Protocol of the Session on December 12, 2007

Dennoch muss die Debatte sein und wir sind dankbar, dass wir sie führen können, weil sie zwingend notwendig ist.

Ich denke, allein der Umstand, dass sich die Staatsregierung ursprünglich nicht einmal traute, eine förmliche Regierungserklärung abzugeben, sondern auf eine ebenso unverbindliche wie folgenlose Erklärung außerhalb der Tagesordnung ausweichen wollte, zeigt, dass das Kabinett unter Georg Milbradt, dass die Koalition von CDU und SPD am Ende ist.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Dass es nun doch wenigstens eine Fachregierungserklärung gibt, ist gut – unser politischer Druck war hier erfolgreich. Aber zur Sache haben wir nicht wirklich etwas gehört, wie ich eben schon ausführte.

Dass sich allerdings der Ministerpräsident zum wiederholten Male verweigert, selbst gegenüber dem Parlament Stellung zu nehmen und erneut seinen Finanzminister vorschickt, ist aus Sicht der Linksfraktion Beleg dafür, dass er schon längst nicht mehr Herr im eigenen Laden ist. Georg Milbradt ist bestenfalls noch ein Regierungschef auf Abruf.

(Beifall bei der Linksfraktion, der NPD und den GRÜNEN)

Dennoch, Herr Milbradt, erwarte ich, erwarten wir und erwartet sicherlich nicht nur meine Fraktion, dass Sie heute persönlich hier in die Debatte eingreifen und sich dem Landtag stellen. Das ist Ihre verdammte Verantwortung.

(Beifall bei der Linksfraktion, der NPD, der FDP und den GRÜNEN)

Hinzu kommt ein anderer Punkt, der absolut kritikwürdig ist und den ich auch ansprechen möchte. Dass die Mitglieder dieses Hauses, dass die gewählten Volksvertreter vom aktuellen Stand der Verhandlungen der Landesbank Baden-Württemberg aus der täglichen Berichterstattung in Presse, Funk und Fernsehen weit mehr erfahren als in den dafür zuständigen Gremien – daran hat auch der heutige nebulöse Bericht des Finanzministers nichts geändert –, ist ein absolut unhaltbarer Zustand und zeigt, wie weit die politische Kultur in diesem Land nach inzwischen 17 Jahren CDU-Herrschaft auf den Hund gekommen ist.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Da es bezüglich der Folgen des Notverkaufs der Sächsischen Landesbank an Fakten und in der Sache heute nicht sehr viel Neues zu hören gab, müssen wir uns auf die Dinge beschränken, die als halbwegs gesichert gelten können. Danach ist völlig klar, dass die Sachsen LB nicht deshalb zugrunde gegangen ist, weil irgendwelche unvorhersehbaren schicksalhaften Entwicklungen am amerikanischen Immobilienmarkt unsere gute, solide Finanzpolitik torpediert hätten,

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

sondern weil sich die kleinste deutsche Landesbank mit hochspekulativen Geldanlagen weit über dem vorhandenem Eigenkapital völlig übernommen hat – und dies nicht etwa durch die Eigenmächtigkeit einiger wild gewordener Manager, sondern aufgrund eindeutiger politischer Vorgaben der Sächsischen Staatsregierung, namentlich durch den damaligen Finanzminister und heutigen Ministerpräsidenten Georg Milbradt.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion – Caren Lay, Linksfraktion: So ist es! – Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Diese Vorgaben, meine Damen und Herren, wurden im Übrigen durch seinen als Nachfolger gehandelten, jetzigen Kanzleramtsminister de Maiziere exekutiert. Angesichts dessen wünsche ich der CDU schon heute sehr viel Freude bei der Suche nach einem neuen Ministerpräsidenten.

(Beifall bei der Linksfraktion und der NPD)

Vor wenigen Tagen bezeichnete die „Leipziger Volkszeitung“ den Dezember 2007 als Milbradts Schicksalsmonat. Diese Bewertung ist wohl mehr als zutreffend. Dennoch will ich für meine Fraktion noch einmal feststellen: Am Ende geht es nicht in erster Linie um das Schicksal des Ministerpräsidenten, sondern es geht um die Haushaltsmittel des Freistaates Sachsen, um die Steuergelder der Bürgerinnen und Bürger, und es geht letztlich um die finanzielle und damit politische Handlungsfähigkeit des Freistaates Sachsen in den kommenden Jahren.

Ich erinnere mich noch gut – ich denke, alle anderen tun dies auch – an die dramatischen Tage im August, als uns fast täglich Hiobsbotschaften zur Landesbank erreichten, an deren Ende ein vom Kabinett am Parlament vorbei erfolgter Notverkauf der Sachsen LB stand. Der damalige Finanzminister Horst Metz bewies im Gegensatz zu seinem Regierungschef zumindest dadurch Größe, dass er die politische Verantwortung übernahm und von seinem Amt zurücktrat.

(Ministerpräsident Dr. Georg Milbradt verlässt den Saal. – Zurufe der Abg. Klaus Bartl und Dr. Volker Külow, Linksfraktion)

Ich finde es schon bezeichnend, dass sich der Ministerpräsident nicht einmal dieser Debatte stellt und nicht mehr anwesend ist. Ich finde das einfach unverschämt, Herr Milbradt.

(Zurufe von der Linksfraktion – Beifall bei der Linksfraktion, der NPD, der FDP und den GRÜNEN)

Horst Metz hat Konsequenzen gezogen. Georg Milbradt dagegen sah damals wie heute offenbar keinen Anlass dazu. Auch das dürfte wohl deutschlandweit ein einmaliger Vorgang sein.

Ich bleibe bei meiner Einschätzung: In jedem anderen Bundesland wäre eine Regierung, die für ein derartiges

finanzielles Desaster verantwortlich ist, schon längst nicht mehr im Amt.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja natürlich!

Herr Bartl, bitte.

Kollege Dr. Hahn, geben Sie mir recht, dass es eine ungeheuerliche Brüskierung des Parlamentes durch den Ministerpräsidenten ist, wenn er bei einer derartigen Fachregierungserklärung und einer so komplizierten Angelegenheit für den Freistaat Sachsen und seine Bürgerinnen und Bürger den Saal verlässt und nicht an der Debatte teilnimmt?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Er ist zurückgetreten!)

Herr Kollege Bartl, erstens gebe ich Ihnen natürlich recht. Es gäbe nur einen Grund, der das entschuldigen könnte, und zwar wenn er jetzt draußen seine Rücktrittserklärung unterzeichnet.

(Beifall bei der Linksfraktion, der NPD und den GRÜNEN)

Ich möchte auf den August zurückkommen. Damals erlebten wir nach dem Deal mit der BadenWürttembergischen Landesbank einen Ministerpräsidenten, der sich selbst als Retter feierte. Er, so Georg Milbradt zu den Rücktrittsforderungen aus der Opposition, habe dafür Sorge getragen, dass dem Land kein Schaden oder zumindest kein weiterer Schaden entstehe. Er habe die Bank gerettet und Retter schicke man doch nicht in die Wüste.

Ich habe schon damals gesagt und ich wiederhole es heute: Wer so argumentiert, leidet offenkundig unter völligem Realitätsverlust; denn heute besteht kein Zweifel mehr daran, dass dem sächsischen Steuerzahler wegen politischer Fehlentscheidungen Mehrbelastungen, vermutlich in Milliardenhöhe, drohen.

Damit bin ich bei den aktuellen Entwicklungen, auf die ich jedoch nicht eingehen kann, ohne darauf hinzuweisen, dass wir über Monate hinweg immer wieder gefordert haben, dass die Regierung endlich die Karten auf den Tisch legen solle. Dieser Forderung hat sich dankenswerterweise inzwischen auch der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Matthias Rößler, angeschlossen, als er in der „LVZ“ wie folgt klagte – ich zitiere: „Warum wird beim Thema Sachsen LB nicht offen geklärt, wie viel das Bankabenteuer den Steuerzahler letztlich kosten kann?“

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Mich wird ja niemand als Fan von Herrn Rößler verdächtigen, aber ich komme nicht umhin festzustellen: Hier hat

er einfach recht. – Dennoch mauert die Regierung weiter bis zum heutigen Tag.

Wir als Linksfraktion wollten und wollen wissen, welche Risiken im Extremfall, im sogenannten worst case, auf die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen zukommen. Wir haben bis heute keine Antwort. Inzwischen steht bezüglich der hochspekulativen Anlagen außerhalb der Bilanz – auch das sei noch einmal betont – bei der Sachsen LB unwidersprochen die Summe von 43 Milliarden Euro im Raum, ein gerade aberwitziger Betrag. Geht man von absehbaren Verlusten in Höhe von 10 % aus, wie es offenbar die Vertreter der Baden-Württembergischen Landesbank tun, kämen auf den Freistaat Sachsen Belastungen, also Kosten, von mehr als 4 Milliarden Euro zu. Lägen die Verluste bei 20 %, was viele Experten durchaus für wahrscheinlich halten, wären für uns sogar circa 8 Milliarden Euro fällig, also formal mehr als der halbe Landeshaushalt. Wir alle wissen, dass die wirklich frei verfügbaren Mittel bekanntlich noch weitaus geringer sind.

Kein Land in der Bundesrepublik, schon gar nicht im Osten, kann derartige Ausfälle verkraften, ohne dass es zu erheblichen sozialen Verwerfungen käme. Es wird auch nicht ohne neue Schulden gehen. Meine Damen und Herren von der CDU! Wie war das noch mit dem Neuverschuldungsverbot in der Verfassung?

(Andrea Roth, Linksfraktion: Da kann man ja nur lachen! – Weitere Zurufe von der Linksfraktion)

Wir von der Opposition haben praktisch keine Kenntnis über den tatsächlichen Verhandlungsstand mit den Vertretern von Baden-Württemberg. Wir haben dazu auch heute nicht wirklich etwas gehört. Auch die Öffentlichkeit ist auf Mutmaßungen angewiesen. Ich sage es noch einmal: Ein solcher Zustand ist unhaltbar.

Natürlich muss es das Anliegen aller Abgeordneten sein, egal ob aus dem Lager der Regierung oder der Opposition, die Folgekosten politischer Fehlentscheidungen der CDU so gering wie möglich zu halten.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Auch DIE LINKE, Herr Kollege Hähle, will den ohnehin eingetretenen Schaden nicht vermehren, sondern möglichst minimieren.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Aber dazu muss die Regierung endlich alle Karten auf den Tisch legen.

(Beifall bei der Linksfraktion – Zurufe der Abg. Dr. Fritz Hähle und Heinz Lehmann, CDU – Volker Bandmann, CDU: Das wäre nicht das erste Mal!)

Davon kann bisher jedoch keine Rede sein. Ich will nicht missverstanden werden: Auch nach dem gestrigen Gespräch in der Staatskanzlei gab es keine in der Sache neuen Erkenntnisse. Es ist durchaus vernünftig und ein

Ausdruck von politischer Kultur, dass bei wichtigen Entscheidungen auch die parlamentarische Opposition in die Meinungsbildung einbezogen wird, denn auch die Opposition hat ein großes Interesse an der Entwicklung in Sachsen. Aber das darf natürlich nicht zur Verschleierung von Verantwortlichkeiten führen. Wir als Linksfraktion sind selbstverständlich bereit, unseren Beitrag zu leisten, finanzielle Schäden vom Land abzuwenden oder wenigstens zu begrenzen. Wir sind und bleiben aber nicht bereit, uns für politisches Versagen der noch amtierenden Regierung in Mithaftung nehmen zu lassen.

(Beifall bei der Linksfraktion)