erschöpft mit dem, was Sie nach Hause gebracht haben. Herr Zastrow hatte schon Andeutungen gemacht. Es wird null übrig sein für Bürgschaften für die Wirtschaft – ganz großes Kino für eine Fraktion wie die CDU, die damit tröstet, sie wüsste, was in der Wirtschaft passiert.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die Bürgschaft ist ein Instrument für Wirtschaftsförderung. Die Bürgschaften 2006 haben zum Beispiel dabei geholfen, Investitionen von 350 Millionen Euro umzusetzen, Kreditverbürgungen von 220 Millionen Euro umzusetzen. Es wurden 150 neue Arbeitsplätze geschaffen und 1 700 Arbeitsplätze erhalten. Das konnten wir mit Bürgschaftsgeld machen, das da war. Wir haben aber, wie gesagt, keins. Das ist der Punkt. Keine anderen Bürgschaften sind mehr möglich. Mit einem Nachtragshaushalt könnten Sie den Bürgschaftsrahmen erweitern und die Wirtschaftsförderung fortsetzen. Das könnten Sie, wenn Sie einen Nachtragshaushalt machen wollten.

Nun hat Ihnen ja der MP gesagt, Sie sollen keinen Nachtragshaushalt machen, er möchte gern zwei Tranchen ziehen. Für 2007 gibt es nicht mehr viel zu ziehen. Im Jahr 2007 sind die Bürgschaften im Großen und Ganzen erschöpft. Wir haben Dezember, rechnen Sie doch einmal nach. Das ist erledigt. Für 2008 liegt der Bürgschaftsrahmen bei 1,7 Milliarden Euro, wenn man ganz nobel interpretiert, vielleicht bei 2 Milliarden Euro, aber mehr nicht. Was heißt das denn? Das heißt, dass wir hier einmal zur politischen Verantwortung kommen müssen in diesem Landtag und nicht zur Lobhudelei eines Managers des Augenblicks, der Ihnen eine Dauerkrise beschert, die Sie im nächsten Jahr werden aussitzen und ausschwitzen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

§ 12 im Haushaltsgesetz 2007/2008, das Sie verabschiedet haben, ermächtigt das Ministerium, mithilfe des Haushaltsausschusses maximal 2 Milliarden Euro zu ziehen. Der Finanzminister selbst darf nur 50 Millionen Euro nehmen. Das ist ja auch begrenzt, und das ist richtig so, und das bleibt auch so. Aber, wie gesagt, der Bürgschaftsrahmen 2007 ist im Prinzip erschöpft, und der für 2008 ist begrenzt. Sie können keine zwei Tranchen machen, Herr Ministerpräsident. Wenn Sie sich das bieten lassen, machen Sie sich daran mitschuldig. Wo wird das Geld denn dann eingespart werden? Wo wird es denn hergenommen und so weiter? Haben Sie das geklärt? Ist Ihnen das bewusst? Ich kann Ihnen da nur sagen, machen wir jetzt einmal kurz diesen kleinen Sturz hier. Der Ministerpräsident stand hier und sagte, er ist verantwortlich, die Fakten müssen auf den Tisch! Da brauchen wir gar nicht bis in das nächste Jahr zu warten, die Fakten liegen ja auf dem Tisch.

Im Jahr 2005 hatte ich hier in diesem Landtag beantragt, dass wir einen Unterausschuss zum Haushaltsausschuss bilden, der das Geschäftsmodell der Sachsen LB kritisch überprüft. Es gab dann zwei, drei Sitzungen, in denen wir etwas über den Urschleim des Bankenwesens erfahren haben. Aber lassen wir das einmal ad acta. Es wurde im Haushaltsausschuss von der Sachsen LB und der Staatsregierung deutlich gemacht, dass man die riskanten Geschäfte abbauen will. Man wollte die Risikogeschäfte zurückfahren.